Wege durch Barcelona
Entlang der Rambles zum Meer
Tour 1
Es ist wohl nicht übertrieben, diesen prächtigen, baumbestandenen Boulevard als den berühmtesten Kilometer Spaniens (genauer gesagt sind es 1,2 km) zu bezeichnen, gleichermaßen heiß geliebt von Touristen wie von den Einwohnern selbst.
Die Flaniermeile der Stadt
Rambles
Rambla, abgeleitet vom arabischen Wort „ramla“ (sandiger Boden), bedeutet im ganzen Land eigentlich ein im Sommer ausgetrocknetes Flussbett, das als Weg benutzt wird; und genau das waren die Rambles früher auch. Bis ins 18. Jh. lagen sie außerhalb der Stadtmauern. Mit deren Abriss entstanden am Rand der Rambles die ersten Adelspaläste, im 19. Jh. wurden schließlich die Platanen gepflanzt, die so viel zur heiteren Atmosphäre der Flaniermeile beitragen. Bleibt die selbst in Barcelona offene Frage, ob es auf Català nun die Rambles oder die Rambla heißen muss. Wir verwenden den Plural, da es sich um eine Folge mehrerer Abschnitte handelt: von der Plaça de Catalunya aus gesehen nacheinander die Rambla Canaletes, Rambla dels Estudis, Rambla Sant Josep, Rambla dels Caputxins und Rambla Santa Mònica. Die Rambles sind Reich der Fußgänger; Autos müssen mit den schmalen Fahrstreifen links und rechts der platanenbestandenen Pflasterzone vorliebnehmen. Auf dieser geben eine ganze Reihe von Zeitschriftenkiosken und Blumenständen den Rahmen für ein Volkstheater besonderer Art, in dem die Zuschauer gleichzeitig auch Akteure sind. Man flaniert oder sitzt in einem der Cafés und lässt flanieren. Zu einem wahren Hexenkessel werden die Rambles, wenn der Fußballklub FC Barcelona ein wichtiges Spiel gewonnen hat, vorzugsweise gegen die Rivalen aus Madrid. Dann fließt der Cava in Strömen, kreist stundenlang ein ohrenbetäubend hupender Corso von Autos, aus deren Fenstern die blau-roten Fahnen des Vereins und die rot-gelben Kataloniens flattern.
In den ganz späten Stunden gehören die Rambles in Hafennähe den Obdachlosen und einigen nächtlich Gestrandeten. Seit der Hafen an Attraktivität gewonnen hat, spazieren auch auf den unteren Rambles Pärchen und Grüppchen von Flaneuren.
Einen schwarzen Tag erlebten die Rambles mit dem islamistischen Terroranschlag vom 17. August 2017, der 15 Todesopfer und Dutzende Verletzte forderte. Am 26. August antwortete Barcelona mit einer Großdemonstration, die rund eine halbe Million Teilnehmer hatte. Auf vielen Transparenten stand „No Tenim Por“, Wir haben keine Angst.
Die 2024 begonnenen Bauarbeiten an den Rambles sollen bis 2026 abgeschlossen sein. Für die Zeit des Umbaus ist im Palau de la Virreina ein Informationszentrum untergebracht, das Anwohnern und Besuchern zeigt, wie die Rambles bald aussehen werden.
Spaziergang
Startplatz zu einem Rambles-Bummel ist die Plaça de Catalunya (Infostelle, Metro-Station), ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und die Grenze zwischen Altstadt und der Stadterweiterung Eixample. Lange wird sich hier niemand aufhalten wollen: Zu hektisch wimmeln die Massen, zu ungemütlich wirkt der weite, erst 1927 fertiggestellte Platz, der fast dieselben Ausmaße besitzt wie der Petersplatz in Rom.
Der erste Abschnitt der Rambles, die Rambla Canaletes, verdankt ihren Namen der eisernen Wasserstelle Font de Canaletes aus dem 19. Jh., seit den 1920er-Jahren traditionell mittäglicher Treffpunkt der diskutierfreudigen Rentner unter den Fans des FC Barcelona. Wer das Wasser des Brunnens trinkt, soll für immer in Barcelona bleiben, so die Legende. Die Stühle in diesem Bereich ermöglichen es vor allem den älteren Bewohnern des Viertels, ohne Verzehrzwang dem quirligen Leben zuzusehen. Die sich an die Rambla Canaletes anschließende Rambla dels Estudis ist nach der früher hier ansässigen Universität benannt. Treffender war lange der heute ebenfalls gebräuchliche Name Rambla dels Ocells, „Vogel-Rambla“, verkauften hier doch zahlreiche Stände die gefiederten Sänger, außerdem auch Meerschweinchen, Fische, Schildkröten und junge Hunde; Tierfreunde werden sicher begrüßen, dass die Stadtverwaltung die Standbesitzer zu einer Änderung ihres Gewerbes gezwungen hat. Am Ende dieses Abschnitts steht rechts, an der Ecke zum Carrer Carme, die gotisch- barocke Jesuitenkirche Església de Betlem, nach einem Brand 1680 neu errichtet, und auf der anderen Seite der Rambla der restaurierte Palau Moja. Der Adelspalast des 18. Jh., benannt nach seiner Besitzerfamilie, ist heute Sitz des privat betriebenen „Catalan Heritage House“, in erster Linie eine Verkaufsausstellung katalanischer Produkte.
Modernisme an den Rambles: Casa Bruno Cuadros
Die folgende Rambla Sant Josep wird auch Rambla dels Flors genannt, nach den zahlreichen Blumenständen, die hier stehen; diese haben eine lange Tradition, gehen sie doch bis ins Jahr 1853 zurück. Gleich zu Beginn der Rambla liegt rechts, direkt gegenüber der Betlem-Kirche, der Palau de la Virreina. Dieser Palast wurde um 1775 für den Vizekönig von Peru erbaut, der allerdings vor der Fertigstellung starb; seine Witwe jedoch lebte später in dem Gebäude, das deshalb „Palast der Vizekönigin“ heißt. Heute beherbergt es neben einem kulturellen Info-Zentrum wechselnde Ausstellungen und einen Ticketvorverkauf (z. B. Palau de la Música Catalana). Ganz anderer Natur sind die „Sehenswürdigkeiten“ im Markt → Mercat de la Boqueria ein Stück weiter, etwas zurückversetzt von den Rambles. Ein Blick hinein auf das schier überreiche Angebot lohnt sich. Etwa gegenüber dem Eingang zur Boqueria liegt auf Hausnummer 96 das kleine → Museu de l’Eròtica, laut Eigenwerbung das einzige Erotikmuseum in Spanien. Meerwärts gleich nebenan steht der moderne Palau Nou de la Rambla, 1992 errichtet und so gestaltet, dass die Fassade einen Durchblick zur Kirche Santa María del Pi gewährt; er beherbergt unter anderem ein automatisiertes High-Tech-Parkhaus. Den Abschluss dieses Abschnitts der Rambles bildet die Pla de la Boqueria, ein kleiner, auch Pla de l’Os genannter Platz, dessen buntes Pflaster 1976 von Joan Miró entworfen wurde. In seinem Umfeld finden sich interessante Modernisme-Fassaden wie die Casa Bruno Cuadros (1885), dekoriert mit Regenschirmen und chinesischem Drachen, und gegenüber auf Nummer 83 die mit reichlich Buntglas geschmückte Casa Figueres (1902), Sitz der traditionsreichen Konditorei Escribà. Die Rambla dels Caputxins (Rambla der Kapuzinermönche), auch Rambla del Centre genannt, erstreckt sich meerwärts der Pla de la Boqueria und war der erste Abschnitt der Rambles, der seinerzeit zu einer Promenade ausgebaut worden war. Sie ist vor allem die Rambla der Boulevard-Cafés, darunter auf Nr. 79 das berühmte Café de l’Òpera, bereits 1929 gegründet und eines der ältesten der Stadt. Auf der rechten Seite erhebt sich eines der schönsten Opernhäuser Spaniens, das → Gran Teatre del Liceu, erbaut 1847. Wenige Schritte weiter liegt das elegante Hotel Oriente aus dem Jahr 1882, vormals ein Kloster des 17. Jh. Meerwärts öffnet sich hinter einem leicht zu übersehenden Durchgang links der Rambles der wohl schönste Platz Barcelonas, die Plaça Reial, die einen kleinen Abstecher allemal lohnt; von der Südecke des Platzes führt die pittoreske Passatge de Bacardí zurück zu den Rambles. Ebenfalls den winzigen Umweg wert ist der von Gaudí gestaltete Palast Palau Güell im Carrer Nou de la Rambla 3, von der Passatge Bacardí aus etwas landeinwärts und jenseits der Rambles. Barcelona-Architektur für zu Hause
Die Rambla de Santa Mònica, der letzte Abschnitt des Boulevards und unmittelbar vor dem Hafen, beginnt an der Plaça del Teatre, benannt nach dem gegenüberliegenden Teatre Principal, einem der ältesten ganz Spaniens: Die erste Vorführung hier fand 1597 statt. Diese Rambla lässt, ebenso wie die hier abzweigende, schmale „Töpferstraße“ Carrer dels Escudellers, immer noch ein wenig den früheren Rotlicht-Charakter erahnen. Auf der in Richtung Meer gesehen rechten Seite ist auf Hausnummer 7 in einem ehemaligen Konvent des 17. Jh. das Kunstzentrum Centre d’Art...