Dream On China (eBook)

Auf einem Klapprad dem chinesischen Traum auf der Spur

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
240 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-5221-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dream On China -  Jörg Höfer
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Ein Klapprad. Ein Traum. 5800 Kilometer. Die kommunistische Partei hat den chinesischen Traum ausgerufen, aber nur wenige können eine greifbare Antwort geben, was sich dahinter verbirgt. Jörg Höfer, Sinologiestudent, begibt sich auf eine verrückte Radreise quer durch die Volksrepublik, um zu verstehen, wovon der Otto-Normal-Chinese träumt. Auf einem Klapprad besucht er Schnaps trinkende Burjaten in der Inneren Mongolei, Taiji-Lehrer nahe des Shaolin Klosters und Kioskbesitzer auf der Insel Hainan, die aus dem Nähkästchen plaudern, was sie sich wirklich wünschen.

Jörg Höfer, Jahrgang 1989, ist ursprünglich Wirtschaftswissenschaftler aus Berlin, den es bereits seit 2011 für Auslandssemester und Praktika regelmäßig nach China zieht. Von 2015-2017 studierte er an einer chinesischen Eliteuniversität Chinawissenschaften. Fließende Chinesischkenntnisse zusammen mit einem Hang zu ungewöhnlichen Reisen führten ihn bereits vor Jahren per Anhalter, Bus und Bummelzug durchs Perlflussdelta, die tibetischen Grenzgebiete sowie die Taklamakan Wüste in Xinjiang. In seinem ersten Reisebericht verbindet er die Erkenntnisse zur Bedeutung des chinesischen Traums mit Anekdoten einer abgefahrenen Klappradreise durch die Volksrepublik China.

Es fährt ein Zug nach Nirgendwo


Hangzhou

Bumm! Bumm! Bumm! Ein heftiges Poltern reißt mich aus dem Schlaf. Ich torkle zur Tür. Es sind Mia und Helen, meine chinesischen Kommilitoninnen.

»Musst du nicht bald los? Es ist fast Mittag! Ich hab euch doch gesagt, ihr sollt früh schlafen gehen«, sagt Helen in mahnendem Tonfall. Sie und Mia hasten ins Zimmer. Julian liegt regungslos auf dem Bett gegenüber von meinem. Mein Kopf brummt. Er erinnert mich an die gestrige Abschiedsfeier im Kreise meiner Freunde von der Zhejiang-Universität.

Ein entspanntes Abschiedsessen im schicken Restaurant, so hat der Abend begonnen. Mit einem Gelage in einer Karaokebar mit rassigen Italienern, trinkfesten Chinesen und Koreanern sowie grölenden Deutschen, hat er geendet. Wir ertränkten die Trauer über den bevorstehenden Abschied in Reisschnaps und Bier. Das Feiern, als ob es kein Wiedersehen gäbe, war durchaus berechtigt, denn bei meiner Rückkehr wird ein Großteil meiner Kommilitonen schon wieder nach Hause zurückgekehrt sein. Bis morgens um vier schmetterte die Boyband bestehend aus Julian, Krischan und Rico »It’s my life« ins Mikrofon, dann wollte die Karaokebar schließen. Im Morgengrauen schleppten wir uns torkelnd an den Garküchen vorbei, in deren Bambuskörben bereits die ersten Baozi vor sich hin dampften, gefüllte Hefebrötchen mit Fleisch, Tofu oder Chinakohl. Die ersten Frühaufsteher kamen uns in rosa Plüschschlafanzügen entgegen, während wir zurück zum Wohnheim wankten, um unseren Rausch auszuschlafen.

Mit nervösen Blicken schauen Helen und Mia abwechselnd auf mich und die überall im Raum verstreute Ausrüstung.

»Wie willst du den ganzen Kram mitschleppen und was ist das überhaupt?«, seufzt Mia und lässt einen Speichenspanner vor meiner Nase herumbaumeln.

»Komm jetzt, ich helfe dir und begleite dich zum Bahnhof«, beschließt Helen. »Allein kommst du hier wahrscheinlich nie fort und verpasst den Zug. Los, pack zusammen!«, sagt sie im Tonfall einer besorgten Mutter und beginnt, die im Raum verstreuten Dinge in die Satteltasche zu packen.

»Hey Mann, lass uns vorher aber was essen gehen«, krächzt Julian heiser vom Bett gegenüber.

Ich schiebe das Fahrrad aus dem Studentenwohnheim und spüre zum ersten Mal das volle Gewicht der Ausrüstung. Das wenigste davon sind Klamotten. Den Löwenanteil meines Gepäcks machen neben Zelt und Schlafsack diverse Kameras, externe Festplatten und das Reparatur-Equipment fürs Rad aus. Ich fühle mich wie ein voll ausgestatteter Gemischtwarenhändler – ein trauriger. Denn als ich mir meine Fake-Adidas-Jacke überstreife, kullern aus Mias dunklen Knopfaugen die ersten Tränen.

Die Zeit reicht nur für ein hastiges Frühstück in der Mensa. Mittlerweile weint Mia, als wäre ich schon jetzt von einem der Millionen Lastwagen auf Chinas Straßen überrollt worden.

»Du musst den Ring ins Feuer werfen! Hier, nun nimm das Lembasbrot und geh endlich!«, scherzt Julian, reicht mir eine Packung trockener Kekse und versucht, damit die Stimmung aufzulockern. Ohne Erfolg.

Vor der Mensa fährt das bestellte Taxi ein. »Mach’s gut, Sam«, sage ich und umarme meinen guten Freund. Die immer lauter schluchzende Mia schließe ich zum Abschied fest in die Arme. Es ist eine Geste, die wie Händchenhalten oder andere Formen des körperlichen Kontakts in der Öffentlichkeit Chinas lange als verpönt galt. Anscheinend geht man erst seit wenigen Jahrzehnten deutlich offener mit Gefühlsbekundungen um. Mia und ich lösen uns aus der Umarmung, und ich steige zusammen mit Helen ins Taxi.

Im Auto überreicht mir Helen einen roten Plastikbeutel und einen Brief. »Vielleicht kannst du das auf deiner Reise gebrauchen. Aber erst im Zug öffnen, okay?« Aus Sorge, mir könnte etwas passieren, haben sie und Mia eine Reiseversicherung für mich abgeschlossen. Helens Stimme wird zittrig. Dann laufen auch ihr große Tränen über die Wangen. Auch ich werde von meinen Gefühlen überwältigt. Gerade noch rechtzeitig bitte ich den Taxifahrer, anzuhalten. Ich stürze aus dem Wagen, um mich in eine Hecke zu übergeben. Eine seltsame Abschiedsgeste dieses Deutschen, denkt sich Helen jetzt bestimmt. Alle weinen um den Abenteurer in spe, während jener seinem Abschiedsschmerz durch Erbrechen Ausdruck verleiht. Doch der Abschied von meinen Freunden und die bevorstehende Herausforderung, einmal quer durch China zu radeln, bereitet mir tatsächlich ein flaues Gefühl im Bauch. Aufregung schlägt bei mir eben auf den Magen. Der Reisschnaps tut sein Übriges. Um 13:22 Uhr erreichen wir den Bahnhof. Gerade noch rechtzeitig.

»Fahrräder sind in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gestattet«, sagt der Sicherheitsmitarbeiter und zeigt auf eine Tafel neben dem Gepäckscanner. Messer, Schusswaffen, Tiere – alles durchgestrichen. »So lautet die Regel. Mei banfa – nichts zu machen«, fügt er gleichgültig hinzu. Seltsam, ich kann mich noch lebhaft an so manche Busfahrt durch Zentralchina mit quakenden Enten und gackernden Hühnern erinnern. Sogar meckernde Ziegen waren an Bord gewesen. Anscheinend müssen nun auch Drahtesel draußen bleiben. Kopfschüttelnd packe ich das Rad vor seinen Augen in eine übergroße blau-rotweiß karierte Plastiktüte, die mir Helen in einem Kiosk besorgt hat. Ohne weitere Beanstandung lässt mich der Roboter aus Fleisch und Blut nun passieren. Das Rad gilt jetzt als Gepäck. In China ist alles machbar, man muss nur wissen, wie.

»Pass auf dich auf, Bruder Jörg«, flüstert mir Helen während einer letzten Umarmung ins Ohr, bevor ich in Wagen 4 des Bummelzugs Nummer Z176 nach Harbin steige. Der Zug nimmt gemächlich Fahrt auf, während ich bepackt wie ein chinesischer Wanderarbeiter zum Frühlingsfest die Satteltasche, meinen Rucksack und die blau-rot-weiß karierte Plastiktüte durch den Waggon zu meinem Platz im Schlafabteil schleife. Meinen Kram stopfe ich unter die Pritsche des Schlafabteils. Dann setzte ich mich auf einen der zwei Klappstühle am Fenster und atme tief durch. Fast hätte ich den Zug in den Norden verpasst. Nun habe ich endlich Zeit, mich von der Hektik des heutigen Morgens zu erholen.

Es sind sechsundzwanzig Stunden Fahrt in Richtung Norden nach Harbin, danach muss ich umsteigen und mit einem anderen Zug weitere achtzehn Stunden bis an die Grenze Russlands fahren. Durch das Zugfenster sehe ich die Häuser Hangzhous immer schneller vorbeiziehen. In Gedanken an das vergangene halbe Jahr blicke ich auf die Zehn-Millionen-Einwohner-Stadt, die mit dem Schnellzug knapp eine Stunde von Shanghai entfernt ist. Die Stadt, die Marco Polo einst als »die schönste Stadt der Welt« bezeichnete, ist auch aus wirtschaftlicher Sicht eine Augenweide. Alibaba, der chinesische Internetgigant, hat nicht weit von unserem Campus seinen Hauptsitz, der sich hinter den Firmenzentralen amerikanischer Softwareunternehmen nicht verstecken muss. Ich denke an den Westsee mit den von Weiden gesäumten Uferpromenaden, den Teebergen von Longjing und den Pagoden, die über der Stadt thronen. Ich schaue auf die Abschiedsgrüße meiner Kommilitonen im Notizbuch, dessen Einband ein Panda mit Augenklappe schmückt. Hangzhou wird mir fehlen.

»Was ist in dem großen Beutel?«, werde ich aus meinen Gedanken geholt. Ein Mann in den Fünfzigern, der schräg gegenüber von mir auf der unteren Pritsche sitzt, schaut mich neugierig an. Er muss mich schon beim Einsteigen gesehen haben.

»Mein Fahrrad. Ich fahre in den Norden, nach Harbin.« Auf dem Gesicht des Mannes erscheint ein breites Grinsen. Wie sich herausstellt, kommt er aus Harbin und ist erheitert über den Enthusiasmus in meiner Stimme. Voller Eifer beginnt er, mir von den fruchtbaren Schwarzerdeböden zu erzählen, die es nur im Nordosten gebe. Wenn Chinesen vom ›Nordosten‹ sprechen, dann meinen sie die drei Provinzen Heilongjiang, Jilin und Liaoning. Jener Teil Chinas sei unterentwickelt, erzählt mir der Mann. Während die ortsansässigen Arbeiter diese Provinzen verlassen, kommen andere aus den benachbarten Provinzen, z. B. aus der Industrieprovinz Shandong, um mit verschiedenen Geschäften ihr Glück zu versuchen.

»Die einen kommen, die anderen gehen. Um ehrlich zu sein, wollen die meisten aber lieber gehen, vor allem die jungen Leute.«

Dieser Auffassung scheint auch der junge Kerl auf der Pritsche neben uns zu sein, der unserem Gespräch interessiert lauscht und die Äußerung des älteren Mannes mit einem Nicken quittiert. Er steht auf und schlendert mit einem roten XXL-Becher Instantnudeln der Firma Meister Kang zum Ende des Wagens, um ihn mit heißem Wasser aufzufüllen. Instantnudeln in allen Geschmacksrichtungen sind einfach der Renner in China. Ich kann mich an keine Zugfahrt erinnern, in der im Waggon nicht der Geruch von fleischiger Würzpaste waberte. Nach seiner Rückkehr setzt er sich mit der dampfenden Brühe auf den freien Klappstuhl vor mir.

»Mein Name ist Li Cheng aus Qiqihar in der Provinz...

Erscheint lt. Verlag 26.1.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Asien
Schlagworte Abenteuerreise • China Dream • Chinesischer Traum • Klapprad • Radreise
ISBN-10 3-7583-5221-5 / 3758352215
ISBN-13 978-3-7583-5221-8 / 9783758352218
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