Ein Zimmer, Küche, Bart (eBook)
320 Seiten
National Geographic Deutschland (Verlag)
978-3-95889-498-3 (ISBN)
Oliver Kneip wurde 1984 in Mainz geboren. Er ist gelernter Koch, musste seinen Beruf aber nach einigen Jahren wegen eines Lungenleidens aufgeben. 2014 begann er als Werbetexter zu arbeiten. Drei Jahre später machte er sich selbstständig und zog im August 2019 in einen Van.
Oliver Kneip wurde 1984 in Mainz geboren. Er ist gelernter Koch, musste seinen Beruf aber nach einigen Jahren wegen eines Lungenleidens aufgeben. 2014 begann er als Werbetexter zu arbeiten. Drei Jahre später machte er sich selbstständig und zog im August 2019 in einen Van.
Kapitel 2
Vanlife-ABC
Für das folgende Kapitel, das direkt in den Vanlife-Alltag führt, mache ich mir das gute alte Alphabet zunutze und haue in einem kleinen, lexikonartigen »Vanlife-ABC« zu jedem unserer 26 Buchstaben die ersten zwei Vanlife-Begriffe aus meinem Alltag der letzten Jahre raus, die mich besonders geprägt oder begleitet haben. Oder die eine Voraussetzung sind, um im Buch manche Dinge besser verstehen oder einordnen zu können. Dieses Kapitel ist, sozusagen, ein geschriebenes Amuse-Gueule, ein semiliterarischer Gruß aus der Schreibküche, bevor das eigentliche Geschichtenmenü serviert wird.
A wie
ANGELN
Obwohl ich die Rute allein nicht sehr regelmäßig auswerfe, sondern eher in Gesellschaft, ist das Angeln eine 100-prozentige Vanlife-Beschäftigung. Für unterwegs hatte ich mir die erste eigene Rute im September 2019 irgendwo in Mittelwestschweden zugelegt. Ich wollte beim Kauf Ahnung vortäuschen, doch der kernige Betreiber des Waldcampings samt Angelshop ließ mich spüren, dass ich keine hatte. Seine Stimme war freundlich, aber sein Blick verriet mir, dass er hart dagegen ankämpfen musste, die Augen nicht zu verdrehen. Meine amateurhafte Anwesenheit in diesem wilden Teil Schwedens, wo sonst nur erfahrene Outdoorprofis hinkommen, um ihr Revier zu markieren, juckte ihn. Doch, ein gutes Geschäft witternd, beriet er mich Route um Route, Spule um Spule, Köder um Köder und Spinner um Spinner sehr geduldig. Ich kaufte das notwendige Equipment, erwarb noch eine lokale Angellizenz und stand kurze Zeit später breitbeinig am Flussufer, um mich wie ein ganzer Kerl zu fühlen.
Aber mal Spaß beiseite: Das meditative Warten inmitten unfassbar schöner Natur hat mich holistisch überwältigt und war genau das, was ich dringend gebraucht hatte. Auf den ersten Auswurf folgten noch viele schöne Angelstunden in Schweden und Norwegen. Ich erinnere mich auch gut daran, wie ich mit drei Freunden aus drei verschiedenen Ländern auf den Lofoten eines kühlen, klaren Winterabends 15 Köhler aus dem Nordmeer zog und wir tagelang Varianten vom Köhler aßen, sogar auf der selbstgemachten Pizza.
Allerdings haben mich alles andere als MSC-konforme Kabeljau-Momente auf den Lofoten das Angeln stark hinterfragen lassen. Einen Kabeljau zog ich am Ausleger eines kleinen Industriehafens nahe Ramberg heraus. Hinter mir arbeiteten ein paar kernige Neuzeit-Wikinger an einem Schiff, und ich stand nebenan mit meiner Anfänger-Angel auf einem Haufen aufgeschütteter Felsbrocken. Der Blick auf den Fjord und die Berge war großartig. Plötzlich hatte ich Fischkontakt und holte behutsam einen Kabeljau ein. Ich entfernte den Haken, bewunderte das prächtige Tier und warf es dann über die Felsbrocken zurück ins Wasser. Mit langsamen Bewegungen verschwand der weiße Fisch im Blauschwarz des Fjords. Während ich den Mix aus Euphorie und Aufregung genoss, entdeckte ich vor mir am Boden plötzlich ein zeigefingerlanges und -dickes Stück Fischfleisch samt Haut. Wie mit einem Skalpell herausgetrennt, lag es einfach vor mir. Scheinbar streifte der Fisch beim Einholen einen der scharfkantigen Felsbrocken, obwohl ich genau das vermeiden wollte. Einige Zeit später sah ich in einiger Entfernung etwas Weißes an der unruhigen Oberfläche des dunklen Spiegels meiner Seele treiben. Ich weiß bis heute nicht, ob es der arme Kabeljau war, der meiner Arroganz zum Opfer gefallen war. Aber die Chancen sind hoch.
Neben meiner Überheblichkeit offenbart jener Vorfall auch folgendes Problem: In Europa sind alle Meere frei vom Ufer aus befischbar für Amateure wie mich. Dadurch kommen Fische oftmals sinnlos zu Schaden. Deshalb meine ich mit folgender Ansage vor allem mich selbst: Wer ohne Angelschein angelt, ist ein Idiot! Ich werde fortan nicht mehr angeln, bis mir eine entsprechende Institution nach Prüfung meiner theoretischen und praktischen Fähigkeiten die Lizenz erteilt hat. Fürs Karma sammele ich seither Angelmüll wie Leinen, Haken und Schwimmer an den Küsten aller Länder ein, die ich bereise. Davon liegt mehr rum, als man denkt.
Wie kam es zu diesem fatalen Angelfehler? Ich habe mich in Skandinavien einfach vom omnipräsenten Geist der Selbstversorgung mitreißen lassen. Die Menschen in Nordeuropa jagen, angeln, sammeln und essen ihre gesamte Umgebung – vielfach in Form eines netten Familien-Events für Groß und Klein. Ich wollte ein Teil dieser Kultur sein, habe aber verkannt, dass man dafür echte Fähigkeiten braucht.
Danke, Selbsterkenntnis!
ARBEIT
Es gibt fast nichts anderes an Bord, das ich so kontrovers betrachte und fühle wie meine Arbeit. Manchmal gibt sie mir Erfüllung, manchmal hasse ich sie. Und manchmal vergesse ich, dass es das ortsunabhängige Arbeitsmodell ist, das mir das alles ermöglicht. Dennoch wirkt die Arbeit, wenn man an besonders schönen Orten ist, die man einfach nur den ganzen Tag lang erkunden will, oft wie eine Last. Wie ein Hindernis. Dann muss man sich zusammenreißen und sich mit ihr versöhnen. Ich tendiere aber dazu, so wenig wie möglich zu arbeiten. Sorry, Leitungsgesellschaft!
In den meisten Momenten finde ich in meinem Tun als Werbetexter fast so etwas wie Erfüllung, aber manchmal auch nicht. Doch fürs Schreiben bezahlt zu werden, ist ein echter Segen. Erst recht, weil ich für meine Aufträge überall sein kann – sogar im Zweifel.
Danke, Arbeit!
B wie
BERGE
Berge, das wusste ich schon vor dem Vanlife, besitzen diese ganz besondere Fähigkeit, einen komplett abzuschirmen, einen voll aus dem Alltag zu holen und einfach nur im Moment sein zu lassen. Oft bin ich überrascht, wo man überall welche findet. Sogar richtig hohe! Und ganz egal, in welchem Land man ist, es begeistert mich stets das gleiche Phänomen in Bergregionen, in Bergdörfern oder auf Passstraßen. Immer herrscht der eine gleiche Berg-Vibe vor: Man ist physisch und mental näher an der Sonne, die Menschen sind kerniger, aber sie sind stets herzlich-freundlich, und es riecht fast immer nach Rauch, Schinken, Kühen oder Schafen und Wiese. Und ebenfalls fast immer rauscht von irgendwoher ein Bach.
Ich liebe Berge. Berge können einem viel beibringen. Zum Beispiel, dass man keine Kondition hat. Oder dass es auch in Portugal schneien kann und dass es dort sogar Skigebiete gibt. Zum Glück liegt mein Snowboard schon in Portugal, denn das musste ich 2020 ausmisten und dort deponieren, als meine Freundin ganz spontan einzog, nachdem sie noch spontaner zu meiner Freundin wurde.
Danke, Berge!
BIN OK
»BIN-OK« ist der unterhaltsame, viele Menschen begeisternde, nicht nummerische Teil meines Nummernschilds. Nichts fühlt sich deutscher an, als sein Nummernschild zu designen. Da ich aus dem Kreis Mainz-Bingen komme, hatte ich die Wahl zwischen »MZ« und »BIN«, um meinem Van schwarz auf weiß Wurzeln zu verpassen. Natürlich ging ich in Kombination mit meinen Initialen, »OK«, den »BIN«-Weg.
Mein Freund Tahar ist bei unserer ersten Begegnung am Strand von Malhão in Portugal wegen des Nummernschilds komplett ausgerastet und hat sich minutenlang nicht wieder eingekriegt. Ich genoss das natürlich. Genau da will man als ambitionierter StVO-Künstler und Nummernschild-Designer ja hin.
»BIN OK« wurde seit meinem Aufbruch zu einer Art inoffiziellem Titel für mein Vanlife. Erstens, weil ich gesundheitlich wieder ziemlich OK, und zweitens, weil ich als Mensch auch ganz OK bin. Sicherlich habe ich einige Defizite und Baustellen, aber für ein solides »OK« reicht es allemal.
Danke, Zulassungsstelle!
C wie
CHAOS
Es entsteht täglich auf so engem Raum. Als reisender Junggeselle war es kein Problem, eine gewisse Grundordnung aufrechtzuhalten. Aber jetzt, zu dritt, mit zwei Menschen und einem Hund, ist Chaos vorprogrammiert. Das liegt überwiegend daran, dass man seinen kompletten Hausrat samt Küche, Bad, Wohn- und Schlafzimmer plus Hobbykeller auf knapp sechs Quadratmetern dabeihat.
Im täglichen Meistern von Chaos steckt nicht nur ein zen-buddhistischer Quell innerer Ruhe und geistiger Befriedigung, sondern auch eine gnadenlose Notwendigkeit, um nicht zwischen Schuhen, Hundespielzeug, Klamotten, Kabeln, Sandmassen, nassen Handtüchern sowie ungespülten Geschirrbergen verschollen zu gehen. Zum Glück gehört die Chaosbeseitigung zu unseren liebsten Hobbys. Man fühlt sich danach wie eine Mischung aus Monk und Tine Wittler.
Nebst vollem Körpereinsatz sind ein Handfeger plus Schaufel sowie ein Handstaubsauger unsere Waffen im Kampf gegen den wanderlustigen Hausrat mit mysteriösem Eigenleben. Gefegt wird täglich mehrfach. Besonders, wenn man gerade am Strand wohnt, denn dann wohnt der Strand grundsätzlich mit im Van. Küche und Bad wollen hin und wieder auch mal feucht liebkost werden, und das Ausschütteln der Bettwäsche...
Erscheint lt. Verlag | 27.9.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Reisen ► Reiseberichte ► Europa |
Reisen ► Reiseführer ► Europa | |
Schlagworte | Abenteuer Vanlife • Bus • camper buch • camper roman • camper van buch • camping geschenke • camping geschichten • campinggeschichten • camping roadtrip • camping romane • DEM • MIT • Reisegeschichten • Reisen • roadtrip europa buch • vanlife geschenke • vanlife tagebuch • VW • vw bus reise • weltreise buch |
ISBN-10 | 3-95889-498-4 / 3958894984 |
ISBN-13 | 978-3-95889-498-3 / 9783958894983 |
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