Briefe aus Südamerika
Interconnections medien & reise e.K. (Verlag)
978-3-86040-143-9 (ISBN)
- Titel ist leider vergriffen;
keine Neuauflage - Artikel merken
Man kann nach Südamerika ins indianische Herz fahren, kann die kargen, dennoch grünen Andengebirge auf sich einwirken lassen und von den tausenden Bananenstauden, Maultieren, Inkatrachten und den lächelnden Gesichtern mit den dunklen Magieraugen erzählen. Später daheim mit Diavorführungen vom Machu Pichu, dem Titikakasee und den Kathedralen von Cuzco und Cuenca seine Mitmenschen in den Schlaf wiegen und auf der Haben-Landkarte den südamerikanischen Kontinent abhaken. Kann man machen.
Oder man taucht mit offenen Augen und spitzen Ohren ins Leben der Einheimischen ein, lernt die machtpolitischen Strukturen, die auch 500 Jahre nach der Konquista immer noch wirksam sind. Empfindet den nicht endend wollenden Schmerz der Ausbeutung, nicht devot sondern empathisch, und schreit schreibend seine Wut tagebuchartig in Form von Emails in die Heimat. Die Schönheit der Tier- und Pflanzenwelt, das stoische Strahlen der Indios, die Kokazeremonien und die verantwortliche Integration der Vergangenheit warten auf ihre Enthüllung. Marco Gerhards hat bedingungslos recherchiert und mutig formuliert: Reiseberichte aus Südamerika mit sozialpolitischer Aktualität, ökologischen Interessen und der naiven Wahrnehmung eines Gringos. In dieser Art und Weise einzigartig – die Grausamkeit sezierend, die Abgründe entdeckend, den Humor nicht verlierend.
Marco Gerhards, in den 1970er Jahren geboren in einem sterilen Krankenhaus, aufgewachsen jedoch im wärmenden Wald, umgeben von allerlei Natürlichen. Die Schulerziehung im christlichen Inferno hinderte ihn nicht daran, „Lebenskunde, Körperwelten und Geschichten“ – so das eigene Bekunden – zu studieren. Bis heute interessiert er sich für außergewöhnliche, tiefsinnige und lebensbejahende Alternativen. Neugierig besuchte er die fünf Kontinente und ist immer wieder fasziniert von der Mannigfaltigkeit der Kulturen. Momentan arbeitet er als Körpertherapeut und freier Journalist.
Vorwort - Gesendet an Liebe
Reiseberichte aus Südamerika
„Auf dem Weg nach.
Ecuador
Quito
Einen Orden für.
Animales y plantas
Q wie Qöln
Mindo es lindo
Nach sieben kommt 8
Blick zum Himmel
Warum ist die Banane krumm?
Adventsspezial
Feuchtfröhliches Stadtfest
Rundlauf
Ein Schreiber
Sensation
Briefe an die Redaktion!
Das liebste Geräusch
Straße der Tiere
Mit Pharao zum Mond
Quala Lumpur
In eigener Sache
Adios Quito
Adios Pharao
Chachimbiro
Tiere zu verkaufen!
Cambio del sol
Des Teufels Nase
Feiertag!
Ecuador Adios!
Peru
Peru für Hartgesottene
Sprache des Meeres
Peruaner
Dringlichkeit
Werthers Echte
Noch drei Tage!
Erschöpfungen
Lima
Straßenverkauf
Ringo ist ein Star!
Speisen auf Reisen
Zwei Schlangen
Drogen
Dschungelfieber I
Dschungelfieber II
Dschungelfieber III
Dschungelfieber IV
Tormento
Copacabana
Und Du Peru!
Briefe an die Redaktion II
TomTulpe
Bolivien
Zeitlügen
Matjes Horring
Tierfreunde
La Paz
Coroico
Imagination
Alexander von Humboldt
Karneval in Bolivien
Neues von Tieren
Silber!!! Es ist echtes Silber!!!
20 Bolivianos
Was ich gern wäre - Zweiter Versuch
Wüstensafari und raus
Chile
Die Wüstengrenze zwischen Bolivien und Chile …
Aufi geht´s, neue alte Welt!
Pflanzen
Backpacker
Reiseheimat
Scheele
Ende der Kritik
Stinkbomben
Argentien
Ahrtal
Buenos Aires
Fast ein Appendix
Zum letzten Atemzug bereit
Uh-Ruguay
Amerika
Links liegen lieben
Lesen (Topptipps)
Floplights
Toplights
Deutschland
Si claro, Los animales son maligroso, fantastico
Sonntag, 4. November, 22:01:55 HOLA! Wer Zusendungen im elektronischen Postfach liebt, wird in den nächsten Monaten von der Reiseberichts-Adresse gefüttert werden! Es handelt sich - wie der Name unschwer vermuten lässt - um Berichte einer Reise. Dahin gestellt sei, ob es sich um die Reise zum Erholen, zur Erleuchtung oder zum Bäcker, der auch Brötchen von gestern im Angebot hat, handelt. Generell kennen wohl die meisten von Euch die bisweilen ultralangen Rundmails gewiefter Globetrotter, deren Lektüre leider häufig nach der Hälfte abgebrochen werden muss. Das liegt weniger an der interessanten Dichte der dort so überaus großzügig verschenkten Informationen, sondern am Paradoxon, gemütliche Reiseberichte - die am Besten im Kaffeehaus in angenehmer Jazz-Atmosphäre genossen werden sollten - im Porno-Highspeed-World-Wide-Web-Netz zu posten, also im Sinnbild einer Gesellschaft, die weder warten kann noch Zeit für drei Minuten mehr hat; die Berichte sind dort also so sinnvoll aufgehoben wie Altenheime in Sizilien. Womit wir schon beim Thema wären. Es erwarten Euch Beobachtungen, die so genießbar sein wollen wie ein kleines Stück Haselnusstraum à la Giotto (oder auch ´ne ganze Stange von dem Zeugs, mjam!). Ihr dürft, sollt, müsst, könnt auf diese Beobachtungen aus der Ferne, die nicht näher sein könnten, antworten, in dem Ihr einfach auf Antworten klickt (Schau mal wie einfach das also geht.). Nein, es handelt sich nicht um eine selbstzerstörerische Feed-for-you-Quelle, die gegen persönliche Kontakte immun ist. Auf die gleiche Art und Weise könnt Ihr Euch natürlich auch aus diesem Verteiler entfernen lassen, sei es, weil es im Internet schnell und pragmatisch zugehen muss, oder sei es, weil Euch der Schreiber dieser Zeilen zum Hals raushängt, wie des Hundes Zunge. Bis auf weiteres am Äquator zu erreichen. Fri, 16. Nov, 18:58:43 Auf dem Weg nach. HOLA UNO! Kurz bevor ich mich auf eine Reise begab, schenkte mir ein lieber Mensch ein besonders schönes und edles Notizbuch aus schwarzem Leder und mit unendlich vielen weißen Seiten, wo ich Reisebeobachtungen bündeln und notieren könne. Auf der Verpackung betonte der Hersteller, dass auch schon Hemingway, Picasso und Chatwin in genau diese Sorte Bücher geschrieben hätten. Na so was! Im Bunde mit großen Abenteuern, Künstlern und Forschern - sitz ich dann auch rauchend in einem Straßencafe mit meinem ", ist eine der scheinheiligsten Fabeln dieser Erde. Der Raubzug war so brutal und schlimm, dass dagegen sogar schon im 16. Jh, Leute wie Las Casas, ausgerechnet ein Pfaffe, beim spanischen König Beschwerde führten. Die momentanen und in der Vergangenheit existenten Terrorregimes lateinamerikanischer Länder sind weniger selbstverschuldete Diktaturen, als stasihafte Zwischenhändler, die ihre eigenen Völker, ganz im Sinne der usurpierten Kapitalismussichtweise, an starke Devisen, Amerikaner und Coca-Cola verkaufen. Ja, schon wieder Sozialkritik und noch gar kein Wort verloren über die tollen Tieren der Galapagos-Inseln. Tja, aber das ist es, was meine Reisegedanken füllt, was meine Wegzehrung ist und was mein Herz bewegt. Ich weiß nicht, ob ich meine eigene Obsession ins Außen verlagere und dort kritisiere, aber die Gier nach Gold und Silber hat es nicht nur in der frühen Neuzeit gegeben. Wen wundert es da also, dass, als ich mit zehn Stunden Verspätung und wackeligen Beinen ziemlich erschöpft in Quito ankam, mein Gepäck verschwunden war, und ich weinend mein stoffliches Gold davon fliegen sah. Von den Menschen, ihren Augen, den Tieren und den Pflanzen, beim nächsten Mal. Hasta la libertad
Einen Orden für. TERCERO HOLA! Heute verteilen wir einen Orden für. die Ordnung! Und dieser Orden geht nach Deutschland, dem Land der korrekten Angaben, der minutiösen Ausgaben und der geradlinigen Vorgaben. Selbst angelsächsische oder skandinavische Länder können da nicht mithalten, was irgendwie auch daran liegt, dass die Baumaterialien leichter und damit anfälliger sind. Den bombastischen Beton, die akkurate Falz und die bündige Leiste, die gibt es nur in Karlsruhe und Kassel. In Ecuador gibt es das, was es auch in Tunesien, Thailand und Turkmenistan gibt, nämlich ein Fünfe gerade sein lassen, ein Hauptsache Dach überm Kopf, ein Take it easy. Das äußert sich in zerstörten Straßen, aufgerissenen Gehwegen, verranzten Blechkarren und vor allen Dingen behelfsmäßigen Behausungen. Das Abklebeband zur akkuraten Malerarbeit kennt man hier nicht, es wird gepinselt so weit das Auge reicht, und der ein oder andere Strich geht da gerne mal daneben. Fugen im Kachelwerk sind ja gut und schön, aber müssen die alle ordentlich gezogen sein? Und ´nen Boden legen, egal ob Estrich oder PVC, ist keine Angelegenheit fürs geometrische Raumverständnis, sondern funktioniert wie ein Besuch auf dem Ort der Stille. Fallen lassen, abputzen, abziehen - fühlt sich gut an, muss aber nicht gut aussehen. Der Putz, der Mörtel, die Fassade, die hochgezogene Mauer, sie alle fristen hier ein fragmentarisches Dasein, hier fällt was runter, da guckt was raus, am Liebsten Leitungen für Wasser, Strom und Gas. Kein Anblick für Ästhetiker, schon gar nicht für Silikon-Fanatiker, die mit der Kartusche in der Hand alles zudichten wollen. Sollte das jemand in Quito versuchen, er wäre bis ins Jahr 4287 beschäftigt und wurde doch nicht fertig, weil in der Zeit so viele neue, unfertige, das lethargische Loch in der Wand vorziehende Wohnungen gebaut würden, dass Kartuschen-Karlo nicht nachkäme und sich vor Gram suizidieren müsste. Welche Qualität hinter Ordnung und Sauberkeit, welche hinter Laisser-faire und Praktikabilität steht, kann sich jeder beim nächsten Anblick einer weißen, ordentlichen, fleckfreien Mauer selbst fragen. Dass Kartuschen-Karlo durch den massiven Zuwachs an Neuwohnungen zum Suizid gezwungen wird, liegt in erster Linie daran, dass Kinder hier so reichhaltig wachsen und gedeihen wie Äpfel in Tirol. Ein pfiffiger Spaziergang, gerne mit Pfeifliedern garniert, durch dieses oder jenes Viertel, beschert dem Betrachter mehr Schulen als in einer kompletten deutschen Gemeinde (samt Eingemeindeten). Da streunen und toben sie, lachen und spielen, bestückt mit ihren unterschiedlichsten, aber für ihr Colegio durchaus einheitlichen, Schuluniformen (gerne in Jogginghose - mir als Polen-Sympathisant überaus sympathisch diese Kleiderwahl) und sorgen für Bevölkerungs-Wachstum, dass Mitteleuropa zur Zeit nicht mehr kennt. Die guten Kleinen sehen natürlich niedlich aus, weil sie ja gute kleine Kinder sind, und gute kleine Kinder überall niedlich aussehen - muss aber nicht unbedingt heißen, dass sie dadurch besonders brav oder umgänglich sind. Vielleicht bewirkt ja auch das Pausenbrot die ein oder andere Aufgedrehtheit, das in der Regel aus Chips, Kleinkuchen oder der Extraportion Milch besteht. Macht Zucker nervös und unruhig? Trifft auch hier der anthropologische Grundsatz zu, je ärmer die Bevölkerung, so ungesünder die Ernährung, desto weniger bewusst das medizinisch Selbstverständnis? Jawoll, er tut es, mit Hola und Hallodrio. Verhältnismäßig viele dicke Menschen, vor allen Dingen Frauen (auch dies eine anthropologische Konstante, als wohlgeformte Herd- und Heimhüterin noch mehr der unbewussten Schlemmerei zugetan), dazu eine offensichtliche Art von Fettleibigkeit (aber deutlich geschmeidiger als hüben unter den metallenen Skylines Europas und der USA) trotz Armut und dem ungezählten Straßenverkauf. Trotz ein Bier in der Kneipe für nen Dollar bestellen, mit nem Fünf-Dollar-Schein zahlen und ne Viertelstunde aufs Rückgeld warten, weil der Barkeeper, erst die ganze Straße nach so viel!! Wechselgeld abklappern muss. Zurück zur Schule: Nestle, die freundliche Schweizer Firma, die uns auch in Mitteleuropa mit kerngesunden Flocken ernährt, und gleichfalls für solcherart Ideen zuständig ist, Milch, Hafer und ein bisschen Honig in den Kühlschrank zu stellen (oii, herauskommt ein Riegel direkt aus Mutter Naturs Busen!), wirbt hier auf einem Monster-Riegel von Zucker und Fett, dem fantastischen Galak (weiße Schokolade mit Smarties! muy dulce!) folgendermaßen: "Lo Divertido de comer la leche" - das heißt so viel wie, die Freude am Essen von Milch. Danke Nestle, für diese Sonderportion Freude, auf dass wir die Welt verstehen und uns selbst etwas Gutes tun. Und wieder einmal ein Zeichen von globalisierter Gleichheit aller menschlicher Herzen, ich denke mit Lächeln an Milchschnitte, Anke Hubers Zähne und die Weisheit der Weißheit. Unvergesslich übrigens das Interview von Erwin Wagenhofer mit Nestle-Chef Brabeck im Film "We feed the World". Der Konzern versuchte vergeblich, das Interview im Film zu verhindern, aber der Regisseur hatte sich vorher rechtlich gut abgesichert. Wagenhofer: "Meine Hypothese war, wenn ich ihn lang genug sprechen lasse, kommt irgendwann der Punkt, wo er das sagt, was er als Mensch auch wirklich denkt."heiligen" Notizblock und werde zum unsichtbaren Observator, der weder Heimat noch Hilfe, sondern nur die Wahrheit finden will? Der gleiche liebe Mensch hat nebst dem Geschenk auch eine persönliche Widmung in das "Heiligtum" gekritzelt, mit der er mich großmütterlich darauf hinwies stets "wachzubleiben". Ich mag Großmütter und solcherart Hinweise, doch was ist eigentlich mit "wach bleiben" gemeint? Unbeabsichtigterweise, vielleicht intuitiv sehr wohl beabsichtigt, habe ich es zumindest physiologisch geschafft, die ersten fuffzig Stunden dieses Weges wach zu bleiben. Das lag zum einen an der Nervosität in der kurzen Nacht vor der Reise (die ich mit abwechselnder Lektüre von Goethes Götz von Berlichingen und einem Simpsons-Comic-Megapack verbrachte) und darüber hinaus an nicht eingeplanten Flugverspätungen, einem daraus notwendig gewordenen Flugumweg und qualvollen Warteschlangen Ecuadors Amts wegen. Nach fünfundreißig dieser fünfzig Stunden hatte ich allerdings bereits verstanden, dass sich die Aufforderung "wachzubleiben" wohl auf meine physische Conditio Humana, aber nicht auf die Leuchtkraft meiner geistigen Wahrnehmung bezog. Diese, je später es wurde, sank und schwand wie die Sonne, der Du am Abend beim Untergehen zuschaust. Immerhin hatte ich genügend Zeit, das ein oder andere in das schwarze "Heiligtum" zu pfeffern, und die Extrakte gibt es nun: Das erste, was mir ins Auge sprang, waren Toblerone-Schokoladen in der Größe von Fußbällen, die es am Startpunkt Schweizer Flughafen zu kaufen gab. Erstaunlich in welchen Dimensionen handeln kann, wer über entsprechende Devisen verfügt - für mich ein erster Hinweis der Ambivalenz im Vergleich zu weniger entwickelten Ländern?. Passend dazu berichtete die mir im Flugschiff freiherzlich überreichte Schweizer Tageszeitung, dass die Kriege im Irak und in Afghanistan die USA 1, 6 Billionen Dollar kosten würden. Das sind 1600 Milliarden!! Kann man sich unter diesen Zahlen etwas vorstellen? Wie viele Tobleronen-Fußbälle kann ich mir dafür kaufen, und sind überhaupt die Einzigen, die sich drei Kilogramm Schokolade am Stück leisten wollen diejenigen, die Menschen in politische Ämter wählen, um andere kriegerisch zu bekehren? Huu, ich merkte gleich zu Beginn, das war kein Schülerausflug, bei dem ich von Bäumen und Schmetterlingen berichten werde, sondern eine wirtschaftsglobale Katastrophen-Begegnung, die an meinen kommunistischen Adern saugte. Süd-Amerika, ich komme! Eine weitere nicht zu unterschätzende Nachricht stand ebenfalls im Zürcher Generalanzeiger: Der Kastanienbaum vor "Anne Franks Haus" muss 150jährig gefällt werden, da der Kronenpilzbefall für die anwohnenden Buerger zu einer nicht mehr kalkulierbaren Gefahr ausgeartet ist. Hmm, ausgerechnete der Baum, so die Zeitungsnachricht, den Anne Frank vom Speicher ihres Verstecks vor den Nazis aus beobachtete und der ihr einen winzigen Schimmer natürlicher Größe und Schönheit offenbarte. Was muss diese Kastanie wohl gefühlt haben, hat sie die ihr entgegen gebrachte kollektive Memorial-Absicht wahrgenommen? Und was sagen die anderen Rotterdamer Kastanien dazu, die nicht wegen Pilzbefalls, sondern wegen McDonalds, Lidl, Kaufhaus und Betonstraßen gefällt werden? Der Baum blieb übrigens doch erstmal erhalten, habe ich später mitgekriegt. Hach, schon wieder so ne Sozialkritik, dabei wollt ich doch eigentlich von der Reise. Also gut, in Madrid hatte ich nun sechs Stunden Aufenthalt, die ich dank Metro in der königlichen Stadt verbrachte und plötzlich vor dem angeblich schönsten und wichtigsten Fußballstadion, dem Bernabeu von Real Madrid stand. Oh, was für ein Tempel! Allerdings weigerte ich mich Eintritt zu zahlen, um das leere Stadion von innen zu sehen, es kostete so viel wie drei Heimspiele des SC Freiburg. Mehr habe ich von Madrid nicht zu berichten, außer von dem Zwergpinscher am Flughafen, der genau wie ich in das Flugzeug nach Ecuador stieg und exactement die Größe der Tobelerone-Schokolade vom Züricher Flughafen hatte. Futtern die in Ecuador eigentlich Hunde? Im Flugzeug sah ich kurz nach Sonnenuntergang über den Wolken das gesamte Regenbogenspektrum, die Einzigartigkeit und Schönheit, die uns die Atmosphäre schenkt, in einer derart berauschenden Intensität von Rot, Orange, Grün und Co, dass ich sogar dem anmutigen zunehmenden Mond, der schützend über diesem Schauspiel prangte, meine Aufmerksamkeit verweigerte. Diese bekam einige Stunden später der Himmelsreiter Orion, dieses wunderschöne, vielfarbige Sternbild samt Beteigeuze, Rigel und Schwert. Da staunte ich ihn von meinem Fensterplatz an und war ganz verwirrt. Der gute Orion lag nämlich schief und quer in der Luft, südlich am Himmel, dazu die Höhe von 10.000 Metern. Ist das wirklich so viel oder ist das völlig unerheblich, wenn einem - unterstützt durch scheinbar fehlende Erdanziehungskraft - wieder einmal die Nichtigkeit, die Zwergenhaftigkeit unseres Planten und der unermessliche Reichtum des Universums auf der anderen Seite gegenübertreten? Bevor ich dann meine Füße und den nach oben anschließenden Rest das erste Mal auf südamerikanischen Boden setzte, verlas ich mich noch in Galeanos "Die offenen Adern Lateinamerikas", einem schmerzhaften Wehgeschrei, einer unbarmherzigen Anklage über die Ausbeutung, die Unterdrückung und die Zerstörung eines Kontinentes, gedemütigt bis zum heutigen Tage durch Europäer und seit 200 Jahren auch durch US-Amerikaner. Da Buch ist fesselnder und aufrührender als viele andere, und kann in seiner Intensität gerne mit Onkel Toms Hütte verglichen werden. Komisches Gefühl da am Flughafen, am Züricher Flughafen meine Reise begann, dieses seltsame Gefühl von Traurigkeit und Hilflosigkeit, wenn mir bewusst wird, dass genau jetzt, genau heute, nicht nur Ecuador, sondern auch seine ganzen Brüder und Schwester im gleichen Kontinent, in Afrika oder in Asien, als billige Rohstoffquellen und Arbeitsquellen-Plantagen angesehen werden, die dazu dienen, reiche Wirtschaftsnationen noch reicher zu machen. Alle angeblichen Versuche, Gleichheit und Gerechtigkeit zu schaffen, waren und sind ein Alibiverhalten, dass der Konsumierende zur psychologischen Reinwaschung verwendet. Ich wär so gerne einmal der 50-Euro-Schein, den Tante Elfriede an Weihnachten immer für Kinder in Afrika spendet. Diese Reise, ich also als 50-Euro-Schein, würde ich gerne machen, und bin mir sicher, weit würde ich nicht kommen. Galeano schreibt völlig zu Recht, dass die meisten Menschen, hören sie von Amerika, an die USA denken und Lateinamerika als Unter- oder Secondhand-Amerika betrachtet wird. Seit der Conquista hat dieser Kontinent, ohne gefragt zu werden, alles, alles, an Bodenschätzen, und davon hat er reichlichst, an Arbeitskräften, für Europa und die USA gegeben. Das ist sein Verhängnis. Die den europäischen Kindern in jedem Geschichtsbuch, in jeder Fernsehsendung, erzählende Mär großer Entdecker wie Kolumbus, Vespucci oder Magellan, dieses zuckersüße, so beschwerliche und letztlich anscheinend erfolgreiche Abenteuer der Eroberung der "neuen Welt" Und was er wirklich denkt, das kann sich jeder denken, der schon mal Managergehirne hat denken spüren. Für diejenigen Naschkatzen, die mal wieder richtig heiß gemacht worden sind: Bei Lidl gibt’s das teutonische Gegenstück, Weiße mit Smarties im 200-Gramm-Bomben-Pack und dazu frisch geputzte Böden und saubere Leitungen. Noch was zur Lage der Nation: Heute ist schon wieder so heiß, der Himmel blau (mit den üblichen Wolkenbändern) und die ganze Stadt wird aufgrund der fehlenden Regentristesse sichtbar umringt von schönen, großen Bergen, die mit Irlands Grün, Urwalds Bäumen und Colorados Gebirgsstruktur so aussehen, als dass ich nicht anders kann, als versessen draufzustarren und mich per Traum auf eine kleine Reise dorthin zu begeben. Das grünste Grün am seidigsten Berghang zu kosten und wie ein Schaf herunterzupurzeln, trollend, lachend. Ja. per Traum. Spazierengehen funktioniert hier nicht, es sei denn man möchte eine Stunde durch Abgase laufen, um dann vor einem Zaun zu stehen, der die grünbergigen Wunderwälder flankiert. Immerhin, Man hört, am Wochenende soll’s in die Natur gehen. Oh, wir sind gespannt. Kinderriegelnde Grüße und kindermachende Aufmunterungen aus Kinder-Stadt
Einen Orden für ... TERCERO HOLA! Heute verteilen wir einen Orden für ... die Ordnung! Und dieser Orden geht nach Deutschland, dem Land der korrekten Angaben, der minutiösen Ausgaben und der geradlinigen Vorgaben. Selbst angelsächsische oder skandinavische Länder können da nicht mithalten, was irgendwie auch daran liegt, dass die Baumaterialien leichter und damit anfälliger sind. Den bombastischen Beton, die akkurate Falz und die bündige Leiste, die gibt es nur in Karlsruhe und Kassel. In Ecuador gibt es das, was es auch in Tunesien, Thailand und Turkmenistan gibt, nämlich ein Fünfe gerade sein lassen, ein Hauptsache Dach überm Kopf, ein Take it easy. Das äußert sich in zerstörten Straßen, aufgerissenen Gehwegen, verranzten Blechkarren und vor allen Dingen behelfsmäßigen Behausungen. Das Abklebeband zur akkuraten Malerarbeit kennt man hier nicht, es wird gepinselt so weit das Auge reicht, und der ein oder andere Strich geht da gerne mal daneben. Fugen im Kachelwerk sind ja gut und schön, aber müssen die alle ordentlich gezogen sein? Und nen Boden legen, egal ob Estrich oder PVC, ist keine Angelegenheit fürs geometrische Raumverständnis, sondern funktioniert wie ein Besuch auf dem Ort der Stille. Fallen lassen, abputzen, abziehen - fühlt sich gut an, muss aber nicht gut aussehen. Der Putz, der Mörtel, die Fassade, die hochgezogene Mauer, sie alle fristen hier ein fragmentarisches Dasein, hier fällt was runter, da guckt was raus, am Liebsten Leitungen für Wasser, Strom und Gas. Kein Anblick für Ästhetiker, schon gar nicht für Silikon-Fanatiker, die mit der Kartusche in der Hand alles zudichten wollen. Sollte das jemand in Quito versuchen, er wäre bis ins Jahr 4287 beschäftigt und wurde doch nicht fertig, weil in der Zeit so viele neue, unfertige, das lethargische Loch in der Wand vorziehende Wohnungen gebaut würden, dass Kartuschen-Karlo nicht nachkäme und sich vor Gram suizidieren müsste. Welche Qualität hinter Ordnung und Sauberkeit, welche hinter Laisser-faire und Praktikabilität steht, kann sich jeder beim nächsten Anblick einer weißen, ordentlichen, fleckfreien Mauer selbst fragen. Dass Kartuschen-Karlo durch den massiven Zuwachs an Neuwohnungen zum Suizid gezwungen wird, liegt in erster Linie daran, dass Kinder hier so reichhaltig wachsen und gedeihen wie Äpfel in Tirol. Ein pfiffiger Spaziergang, gerne mit Pfeifliedern garniert, durch dieses oder jenes Viertel, beschert dem Betrachter mehr Schulen als in einer kompletten deutschen Gemeinde (samt Eingemeindeten). Da streunen und toben sie, lachen und spielen, bestückt mit ihren unterschiedlichsten, aber für ihr Colegio durchaus einheitlichen, Schuluniformen (gerne in Jogginghose - mir als Polen-Sympathisant überaus sympathisch diese Kleiderwahl) und sorgen für Bevölkerungs-Wachstum, dass Mitteleuropa zur Zeit nicht mehr kennt. Die guten Kleinen sehen natürlich niedlich aus, weil sie ja gute kleine Kinder sind, und gute kleine Kinder überall niedlich aussehen - muss aber nicht unbedingt heißen, dass sie dadurch besonders brav oder umgänglich sind. Vielleicht bewirkt ja auch das Pausenbrot die ein oder andere Aufgedrehtheit, das in der Regel aus Chips, Kleinkuchen oder der Extraportion Milch besteht. Macht Zucker nervös und unruhig? Trifft auch hier der anthropologische Grundsatz zu, je ärmer die Bevölkerung, so ungesünder die Ernährung, desto weniger bewusst das medizinisch Selbstverständnis? Jawoll, er tut es, mit Hola und Hallodrio. Verhältnismäßig viele dicke Menschen, vor allen Dingen Frauen (auch dies eine anthropologische Konstante, als wohlgeformte Herd- und Heimhüterin noch mehr der unbewussten Schlemmerei zugetan), dazu eine offensichtliche Art von Fettleibigkeit (aber deutlich geschmeidiger als hüben unter den metallenen Skylines Europas und der USA) trotz Armut und dem ungezählten Straßenverkauf. Trotz ein Bier in der Kneipe für nen Dollar bestellen, mit nem Fünf-Dollar-Schein zahlen und n
Erscheint lt. Verlag | 3.6.2009 |
---|---|
Reihe/Serie | Reisetops ; 6 |
Sprache | deutsch |
Maße | 145 x 205 mm |
Gewicht | 300 g |
Einbandart | Paperback |
Themenwelt | Reisen ► Reiseberichte ► Südamerika |
Schlagworte | Argentinien • Bolivien • Chile • Ecuador • Geschichte • Gesellschaft • Hardcover, Softcover / Reiseberichte, Reiseerzählungen/Südamerika • Indianer • Indios • Lateinamerika • Mythen • Natur • Peru • Pflanzen • Regenwald • Reisen • Südamerika • Südamerika; Reisebericht/Erlebnisbericht • Südamerika; Reise-/Erlebnisberichte • Tiere • Wüste |
ISBN-10 | 3-86040-143-2 / 3860401432 |
ISBN-13 | 978-3-86040-143-9 / 9783860401439 |
Zustand | Neuware |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
aus dem Bereich