Mit 20 Huskys durch Europa (eBook)
272 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-5727-1 (ISBN)
„Jetzt, genau jetzt, beginnt es.“
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Dies war der Gedanke, der den chronologischen Beginn dieser Erzählung einläutete. Geplant war sie schon lange. Es war mir nur nicht klar, mit welchem Ereignis ich anfangen wollte. Jetzt war es klar. Dieser Gedanke. Dieser Moment. Jetzt, genau jetzt beginnt es!
Wir saßen alle an einem langen Tisch in einem Hotel in Bad Bederkesa: meine Familie, Lisa und ich. Es war der letzte Samstag im Mai 2022. Das Wetter war alles andere als typisch für diese Jahreszeit. Es stürmte mit Windstärke 8 bis 9, dazu Regen, Regen, Regen. Der Regen prasselte gegen all die Fenster in dem Hotel, sodass wir manchmal unsere Stimmen erheben mussten, um uns zu verständigen. Da wir weit voneinander entfernt leben, sehe ich meine Familie nur selten. Aber wenn wir uns sehen, wird daraus immer ein geselliges Beisammensein. Mein Bruder fragte mich zwischen den Gängen des Menüs, wie es mit meinen Buchprojekten aussehe. Er selbst hätte zwar keinen Hund, aber es mache ihm immer so viel Spaß, meine Bücher zu lesen. Und so umriss ich grob die Idee für das neue Projekt: Ich plante, Lisa während der Schlittenhunderennen mit ihren Alaskan Huskys quer durch Europa zu begleiten. Bei diesen Wettbewerben wollte Lisa sich für das Rennen aller Rennen in Europa qualifizieren: das Finmarksløpet in Norwegen. Und meine Rolle in diesem Projekt? Ich bin der, der es schreibt.
Mein Bruder hörte interessiert zu. Dann kam die entscheidende Frage: „Und wann beginnt dein neues Projekt?“ Jetzt, genau jetzt, beginnt es. Doch meine gedachte Antwort unterschied sich von meiner verbalen: „Ich bin mir noch nicht ganz sicher“, sagte ich, aber ich war selbst völlig überrascht über meine eigene gedankliche Feststellung in genau diesem Moment, an diesem stürmischen Samstagabend. Beim Erzählen, wie genau das Projekt aussehen sollte und wo es mich überall hinführen würde, wurde es immer deutlicher: Jetzt, genau jetzt beginnt es. An diesem Tisch, an diesem Abend, bei diesem norddeutschen Schietwetter.
Ich fuhr mit Lisa und Rusty zum Restaurant. Rusty ist ein großer Mercedes Sprinter und hat seinen Namen zurecht. Böse Zungen behaupten, dass es nur noch der Rost sei, der ihn daran hindert, auseinanderzufallen. Ganz so pessimistisch sah ich das aber nicht. Er hatte über 450.000 km auf dem Buckel und wartete mit einem langen Radstand und Stehhöhe von innen auf. Das bedeutet, dass er sehr viel Platz bot, für uns, die Huskys und das nötige Equipment. Lisa hatte das Fahrzeug erst vor wenigen Wochen im Internet gefunden und gekauft. Sie sah ihn und verliebte sich sofort in diesen Sprinter. Als wir ihn uns im Harz anschauten, konnte ich Rusty so schlecht und madig reden, wie ich nur wollte, ich merkte ihr sofort an, dass sie diesen Transporter auf jeden Fall kaufen würde. Das tat sie auch. Und gleich in den kommenden Tagen besorgte sie das Material und die Ausrüstungsgegenstände, um Rusty so auszubauen, dass wir zusammen mit einem Dutzend Hunden und der kompletten Ausrüstung für Mensch und Hund darin mindestens eine Woche leben konnten. Leben zu zweit auf wenigen Quadratmetern. Das muss man wollen und auch aushalten können.
Spätestens um 21 Uhr mussten wir an diesem Abend aufbrechen. Vom beschaulichen Stinstedt über das Hotel in Bad Bederkesa nach Schwerin. Das Navi sagte uns zweieinhalb Stunden Fahrzeit voraus. So hatten wir noch ein bisschen Puffer. Denn Rusty ist nicht besonders schnell. Er ist nur geräumig.
Wir fuhren in Richtung Osten, also der Nacht entgegen. Und es wurde dunkel. Schnell dunkel. Nicht nur durch den Sonnenuntergang, sondern vor allem durch die tiefen, dunklen Wolken. Dazu kam der nicht nachlassende Sturm. Manches Mal wurden wir regelrecht durchgeschüttelt von den Sturmböen, und das bei voller Fahrt, aus Rustys Sicht. Der Regen trommelte auf die Windschutzscheibe. Immer wieder hatten die Scheibenwischer Mühe, die Windschutzscheibe für gute Sicht freizuhalten, was ihnen dadurch erschwert wurde, dass sie schon ziemlich abgenutzt waren. Ich wies Lisa darauf hin, worauf sie sofort neue bestellte. Ein Hoch auf das Internet! Das Wetter machte das Fahren alles andere als angenehm und ich musste mich sehr darauf konzentrieren. Irgendwie gelang es mir, Rusty in der richtigen Spur zu halten und Kilometer für Kilometer voranzukommen. Minute für Minute kamen wir Schwerin näher. Die widrigen Wetterumstände konnten uns nicht aufhalten.
Wir hatten in Schwerin um Mitternacht eine Verabredung mit Nicole. Sie kam von Rügen angereist, und die Mitte zwischen Rügen und Stinstedt ist Schwerin. Das war der Grund, warum wir uns genau dort trafen. Nicole hatten wir noch nie gesehen, nur mal am Telefon gesprochen. Alle anderen Verabredungen gingen per SMS. Wir trafen also mitten in der Nacht in einem Schweriner Burger-Restaurant eine völlig Unbekannte, steckten ihr viel Geld zu und bekamen dafür einen Schlüssel. Ja, ich weiß, es hört sich komisch an. Nachts, Dunkelheit, leerer Parkplatz, keine anderen Menschen weit und breit, Übergabe Schlüssel gegen Geld. Wer macht solche Geschäfte? Die Antwort hat vier Buchstaben: Lisa! Sie hatte einen großen Anhänger für ihre Huskys gekauft. Er ist sieben Meter lang und bietet Platz für einen Trainingswagen, und in 22 Boxen können Hunde samt Ausrüstung bequem untergebracht werden. Das Gespann aus Anhänger plus Rusty wies eine Gesamtlänge von fast 15 Metern auf.
Die Verkäuferin des Anhängers, Nicole, lebte zu diesem Zeitpunkt auf Rügen, während der Anhänger noch an ihrem vorigen Wohnort in der Nähe von Eschwege (Hessen) stand. Wir mussten also den Anhänger auf dem Rückweg noch aus Hessen abholen. Rückweg? Ja, doch dazu später mehr.
Das Geschäft war schnell abgewickelt, und alle gingen wieder ihre getrennten Wege. Ein wenig Zeit für ein bisschen Quatschen über Schlittenhunde war noch drin, doch war uns allen unsere Müdigkeit anzusehen. Nicole musste noch zurück nach Rügen und wir, ja wohin eigentlich? Wir suchten einen Platz zum Nächtigen. Am nächsten Morgen sollte es weitergehen. So fuhren wir durch Schwerin, auf der Suche nach einem passenden Platz. Schwerin ist eine schöne, renovierte und restaurierte Stadt, auch bei Nacht. Doch alle Parkplätze in der Innenstadt waren sehr teuer. Wir waren nicht bereit, 30 € für sechs bis sieben Stunden Parken auszugeben. Das musste auch günstiger gehen. Und so schickte mich Lisa von einem Parkplatz zum anderen. Es wurde eine nächtliche Stadtrundfahrt. Doch an jedem Parkplatz das gleiche Bild: Bezahlschranken. Nach einer halben Stunde gelangten wir zum Zoo. Der dortige Parkplatz lag zwar an einer größeren Kreuzung, aber im Dunkeln und unter Bäumen. Und er war leer. Aber das Beste: Er war kostenlos! Dort blieben wir stehen, suchten uns einen schönen Platz am Rande und bereiteten uns auf die Nacht vor. Der Verkehr an der großen Kreuzung störte uns nicht weiter. Zudem standen wir windgeschützt, der Regen ließ nach. Wir schliefen zügig ein und wachten am nächsten Morgen um 7 Uhr wieder auf. Was war das Wichtigste, das ich nach dem Aufstehen an einem solchen trüben, regnerischen Morgen benötigte? Klar: ein Kaffee! Was sonst? Ich hätte mir in Rusty einen kochen können, doch entschied ich mich, gleich weiterzufahren, um die nächste Tankstelle mit Coffee to go anzusteuern. Immerhin lagen bis zum Abend noch 1.200 Kilometer vor mir. Vor mir! Ich musste die gesamte Strecke allein fahren. Lisa konnte mich nicht ablösen. Sie hatte vergessen, den Fahrersitz umzubauen, denn ihre Beine waren zu kurz. Nein, das ist kein Quatsch. Wenn der Fahrersitz ganz nach vorn gezogen war, konnte sie bestenfalls die Pedale wenige Zentimeter herunterdrücken. Sicheres Fahren ist so nicht möglich. Deshalb fuhr ich. Zuvor gab ich das Ziel ins Navi ein: Muldenhammer. Noch nie gehört? Ich auch nicht. Es ist ein kleiner Ort, der südlich von Chemnitz liegt, nahe der tschechischen Grenze.
Also los. Wie ein Radar scannte mein Blick die Umgebung nach einer Tankstelle mit Coffee to go. Herunter vom Parkplatz, den Anweisungen des Navi folgend Richtung Autobahn. Und da war sie schon, die erste Tankstelle. Dummerweise an der Gegenfahrbahn. Ich konnte dort nicht quer über die Gegenfahrbahn abbiegen. Erstens war es verboten und zweitens war der bebaute Mittelstreifen im Weg. Und ich mochte auch nicht an der nächsten Kreuzung wenden, denn das hätte zu viel Zeit gekostet. Die nächste Tankstelle kommt bestimmt. Drei oder vier Kilometer später, ich habe nicht mitgezählt, fand sich die nächste Tankstelle. Geschlossen. Sonntags morgens um 7:30 Uhr an einem Zubringer zur Autobahn ist die Tankstelle geschlossen. Das überraschte und frustrierte mich zugleich. Also los, weiter. Meine Gier nach Kaffee stieg überproportional im Verhältnis zum Kilometerzähler. Na gut, wenn ich in Schwerin schon keine passende Tankstelle finde, dann bestimmt nachher eine Raststätte auf der Autobahn.
Und so fuhren wir die Autobahn entlang. Es sollte noch eine Dreiviertelstunde dauern, bis endlich eine Raststätte auftauchte. Und nun die gute Nachricht: Dort gab es guten Kaffee und Lisa holte mir einen. Das Wetter war bislang noch stürmisch, aber trocken. Das sollte sich...
Erscheint lt. Verlag | 12.7.2023 |
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Reihe/Serie | Mit 20 Huskys durch Europa |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Reisen ► Reiseberichte ► Europa |
Schlagworte | Abenteuer • Huskys • Reisebericht • schlittenhundesport • Skandinavien |
ISBN-10 | 3-7578-5727-5 / 3757857275 |
ISBN-13 | 978-3-7578-5727-1 / 9783757857271 |
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