30 Liter Wein (eBook)

Eine Reise durch Georgien
eBook Download: EPUB
2023 | 2. Auflage
154 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-7340-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

30 Liter Wein -  Susanne Schweigert
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Im Sommer 2021 reisen Susanne und ihr Partner Gwill fünf Monate lang durch Georgien, um herauszufinden, ob dieses kleine Land am Schwarzen Meer so viel herzliche Gastfreundschaft, guten Wein, köstliches Essen und hohe Berge zu bieten hat, wie sie gehört hatten. Zu Fuß erkunden die beiden die Bergwelten des Kleinen und Großen Kaukasus, baden in eiskalten Gletscherflüssen, tauchen ein in die georgische Kultur, leben bei Einheimischen, die sie aufnehmen wie ihre eigene Familie, arbeiten auf einer Teeplantage, helfen bei der Weinernte und trinken hausgemachten Wein in kleinen Gasthäusern im wilden Kaukasus. Die Einwohner Georgiens beeindrucken sie immer wieder mit ihrer Lebensfreude, ihrer Lust zu teilen und ihnen das Beste von ihrem Land zukommen zu lassen.

Susanne Schweigert erblickte 1984 in Karl-Marx-Stadt das Licht der Welt. Sie studierte Anglistik/Amerikanistik, Politikwissenschaften und Psychologie an der TU Chemnitz und ging noch während ihres Studiums nach Oxford und später Cardiff, wo sie ihr Studium beendete. Nach dem Studium machte sie eine Tischlerlehre und arbeitete für zehn Jahre als Tischlerin in London, Durham und Hereford. Seit vier Jahren ist sie zurück im schönen Chemnitz, wo sie mittlerweile als freiberufliche Dozentin für Englisch arbeitet. Sie liebt das Reisen und nimmt sich lange Auszeiten, um die Welt zu erkunden. "30 Liter Wein" ist ihr erstes Buch.

LAGODEKHI


Ungeplante Rast im Urwald


Der Nationalpark Lagodekhi mit dem gleichnamigen Städtchen liegt nur drei Stunden östlich von Tbilisi, nahe der aserbaidschanischen Grenze. Er besteht aus alten Wäldern, durchzogen von Flüssen und Wasserfällen, fast wie im Urwald. Ich hatte von einer Reiseschriftstellerin gelesen, dass sie den Urwald im Dschungel des Amazonas in Brasilien erfolglos gesucht, sie ihn aber in Lagodekhi gefunden hatte. Aus diesem Grund wollten wir hierher.

Zu spät stellen wir fest, dass es an diesem Ort nur wenige Grad kühler ist als in der Hauptstadt. Doch hier genießen wir die hohen Temperaturen, denn wir können in den Flüssen baden und uns so wunderbar abkühlen.

Nach einer Woche in Lagodekhi schaffen wir es >Ein Brot, bitte< auf Georgisch zu sagen, und entlocken der Bäckersfrau damit das erste Lächeln. Sie ist nicht einfach, diese Sprache. Sie bereitet uns viel Kopfzerbrechen, aber noch viel mehr Freude. Die einzelnen Worte mit den verschiedenen Lauten auszusprechen ist eine große Herausforderung. Viele Laute werden hinten im Hals gerollt und halb geröchelt. Wir haben viel Spaß dabei, von der bezaubernden Maka, der Tochter unserer Gastmutter, immer wieder in der georgischen Sprache unterrichtet zu werden. Wir lernen erst eine Handvoll Worte, dann noch eine, und mittlerweile besteht unser Vokabular hauptsächlich aus Ortsnamen und natürlich den Begriffen für die Köstlichkeiten der georgischen Küche. Diese können wir alle hervorragend aussprechen, besonders unsere Lieblingsgerichte wie Khinkali. Dabei handelt es sich um Teigtaschen, die mit Hackfleisch, Kartoffeln, Pilzen oder Käse gefüllt sind. Überhaupt ist Käse überall in Georgien zu finden. Alles ist mit hausgemachtem Käse gefüllt oder überzogen. Wir sind kulinarisch in unserem Element. Jeden Abend bekocht uns Maka aufs Köstlichste und bald schon muss ich abwinken, wenn sie uns schon am Nachmittag selbstgebackenen Kuchen hinstellt. Meine Wanderhosen werden langsam eng.

Und dann gibt es da noch einen unerwarteten roten Faden, der sich durch unsere Zeit in Lagodekhi zieht: Am ersten Tag gehen wir zur Rangerhütte am Eingang des Nationalparks, um uns Informationen über die Wanderwege einzuholen. Wir wollen auch herausfinden, ob wir im Park zelten dürfen. An der Hütte lernen wir einen Ranger kennen, der uns immer wieder begegnen wird. Sein Name ist Zaza, aber zu meiner Erheiterung tauft Gwill ihn sofort auf Zabedi um. Zaza spricht Englisch, gibt uns sämtliche Informationen über den Nationalpark, alle Wanderwege, die Wettervorhersage und so weiter und so fort. Er spricht ununterbrochen, und seine Sätze haben weder Anfang noch Ende - und irgendwie auch keine Mitte. Eine Unterhaltung mit ihm sieht in etwa so aus:

»Zaza, ist es möglich im Nationalpark wild zu zelten?«

»Nein, es ist strengstens verboten zu zelten ... Auf keinen Fall dürft ihr dort zelten ... Es gibt einen Zeltplatz hier an der Rangerhütte ... Und warum nicht zelten im Park? Weil da viele alte Bäume sind, die jederzeit umstürzen können ... Und der Wind kann hier so stark werden ... unglaublich stark ... cs ist gefährlich ... und cs ist steil überall... zu steil zum Zelten ... Also hier auf diesem Wanderweg ...«, er zeigt auf die Karte, »... hier ist es schön flach, und hier ist es auch schön eben ... hier kann man zelten ... aber nein, man darf nicht zelten im Nationalpark ... es ist zu gefährlich.«

Puh, mir wird schon beim Zuhören angst. Doch mehr deshalb, weil ich Mühe habe, seinem zügigen Tempo auf Englisch zu folgen, das einen starken Akzent hat, und weniger davor, dass ich mir um herabfallende Aste Gedanken gemacht hätte. In Zazas Welt ist alles möglich, aber auch unmöglich zur selben Zeit.

Als wir am nächsten Tag auf dem Zeltplatz am Eingang des Parks unser Zelt aufschlagen, weist uns Zaza wiederholt darauf hin, dass wir keinesfalls unsere Sachen im Zelt lassen sollen, während wir wandern gehen. Wir finden das sehr ungewöhnlich, da wir noch nie erlebt hatten, dass jemand an unseren alten Schlafsäcken oder schmutzigen Socken Interesse gezeigt hätte. Offensichtlich hatte mal vor Jahren jemand an einem Zelt rumgeschnüffelt, und der besorgte Ranger ist davon geprägt. Er fühlt sich für alles, was sich im Nationalpark abspielt, persönlich verantwortlich und kommandiert die anderen Ranger, die kein Englisch sprechen, herum. Er ist - kurz gesagt - ein sehr merkwürdiger Typ, und es ist eine Herausforderung, eine klare Aussage von ihm zu bekommen.

»Können wir morgen die Wanderung zum kleinen Wasserfall machen?«, fragen wir ihn am nächsten Tag.

»Ja, also diese Wanderung ist nicht so schwierig, also größtenteils, sie ist als leicht eingestuft, aber dann der letzte Teil, der ist schwierig, also sehr schwierig, er ist steil ... Hände und Füße muss man nehmen, und man kann auch mal abrutschen ... Aber nur das letzte Stück, der Rest ist leicht. Also bis auf die Flussüberquerung, aber die ist nur schwierig, wenn das Wasser hoch ist, also nach viel Regen ... Aber morgen soll es trocken sein ... Also es ist auch heute trocken und gestern war es auch trocken ... Aber es kann auch überraschend in der Nacht regnen und dann schwillt der Fluss an ...«

So geht das immer weiter.

Gwill und ich haben unseren Spaß daran, ihn zu imitieren, wenn wir uns unterhalten. Und das Kuriose ist, dass wir ihm in den zwei Wochen, in denen wir in Lagodekhi sind, überall begegnen. Gwill braucht nur mal Brot kaufen zu gehen, und er sieht ihn vor dessen Haus. Wir drehen eine Runde in der Stadt, und Zaza ist da, es ist sein freier Tag. Es ist belustigend, wie oft wir ihn unerwarteterweise treffen, und immer wundert er sich, dass wir noch hier sind - da doch die meisten Touristen nur ein paar Tage, höchstens eine Woche bleiben. Das war auch unser Plan, doch das Schicksal will es anders.

Auf unserer ersten Wanderung zu eben jenem kleinen Wasserfall, zu dem wir Zaza befragt hatten, verstauche ich mir auf dem Rückweg durch den tropisch anmutenden Regenwald den linken Knöchel. Ich bin frustriert, da wir nun erstmal nicht mehr wandern können und es sonst kaum Möglichkeiten gibt, sich in dem 6000 Seelen Städtchen die Zeit zu vertreiben. Gwill sieht es glücklicherweise gelassen.

Nach ein paar weiteren Tagen bei unserer herzlichen Gastfamilie zieht es uns trotzdem wieder hinaus in die Natur. Da ich mit meinem verstauchten Fuß nur schwer lange Strecken laufen kann, beschließen wir, uns einen Zeltplatz zu suchen. Wir finden einen wunderschönen Ort mitten im Wald, ganz anders als der Campingplatz unter Zazas Regie, auf dem nur wenige Bäume stehen. Er ist traumhaft ruhig und bei dreißig Grad Lufttemperatur genau der richtige Ort, um in der Hängematte zu entspannen, die Seele baumeln zu lassen, und beim Lagerfeuer die Sterne anzuschauen.

Wir haben das Glück, den Zeltplatz nur mit einer einzigen anderen Familie zu teilen. Irina, Alexander und deren Kinder Michail und Anna waren vor sechs Jahren aus Russland nach Georgien ausgewandert, hatten in Tbilisi ein Haus gebaut und nun beschlossen, über die Sommerferien der drückenden Hitze der Stadt zu entfliehen. Sie sind bereits seit einigen Wochen auf diesem Zeltplatz. Die Eltern haben ihre Laptops dabei und können so von der überdachten Terrasse aus arbeiten.

Gleich nach unserer Ankunft lädt uns die Familie zum gemeinsamen Abendessen ein. Wir nehmen hocherfreut an: Es gibt köstliche russische Spezialitäten und wir wähnen uns erneut im Paradies. Alexander ist Komponist und Jazzmusiker, hat jedoch, seitdem sie nach Georgien ausgewandert sind, nicht mehr komponiert. Er sagt uns, die Muse hätte ihn nicht mehr geküsst. Aber ich frage mich, ob vielleicht Sehnsucht nach seinem Heimatland dahintersteckt.

Irina hatte als Simultanübersetzerin für Englisch in der britischen Botschaft in Moskau gearbeitet. Sie erzählt uns, dass sie beide die politische Situation unter dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht mehr ertragen hatten: Keine Meinungsfreiheit, keine Pressefreiheit. Wir fragen sie, wie oft sie nach Russland reisen, um ihre Familie zu besuchen.

»Wir waren in den sechs Jahren noch kein einziges Mal wieder in Russland. Was sollen wir da? Wir wollen da nicht mehr sein«, antwortet Alexander beinahe entrüstet.

Es war Irinas Idee gewesen, nach Georgien zu kommen. Hier war es nicht nur landschaftlich schön, sondern für ihre Standards auch preiswert. Darüber hinaus können sie sich ein Haus leisten, was sie zum ständigen Aufenthalt in Georgien berechtigt.

Alexander strahlt, als wir über die niedrigen Preise im Land sprechen: »Hier bekommt man Chacha für zwei, drei Euro die Flasche. Das ist unglaublich.« Doch er hat aufgehört, den georgischen Tresterschnaps zu trinken, kostet auch nichts von dem hausgemachten Wein, den sie uns später aus Tbilisi mitbringen. Ich kann ihn mir vorstellen, als Künstler und Komponist in Russland. Wie er dagesessen haben mag, in einem alten Ledersessel, gedankenversunken Wodka trank und komponierte. Nun hat er eine Frau, die mindestens zehn Jahre jünger ist als er,...

Erscheint lt. Verlag 14.6.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Europa
Schlagworte Berge • Georgien • Kaukasus • Reisebericht • Swanetien
ISBN-10 3-7578-7340-8 / 3757873408
ISBN-13 978-3-7578-7340-0 / 9783757873400
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