Der Buchladen am Ende der Welt (eBook)
300 Seiten
DuMont Reiseverlag
978-3-616-03284-9 (ISBN)
AM ENDE DER WELT,GANZ WEIT IM SÜDEN NEUSEELANDS, steht ein winzig kleiner Buchladen. Er gehört einer Frau mit einer unfassbaren Lebensgeschichte: Ruth Shaw verlor ihr Kind und ihre große Liebe. Sie segelte jahrelang über den Pazifik, wurde von Piraten überfallen, wegen Glücksspiels verhaftet, war Streetworkerin und Köchin für einen Erzbischof. Heute verkauft sie Bücher im abgelegenen Fiordland. Oder verschenkt sie. In ihren Memoiren verwebt sie Anekdoten über die Menschen, die ihren Buchladen besuchen, mit den bittersüßen Geschichten aus ihrem abenteuerlichen Leben. Ein Buch über Trauer und Verlust, aber auch über die Liebe - zum Leben, zur Welt der Bücher und zur Weite des Ozeans.
- Eine Lebensgeschichte wie ein Abenteuerroman
- Ergreifend und zugleich voller Humor
- Ein kleiner Buchladen als Mikrokosmos des Lebens
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 49/2024) — Platz 18
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 42/2024) — Platz 17
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- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 40/2024) — Platz 18
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- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 33/2024) — Platz 13
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 32/2024) — Platz 12
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 31/2024) — Platz 11
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 30/2024) — Platz 9
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 29/2024) — Platz 10
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 28/2024) — Platz 10
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 27/2024) — Platz 16
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 26/2024) — Platz 12
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 25/2024) — Platz 12
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- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 23/2024) — Platz 13
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 22/2024) — Platz 8
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 21/2024) — Platz 6
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Paperback (Nr. 20/2024) — Platz 10
Kapitel 1
Zwei winzige Buchläden
Unweit des Lake Manapōuri, an der Ecke Hillside Road und Home Street, stehen zwei kunterbunt bemalte winzig kleine Buchläden, umgeben von Pflanzen, allerlei Krimskrams und dem einen oder anderen Haustier, das hier wohnt.
Von Ende September bis Mitte April schließe ich jeden Morgen meine Two Wee Bookshops auf. Mein grüner Fiat 500, Baujahr 1961, steht gut sichtbar an der Southern Scenic Route und wirbt für den »kleinsten Buchladen in Neuseeland«. Ich stelle das »GEÖFFNET«-Schild an der Ecke zur Home Street raus, und dann fange ich an, Bücher auf Tischen und alten, bunt gestrichenen Schulbänken auszulegen. Auf die Kreidetafel schreibe ich: »GEÖFFNET. Bitte laut klingeln, wenn ich nicht da bin.« Neben der Tür hängt eine Schiffsglocke, deren Bimmeln ich beinahe überall auf unserem großen bewaldeten Grundstück hören kann.
Ich war siebzig Jahre alt, als ich mich entschied, die Buchläden zu eröffnen, sozusagen als netten Zeitvertreib für eine Rentnerin. Schon dreißig Jahre zuvor besaß ich einen ersten Buchladen, als Teil einer Jachtvermietung namens Fiordland Ecology Holidays, die mein Mann Lance und ich leiteten.
Schon gewöhnliche Buchläden ziehen Leute an, die Bücher lieben, doch meine Two Wee Bookshops sind wie ein Leuchtfeuer für jeden, der vorbeireist. Vielleicht liegt es an den bunten Farben, den alten Fenstern und Türen. Oder daran, dass sie einfach wirklich sehr klein sind.
Tibor aus Budapest zum Beispiel fuhr an den Häuschen vorbei, als sein Blick auf das Wort »Bookshop« fiel. Er kehrte postwendend um – und landete schließlich in unserem Gartenhäuschen, in dem er einen Monat lang wohnte. Er war Krankenpfleger, machte einen verlängerten Urlaub und lebte in seinem alten Kombi. Als Gegenleistung für Kost und Logis arbeitete er im kleinen Wald, der unser Haus umgibt. Er liebte Bücher und verbrachte seine Zeit oft damit, im Buchladen zu sitzen, zu lesen und sich mit meinen Kunden zu unterhalten. Wenn ich wegmusste, schloss er den Laden für mich auf und verkaufte erfolgreich eine Menge Bücher. Als er zurückmusste, flossen viele Tränen. Er wollte nicht gehen, und wir waren traurig, dass wir uns verabschieden mussten.
Und dann trafen wir Jana, ein junges deutsches Mädchen, das den Buchladen betrat, sich auf einen Stuhl setzte, zu weinen begann und sich mit einem völlig durchnässten Taschentuch die Nase schnäuzte. Ich nahm sie in den Arm und drückte sie an mich, während sie schluchzte. Ihre Beziehung war gerade zu Ende gegangen, erzählte sie mir. Ich nahm sie mit ins Haus, und Lance hielt auf seine gewohnt verständnisvolle und mitfühlende Art die Stellung im Buchladen. Er ist der persönliche Berater des Ladens und bringt den ganzen Tag lang pausenlos Tee und Kaffee. Außerdem ist er mein Handwerker, mein Mädchen für alles, und gemeinsam richten wir jeden Morgen die Buchläden her. Jana blieb eine Woche bei uns.
Und dann kam Lily aus Polen, die solches Heimweh hatte, dass sie nur reden wollte – und wie sie redete! Ich erfuhr alles über ihre Familie bis hin zu ihren Großeltern, wo sie zur Schule gegangen war und welche Teile Neuseelands sie schon bereist hatte. Am Ende dieser atemlosen und größtenteils einseitigen Unterhaltung erzählte sie mir von ihrer Trennung.
Adam aus Australien kam. Er sah aus wie etwa einundzwanzig, ein breitschultriger Kerl mit einem frechen Grinsen. Er arbeitete in Milford Sound und hatte ein paar Tage frei.
»Ich will nur wissen, wie man ein Buch liest«, sagte er.
Das hatte ich noch nie gehört, aber wenn jemand weiß, wie man ein Buch liest, dann wohl eine Buchhändlerin.
»Was interessiert dich, Adam?«, fragte ich.
»Nicht viel. Ich baue Gras an und rauche das auch ganz gern.«
Seine Offenheit überraschte mich – er kannte mich ja gar nicht. Dann dachte ich daran, wie mein Aussehen auf einen Fremden wirken musste. Ich trug die für mich typische weite indische Baumwollhose, eine Tunika, die bis zu meinen Knien reichte, und dazu einen bunten Hut. Ich verstand, was er wohl annahm.
»Ich habe genau das richtige Buch für dich«, sagte ich. »Warte kurz – es ist aus meiner eigenen Büchersammlung und steht eigentlich nicht zum Verkauf.«
Bogor, von Burton Silver geschrieben und 1980 veröffentlicht, ist ein Buch mit Cartoons über einen einsamen Förster namens Bogor, der sich mit einem Igel anfreundet, der Marihuana anbaut. Der Igel ernährt sich von Schnecken, die er auf den Marihuanapflanzen züchtet. Die Cartoons erschienen von 1973 bis 1995 im Magazin New Zealand Listener und keine andere Comicreihe Neuseelands wurde so lange fortgesetzt wie diese. Wir verliebten uns alle in die Bogor-Comics, die für jene Zeit ziemlich radikal waren. Die Bogor-Bücher erschienen wenig später und sind heute Sammlerstücke.
Ich kehrte mit dem Buch in den Laden zurück und erzählte Adam die Geschichte von Bogor und dem netten Igel, der bekiffte Schnecken fraß. »Du wirst es lieben. Es ist leicht zu lesen, und ich bin sicher, du kannst nicht mehr aufhören, wenn du erst mal angefangen hast.«
Adam fing an zu lesen. Als er das Buch zurückbrachte, erzählte er, er habe auf der Online-Tauschbörse Trade Me nachgesehen und wolle nun selbst anfangen zu sammeln.
* * *
Eines Tages tauchte ein Mann namens Alan auf. Er saß schweigend auf der Stufe beim Eingang, sein hängender Kopf berührte beinahe die Knie.
»Warum kommen Sie nicht rein und setzen sich?«, fragte ich ihn. »Ich schließe die Tür, damit Sie etwas Zeit für sich haben.«
»Nein, das wäre zu viel verlangt«, sagte er, doch er stand auf und kam in den Laden. Ich eilte hinaus, drehte das »GEÖFFNET«-Schild um, wischte die Kreidetafel ab und schloss die Tür. Wir saßen einige Minuten lang schweigend da, bis ich mich schließlich vorstellte. Ich sah zu ihm hinüber, und er weinte.
Unser Haus liegt direkt neben den Buchläden, also lief ich rüber und bat Lance, zwei Tassen Kaffee in den Laden zu bringen. Das mache ich oft, wenn viel los ist und die Leute darauf warten, endlich die überfüllten Buchläden betreten zu können. Mehr als fünf Kunden – und man kann sich nicht mehr bewegen. Lance unterhält die Wartenden dann mit wunderbaren Geschichten aus seinem Leben und bringt Tee und Kaffee. Zum Glück liest er selbst viel, sodass er, wenn gewünscht, auch gern über Bücher redet.
Der Kaffee kam: einer nur mit Milch, der andere mit Milch und Zucker. Lance hatte richtig geraten – Alan war der Milch-und-Zucker-Typ.
»Danke, Ruth«, sagte Alan. »Ich glaube, das Schicksal wollte, dass ich hierherkomme – nur lese ich eigentlich keine Bücher.«
»Es kommen viele Leute her, die keine Bücher lesen.«
»Es lag an den Farben und der Glocke an der Tür, das hat mich angelockt. Ich bin Feuerwehrmann aus New South Wales, und mir wurde befohlen, Urlaub zu nehmen. Hier bin ich also.« Er seufzte und sah zu mir auf. »Glaubst du, ich habe meine Kollegen im Stich gelassen? Denn ich glaube das. Sie sind noch dort draußen. Und egal wo ich hingehe, rieche ich den Rauch.« Die Buschbrände in Australien waren in jenem Jahr so entsetzlich, dass wir selbst hier in Manapōuri, unten an der Südinsel Neuseelands, den Rauch riechen konnten und der Himmel die Farbe des Feuers annahm.
Wir unterhielten uns über eine Stunde lang. Bei den Schrecken, die er erlebt hatte und zu denen er zurückkehren musste, war mir zum Heulen zumute.
Schließlich stand er auf, stellte seine Tasse auf den kleinen Tisch, zog ein Taschentuch aus der Box, die ich für alle möglichen Situationen dort stehen habe, und putzte sich die Nase. »Danke, Ruth. Du warst genau das, was dieser ausgelaugte, alte Feuerwehrmann gebraucht hat.«
Ich umarmte ihn, sah zu ihm hoch, denn er war sehr viel größer als ich, und lächelte. Ich wusste, dass er am nächsten Tag den Kepler Track wandern wollte. »Versuche, den Wald zu riechen«, sagte ich. »Atme die Bergluft ein und sei dir gewiss, dass du bereit sein wirst, wieder an der Seite deiner Freunde zu arbeiten, wenn du zurückgehst. Ich habe ein kleines Buch für dich.« Ich reichte ihm eine Ausgabe von Fellosophie: Tierisch gute Alltagstipps. »Das wird dich zum Lächeln bringen – vielleicht sogar zum Lachen.«
Alan grinste. Ich hielt ihm die Tür auf, und als er um die Ecke in Richtung See lief, drehte ich das Schild auf »GEÖFFNET«.
An manchen Tagen verschenke ich mehr Bücher, als ich verkaufe. Das sind die Freuden des Rentnerinnendaseins, man hat keinen Druck mehr, Geld verdienen zu müssen. Es ist viel erfüllender, das perfekte Buch zu verschenken, als es zu verkaufen.
* * *
Der kleinere Buchladen, der für die Kinder, versteckt sich hinter einem Zaun. Man kann nur die Vorderseite sehen. Die rote Tür ist kaum mehr als einen Meter hoch.
Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen im Kinderbuchladen. Oft hocken die Kinder da, lesen und kuscheln dabei mit einem der Plüschtiere, die auf dem unteren Regal in einer Reihe sitzen und sehnsüchtig auf Aufmerksamkeit hoffen. Die Mütter, Väter und Großeltern finden Bücher aus ihrer Kindheit und schwelgen in Erinnerungen.
In einer Ecke habe ich eine Leihbücherei eingerichtet. Die Kinder dürfen ein Buch und ein Kuscheltier über Nacht mit nach Hause nehmen, und das Plüschtier erhält seinen Namen vom ersten Kind, das es ausleiht. Wenn die Kuscheltiere zurückgebracht werden, wasche ich sie und hänge sie zum Trocknen raus. Meine Wäscheleine ist oft voller...
Erscheint lt. Verlag | 5.10.2023 |
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Reihe/Serie | DuMont Welt - Menschen - Reisen E-Book | DuMont Welt - Menschen - Reisen E-Book |
Übersetzer | Anja Samstag |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The bookseller at the end of the world |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Sachbuch/Ratgeber | |
Reisen ► Reiseberichte | |
Schlagworte | Abenteuer • Biografie • Buchladen • Lebenserfahrung • lebensgeschichte einer starken frau • Liebesgeschichte • Neuseeland • Pazifik • Segeln |
ISBN-10 | 3-616-03284-9 / 3616032849 |
ISBN-13 | 978-3-616-03284-9 / 9783616032849 |
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Größe: 9,1 MB
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