Orientierung / Stadtrundgang
Am Hafen betreten die meisten Besucher das erste Mal gomerischen Boden. Schon Christoph Kolumbus legte hier den letzten Stopp ein auf seiner Reise nach Amerika (und dient ihr bis heute zu Vermarktungszwecken). Vom Fährterminal sind es etwa 500 m in Richtung Innenstadt, vorbei am Sporthafen und dem Rathaus, mit schmuckem Uhrturm und hölzernen Balkonen im kanarischen Stil, zur großen Freifläche der Plaza las Américas. Am Abend versammeln sich hier die Einwohner zum Schwatzen, Schauen und Spielen; zur Siesta ist der Platz jedoch oft wie ausgestorben. Den schönsten Platz der Altstadt, die Plaza de la Constitución, erlebt man auch zur Mittagszeit belebter, wohl weil er im Schatten alter Lorbeerbäume gelegen ist. Einheimische, Wandertouristen oder Ausflügler von den Kreuzfahrtschiffen treffen sich auf einen Cortado am runden Kiosco Los Carabelas und lassen sich von der vorherrschenden Gelassenheit gefangen nehmen. Hier kann man in aller Ruhe Neuigkeiten austauschen, das Städtchen auf sich wirken lassen oder einfach nur ankommen.
Der Großteil der Sehenswürdigkeiten San Sebastiáns liegt in der historischen Innenstadt an der Calle Real, zwischen der Plaza las Américas und der Kapelle Ermita de San Sebastián. Sie wird auch Calle del Medio genannt. In den hübsch renovierten Häusern befinden sich Geschäfte, Restaurants und an der Ecke zum Kirchplatz die große Tourismusinformation im historischen Casa Bencomo. Die zweite Hauptschlagader der Stadt ist die parallel zur Calle Real verlaufende Calle de Ruiz de Padrón, wo es mehrere kleine Supermärkte und Restaurants gibt. Nur eine Häuserreihe entfernt umgibt die große Grünfläche des Parque de la Torre del Conde das älteste militärische Bauwerk der Kanaren.
Überquert man die Flussmündung des Barranco de la Villa auf der Avenida de los Descubridores sieht man rechter Hand das auffällige Centro de Visitantes. Das Besucherzentrum hebt sich aufgrund seiner modernen Architektur von der Umgebung ab. Es war, wohl aufgrund baulicher Mängel, zuletzt nicht für die breite Öffentlichkeit zugänglich. Einen Kreisverkehr weiter taleinwärts, an der Kreuzung der Straßen GM-1 und GM-2, befindet sich unterhalb des zentralen Busbahnhofs der größte Supermarkt auf La Gomera. Gleich daneben lockt die Markthalle mit Obst und Gemüse, Produkten von der Insel und einer hervorragenden Bäckerei.
Zwischen Hafen und Playa de la Cueva ragt eine Felsnase, die von der Hafenmole unterbrochen wird. Darauf stehen die Reste des Castillo Del Buen Paso. Es wurde im 17. Jh. erbaut, um den Hafen San Sebastiáns zu verteidigen. Das Kreuzfeuer mit dem Castillo de Los Remidios, das an der Stelle des heutigen Rathauses stand und in den 1960er-Jahren abgerissen wurde, war ein wirksamer Schutz gegen Piratenangriffe. Auf der äußersten Spitze der Felsen erinnert eine stilisierte olympische Fackel, zu der man hinaufsteigen kann, an die Olympischen Spiele 1968 in Mexiko, an denen ein Sportler aus Gomera teilnahm.
Für einen tollen Blick über die Bucht von San Sebastián und die Christus-Statue Monumento al Sagrado Corazón de Jesús steigt man am besten zum Mirador La Hila auf. Von der Plaza de la Constitution folgt man am Restaurant La Hila der Gasse nach rechts und spaziert wiederum nach rechts auf der gleichnamigen Gasse zum Aussichtspunkt. Wer weiter hinauf möchte, folgt der Straße Calle la Pista, die zwei Kehren später am staatlichen Nobel-Hotel Parador de La Gomera endet. Vom öffentlich zugänglichen Hotel-Garten sieht man nicht nur auf Gomeras Hauptstadt und Hafen, sondern auch auf den Nachbarn Teneriffa.
Im Abstand von fünf Jahren geht an San Sebastiáns Hafen Gomeras wichtigste Heilige an Land. Bei der Bajada de la Virgen de Guadalupe wird ihre Statue Anfang Oktober per Schiff, begleitet von einer blumengeschmückten Fischerboot-Flotte, von der Kapelle Ermita de Nuestra Señora de Guadalupe in die Inselhauptstadt gebracht. Im Rahmen einer prunkvollen Prozession wandert die „Jungfrau von Guadalupe“ dann von Pfarrei zu Pfarrei über die Insel, bevor sie Mitte Dezember auf dem Landweg in ihre Wallfahrtskirche zurückgebracht wird. Die damit einhergehenden Veranstaltungen in San Sebastián dauern mehrere Wochen und ziehen Tausende Besucher an, darunter auch viele emigrierte Gomeros, die die Fiesta als Anlass für einen Heimatbesuch nutzen. Zuletzt fanden die auch Fiestas lustrales genannten Feierlichkeiten 2023 statt.
Die Hauptstadt ist der Verkehrsknotenpunkt der Insel. Vom zentralen Busbahnhof Estación de Guaguas, gleich neben Supermarkt und Markthalle, gelangt man mit den grünen Inselbussen zu allen größeren Orten und den Wanderparkplätzen im Nationalpark. Vom Hafen gibt es Fährverbindungen nach Teneriffa, La Palma und Gran Canaria sowie ins Valle Gran Rey über Playa Santiago. Außerdem legen Kreuzfahrtschiffe an, deren Passagiere die Insel als Tagestouristen erkunden (→ Kasten). Der Weg in die anderen Inselgemeinden führt entweder über die Straße GM-1 nach Norden in Richtung Hermigua oder über die GM-2 und den Nationalpark nach Westen bis ins Valle Gran Rey.
Invasion für einen halben Tag
„Seit die Kreuzfahrtschiffe die Insel anlaufen, herrscht auch hier der Massentourismus“, verkündete der WDR in einer Reportage mit dem Titel „Die Kanaren - Inseln der Arbeitslosen“ (2018). Ganz so drastisch sind die Auswirkungen der Kreuzfahrtschiffe, von denen ca. 80 im Jahr im Hafen von San Sebastián anlegen, nicht. Problematisch sind die schwimmenden Bettenburgen dennoch. Denn das Programm eines Kreuzfahrers sieht einen meist gleichbleibenden Tagesablauf vor: Nach dem Frühstück auf dem Schiff geht es zum Stadtrundgang, darauf folgt das Mittagessen auf dem Schiff, die Inselrundfahrt, ein schneller Rundumschlag mit deutschem Reiseleiter, und dann das Abendessen - auf dem Schiff. Noch am selben Abend verlassen die Tagesgäste den Hafen. Allenfalls einige lokale Busunternehmen und Autovermieter können sich über die plötzlich einfallende Kundschaft freuen. Manchmal wird eigens ein Kunsthandwerksmarkt in Hafennähe organisiert, um das Geschäft auf der Insel wenigstens ein bisschen anzukurbeln. Insgesamt aber bleibt nur wenig Geld auf La Gomera bei den Insel-Bewohnern zurück. Schließlich ist auf dem Schiff schon alles bezahlt. Nachhaltiger Qualitätstourismus, der der Insel sichere Arbeitsplätze und Einkommen bringt, sieht anders aus.
Stadtgeschichte
Als die Spanier Anfang des 15. Jh. mit dem Eroberer Jean de Béthencourt, der durch diplomatische Finten, Missionierung der Ureinwohner und militärische Gewalt bereits die Herrschaft über Lanzerote und Fuerteventura übernommen hatte, in der Bucht von San Sebastián landeten, siedelten dort die Guanchen, die Ureinwohner Gomeras. Béthencourts erster Versuch, die Insel einzunehmen misslang, er schaffte es jedoch, zu zweien der vier Stämme, den Agana und den Hipalán, Beziehungen aufzunehmen und ihre Königreiche letztendlich zu unterwerfen. Die beiden anderen Stämme, Mulaqua und Orone, leisteten erbittert Widerstand und verschanzten sich in den entlegenen Bergen und Schluchten, sodass von einer Eroberung ganz Gomeras nicht die Rede sein konnte.
Trotz des Widerstandes durch die Ureinwohner nahm Hernán Peraza der Ältere die Bucht an der Mündung des heutigen Barranco de la Villa ein und stellte die heutige Hauptstadt um 1440 unter den Schutz des bei der spanischen Bevölkerung beliebten heiligen Sebastian. Noch bevor die letzten Alt-Gomerer unterworfen, versklavt oder gar getötet worden waren - die völlige Unterwerfung erfolgte erst nach dem Tod von Hernán Peraza dem Jüngeren -, errichtete Peraza erste Gebäude, wie eine kleine Kapelle, seinen eigenen Wohnsitz und den Torre del Conde, der der Grafenfamilie bei feindlichen Angriffen durch die Ureinwohner, aber auch von Piraten Schutz bieten sollte. Eine erste Straße, die heutige Calle Real, verband die Gebäude und bildete den Ausgangspunkt für alle Inselverbindungen.
Für viele der erste Eindruck von Gomera: die Insel-Hauptstadt
Rund um den Kirchplatz entwickelten sich öffentliche Gebäude und Wohnhäuser der Adeligen. Ihr Reichtum lockte Piraten, Korsaren und Brandschatzer. Trotz Bränden und Plünderungen sind einige Bauwerke erhalten, wie das Casa del Conde, einst Zweitwohnsitz des ab 1496 auf Teneriffa residierenden Grafen von Gomera, oder das Casa Bencomo aus dem frühen 19. Jh., das heute die Tourismusinformation beherbergt.
Bekannt ist San Sebastián auch als Kolumbus-Stadt. Von hier brach Christoph Kolumbus, der italienische Seefahrer, der auf Spanisch Cristóbal Colón heißt, im September 1492 auf, um Indien zu entdecken. Zwar segelte er stattdessen nach Amerika, die Bedeutung des Entdeckers für Gomeras Hauptstadt schmälert das aber nicht, sie lässt sich auch damit ganz passabel...