Die schamanische Erfahrung - Sandra Ingerman, Hank Wesselman

Die schamanische Erfahrung

Ein Weg in die Tiefe der Seele - Mit Trommel-CD
Buch | Hardcover
416 Seiten
2010
Goldmann Verlag (HC)
978-3-442-33858-0 (ISBN)
19,99 inkl. MwSt
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Der neue Wegweiser für die schamanische Praxis


Die unmittelbare Erfahrung der anderen, nicht-alltäglichen Wirklichkeit macht die große Faszination des Schamanismus aus. Mithilfe der Technik der schamanischen Reise können wir selbst den Schleier zwischen sichtbarer und nicht-sichtbarer Welt durchtrennen und aus der geistigen Welt Weisheit, Einsicht und heilende Energie empfangen. Sandra Ingerman und Hank Wesselman beleuchten die zentralen Themen des Schamanismus wie Wiederverbindung mit der Natur, Transformation durch Zeremonien und Rituale, Heilung des Körpers, der Seele und der Gemeinschaft. Zudem bieten sie zahlreiche und verlässliche Techniken für eigene schamanische Erfahrungen.


Eine großartige Einführung in die älteste spirituelle Praxis der Menschheit. Mit Beiträgen von Alberto Villoldo, Tom Cowan u. a.


Sandra Ingerman ist eine der bekanntesten Vertreterinnen eines modernen Schamanismus. Seit ihrer Ausbildung als Paar- und Familientherapeutin am California Institute of Integral Studies widmet sie sich schamanischen Methoden, die sie weltweit lehrt und praktiziert. Dabei verbindet sie uralte Traditionen mit modernen psychotherapeutischen Methoden. Ihre Bücher wurden zu Bestsellern und sind in zahlreichen Sprachen erschienen. Hank Wesselman ist Anthropologe und schamanischer Lehrer. Nach seiner Promotion an der University of California in Berkeley forschte er fast 30 Jahre lang als Mitglied eines internationalen Expertenteams nach dem Ursprung des Menschen in Afrika. Mehrere bewusstseinsverändernde Erlebnisse weckten sein Interesse am Schamanismus, den er seitdem in Workshops lehrt.

Vorwort von Sandra Ingerman Der Schamanismus ist eine uralte und sehr mächtige spirituelle Praxis, mit deren Hilfe wir auch in schwierigen und unbeständigen Zeiten gedeihen können. In unserer modernen technischen Welt will man uns glauben machen, die Dinge, die wir mit unseren Sinnen sehen, spüren, hören, riechen und schmecken können, würden uns lediglich mit der uns umgebenden sichtbaren Welt verbinden. Der Schamanismus dagegen lehrt, dass innere Türen in andere Wirklichkeitsbereiche führen. Dort befinden sich helfende Geister, die nicht nur uns, sondern auch der Welt, in der wir leben, Führung, Einsicht und Heilung schenken können. Der Schamanismus offenbart, dass wir ein Teil der Natur und eins mit allem Leben sind. In der schamanischen Welt besitzt alles, was existiert, einen Geist und ist lebendig. Dieser spirituelle Aspekt allen Lebens ist durch eine Kraft verbunden, die oft »das Netz des Lebens« genannt wird. Da wir ein Teil der Natur sind, wird die Natur selbst zu einem helfenden Geist, der uns einiges darüber sagen kann, wie wir Harmonie und Gleichgewicht in unserem Leben wiederherstellen können. Im Mittelpunkt der schamanischen Erfahrung steht der mächtige Weg der unmittelbaren Erfahrung. Dies zeigt uns, dass in dieser spirituellen Disziplin keine Mittelsmänner zwischen uns und den Hilfsgeistern stehen. Jeder Mensch kann Zugang zu der Weisheit, Führung und Heilung erhalten, die uns die Natur und die Hilfsgeister geben können. Es ist möglich, mit diesen Hilfsgeistern sowie den transpersonalen Aspekten der Natur in Verbindung zu treten. Gemeinsam mit unseren vier Mitautoren werden Hank Wessel- man und ich Ihnen häufig beschrittene Wege zeigen, die auch Sie einschlagen können und die auch Ihnen einen direkten, authentischen Zugang zum schamanischen Weg der unmittelbaren Erfahrung ermöglichen. Ich wurde aus verschiedenen Gründen dazu geführt, dieses Buch zu verfassen und auch andere Menschen darum zu bitten, ihre Lehren darzulegen. Seit einiger Zeit findet auf unserem Planeten ein spirituelles Erwachen statt. Immer mehr Menschen studieren und probieren verschiedene spirituelle Praktiken, die zu Selbstverwirklichung, persönlicher Weiterentwicklung und der dringend benötigten Evolution des Bewusstseins der gesamten Menschheit führen. In dieser Zeit des spirituellen Erwachens hat der Begriff »Schamane« Eingang in die Popkultur gefunden. In Geschäften sehe ich Seifen und Shampoos, die mit der Bezeichnung »Schamane« versehen sind. In Zeitungen und Zeitschriften wird der Titel »Schamane« in der Werbung mit einer ganzen Reihe von Berufen verbunden. Und obwohl ich mich seit dreißig Jahren mit dem Schamanismus beschäftigte, ergibt all das für mich nur selten einen Sinn. Ich könnte mir vorstellen, dass auch Sie darüber nachgrübeln. Während derartige Marketingbestrebungen die Begriffe »Schamane« und »Schamanismus« verwässern, reagieren andere mit dem Versuch, Regeln aufzustellen, was Schamanismus ist und was nicht. Trotz bester Absichten macht dies die Verwirrung oft nur noch größer, führt in vielen Fällen zu Missverständnissen und wird der schamanischen Praxis nicht gerecht. Wir haben es hier mit einem Paradoxon zu tun, denn einerseits handelt es sich beim Schamanismus seit jeher um eine Praxis, bei der die Praktizierenden individuelle Anleitung und Führung von ihren Hilfsgeistern erhalten — jenen transpersonalen Wesen, die oft als »Geistführer« und »Engel« bezeichnet werden. Andererseits gibt es bewährte Regeln. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam das vorliegende Buch verfasst. Wir möchten Sie mit einigen dieser Prinzipien vertraut machen, ohne strenge Definitionen und Vorschriften aufzustellen, damit Sie selbst entscheiden können, was Schamanismus ist. In Zeiten großer Veränderungen, wie wir sie gegenwärtig erleben, gehen viele Menschen in sich und begeben sich auf eine spirituelle Suche. Sie suchen dabei auch oft nach nachhaltigeren Möglichkeiten, das persönliche und das gemeinschaftliche Leben und Arbeiten zu gestalten. Ein Teil der Suchenden fühlt sich zu Systemen mit Vorschriften und Regeln hingezogen, die ihnen sagen, was sie zu tun haben. Sie glauben, dadurch Sicherheit und Ruhe zu finden. Daher gibt es auch Menschen, die sich der Praxis des Schamanismus zuwenden, die Regeln für den Kontakt mit den Hilfsgeistern verlangen und hören möchten, dass man es »richtig« oder »falsch« anstellen kann. Darüber hinaus kommt es immer häufiger vor, dass Menschen ihre Macht anderen überlassen. Sie sehnen sich oft nach einem Lehrer, der zwischen ihnen und den Hilfsgeistern vermittelt. Dies ist eher ein Merkmal der organisierten Religionen, wo eine bürokratisierte Priesterschaft zwischen uns und dem Heiligen steht. Für den Schamanismus ist dies untypisch, und es ist auch kein Weg der unmittelbaren Erfahrung. In meinen schamanischen Seminaren helfe ich den Menschen, Verbindung zu ihren Hilfsgeistern aufzunehmen. Ich erkläre ihnen, wenn der Kontakt erst einmal zustande gekommen ist, können sie sich darauf verlassen, dass ihre Geisthelfer sie lehren und ihnen mit ihrem Rat zur Seite stehen werden. In einigen meiner Seminare beschäftige ich mich mit besonders wirkungsvollen Heilmethoden. Dabei sage ich meinen Schülerinnen und Schülern, dass die besten Heiler immer diejenigen sind, die ihre Seminaraufzeichnungen beiseitelegen und sich stattdessen der unmittelbaren Führung ihrer Hilfsgeister anvertrauen. Wir leben in einer Zeit fehlender Harmonie, in der uns neue geistige und körperliche Krankheiten begegnen. Die Probleme auf unserem Planeten verlangen nach neuen Lösungen. Sie fordern uns auf, uns auf unsere einzigartige schöpferische Kraft zu besinnen, die uns helfen kann, die Veränderung zu bewältigen. Wir müssen in diesen Zeiten bereit sein, die Hilfsgeister um Führung zu bitten. Sie können uns helfen, die verschiedenen Phasen und Übergänge im Leben mit Anmut und Stärke zu meistern und daran zu wachsen. Es bedeutet darüber hinaus, dass wir unsere Kraft zurückfordern und neue, individuelle Möglichkeiten der Zusammenarbeit finden müssen. Ich bilde auch Menschen zu Lehrern aus, die in der Praxis des Schamanismus bereits fortgeschritten sind, damit sie die schamanische Tradition in unsere Zeit hineintragen. Dabei erkläre ich ihnen, wie ich von meinen Hilfsgeistern dazu geführt wurde zu lehren und weshalb ich bestimmte Übungen in meinen schamanischen Seminaren verwende. Anschließend bitte ich die Teilnehmer meiner Lehrerausbildungsprogramme, nicht so zu lehren, wie ich es tue, sondern der Führung ihrer eigenen Hilfsgeister zu folgen, da die uralte schamanische Tradition seit Jahrtausenden auf diese Weise weitergegeben wird - und sie so für die Praktizierenden ihren Geist, ihre Kraft und ihren Sinn bewahrt. Alle spirituellen Wege haben das Ziel, uns in Kontakt mit unserer eigenen Göttlichkeit zu bringen und dafür zu sorgen, dass wir unserer Schöpferkraft gewahr werden. Jeder Mensch verfügt über großes kreatives Potenzial. Der Glaube, dass nur wenige die Antwort besäßen, wird uns nicht unbedingt dazu veranlassen, uns für ein harmonisches Leben auf einem gesunden Planeten einzusetzen. Wir alle können auf verschiedenen Ebenen verschiedene Lösungen austauschen, indem wir unsere individuellen Talente und Gaben zum Ausdruck bringen. Wir alle können verschiedene Aspekte des Göttlichen verkörpern, so wie die einzelnen Facetten eines Diamanten miteinander funkeln, um unser eigenes, strahlend helles Licht zu erzeugen. Wenn wir den schamanischen Weg der unmittelbaren Erfahrung beschreiten, entzündet sich die Flamme in uns. Gemeinsam mit den Funken der anderen Menschen in aller Welt wird jenes Licht daraus, das wir dazu benötigen, um einen Planeten voller Harmonie, Liebe, Licht, Frieden und Fülle für alle zu verwirklichen. Ich schreibe seit Anfang der neunziger Jahre Bücher zum Thema »Schamanismus«. Darin bringe ich meine Leidenschaft dafür zum Ausdruck, diese uralte Praxis in unsere moderne Kultur hineinzutragen und so den Problemen und Bedürfnissen unserer Zeit zu begegnen. Ein Buch führte zum nächsten, und im Laufe der Zeit offenbarten mir meine Hilfsgeister neue Formen der Führung und neue Möglichkeiten der Heilung, um anderen und mir selbst zu helfen. Auch mein beruflicher Hintergrund als Psychotherapeutin trägt dazu bei, meine Arbeit mit dem Schamanismus zu einem organischen Prozess zu machen, der sich fortwährend verändert. Im Laufe der Jahre wurde mir klar, dass wir die Aufgabe haben, dieser uralten Tradition eine neue Form zu geben, mit der auch die modernen Visionäre und spirituell Suchenden von heute etwas anfangen können. Wir leben nach wie vor in schwierigen Zeiten, die uns zur geschlossenen Zusammenarbeit aufrufen, um positive und dauerhafte Veränderungen für alle Menschen zu erzielen. Daher wurde ich aufgefordert, auch andere schamanische Lehrer um einen Beitrag zu diesem Buch zu bitten. Damit möchte ich Ihnen, liebe Leser, verschiedene Methoden des Arbeitens vorstellen, denn auch Sie sind aufgerufen, den Weg der unmittelbaren Erfahrung zu gehen. Im Jahr 2005 wurde ich Gründungs- und Vorstandsmitglied der Society for Shamanic Practitioners. Ihr Ziel ist es, eine internationale schamanische Gemeinschaft zusammenzuführen, in der wir unser Wissen darüber austauschen können, wie sich die uralten und erprobten visionären Praktiken des Schamanen auf unsere modernen Kulturen übertragen lassen - ein Impuls, der die Bedeutung dieses Buches unterstreicht. Im Jahr 2008 bat ich die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft - allesamt hervorragende Lehrer, Praktizierende und Autoren - um eine Zusammenkunft. Sie sollten etwas von ihrer Weisheit in dieses Buch einfließen lassen und damit möglichst vielen Menschen von Nutzen sein. Alle sechs an diesem Projekt beteiligten Personen haben eine lange persönliche Geschichte und sehr viel Erfahrung auf dem Weg des Schamanen. Als ich das Buchprojekt umstrukturierte, bat ich auch den Anthropologen und Autor Hank Wesselman um seine Mitarbeit. Während wir uns immer begeisterter über das Vorhaben austauschten, erhielt ich den Impuls zu fragen, ob er das Buch mit mir schreiben und mir helfen wollte, den Hauptteil des Textes zu verfassen. Als es mit dem Projekt voranging, unterstützte er mich auch dabei, die Beiträge aller Beteiligten zu einem Buch zu verbinden. Es war wirklich eine Freude, dieses Buch mit Hank zu schreiben — einem schamanisch Praktizierenden und Lehrer, der nun schon seit knapp dreißig Jahren ein Freund und Kollege ist. Zu den Mitwirkenden gehört auch Tom Cowan, ein wunderbarer Autor und Lehrer der keltischen Bräuche mit einer - wie Sie merken werden - sehr poetischen Ader. Carol Proud-foot-Edgar gibt schon seit vielen Jahren mit mir Seminare. Sie ist wie Tom eine erstaunliche Poetin. José Stevens kenne ich seit Anfang der achtziger Jahre, als ich mit der formalen schamanischen Ausbildung begann und wir uns drei Jahre lang in der San Francisco Bay Area in einer Gruppe trafen, um schamanisch zu reisen. Ich habe großen Respekt vor der Integrität seiner Arbeit und schätze die Hingabe, mit der er lebt, was er lehrt. Auch Alberto Villoldo kenne ich seit etlichen Jahren. Mit seiner unbedingten Bereitschaft, zu dienen, berührt er viele Menschen auf dem schamanischen Weg. Ich bin sehr froh über die Beiträge aller Mitwirkenden an unserem Buch! Nachdem ich die Kapitel neu geordnet hatte, bat ich die Mitwirkenden, ihr Wissen in die Abschnitte einfließen zu lassen, zu denen sie sich berufen fühlten. Aus diesem Grund haben nicht alle Beteiligten an allen Kapiteln mitgewirkt. Hank und ich spielen auf den kommenden Seiten eine Doppelrolle. Wir sprechen in weiten Teilen mit einer Stimme, was sowohl die Einheit als auch den Fluss unseres gemeinsamen Wissens und unserer Freundschaft im Laufe der Jahre widerspiegelt. Der Text, der den Rahmen des Buches bildet, ist unser beider Stimme. Andererseits gehören auch wir zur Gruppe der sechs Mitwirkenden und übermitteln unsere jeweils eigenen Lehren. Zur Verdeutlichung wird deshalb vor den Passagen, in denen wir unsere individuelle Arbeitsweise darlegen, der Name des jeweiligen Autors genannt. Nun möchte ich Sie mit Hank Wesselman bekannt machen. Anschließend werden wir Sie in der Einleitung gemeinsam über den Aufbau des Buches informieren und Ihnen sagen, wie man damit arbeiten kann. Vorwort von Hank Wesselman Als ich Sandra Ingermans freundliches Angebot annahm, dieses Buch mit ihr zu schreiben, erkannte der Anthropologe in mir sofort die Gelegenheit, die Dimensionen und Grenzen einer außergewöhnlichen Subkultur zu erforschen, die in der westlichen Welt Fuß gefasst hat. Einer Gemeinschaft, der vermutlich auch Sie angehören. Wir können sie als »Transformationsgemeinschaft« bezeichnen. Da der Begriff »Transformation« in dieser Zeit des Wandels zu einem Modewort geworden ist, sollten wir jedoch gleich zu Beginn erwähnen, dass hier etwas sehr Mysteriöses vor sich geht. Im Herzen dieser Gemeinschaft entsteht gerade in aller Stille, aber ohne jeden Zweifel ein neuer spiritueller Komplex, der uns zum Kern dieses Buches führt - dem Weg der unmittelbaren Erfahrung. Auf diesem Weg kann jeder von uns unmittelbar mit dem Großen Mysterium der Existenz in Verbindung treten — ganz gleich, was wir uns darunter vorstellen — und es in seinen Alltag und damit auch in seine Beziehungen und seine Arbeit in der Welt hineintragen. Es ist der uralte und bewährte Weg des Schamanen, des Mystikers, des Visionärs — der spirituelle Weg, der jeden Menschen geradewegs zu einer authentischen Initiationserfahrung führen kann. Ein Weg, der uns in einen Strudel persönlichen Erwachens zu stoßen vermag, der uns unwiderruflich verändert und im Osten »Erleuchtung«, im Westen »Gottesbewusstsein« genannt wird. Auf diesem Weg können wir erkennen, wer und was wir wirklich sind. Die dabei gewonnenen Einsichten stehen oft in starkem Kontrast zu den Skripten, die uns die Gesellschaft als Vorlage für unser Verhalten präsentiert. Im Laufe unserer Entwicklung entdecken wir vielleicht, dass diese Vorlagen plötzlich gänzlich überholt sind. Während Sandra und ich uns allmählich anschicken, unsere Gedanken zu dieser außerordentlichen gesellschaftlichen Veränderung mit Ihnen zu teilen, kehre ich in Gedanken unweigerlich in jene Zeit zurück, da ich als Anthropologe mit afrikanischen Stammesvölkern zusammenarbeitete. Denn dort im Busch bei den in ihren Traditionen verwurzelten indigenen Menschen und Hunderte von Kilometern von der nächsten Straße, dem nächsten heißen Bad oder dem nächsten kalten Bier entfernt, stieß ich vor über 35 Jahren ganz zufällig auf diesen Weg. Ich hatte eine Vielzahl spontaner traumähnlicher Visionserfahrungen, die sehr echt wirkten und mein Leben völlig veränderten.1 Damals war ich dreißig Jahre alt und Mitglied einer wissenschaftlichen Forschungsexpedition, die in den kargen, abgetragenen Landschaften des Großen Afrikanischen Grabenbruchs in Ostafrika nach Antworten auf die Frage nach dem Ursprung des Menschen suchte. Ich vermutete damals, dass meine Kollegen für Gespräche über diese ungewöhnlichen Erfahrungen nicht besonders aufgeschlossen wären. Daher wandte ich mich an einige der afrikanischen Stammesangehörigen, mit denen ich zusammenarbeitete. Im Laufe der Jahre, in denen wir in einem Zeltcamp fernab der Touristenrouten in abgelegenen Gegenden im Südwesten Äthiopiens lebten, waren wir Freunde geworden. In den Gesprächen mit diesen Männern entdeckte ich allmählich, dass ihre Sichtweise meiner wissenschaftlichen Art zu denken sehr fremd war. Im Kern ihres Weltbildes stand die Auffassung, dass das vielschichtige Feld des Traums die echte Welt sei, dass wir Menschen im Grunde rund um die Uhr träumten und die Alltagswelt aus dem Traum heraus entstünde, nicht umgekehrt. Diese Behauptungen gingen mit der starken Überzeugung einher, dass diese Traumwelt beseelt, dass sie das Bewusstsein selbst sei, das - lebendig, intelligent und voller Kraft - alles mit Gewahrsein, Leben und Lebenskraft erfüllt, was ihr entströmt. Natürlich dauerte es monate- und sogar jahrelang, bis ich das, wovon die Eingeborenen sprachen, vollkommen verstanden und aufgenommen hatte. Aber mir war von Anfang an klar, dass dies für sie weder eine philosophische Theorie noch ein Konzept war. Es war eine grundlegende, feststehende Tatsache, die auf unmittelbarer Erfahrung beruhte. In ihrer Mitte hatte ich meine erste Begegnung mit Schamanen. Interessanterweise sollte ich von ihnen auch lernen, dass der Schamanismus keine Religion ist und im Widerspruch zu keiner religiösen Tradition steht. Der Schamanismus ist einfach eine Methode. Wie ich am eigenen Leib erfahren sollte, kann er sich zu einer Lebensweise entwickeln, wenn man ihn mit Demut, Ehrfurcht und Selbstdisziplin praktiziert - zu einem Weg, der mein Leben über die Maßen bereichert. Gestatten Sie mir deshalb, Sandras Angebot anzunehmen. Im Folgenden möchten wir Sie an einigen Erfahrungen teilhaben lassen, die wir auf diesem Weg gemacht haben. Lernerfahrungen, die uns wahrscheinlich unschätzbar wertvolle und recht einzigartige Teile für das Puzzle geliefert haben, das uns zeigen soll, wer wir sind, wie wir so geworden sind und wie es mit uns weitergehen wird. Die schamanische Praxis der unmittelbaren Erfahrung ist der frühe Vorläufer aller religiösen und philosophischen Traditionen, der Antike wie der Moderne. Dies ist eine feststehende Tatsache, und obwohl mancher dies für eine gewagte Behauptung halten mag, bestätigten unsere Erkenntnisse über die archäologischen Funde der Fels- und Höhlenzeichnungen, die während der Eiszeit in Europa und an anderen Orten der Welt entstanden sind, wie alt der Pfad des Schamanen ist. So offenbart etwa ein im Januar 2002 in der amerikanischen Zeitschrift Science erschienener Artikel, dass es den Pfad des Schamanen seit mindestens 77 000 Jahren gibt. Zu dem Beweismaterial zählen unter anderem zwei rote Ockerstücke beziehungsweise Rötelstücke, die in der Blombos-Höhle im Süden Afrikas am Indischen Ozean gefunden wurden. Sie waren zum Teil mit merkwürdigen Mustern versehen, die wohl eine Matrix, ein Netz oder eine Art Gitter darstellen sollen. Wir können heute nicht genau sagen, welche Bedeutung diese kryptischen Symbole für die damaligen Völker hatten. Doch einmal geschaffen, wiederholte sich dieses Zeichen seit jener Zeit auch unzählige Male in der Felskunst Afrikas, Europas, Asiens, Australiens, Nord-, Mittel- und Südamerikas. Interkulturelle Studien mit den in der Kalahari lebenden San - den letzten Schöpfern traditioneller Felszeichnungen - zeigen, dass es sich bei diesem Gitter, Gewebe oder Netz um ein optisches Phänomen handelt, das Schamanen in Trance auf ihren Reisen in die »Anderswelt« erleben.2 Wenn wir im Westen das Wort »Schamane« hören, entsteht in den Köpfen der meisten Menschen das Bild eines Stammesmitglieds, das angetan mit Maske und Kostüm im Dunkeln um ein Feuer tanzt und von Trommelschlägen begleitet ein geheimnisvolles Ritual abhält. Aber in dieser kulturell bedingten Hülle aus Maske, Kostüm und Ritual steckt eine Frau oder ein Mann mit zahlreichen besonderen Fähigkeiten. Alle echten Schamanen sind begnadete Visionäre. Sie sind Meister der Trance und können erweiterte Bewusstseinszu- stände erlangen, in denen sie ihre bewusste Aufmerksamkeit von ihrem Körper abwenden und in eine andere Wirklichkeit eintreten können. Dort treffen sie üblicherweise auf archetypische und transpersonale Kräfte, die gleich hinter den Kulissen des menschlichen Dramas warten und bereit sind, uns auf mancherlei Weise zu helfen. Indigene Völker und moderne Mystiker bezeichnen sie für gewöhnlich als Geister, im Besonderen als »Hilfsgeister«. Schamanen treffen häufig auf die Geister der Natur, einschließlich der Geister von Tieren, Pflanzen und Elementen, die oft schon seit sehr langer Zeit als Helfer und Wächter im Dienst der Menschheit stehen. Aber die Visionäre aller Traditionen und religiöser Glaubensrichtungen begegnen auch den Geistern ihrer Vorfahren und den mitfühlenden höheren, engelhaften Kräften, die uns oft als Lehrer und Geistführer zur Seite stehen. Zu ihnen gehört auch der eigene transpersonale spirituelle Aspekt - das Höhere Selbst oder die Überseele, mit der wir uns ebenfalls beschäftigen werden. Das vielleicht grundlegendste schamanische Prinzip, von dem jeder Mensch profitieren kann, lautet jedoch: In der schamanischen Praxis gibt es keine Hierarchie, keine Dogmen, die von einer höheren religiösen Autorität an die Bittsteller weitergegeben werden. Der Schamanismus ist der Weg des unmittelbaren und direkten persönlichen Kontakts zur spirituellen Ebene. Er ist zutiefst intuitiv und nicht der Definition, der Zensur oder dem Urteil anderer unterworfen. Dieser Weg schenkt allen Suchenden Zugang zu jener transzendenten Verbindung und allem, was sie mit sich bringt. Interessanterweise liegt Schamanismus meist in der Familie. Deshalb vermuten einige Forscher eine genetische, also eine in der DNS gespeicherte Grundlage für die Fähigkeit, das Bewusstsein erweitern und in Trance gelangen zu können. Ferner wurde angedeutet, dass möglicherweise sogar ein ganz erheblicher Teil der menschlichen Bevölkerung über dieses Programm verfügt. Es gibt anthropologische Beobachtungen, die diese Hypothese stützen. Bei den traditionellen San oder Buschleuten in der Kalahariwüste im Süden Afrikas konnten zum Beispiel bis zu fünfzig Prozent der Mitglieder einer typischen Gruppe aus Jägern und Sammlern bei Bedarf »schamanisieren«.3 Dies legt nahe, dass die Fähigkeit zur visionären schamanischen Erfahrung das Geburtsrecht aller Menschen auf der ganzen Welt ist. Es zeigt, dass man nicht unbedingt einem traditionellen Volksstamm angehören muss, um diese uralte mystische Erfahrung zu machen. Die schamanische Tradition gibt wie alle anderen mystischen Traditionen Informationen und Techniken weiter, mit deren Hilfe auch Neulinge die Fähigkeiten ihrer Vorfahren erwerben und unmittelbar erfahren können. Und wenn wir weit genug zurückgehen, haben alle Menschen - ob im Westen oder anderswo - indigene Vorfahren, die wiederum alle über großartige Schamanen verfügten. Jede Generation entdeckte und erfuhr die Fähigkeiten ihrer Vorfahren wieder neu für sich. Auf diese Weise übernahm sie die Verantwortung dafür, eine Tradition fortzuführen und zu erneuern, die immer wieder neu entstand, und den stets größer werdenden spirituellen Schatz der Weisheit und der Techniken sogar noch zu erweitern und zu verändern. So blieb der Weg des Visionärs für jene Menschen lebendig und bedeutsam, die sich im Laufe der Zeit dafür entschieden. Die beständig weiterwachsende ethnographische Literatur über die Schamanen der verschiedensten Kulturen und ihre ungewöhnlichen Fähigkeiten bestätigt, dass der Weg der unmittelbaren Erfahrung das kulturelle Erbe aller Menschen ist - selbst wenn er im Westen aufgrund der gnadenlosen und systematischen Unterdrückung durch die organisierten Religionen über zweitausend Jahre lang weitgehend verloren war. Einleitung Dieses Buch und die Begleit-CD bieten Ihnen eine Fülle heiligen Wissens. Sie enthalten den Schlüssel, mit dem Sie die innere visionäre Pforte zu den heiligen Welten aufschließen können. Natürlich kann es kein »Ersatz« für all die Jahre disziplinierter Übung sein, der sich die Mystiker der vielen visionären Traditionen der Welt widmen. Es mag jedoch als »Katalysator« dienen und Ihnen helfen, sich auf ein außerordentliches spirituelles Abenteuer einzulassen. Es wird Sie dann dabei unterstützen, das »visionäre Programm« auf Ihrer inneren Festplatte - Ihrer DNS - anzuklicken, damit Sie den Weg zur Verbundenheit mit Ihren inneren Quellen der Weisheit, der Kraft und der Heilung finden. Denn gerade die besondere Fähigkeit, Zugang zu den transpersonalen Welten zu erhalten, unterscheidet den Schamanen von den praktizierenden Anhängern aller anderen Religionen. Wir werden uns in Kapitel 1 ausführlicher damit beschäftigen. In Kapitel 2 werden wir uns mit der Kernerfahrung der schamanischen Praxis auseinandersetzen - der schamanischen Reise. Wir werden lernen, wie wir Techniken wie monotones, rhythmisches Trommeln (auf der beiliegenden CD) nutzen und mit einer klaren Absicht zu einer sicheren und bewährten meditativen Methode kombinieren können, um Zugang zu den heiligen Regionen der Geisterwelt zu erhalten. Wie wir sehen werden, ist diese Praxis alles andere als primitiv.

Übersetzer Andrea Panster
Sprache deutsch
Original-Titel The path of direct revelation. A guide for the modern shaman
Maße 135 x 215 mm
Gewicht 635 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Östliche Weisheit / Alte Kulturen
Schlagworte Schamanismus
ISBN-10 3-442-33858-1 / 3442338581
ISBN-13 978-3-442-33858-0 / 9783442338580
Zustand Neuware
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