Reiseskizzen (eBook)

Abseits der Trampelpfade durch die halbe Welt
eBook Download: EPUB
2024
354 Seiten
BoD - Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-5624-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Reiseskizzen - Alexander Almásy
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Eine unterhaltsame Lektüre für Weltenbummler und solche, die es noch werden wollen.

Alexander Almásy, Jahrgang 1958, lebt und arbeitet seit 1982 als Hotelier, Förster, Barista und Restaurator auf Burg Bernstein.

SYRIEN


1996


Syrien ist heutzutage nicht das klassische Reiseland. Das war es vor dem Krieg auch nicht. Es stand damals schon unter dem Regime der Familie Assad. Tourismus gab es nur in Form von Busreisen mit dem Schwerpunkt Jordanien und einem Abstecher nach Syrien. Gute Hotels am Land sind sehr spärlich, außer an Orten, die von den Bustouristen zu den Attraktionen angefahren wurden.

Die andere Möglichkeit besteht im Reisen mit Rucksack und die Fortbewegung mit öffentlichen Mitteln. Das aber ist dem Regime sehr suspekt. Mir ist es nicht gleich aufgefallen, aber mit der Zeit habe ich bemerkt, dass jeder meiner Schritte stets überwacht wird. Am einfachsten geschieht das, indem man mir jemanden unterjubelt, der dezente Fragen stellt. Ich habe später schon gespannt darauf gewartet, wie sie es diesmal anstellen. Ich habe auf der ganzen Reise nur einen einzigen Europäer getroffen, der auf dieselbe Weise wie ich unterwegs war, und mir von den gleichen Erfahrungen berichtet hat.

Nachdem ich in Damaskus angekommen bin und die Formalitäten erledigt habe, suche ich nach dem Bus, der zwischen Flugplatz und Damaskus pendelt. Natürlich ist der letzte schon längst weg. Die andere Möglichkeit ist, ein Taxi zu benutzen. Aber weit und breit ist keines zu sehen. Ich richte mich schon darauf ein, die restliche Nacht am Flughafen zu verbringen, als mich ein Einheimischer anspricht, und mir eine Fahrt in Hauptstadt anbietet. Ich verstoße wissentlich gegen Grundregel Nummer 1: Tu das nicht! Ich ignoriere diese Regel und, nachdem der Preis ausgehandelt ist, nehme ich sein Angebot an. Als wir losfahren, bleibt er nach kurzer Zeit stehen und nimmt noch einen Fahrgast mit, seinen Onkel, wie mein Fahrer sagt. Jetzt werde ich vorsichtig. Es kommt mir nicht ganz geheuer vor, als der Wagen kurz darauf die Schnellstraße verlässt. Ich weiß aber, dass diese Strecke direkt nach Damaskus führt und es keinen Grund gibt, abseits durch die finstere Landschaft zu fahren. Ich habe kein gutes Gefühl. Auf meine Frage hin, bekomme ich die Information, man müsse noch etwas abholen. Nein, nein, das ginge nicht, sage ich, und auf gut Glück schwindle ich dem Fahrer vor, dass ich in 20 Minuten im UNO-Hauptquartier erwartet werde. Das wirkt. Stillschweigend nimmt er die nächste Auffahrt zur Autobahn und setzt mich kurz darauf wie gewünscht vor dem Büro der UNO ab.

Ich war mir nicht sicher über das Vorhaben der beiden. Aber bestimmt nichts Gutes. Vielleicht war es auch unfair, soviel Misstrauen gleich am Anfang diesem gastfreundlichen Land entgegenzubringen. Normalerweise reist man in totalitären Ländern besonders sicher. Was die beiden wirklich vorhatten, wird wohl für immer offenbleiben.

Ein anderes Beispiel dafür ist meine Reise nach Tadmur zum Baal Heiligtum in Palmyra:

Ich suche mir ein Taxi, das mich zuerst zu einem außerhalb liegenden Wüstenpalast bringen soll. Nach kurzer Fahrt zeigt mir der Fahrer seine Pistole, und meint, dass wir mit ihm sicher wären. Sicher wovor? Das ist doch sehr seltsam. Und ständig Fragen über Fragen. Merkwürdig ist auch, dass es immer Leute sind, die englisch sprechen. Dabei ist die primäre ausländische Sprache Französisch, was geschichtliche Ursachen hat.

Und noch ein Beispiel: In einem Restaurant in Tartous setzt sich ein alter Mann zu mir. Er behauptet Fischer zu sein, war aber früher Chauffeur für den libanesischen Botschafter in Wien. „Habe ich müssen immer fahren nach Annagasse.“, sagt er auf Deutsch. (Das war früher das Hurenviertel in Wien.)

Der Botschaftsfahrer und Fischer

Oder im Bazar von Aleppo, als ich aus dem Hammam komme und alle Geschäfte schon geschlossen sind, lauert hinter einer Ecke noch ein Spitzel. Ich lasse mich nicht stören und genieße meine Ausflüge.

Als ich also Damaskus hinter mir gelassen habe und der Taxifahrer mir seine Artillerie gezeigt hat und ich mich ‚sicher‘ fühlen kann, fahren wir ostwärts in die Wüste zu diesem alten Palast, zumindest zu dem, was davon übriggeblieben ist. Die Fassade war als Titelbild auf meinem Geschichtsbuch der ersten Schulklasse abgebildet. Mich hat das so fasziniert, dass ich beschlossen habe, irgendwann dorthin zu reisen. Was man uns in der Schule natürlich nicht erzählt hat, war, dass sich reiche Prinzen wahre Paradiese auf Erden gebaut haben: Um den Palast gab es eine hohe Mauer, die vor neugierigen Blicken schützen sollte und die einen riesigen Garten umschloss, in dem es nicht nur seltene Blumen gab, sondern auch reichlich Wildtiere. Die Jagd war nur eine der Vergnügungen. Natürlich hat man sich, weitab vom religiösen Damaskus, auch allen anderen Vergnügen gewidmet, in der Hoffnung, Allah würde nicht allzu genau hinschauen. Selbstverständlich gab es Alkohol, Drogen und die obligaten 77 Jungfrauen. Die warten normalerweise erst nach dem Tod, aber warum nicht gleich, wenn man es sich schon im Diesseits leisten kann. Wer reich ist, ist näher dem Himmel - oder der Hölle. Das ist Ansichtssache und war schon immer so.

Heute kann man die einstige Pracht nur erahnen. Aber diese Anlage muss schon sehr beeindruckend gewesen sein.

Vor der Mauer lagert ein einsamer Beduine, der als eine Art Aufpasser fungiert. Er ist hoch erfreut über unseren Besuch und lädt uns zum Essen ein. Wir sind gerne bereit, die Einladung anzunehmen. Es ist ein Ritual, denn die Einladung erstreckt sich über mehrere Gläser mit Tee und ist etwas umständlich. Peinlich bin ich darauf bedacht, im Schneidersitz meinem Gastgeber nicht meine Fußsohlen zu zeigen. Das wäre eine große Unhöflichkeit. Aber das gehört zum Orient und erst wenn diese Prozedur überstanden ist, kann man sicher sein, willkommen zu sein. Das Gericht ist denkbar einfach. Es besteht nämlich nur aus einem Kegel aus Reis, der auf einem großen Teller angerichtet ist. Wir sitzen auf dem Boden vor dem Zelt und als Gast habe ich die Ehre, zuerst zugreifen zu dürfen. Wir essen selbstverständlich mit der rechten Hand. Die linke gilt als unrein. In der Mitte des Kegels obenauf liegt etwas undefinierbar Fettiges, das als ein besonderer Leckerbissen gilt: die Stinkdrüse eines alten Hammels. Die beiden anderen sehen mit genüsslichem Grinsen zu, wie ich das abscheuliche Ding runterwürge. Ich glaube, da war auch eine gewisse Häme dabei. Mit reichlich Tee spüle ich den Geschmack so gut als möglich weg.

„Mehr?“, fragt der alte Schurke. Ich lehne dankend ab und reibe mir den Bauch, um zu zeigen, dass ich satt bin.

Wir verlassen den gastlichen Ort. Mein Fahrer hat es plötzlich ziemlich eilig zurück nach Damaskus zu fahren, entgegen unserer Vereinbarung, mich nach Tadmor, zu den Ruinen von Palmyra, zu bringen. Er meint, ich könne ja den Bus nehmen, der jede Minute eintreffen müsse, und bringt mich zur Landstraße. Dass es hier eine Bushaltestelle gibt, beweist lediglich ein verrosteter Eisenmast am Rand der Straße.

Diese weist schnurgerade nach links und nach rechts, quer durch die Wüste. Das letzte Lebenszeichen, das ich sehe, ist die Staubwolke, die mein Ex-Fahrer hinterlässt, als er sich buchstäblich nach Westen aus dem Staub macht.

Es ist heiß, es ist trocken und ich bin allein. Was bedeutet es bei einem Araber, wenn er sagt, der Bus würde jederzeit hier eintreffen? Verkehr ist nicht vorhanden, es gibt niemanden, den ich um eine Mitfahrgelegenheit bitten könnte. Einmal, als sich eine Staubwolke am Horizont abhebt, habe ich die Hoffnung, dass es sich mein Taxifahrer doch anders überlegt hat. Aber es braust nur eine Regierungslimousine vorbei. Nach einer weiteren Stunde, ungefähr, ist wieder eine Staubwolke auszumachen: der Bus, tatsächlich. Die Rettung naht und bringt mich glücklich nach Tadmor.

Was es in Palmyra zu sehen gab ist bestens auf Wikipedia dokumentiert. Während des Bürgerkrieges ist viel zerstört worden. Ich war in der glücklichen Lage, die Anlage weitgehend intakt zu sehen. Faszinierend ist das Amphitheater aus römischer Zeit, das fast komplett erhalten ist. Ein paar Jahre später, während des Bürgerkrieges, wurden in diesem Theater politische Gegner auf der Böhne öffentlich mit dem Schwert geköpft und hingerichtet.

Mich treibt es weiter, und zwar nach Deir ez-Zor. Diese Stadt liegt am Ufer des Euphrat, und ist somit das Tor zum Zwischenstromland, das Land zwischen Euphrat und Tigris, wo Milch und Honig fließen. In erster Linie fließt hier Plastikmüll im verdreckten Fluss. Dass hier die Wiege der westlichen Zivilisation gestanden haben soll, ist nur schwer vorstellbar.

Ich suche mir ein Quartier in einem Hotel mit der Bitte, mir ein Zimmer mit Blick auf den Fluss zu geben. Zu meiner Überraschung sind die Fenster mit blauer Farbe bemalt. Immerhin gibt es eine Türe zum Balkon. Jetzt verstehe ich. Der Balkon verläuft rund um das Gebäude. Man könnte also jederzeit von außen in jedes Zimmer schauen und sehen was sich darin abspielt. Hier ist niemand auf die Idee gekommen, vielleicht den Balkon zu unterteilen, oder Vorhänge an den Fenstern zu montieren.

Auch von oben gesehen ist der stolze und geschichtsträchtige Euphrat zu einer mickrigen Drecksbrühe verkommen. Vor mir steht...

Erscheint lt. Verlag 26.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte
Schlagworte Abenteuer • Motorrad • Reisen • Rucksack • Solo
ISBN-10 3-7597-5624-7 / 3759756247
ISBN-13 978-3-7597-5624-4 / 9783759756244
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