Aus dem Schmerz in die Freiheit - Erfahrungen einer Frau, die als Kind von ihrem Vater sexuell missbraucht wurde

Buch | Softcover
142 Seiten
2010 | 1., Auflage
edition riedenburg (Verlag)
978-3-902647-28-3 (ISBN)
17,90 inkl. MwSt
"Ich war glücklich. Bis ich bemerkte, dass mein Mann mich wieder betrogen hatte. Diesmal zeugte er dabei sogar ein Kind. Diese tiefe Verletzung und der damit verbundene Schmerz schickten mich ein allerletztes Mal in die Finsternis. In der Dunkelheit begegnete ich meinem toten Vater. In mir wurde er plötzlich wieder lebendig. Erst im Alter von 41 Jahren erkannte ich, wozu er wirklich fähig gewesen war. Ich hatte ihn Schritt für Schritt, Episode für Episode durch die Männer kennen gelernt, die ich zu lieben glaubte. Es waren viele. Die meisten von ihnen hatten eine zwiespältige Persönlichkeit und eine triebhafte Sexualität. Wie mein Vater, der nach außen nahezu perfekt erschien, meine Mutter ehrte und schätzte. Wir waren eine heile, großbürgerliche Familie. Scheinbar! Jahrelang hatte mein Vater mich missbraucht. Doch es blieb unser Geheimnis. Seine Taten hatten Auswirkungen auf unser gesamtes Familiensystem. Endlich können diese alten Wunden heilen und die kranken Mechanismen in Ordnung gebracht werden. Dieses Buch ist meine wahre Geschichte über die Offenlegung familiärer Verstrickungen, deren Prägungen und die Befreiung daraus."
Über den sexuellen Missbrauch, den Dagmar Winkler-Steidl als Mädchen durch den eigenen Vater erfahren hat, schrieb sie ein Buch. "Aus dem Schmerz in die Freiheit" hat ihr ermöglicht, den jahrzehntelang aufgestauten Druckkessel zu öffnen und die Last der Vergangenheit abzustreifen.
Ich war glücklich. Bis ich bemerkte, dass mein Mann mich wieder betrogen hatte. Diesmal zeugte er dabei sogar ein Kind. Diese tiefe Verletzung und der damit verbundene Schmerz schickten mich ein allerletztes Mal in die Finsternis. In der Dunkelheit begegnete ich meinem toten Vater. In mir wurde er plötzlich wieder lebendig. Erst im Alter von 41 Jahren erkannte ich, wozu er wirklich fähig gewesen war. Ich hatte ihn Schritt für Schritt, Episode für Episode durch die Männer kennen gelernt, die ich zu lieben glaubte. Es waren viele. Die meisten von ihnen hatten eine zwiespältige Persönlichkeit und eine triebhafte Sexualität. Wie mein Vater, der nach außen nahezu perfekt erschien, meine Mutter ehrte und schätzte. Wir waren eine heile, großbürgerliche Familie. Scheinbar! Jahrelang hatte mein Vater mich missbraucht. Doch es blieb unser Geheimnis. Seine Taten hatten Auswirkungen auf unser gesamtes Familiensystem. Endlich können diese alten Wunden heilen und die kranken Mechanismen in Ordnung gebracht werden. Dieses Buch ist meine wahre Geschichte über die Offenlegung familiärer Verstrickungen, deren Prägungen und die Befreiung daraus.

Dagmar Winkler-Steidl, geboren 1968 in Innsbruck, ist diplomierte Shiatsu-Praktikerin und Mutter zweier Söhne. Nach der Matura war sie einige Jahre Grafikerin in einer großen Wiener Werbeagentur. Auf dem Weg zur Autorin schrieb sie als Journalistin zahlreiche Artikel für Tageszeitungen und Wochenmagazine. 2009 ließ sie sich nach neun Jahren Ehe von ihrem Mann scheiden.

Warum hatten wir Sex, Vati? 11
Kapitel I: Betrug, Missbrauch, Erkenntnis 14
Kapitel 2: Erste Beziehung, Vaterersatz 37
Kapitel 3: Briefverkehr mit meinen Eltern 54
Kapitel 4: Männer, Männer, Männer 70
Kapitel 5: Wege zur Heilung 94
Kapitel 6: Vaters Tod 107
Epilog: Neues Leben, neue Zeit 127
Bücher, die mich begleitet haben 131

Warum hatten wir Sex, Vati? Als ich meinem Vater diese Frage zum ersten Mal stellte, war ich 41 Jahre alt und er, mein Vater, war bereits seit elf Jahren tot. Er begegnete mir im Traum – wie schon viele Male zuvor. Doch diesmal fand unsere Begegnung unter anderen Vorzeichen statt. Dass ich von meinem Vater in meiner frühen Kindheit sexuell missbraucht worden war, war mir zu diesem Zeitpunkt erst vor kurzem bewusst geworden. Diese schmerzvolle Gewissheit war aus mir hervorgebrochen wie aus einem Vulkan. Einem Vulkan, der jahrzehntelang nach außen hin scheinbar inaktiv gewesen war. Dabei hatte es in mir gebrodelt, seit ich denken konnte. Das Tagebuchschreiben war in vielen Phasen meines Lebens der Lavastrom meiner Gefühlsausbrüche gewesen. Dort schrieb ich um dieses zentrale Ereignis, dieses bedrohliche Familiengeheimnis herum. Immer im Kreis. Wie die sprichwörtliche Katze schlich ich um den heißen Brei. In Schüben versuchte ich mich mit dem Schreiben selbst zu therapieren, obwohl ich nicht einmal wusste, was zu therapieren sei. Ich schrieb, was aus mir herauskam. Ich verstand es oft nicht. Deshalb stellte ich weitere Fragen. Wenn ich es wagte, damit aus mir heraus zu gehen, stieß ich zumindest in meinem familiären Umfeld auf Unverständnis. Ich musste mit dem Dunkel und der Einsamkeit in mir leben. Denn meine Familie hatte mir die Rolle des Sonnenscheins zugedacht. Diese Rolle wollte ich brav spielen. Ich wähnte mich ja selbst als Teil einer heilen Familie. Es war ein Tanz auf dem Vulkan. Nachdem der Missbrauch in mein Bewusstsein gedrungen war, führte ich im Traum ein Zwiegespräch mit meinem Vater. „Warum hast du das getan, Vati?“ „Was getan?“, fragte er. „Warum hast du mich benutzt, wann immer du wolltest? Und warum hast du mich dann wieder weggelegt, wann immer es dir gepasst hat? Warum hast du mich wie eine Ware behandelt, warum hast du meine Weiblichkeit so tief verletzt?“ Seine Antwort war überraschend lapidar: „Ich habe doch nur mit dir herumgespielt. Du warst so süß und lieb. Du hast mir so gutgetan. Das ist doch nichts Schlimmes?“ „Nichts Schlimmes? Mein ganzes Leben habe ich mich gefragt, warum Männer so mies mit mir umgehen durften. Ich habe mich verschenkt, mich oftmals wie den letzten Dreck behandeln lassen, weil ich es so gewohnt war. Es steckte so in mir drin. Ich konnte gar nicht anders handeln. Und jetzt weiß ich endlich, woher mein verkorkstes Männerbild kommt!“ Da sank Vati wie ein alter Mann zurück in seinen Sessel. Ich sah ihm an, dass er geknickt war, fassungslos, nachdenklich. Er atmete tief aus und sagte lange nichts. Dann sprach er leise und ernst: „Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass die Folgen so gravierend sein und dass sie dich ein Leben lang verfolgen würden.“ Dann wiederholte ich, was ich in unseren traumhaften Begegnungen immer wieder getan hatte: Ich streckte Vati meine Arme entgegen. Ich hielt sie zum Himmel. Diesmal schloss sich der Kreis. In all den Jahren nach seinem Tod hatten sich unsere Hände, obwohl wir uns beide bemühten, nie erreicht. Diesmal hielten wir uns fest. Heute ist mir klar, dass das unsere erste wahrhaftige Begegnung war. Mein Vater hatte sich mir zugewandt, er hatte endlich zugehört. Es fand ein Dialog statt. Zu seinen Lebzeiten waren unsere Gespräche Einbahnstraßen. Jeder fuhr verbal in seine Richtung. Er hörte nicht einmal hin, wenn ich ihm etwas erzählte. Nur sein Wort zählte. Er sprach und ich hatte zu folgen. Unsere Gespräche waren zweckgebunden. Mein Vater hatte mir stets mit all seinem Gesagten, wenngleich auch sehr subtil und oft in schmeichelhaft verpackter Form, folgende Merksätze eingeschärft: Tu, was ich dir sage und es wird uns allen gut gehen! Wenn du meinen Anweisungen nicht folgst, dann trägst du Schuld, dass der Haussegen schief hängt. Dadurch wurde ich, was meine innersten Bedürfnisse betraf, innerhalb meiner Familie schon von Beginn an in eine Art Sprachlosigkeit getrieben. Meine Verletzungen bahnten sich nonverbal den Weg nach außen. Doch mein Umfeld erkannte diese Missbrauchssymptome nicht, oder wollte sie nicht erkennen. Mein Bettnässen und meine Appetitlosigkeit hatten zur Folge, dass meine Mutter mit mir diverse Ärzte aufsuchte, die ihr alle versicherten, dass organisch mit mir alles in Ordnung sei. Meine Lernschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten in der Volksschule – ich verweigerte das Lesen- und Schreibenlernen, wollte wieder ein Baby sein, verlangte einen Schnuller – wurden ignoriert. Meine Essstörungen im Gymnasium – ich erbrach phasenweise so gut wie alles – brachten mich zur Magenspiegelung. Doch mein Körper, so machten die Mediziner wieder glaubhaft, war gesund. Als junge Frau wurde mein Interesse für Spirituelles am elterlichen Mittagstisch milde belächelt. Ich stieß mit meinen Themen auf taube Ohren. Dieser Umstand trieb mich in ein Doppelleben: die Tochter, die daheim den Anforderungen entsprach und die, die außer Haus das lebte, was sie daheim nicht fand. Die Wirklichkeit meiner Familie hatte mit meiner nichts gemein. Zum Glück manifestierte sich diese erschütternde Erkenntnis bei mir nicht in Handlungsunfähigkeit. Im Gegenteil. Ich begab mich allein auf die Suche nach der Quelle meiner tiefen Traurigkeit. Ich besuchte Seminare, die sich mit alternativen Heilmethoden, Naturphänomenen und geistiger Wahrnehmung auseinandersetzten. Auch in der Malerei fand ich einen Weg, mich auszudrücken. Vor allem aber in meinen Beziehungen zu Männern setzten sich die Muster meiner frühkindlichen Missbrauchserlebnisse fort. Dieser inneren Hölle entfloh ich durch mein regelmäßiges Schreiben. Heute glaube ich, dass ich ohne meine Tagebücher nicht überlebt hätte. Denn dort durfte mein innerer Vulkan ungehindert ausbrechen. Das Unsagbare konnte gesagt werden. So schrieb ich im Stillen gegen die Isolation, gegen die Fremdheit in meiner eigenen Familie an. Nach außen musste ich oft schweigen, weil mir nicht die Freiheit gegeben wurde, meiner eigenen Wahrnehmung zu vertrauen. Es galt das Prinzip: Was nicht bewiesen ist, kann auch nicht sein. Sich damit zu beschäftigen, ist daher reine Zeitverschwendung und letztlich lächerlich. Dabei hielt ich in meinen Tagebüchern und Briefen fast krampfhaft das Ideal meines Vaters, also das Bild des energiegeladenen, spendablen, charismatischen Familienoberhaupts, hoch. Und doch, so merkte ich selbst nach der Lektüre meiner gesamten Aufzeichnungen, hatte ich mit jeder Zeile unbewusst an der Fassade dieses Denkmals gekratzt. Schicht für Schicht musste in mühevoller Kleinarbeit abgetragen werden, manchmal bewusst, manchmal unbewusst, meist aber von der göttlichen Energie, die allem Leben innewohnt, getragen. So begab ich mich beim Schreiben immer wieder auf die Suche nach dem Sein, nach meinem wahren Ich. Das war mein Selbsterhaltungstrieb. Nach über 20 Jahren brach der Schmerz endgültig aus mir heraus. Er war in jeder einzelnen Zelle meines Körpers gespeichert. Ich erkannte das, als ich meine Tagebücher wiederentdeckt hatte, sowie die Briefe an Mami und Vati. Alles war wieder da. Was ich niedergeschrieben hatte und damals nicht verstand, lag jetzt wie ein offenes Geheimnis vor mir. Das war der Beginn des Arbeitsprozesses, der in diesem Buch mündet. Ich hatte nie vor, meine Befindlichkeit in dieser Form zu veröffentlichen. Dafür waren die Dinge, die ich schrieb, viel zu persönlich und viel zu intim. Aber ich spürte, dass es hier nicht nur um mich ging. Meine Geschichte ist kein Einzelfall, sondern vielmehr eine exemplarische. Millionen von Frauen durchleben jene Grausamkeiten, die auch mir widerfuhren. Jede auf ihre Weise – Steigerungsformen der Bösartigkeiten und der exzessiven Gewalt existieren für mich nur im voyeuristischen Boulevard. Es ist an der Zeit, diese Spirale der patriarchalischen Gewalt zu durchbrechen. Meine Aufzeichnungen sollen Bewusstsein schaffen, Mut machen hinzusehen. Ich glaube fest daran, dass jeder Missbrauch heilbar ist. Auch wenn es unmöglich scheint, diesen ohnmächtig machenden Schmerz zu lindern. Ich bin kein Opfer mehr. Deshalb konnte ich dieses Buch schreiben.

Kapitel I: Betrug, Missbrauch, Erkenntnis Kurz vor Ostern 2009 zog ich mich für vier Tage in ein buddhistisches Zentrum zurück. Der Inhalt des Kurses hatte mich magisch angezogen. Ich hatte mich spontan entschlossen, dem zu folgen, was im Programm kurz beschrieben wurde: „Vipassana-Meditation (Achtsamkeitsmeditation) ermöglicht Einsicht in das grundlegende Wesen der Wirklichkeit und eröffnet den Zugang zu innerem Frieden und Freiheit. Getragen von einer Balance aus Ruhe und Wachsamkeit öffnen wir uns – Moment für Moment – der gegenwärtigen Erfahrung und erforschen dabei Körper, Herz und Geist. Vertrautes kann frisch gesehen, Verborgenes erstmals bewusst erfahren werden.“ Mir wurden die Augen geöffnet und die Reise in mein neues Leben nahm ihren Anfang. Fast neun Jahre lang hatte ich kein Tagebuch mehr geführt. Ich schrieb meist, wenn ich traurig war. Die letzten Jahre – vor allem seit der Geburt meiner beiden Söhne – war ich glücklich gewesen und in der Mutterrolle aufgeblüht. Aber immer noch nicht ganz. Ende März 2009 fing ich im Buddhistischen Zentrum erstmals wieder mit dem Schreiben an: MEIN Körper, mein Geist. Atmung! Einatmen – ausatmen. Meditationen fallen mir leichter als in der Vergangenheit. Trotzdem fühlt sich mein Körper oft wie ein Panzer an. Ich wünsche mir mehr Geschmeidigkeit und Flexibilität. Im April habe ich mich für Vipassana-Meditation mit Yoga angemeldet. Diese Woche will ich als Reinigungswoche nutzen. FREI SEIN von jeglicher Abhängigkeit, frei sein von zwanghaften Verhaltensmustern. Frei sein im Geist! Ich bestimme. Sonntagabend kam ich aus dieser Rückzugsoase nach Hause und freute mich auf meinen Mann und die Kinder. Bis ich erfuhr, was passiert war. Nach einem schon lange anstehenden Gespräch mit meinem Mann schlief ich alleine auf dem Wohnzimmer-Sofa ein, erwachte kurz vor fünf Uhr morgens und schrieb weiter: Unsanfte Landung daheim! Wieder einmal kommt – trotz diesem unsagbar tiefen Schmerz – Klarheit zurück. Wieder einmal fügt sich ein Stein zum anderen – das Puzzle ist fertig. All meine Fragezeichen, wie weggeblasen. Die ganzen letzten Wochen und Monate – die mir so schwer vorkamen und mich so müde machten sind aufgelöst. Diese blockierte Energie, diese Ungewissheit, dieses Spüren, dass etwas in der Luft liegt, aber nicht wissen, was. All das hat seit gestern einen Namen. Ich spürte schon seit Monaten keine Weiterentwicklung mehr mit Daniel. Ich spürte seine Abwesenheit, sein Nichtvorhandensein. Warum? Ich schob es auf seinen beruflichen Stress, dann auf seine Kündigung und seine bevorstehende Neuorientierung. Heute kenne ich die Antwort, seine Antwort! Mein tiefes Meditations-Wochenende scheint mich auf eine neue Zeit vorzubereiten. Als ich gestern nach Hause kam, war es wieder da: Dieses Gefühl der Kälte, Unnahbarkeit, Abwesenheit. Dann meine Frage an Daniel, ob er mir irgendetwas sagen oder mitteilen ‚muss‘? Dann meine Worte, dass er nicht greifbar ist für mich. Dass ich mich schon seit längerem nicht auskenne bei ihm!? Seine Worte: „Weil etwas passiert ist, das unser Leben massiv verändern wird.“ Meine Reaktion: „Du hast ein Kind gezeugt.“ Er: „Vermutlich ja.“ Wie habe ich diese Unwahrheiten satt! Und dennoch: Alles fügt sich?!? Jedenfalls kehrt Klarheit zurück. Unsanft! Trotz der Traurigkeit in mir fühle ich diese unglaubliche Kraft endlich wieder. Der Schmerz scheint mir diese enorme Kraftquelle zurück zu bringen. ICH BIN bereit für eine neue Zeit. Ich bin gerüstet. Und ich bin vorbereitet. Diese Intensität an innerer Einstimmung, Klärung, Reinigung, Gedankenhygiene und Stärkung ist sicher kein Zufall. Daniels Worte: „Ich wünschte, ich könnte das ungeschehen machen.“ Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn er mir nie davon hätte erzählen müssen. Die letzten Wochen aber quälte mich schon diese Ungewissheit. Ich spürte bereits lange, dass etwas nicht stimmte. Und immer suchte ich bei mir, ich fragte, hinterfragte, analysierte, zeigte Verständnis und Nachsicht. Ich fühlte diese unsichtbare Mauer, durch die ich nicht hindurch konnte. Und Daniel vermittelte mir, dass alles in Ordnung sei! Unfassbar. Das war keine Basis für eine Ehe. Das war keine Basis für eine Beziehung, wie ich sie mir vorstellte und wünschte. Wir würden einen neuen Weg finden müssen, um mit all dem zurechtzukommen. Ich war trotz dieser Enttäuschung wach und klar. Meine Klarheit! Es tat weh – im Moment –, aber ich hatte keine Angst vor dem Morgen. Ich wollte es anders, ich hatte mir unser Familienleben anders vorgestellt, aber ich hatte die Gewissheit, dass ich geführt wurde und alles zu meinem Besten geschehen würde. Umso mehr vertraute ich meinem göttlichen Plan. Ich spürte Freiheit in meinem Tun und Sein. Ich war der Erschütterung nicht machtlos ausgeliefert. Ich war stark genug für alles, was kommen mochte. Ich wollte mich entwickeln und entfalten und wenn dies ohne Daniel geschehen sollte, dann nahm ich es an. Der Bruch zwischen uns schien zu groß.

Es war so, wie meine Freundin mir im Kaffeehaus gesagt hatte: „Du wirst sehen, jeden Tag – Schritt für Schritt – kommt mehr und mehr hoch.“ Es stimmte: Ich musste Vieles schlucken. Es war ein Wunder, dass ich diese Perversitäten – die ich zu Hause erdulden und ertragen musste – so gut überlebt hatte. Gott sei Dank hatte ich meine mir innewohnende Spiritualität als natürlichen Zufluchtsort. Irgendwann gab ich mich Gott, meinem Vater im Himmel, hin und beschloss, Jesus Christus die Führung und Leitung meines Lebens zu übergeben. Deshalb wurde ich nicht kriminell, nicht drogensüchtig oder was auch immer. Deshalb überlebte ich! Ich nahm mein Tagebuch und fasste zusammen: Ich begreife. . warum es mir nach dem Tod meines Vaters in erster Linie um Mami ging. Ich nahm mich, wie immer, zurück und stützte andere. Ich war es so gewohnt. . warum ich, als Vati gestorben war, zwei Wochen lang bei meiner Mutter einzog. Ich wollte ihr den Ehemann ersetzen. Ich war ihr Partner, der ich ja auch schon vorher immer gewesen war. . warum ich meinen ersten Frauenarzt-Termin gemeinsam mit meiner Mutter absolvierte. Es sollte ein Hinweis für sie sein. Die Geschichte dazu: Ich bin 15 Jahre alt und sage Mami, dass ich bei einer Freundin übernachte. Wir ziehen los und schlafen bei ihrem Freund. Die beiden haben Sex. Danach kommt ihr Freund zu mir ins Zimmer und legt sich auf mich drauf. Es passiert nichts. Aber: Ich bekomme meine Regel nicht. Ich vertraue mich Mami an und sage, dass ich möglicherweise schwanger sein könnte. Aber nur – ich erzähle ihr die Geschichte –, weil die vorher Sex hatten und sich vielleicht Samen bei mir eingenistet haben könnten. Also ich nur wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind kommen könne. Ich will, ganz subtil, dass der Missbrauch auffliegt und endlich entdeckt wird. . warum ich immer funktionierte. Widersetzte ich mich, wurde es eng und ich spürte noch mehr Liebesentzug. Funktioniert hat es nach einem Streit nur, wenn ich mich entschuldigte. . warum ich dieses „Sei wieder lieb“, das ich von meiner Mutter oft zu hören bekam, so hasste. . warum sie mir dieses „Denk drüber nach“ so oft hinwarf, bevor ich das Haus verließ. . warum ich Ladendiebstähle beging: Ich nahm mir, was mir nicht gehörte! So wie es mein Vater mit mir machte. Aber von der Mutter wurde ich dafür bestraft. Sie war böse auf mich und enttäuscht von mir. Ich musste damals zu einer Psychologin, weil meine Mutter sich nicht traute, mit meinem Vater über dieses Vergehen zu sprechen. So etwas tat man schließlich nicht! . warum mir logisches Denken – Mathematik– so schwer fiel. Ich lebte nur in meiner Gefühlswelt (rechte Gehirnhälfte). Die andere, rationale Seite (linke Gehirnhälfte) war verkümmert. . warum ich im Gymnasium zweimal durchfiel und Lernschwierigkeiten hatte. . warum ich gar keinen Mann an meiner Seite ertrug und Partnerschaften deshalb auch bis jetzt nicht funktionierten. . warum ich mir selbst so sehr eine eigene heile Familie wünschte. . warum ich erst so spät (mit zirka 24 Jahren) von zu Hause auszog. . warum ich mit 17 Jahren zu einer Freundin flüchtete, also bei ihr einzog, aber nach zwei Monaten wieder heimkehrte, weil ich fühlte, dass meine Mutter litt und einsam war. . warum mir Vati vor seinem Tod erzählte, dass es mit der Mami im Bett nicht so toll lief. . warum es mir kalt über den Rücken lief, wenn meine Mutter sagte: „Bei Vati hat es so etwas (Affären, Seitensprünge, Fremdgehen) nie gegeben.“ . warum es mir kalt über den Rücken lief, als sie sagte: „Du kennst doch den Vati, er war immer so offen. Er hätte mir bestimmt etwas gesagt, oder ich hätte etwas gemerkt, wenn es etwas gegeben hätte.“ . warum mich sein Tod auch in irgendeiner Art und Weise erlöste. . warum ich über 40 Jahre auf der Suche nach mir selbst war. . warum ich mich nie „richtig“ fühlte. . warum Kontrolle und Disziplin so einen hohen Stellenwert in meinem Leben haben. . warum ich Chlamydien, Feigwarzen und immer wieder Scheiden-Entzündungen hatte. . warum ich mich an keine Spielsachen erinnere. Ich kann mich an keine normalen Spiele erinnern, die ich mit Vati spielte. Ich nahm ein Hermann-Hesse-Buch in die Hand und suchte nach einem Gedicht, das ich immer und immer wieder gelesen hatte. Ich fand die „Gestutzte Eiche“ – jede Zeile war mir so vertraut. Sie hatte mir oft Trost gespendet, weil ich mich mit meinen Gefühlen nicht alleine gelassen fühlte. Ich war die gestutzte Eiche!

Erscheint lt. Verlag 8.3.2010
Zusatzinfo einige Faks.
Sprache deutsch
Maße 140 x 220 mm
Gewicht 199 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Partnerschaft / Sexualität
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Psychologie
Schlagworte Anzeige • Bulimie • Erfahrungsberichte • Essstörungen • Hardcover, Softcover / Belletristik/Briefe, Tagebücher • Hardcover, Softcover / Ratgeber/Lebenshilfe, Alltag/Partnerschaft, Sexualität • Heilung nach Missbrauch • Ich bin nicht mehr eure Tochter • Jugendhilfe • Kinderschutz • Kinderschutzzentrum • Kindesmissbrauch • Magersucht • Magersüchtig • Missbrauch • Missbrauch aufklären • Missbrauchserfahrung • missbraucht • Missbrauchtes Mädchen • Misshandlung • Opfer • Opferschutz • Sex • Sex mit der eigenen Tochter • Sex mit Kindern • Sex mit Minderjährigen • Sexueller Missbrauch • sexueller Missbrauch Frauen • Therapie • Vergewaltigung • Vernachlässigung
ISBN-10 3-902647-28-0 / 3902647280
ISBN-13 978-3-902647-28-3 / 9783902647283
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