Höhenrausch (eBook)

Die wirklichkeitsleere Welt der Politiker
eBook Download: EPUB
2009 | 1. Auflage
496 Seiten
Blessing (Verlag)
978-3-641-01020-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Höhenrausch -  Jürgen Leinemann
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Politikverdrossenheit ist weit mehr als ein Schlagwort: Haben Politiker den Kontakt zur Wirklichkeit nicht längst verloren? Der Journalist Jürgen Leinemann hat die parteipolitische Machtszenerie jahrzehntelang aus nächster Nähe betrachtet, ohne seinen analytischen und gleichzeitig leidenschaftlich wertenden Blick zu verlieren. Das Fazit seiner Beobachtungen und Erkenntnisse ist alarmierend!

Jürgen Leinemann, geboren 1937 in Celle (Niedersachsen), hat Geschichte, Germanistik und Philosophie studiert. Er begann seine journalistische Karriere bei der dpa in Berlin, Hamburg und Washington. Seit 1972 arbeitet er für den SPIEGEL; er war Reporter und Büroleiter in Washington und Bonn, zog 1990 nach dem Fall der Mauer nach Berlin und leitete dort bis 2001 das Ressort Deutsche Politik; bis 2007 SPIEGEL-Autor im Berliner Büro. Kurz nach seinem Ruhestand 2007 erkrankte Leinemann an Krebs.
Leinemann hat zahllose Artikel und eine Reihe von erfolgreichen Büchern veröffentlicht, 2004 erschien sein Bestseller 'Höhenrausch'. Er ist Träger des Egon-Erwin-Kisch-Preises, des Siebenpfeiffer-Preises und 2009 wurde er mit dem Henri-Nannen-Preis für sein publizistisches Lebenswerk ausgezeichnet.

VORWORT 5
Einleitung 10
Die Berliner Republik 36
Das Raumschiff 36
Zu viele Wirklichkeiten 41
Die Probebühne 47
Genschers Generationen 52
Viel reden, wenig sagen 58
Mediokratie 63
Die Wichtigkeitsdroge Politik 69
Die Weimarer (1966-1974) 78
Inneres Geländer 78
Historische Hypothek 89
Wirkliche Wirklichkeit 105
Bilderwelten 112
Abenteuer der Existenz 122
Die Soldaten (1974–1982) 127
Intensive Feindberührung 127
Die Geschlagenen 136
Verdammte Pflicht und Schuldigkeit 148
Wirklichkeitsoffensiven 157
Alte Kameraden 171
Die Kriegskinder (1982–1998) 184
Dieser unser Staat 184
Ein deutscher Typus 199
Wirklichkeitseinbruch Tschernobyl 204
Unglaubliche Alkoholikerversammlung 215
Erfolgsmenschen 224
Wirklichkeitseinbruch Mauerfall 231
Einig Vaterland 239
Langer Abschied 255
Heroische Opfer 265
Die Trümmerkinder(1998–2004) 277
Nachträglicher Ungehorsam 277
Tote Hose 300
Politik ist nicht alles 306
Der alte Nationalplunder 316
Zaunkönige 324
Staatsschauspieler 334
Global Player 343
Bruch im Leben 351
Tristesse und Tränensäcke 363
Ausgebrannt 368
Gescheitert 371
Abgestürzt 378
Die Ostdeutschen(1990–2004) 385
Vereinnahmung 385
Betriebsunfälle 410
Umbruchkompetenz 420
Hoffnungsträger 441
Sehstörungen 441
Volksvertreter 445
Versüchtelung 453
Gesichtsverdrossenheit 461
Lebensamateure 465
Anhang 472

V Die Trümmerkinder (1998–2004) (S. 276-277)

Nachträglicher Ungehorsam

Kurz nach 20 Uhr 30 am Freitag, den 14. November – gerade eröffnete Bundespräsident Johannes Rau mit dem traditionellen Walzer den Bundespresseball 2003 – drang der Berliner Außenminister in die Festsäle des Hotels Intercontinental ein. Mit robustem Körpereinsatz gelang es ihm, unterstützt von seinen rempelnden und schubsenden Leibwächtern, den ersten Ring der Presseleute zu durchbrechen.

Im hektischen Feuer der Blitzlichter bahnte sich Joseph A. Fischer – rechte Hand in der Tasche, linke Schulter vorgeschoben, Kopf gesenkt – mit unbewegt düsterer Miene seinen Weg durch die Sperrwand der Mikrofone. Wo war seine neue Freundin Minu Barati, 28? Würde sie nachkommen? Feierte er allein? Eher wirkte der einstige Streetfighter Joschka so, als wolle er den Saal besetzen.Durch die Gasse, die ihm seine Bodyguards frei drängelten, eilte Deutschlands beliebtester Politiker wortlos an den wartenden Journalisten vorbei in den Saal, in dem die Musik spielte. Was für ein Auftritt für die TV-Kameras. Was für ein Kick fürs eigene Ego.

Wieder einmal hatte der Mann, der seine atemberaubende Karriere von der Frankfurter Sponti-Szene in die obersten Ränge der Welt-Diplomatie auch den Medien verdankte, den Pressemenschen seine Verachtung gezeigt. »Nacht des Lächelns«? Nicht mit Joschka. Eine Freundlichkeitsgrimasse für den amerikanischen Botschafter, an dessen Tisch er Platz nahm, musste genügen. Griesgrämig inhalierte Fischer die Aufmerksamkeit, die er erregte, ein Weltmeister der doppelten Botschaften. Seine Leibwächter schreckten Neugierige ab. Belauert von Kameras und gierigen Reporteraugen hielten sie Frager auf Distanz.

Der Platz an seiner rechten Seite war leer geblieben. Ob er seine geheimnisvolle FreundinMinu, dieDeutschland bis dahin nur aus Fotos der Boulevard-Presse kannte, mitbringen würde wie fünf Jahre zuvor seine künftige vierte Ehefrau Nicola, hatte er vieldeutig offen gelassen. Dass man bei Joschka immer mit allem rechnenmuss, steigert seine Attraktivität. Fischer, der ein Mann des Witzes und des Wortes sein kann, ein Machtspieler von hohen Graden, liebt diesen Schwund von Selbstverständlichkeiten. Wie er das denn fände, dass Dieter Bohlen an diesem Abend in Berlin die politische Prominenz bereichern dürfe, wollte eine Journalistin wissen.

»Joschka Fischer macht sich nicht einmal die Mühe hochzugucken«, notierte die Kollegin. »Er legt die Mutter aller grantigen Tonfälle in seine Stimme und knurrt: ›Vergessen Sie’s!‹« Sollte sich der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, gewandet in Smoking mit roter Weste, um einen hergelaufenen Popstar im Straßenanzug kümmern? Popstar war er selber – der einzige in der Politik, hatte sein Freund Daniel Cohn-Bendit behauptet. Fischer griff zum Handy und telefonierte. Mit wem nur, mit wem? Schon wieder ein Geheimnis. Er tat, als giggele er mit seiner Minu, doch sein Gesprächspartner war der stellvertretende Pressesprecher. Lautstark und feixend teilte er ihm mit, dass er natürlich nicht frei reden könne, mit dem »Kerl vom Spiegel« neben und »dreißig Fotografen« vor sich. Kurz, der Minister amüsierte sich wie Bolle. In der von Fischer selbst diagnostizierten »Entwicklung hin zumKotzbrocken« war er, wie alle Zeitungen und Fernsehstationen mehr oder weniger unverblümt vermerkten, an diesem Abend ein beträchtliches Stück vorangekommen.

Erscheint lt. Verlag 26.1.2009
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte eBooks
ISBN-10 3-641-01020-9 / 3641010209
ISBN-13 978-3-641-01020-1 / 9783641010201
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