Die Kunst des stilvollen Verarmens (eBook)

Wie man ohne Geld reich wird
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2009 | 1. Auflage
240 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-10111-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kunst des stilvollen Verarmens -  Alexander Graf von Schönburg
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«Die fetten Jahre sind endgültig vorbei. Doch statt hämisch über die Reichen zu lächeln, denen es nun an den Kragen geht, sollte uns klar sein, dass die Auswirkungen auf uns, die Mittelklasse, ebenfalls nicht sehr erquickend sind. Was ist denn, wenn wir unser Grundrecht auf Flachbildschirme, Zweitwagen und Thailand-Urlaube einbüßen? Muss das so schlimm sein? Besinnen wir uns doch mal auf die erfreulichen Seiten der Krise.» Alexander Graf von Schönburg weiß, wovon er spricht, denn er entstammt einer Familie, die rund 500 Jahre Erfahrung im sozialen Abstieg hat. Er zeigt, dass man für Kleidung, Reisen, Wohnung, Auto keine Unsummen ausgeben muss, kurz, wie man Lebensqualität gewinnt, indem man Prioritäten setzt. Der wahre Luxus bedeutet eben nicht, Dinge zu haben, sondern auf sie verzichten zu können. Ein ebenso intelligentes wie unterhaltsames Manifest gegen den Konsumwahn - und für ein glücklicheres Leben.

Alexander von Schönburg, Jahrgang 1969, war u. a. Redakteur der «FAZ» und Chefredakteur von «Park Avenue», seit 2009 ist er Mitglied der «Bild»-Chefredaktion. Seine Bücher «Die Kunst des stilvollen Verarmens» (2005), «Das Lexikon der überflüssigen Dinge» (2006), «Alles, was Sie schon immer über Könige wissen wollten, aber nie zu fragen wagten» (2008) und «Smalltalk» (2015) waren Bestseller. Alexander von Schönburg lebt mit seiner Familie in Berlin.

Alexander von Schönburg, Jahrgang 1969, war u. a. Redakteur der «FAZ» und Chefredakteur von «Park Avenue», seit 2009 ist er Mitglied der «Bild»-Chefredaktion. Seine Bücher «Die Kunst des stilvollen Verarmens» (2005), «Das Lexikon der überflüssigen Dinge» (2006), «Alles, was Sie schon immer über Könige wissen wollten, aber nie zu fragen wagten» (2008) und «Smalltalk» (2015) waren Bestseller. Alexander von Schönburg lebt mit seiner Familie in Berlin.

Teil I


 

«Es ist besser, man gewöhnt sich im Leben an den Verlust. Man erspart sich viel Traurigkeit.»

HELMUT BERGER

Die Ausgangslage


Über die Notwendigkeit des Sparens

Vor fast genau zehn Jahren saßen Christian Kracht, Benjamin von Stuckrad-Barre, Eckhart Nickel, Joachim Bessing und ich in einer dieser nicht sehr geschmackvollen, dafür aber umso teureren Suiten des Hotels Adlon fest. Wir hatten uns dort für die Dauer eines Wochenendes verbarrikadiert, um in einem Anflug von Übermut die Lage «unserer Generation» zu sezieren. Wir hatten viel Spaß dabei. Wenn Benjamin zum Beispiel nach Kaffee war, rief er beim Zimmerservice an und sagte: «Meine Generation hätte gern eine Tasse Kaffee.»

Joachim Bessing hatte es tapfer auf sich genommen, unser Geschwafel auf Tonband aufzunehmen und später als Buch herauszubringen, unter dem recht reizvollen Titel «Tristesse Royale». Die Reaktionen waren gemischt. Die einen bezeichneten uns als blasierte A … löcher, andere wollten uns öffentlich auspeitschen lassen; ein ehemaliges FDJ-Blatt meinte, es werde der Tag kommen, an dem man unsere Köpfe aufgespießt durch Berlin tragen werde. Dabei hatten wir lediglich ein paar Dinge beim Namen genannt, die uns offensichtlich erschienen, zum Beispiel den Umstand, dass wir einer von den Zeitläuften verwöhnten Generation angehören, die echte Spannung nur im Fernsehen und Kino erlebt hat, sich inmitten der Medienverwahrlosung sehnsüchtig nach Authentizität sehnt und sich fragt, wie es sich eigentlich anfühlen würde, Ereignisse von epochaler Bedeutung zu durchleben, die unsereins nur aus Büchern kennt.

Nun. Jetzt haben wir’s! Wir schlittern nicht nur in eine ausgewachsene Weltwirtschaftskrise und werden Zeugen des Abstiegs der Vereinigten Staaten von Amerika als weltbestimmender Macht – die ganze Grundannahme, auf der unsere marktwirtschaftliche Ideologie aufgebaut war, das «Wohlstand für alle»-Versprechen geht derzeit den Bach hinunter. Damit ist, nach dem Sozialismus, auch die soziale Marktwirtschaft als Utopie kollabiert. Die meisten Experten, leider auch die seriösen, sind der Ansicht, dass der gegenwärtige Rückgang der Wirtschaftstätigkeit nicht ein vorübergehender Schnupfen ist, sondern dass es eine Erholung, wie sie sie aus vergangenen Aufschwung-und-Abschwungs-Zyklen gewohnt waren, diesmal nicht geben wird. Die fetten Jahre sind endgültig vorbei.

Die Staatsmänner und Notenbankchefs haben einen Großteil des Herbstes 2008 damit verbracht, in nächtelangen Sitzungen «Lösungen» für die Finanzmarktkrise zu erarbeiten und die Rezession aufzuhalten. Das klitzekleine Problem: Rezessionen lassen sich nicht aufhalten. Genauso gut könnte man versuchen, die Globalisierung aufzuhalten. Oder den Winter. Manche Ökonomen behaupten sogar, es sei schädlich, das überhaupt zu versuchen. Rezessionen hätten «kathartische» Wirkung, bereinigten den Markt von überhöhten Preisen und zwängen zum Abbau von Schulden. In Ermangelung wirklich handfester Mittel, um die Krise in den Griff zu bekommen, senken die Politiker und Staatsbänker dann die Leitzinsen, um den Konsum anzukurbeln – als hätte es an zu teuren Krediten und mangelndem Konsum gelegen, dass wir in die Krise geraten sind.

An dem Tag, an dem das letzte Ölfass geöffnet wird, kollabiert der Kapitalismus, sagte Max Weber in seinem berühmten Gespräch mit Werner Sombart. Wir werden diesen Tag, wie es aussieht, bald erleben. Colin Campbell, die weltweit größte Autorität bei der Bewertung von Ölvorkommen, sagt den legendären «Peak», also den Moment, ab dem die Weltwirtschaft sozusagen auf Reserve läuft, für das Jahr 2010 voraus. Und auch der Reservetank wird nicht ewig Nachschub liefern. Was ist, wenn die Chinesen und die Inder einen ähnlichen Energieverbrauch wie wir Europäer erreichen? In China leben 1,4 Milliarden Menschen. Was ist, wenn dort irgendwann eine ähnliche Autodichte herrscht wie in Europa?

Ein mir bekannter Banker sagte mir neulich allen Ernstes, er rate mir, sofern ich denn Geld auf der Bank hätte, dieses abzuheben und «in Sachwerte» zu stecken. Glücklicherweise laviert mein Konto seit jeher (und zwar unabhängig von meiner Einkommenssituation) um die Plus-minus-null-Marke. Ich gehöre also nicht wirklich zur Kerngruppe jener, die angesichts schmelzender Portfolios schlaflose Nächte verbringen. Überhaupt befinde ich mich in der verhältnismäßig komfortablen Situation, diese Zeilen in Berlin zu Papier bringen zu dürfen, einer Stadt, in der es so gut wie keine Banken gibt (große Banken unterhalten hier allenfalls Büros zu Repräsentationszwecken), in der es keine nennenswerte Industrie gibt (bis auf öffentliche Toiletten und Antibabypillen, die von hier aus in alle Welt exportiert werden), in der die Menschen weitestgehend durch den Staat direkt finanziert werden.

Berlin ist die einzige Großstadt Europas, in der man nie eilige Menschen sieht, in der die Grundstimmung gleichgültig bis phlegmatisch ist und in der man verächtlich angesehen wird, wenn man es wagt, auf einer Rolltreppe nicht stumpf stehen zu bleiben, sondern sich zaghaft an den Wartenden vorbeizudrängeln versucht. So einer Stadt können Wirtschaftskrisen nichts anhaben. (Im Gegensatz zu London zum Beispiel, wo derzeit «Apocalypse Now» angesagt ist, weil ein Drittel der Wirtschaftskraft der Stadt direkt vom Finanzsektor abhängt.) Jahrelang standen wir in Deutschland neben den smarten Engländern wie Deppen da, die zu blöd sind, aus Hühnerkacke Hühnchensalat zu machen. Plötzlich gelten wir mit unserer Sparkassen-Mentalität als das noch stabilste Land Europas.

Als ich das letzte Mal in London war, besuchte ich einen alten Schulfreund von mir, Kevin. Er hatte (bis neulich) einen ziemlich beneidenswerten Job: persönlicher Sekretär und «Lifestyle»-Manager eines isländischen Milliardärs. Zu seinen Pflichten gehörte es zum Beispiel, im vergangenen Jahr eine Art überdimensionales Erntedankfest zu organisieren, mit dem sein Boss die überbordenden Gewinne des zurückliegenden Geschäftsjahres zelebrierte. Er mietete sich kurzerhand eine Insel in der Karibik, ließ in gecharterten Jets aus aller Welt Freunde und – für die musikalische Untermalung – ein paar Popbands einfliegen (allesamt in der Kategorie «Kulturgeschichte geschrieben»). Für die logistischen Details war mein Freund zuständig. Sein jüngstes Projekt: die Maßanfertigung einer neuen Superyacht für seinen Chef beaufsichtigen … – Kevin ist überaus diskret. Aber irgendwann im Spätsommer 2008 verriet er mir etwas kleinlaut, dass sein Boss in letzter Zeit etwas angespannt sei. Er sei nämlich mit den Zahlungen an die Schiffswerft in Verzug. Solche Summen zahle er «natürlich» nicht aus seinem Vermögen, sondern mit geliehenem Geld, alles andere sei «betriebswirtschaftlich Unsinn». Das Geld, das für solche Zahlungen gebunden wäre, könne er ja sonst nicht am Kapitalmarkt arbeiten lassen.

Ich war nie sehr gut im Rechnen. Aber eines fand ich einleuchtend: Wenn die Milliardäre nicht mehr nur ihre Geschäfte, sondern auch ihre Privatvergnügen «leveragen», also mit geliehenem Geld bestreiten, wird’s heikel.

Im Herbst 2008 verlor Kevin den Job, um den ich ihn so oft beneidet hatte. Die lakonische Begründung seines Chefs: «The party is over, mate.» Ja, ja, die Milliardäre. Die Russen, die bis vor kurzem noch als die Vanderbilts und Rockefellers des neuen Zeitalters glorifiziert wurden, stehen inzwischen wie Kaiser ohne Kleider da. Es hat sich herausgestellt, dass Oligarchen wie Oleg Deripaska ihre weltweiten Investitionen nur mit Krediten finanziert hatten und diese Kredite mit Aktien an der Moskauer Börse abgesichert waren, die nun nichts mehr wert sind. The party is over, mate. Schadenfreude ist hier übrigens vollkommen fehl am Platz. Es gibt nur eines, was schlimmer ist als vulgäre, mit Geld um sich schmeißende Russen: Vulgäre Russen, die nicht mehr mit Geld um sich schmeißen.

Statt hämisch über die Reichen zu lächeln, denen es nun an den Kragen geht, sollte uns klar sein, dass die Auswirkungen auf uns, die Mittelklasse, ebenfalls nicht sehr erquickend sind. Als die Reichen immer reicher wurden und die Mittelklasse davon profitierte, weil Jobs und Aufträge wie von ihren festlich gedeckten Tischen runterfielen, nannte man das «Trickle down»-Effekt. Nur funktioniert der eben auch mit veränderten Vorzeichen. Bis 2010 wird in Deutschland, sehr konservativen Schätzungen zufolge, jeder vierte Arbeitsplatz in der Industrie und jeder dritte im Einzelhandel perdu sein. Und selbst die, die ihren Job behalten, werden kürzertreten müssen. Der Druck der Globalisierung auf das Lohngefüge wird so stark, dass die realen Einkommen sinken werden – und das bei steigenden Lebenshaltungskosten.

Was ist denn nun, wenn wir uns alle ein wenig einschränken müssen? Wenn wir unser Grundrecht auf Flachbildschirme, Zweitwagen und Thailand-Urlaube einbüßen? Muss das so schlimm sein? Besinnen wir uns doch mal auf die erfreulichen Seiten der Krise.

Zunächst ist es ja so, dass Scheitern lange einen schalen Beigeschmack hatte. «Scheitern», schrieb einmal der amerikanische Soziologe Richard Sennett, «ist das große Tabu der Moderne.» Damit ist es endlich vorbei. Die größten Helden der Gegenwart machen uns das Scheitern vor und nehmen ihm damit das Beschämende. Leute wie Stanley O’Neal vom Bankhaus Merril Lynch, der über 50 Milliarden Dollar verbraten hat und dennoch über 160 Millionen Dollar Abfindung kassierte. Jahrzehntelang redete der Kapitalismus uns ein, Scheitern sei peinlich. Armut bedeutete: «Der hat’s...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2009
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Adel • Armut • Konsum • Reichtum • Stil
ISBN-10 3-644-10111-6 / 3644101116
ISBN-13 978-3-644-10111-1 / 9783644101111
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