Via Velo -  Thomas Erdmann

Via Velo (eBook)

Auf den Spuren meines Vaters in Frankreich
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
196 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-3605-4 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
7,49 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
In seinem Buch beschreibt Thomas Erdmann seine Reise mit dem Fahrrad nach Südfrankreich. Er teilt seine Erlebnisse und Gedanken während der Reise. Er erlebt die verschiedenen Landschaften und Kulturen unseres Nachbarlandes und schildert, wie er die Herausforderungen der Reise gemeistert hat. Doch er ist nicht nur auf den Spuren eigener Abenteuer und Erlebnisse, sondern auch auf den Spuren seines Vaters, der in Frankreich als Soldat in Kriegsgefangenschaft genommen wurde. Für Thomas Erdmann ist es eine besondere Bedeutung, diese Reise zu unternehmen und die Orte zu besuchen, die sein Vater vor so vielen Jahren gesehen hat. Durch die Reise kommt er seinem Vater näher und kann auf eine persönliche Art und Weise dessen Erlebnisse teilen.

Thomas Erdmann,1964 in Nordkirchen geboren, ist verheiratet, hat drei Kinder und arbeitet in einem großen Kunstmuseum in der Westfalenmetropole Münster. Dieses Buch ist sein Erstes, weitere könnten folgen...

Ecoutez – Zuhören


Am Vorabend habe ich beim Wirt des Campingplatzrestaurants bereits ein Frühstück für heute Morgen bestellt. Für 7,50 Euro bekomme ich alles, was mein Hunger begehrt. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass es bis nach Luxemburg Stadt 85 Kilometer sind und mit vielen Höhenmetern. Ob das für mich möglich ist? Wenn nicht fahre ich halt nur bis Ettelbrück. Dann sehe ich weiter.

Ich bestelle einen zweiten Kakao und frage den Wirt nach einem geeigneten Radweg bis Luxemburg Stadt. Er schaut mich mit großen Augen an und meint, dass diese Etappe vielleicht zu schwer werden könnte. Ein Mann und eine Frau betreten das Lokal. Beide haben auch auf dem Campingplatz übernachten und erkunden mit ihren Mountainbikes das Umland. Der Wirt leitet meine Frage direkt an sie weiter. „Ist das ihr Fahrrad da draußen mit dem ganzen Gepäck?“, fragt mich der Mann. Ich nicke. „Bis Luxemburg Stadt werden sie es nicht schaffen“, meint er. „Vielleicht bis nach Ettelbrück, aber sie werden mit diesem Fahrrad keinen Spaß dran haben und sind nachher so gut wie tot. Wir mussten sogar ohne Gepäck absteigen und schieben. Es ist einfach zu steil.“ Meine App prophezeit mir auf den 45 Kilometern bis Ettelbrück einen Anstieg von über 1000 Metern. Der Wirt rät, mit der Bahn von Troisvierges nach Luxemburg Stadt zu fahren. Das wäre auf jeden Fall entspannter.

Die drei haben mich total verunsichert. Nach kurzer Bedenkzeit folge ich dem Rat des Wirts und mache mich auf zum Bahnhof. Er ist nicht weit vom Campingplatz entfernt. Einige Fahrgäste stehen bereits auf dem Bahnsteig, während ich mich mit dem Fahrkartenautomat beschäftige. Ich erwarte nun ein kompliziertes Tarifwirrwarr. Das einzige was dieser Blechkasten mir aber anbietet, ist die Wahl zwischen erster und zweiter Klasse. Eine Strecke oder einen Ort kann ich nicht anwählen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen eine Fahrkarte zu kaufen, gebe ich auf. Ich halte Ausschau nach jemanden, der mir helfen kann, als der Zug bereits einfährt. Direkt vor mir, steigt der Schaffner aus. Sofort versuche ich ihm mein Problem zu schildern. Er winkt lässig ab und sagt, ich solle einfach einsteigen. „Gibt es im Zug einen Automaten?“, frage ich ihn. „Suchen sie sich einen Platz, ich komme gleich zu ihnen“, antwortet er freundlich. Ich schiebe mich und Moritz ins Fahrradabteil und der Zug setz sich in Bewegung. Gemächlich rollt die Eisenbahn in großen Bögen die Berge hinauf. Nach einigen Minuten kommt der Schaffner zu mir. Als ich mein Portemonnaie zücke, um eine Fahrkarte zu kaufen, winkt er ab. „Ihre Zugfahrt ist kostenlos“, sagt er. Auf meine Frage, ob ich in irgendeiner Lotterie gewonnen habe, oder vielleicht der Millionste Fahrgast in diesem Jahr bin, erwiderte er: „Seit März 2020 ist der gesamte öffentliche Personennahverkehr in Luxemburg kostenfrei. Für alle Menschen, Tiere und auch Fahrräder.“

Ich bin perplex. Davon hatte ich noch nicht gehört. Luxemburg gehört bekanntlich nicht zu den größten Ländern Europas. Die Ausdehnung von Norden nach Süden beträgt lediglich 82 Kilometer und die Entfernung von Osten nach Westen nur 57 Kilometer. Doch halte ich die Entscheidung allen Menschen ein kostenloses Transportmittel zur Verfügung zu stellen für mutig, vernünftig und zukunftsweisend. Ich hoffe, dass dieses Projekt auf Dauer funktioniert und weitere Nachahmer findet. Gerade für die Deutsche Bahn finde ich es interessant. Sie könnten auf den Verkauf und die Kontrolle der Fahrkarten mit ihrem für mich völlig undurchsichtigen System hunderter verschiedener Tarife verzichten und sich dann nur noch auf die Funktionsfähigkeit ihrer Technik konzentrieren. Allein damit haben sie dann noch genug zu tun.

Der Zug fährt langsam. Es ist sehr kurvig und geht unablässig steil hinauf. Durch mehrere Tunnel durchfährt der Zug die Berge der Ardennen. „Über all diese Berge hätte ich drüber fahren müssen“, denke ich mir und danke innerlich meinen Tippgebern vom Frühstückstisch. Ich mache zwar eine Radtour, aber nicht zu jedem Preis. Genuss statt Quälerei, Begeisterung statt Plackerei sollen für mich im Vordergrund stehen und ich bin mir sicher, auf meiner weiteren Strecke noch oft genug auf die Probe gestellt zu werden.

Nach jeder Ausfahrt aus einem Tunnel merke ich, wie sich das Wetter verschlechtert. Dicke Wolken ziehen auf. Kurz vor Ettelbrück heften sich erste dicke Regentropfen an die Fensterscheiben. Es werden immer mehr und der Fahrtwind schiebt sie waagerecht weiter nach hinten. In Ettelbrück angekommen stehe ich bereits mit Moritz in der Tür und will aussteigen, aber es schüttet nun wie aus Kübeln. Heute Morgen habe ich mir meine Entscheidung, nicht zu fahren, nicht leicht gemacht, aber nun ist sie in einer zehntel Sekunde gefällt. Ich schiebe Moritz zurück in den Waggon und setze mich auf meinen alten Platz. Der Zug nimmt Kurs auf Luxemburg Stadt. Es ist die schönste Zugfahrt seit langem. Nicht nur, weil sie kostenfrei ist, sondern auch, weil das schlechte Wetter draußen bleibt. Ich liebe Zugfahren in Luxemburg!

Gegen Mittag erreichen wir den Bahnhof der Hauptstadt. Ich ziehe meine Regenkleidung über und mache mich auf den Weg zum 3 Kilometer entfernten Youth Hostel. Dort hoffe auf ein freies Plätzchen. Tropfnass stehe ich 15 Minuten später an der Anmeldung und habe Glück. Der Mann an der Rezeption bietet mir ein Bett in einem Zimmer an, dass ich allerdings mit zwei weiteren Gästen teilen muss. Aber das ist mir egal. Das Haus macht innen und außen einen gepflegten Eindruck. Meinen Moritz stelle ich im Keller ab und gehe hinauf in mein Zimmer. Auf mein Klopfen hin höre ich ein leises „Entrez!“ und schließe dann mit der Karte die Tür zum Zimmer auf. Sofort haut mich ein unglaublich intensiver Geruch geradezu aus den Socken. Ich würde es nicht als Gestank beschreiben, doch eine immense Vielfalt verschiedenster Aromen raubt mir den Atem. Kaffee, Knoblauch, Oregano nehme ich wahr. Zu mehr ist meine Nase gerade nicht in der Lage. Noch bevor ich die beiden Bewohner des Zimmers begrüßen kann, sehe ich die links von mir geöffnete Badezimmertür. Auf dem Heizkörper, der Duschabtrennung, über dem Spiegel und dem Waschbeckenrand liegen Unterhosen und Socken zum Trocknen ausgebreitet. Eigentlich möchte ich die beiden Herren jetzt gar nicht mehr kennen lernen, doch ein freundlich dreinblickender Mann winkt mich herein und begrüßt mich freundlich auf Französisch. Er heißt Murat, ist aus Tunesien und ist unglaublich dick. Ich schätze ihn auf Mitte vierzig. Die Anzahl seiner Kilos sind dreistellig und ich tippe darauf, dass die erste Zahl schon eine zwei sein könnte. Der zweite Mann liegt in der unteren Hälfte des Etagenbetts und liest in einer Zeitschrift. Ohne mich anzuschauen kommt aus seinem Mund nur ein kurzes „Bonjour“ während er unbeeindruckt weiter blättert. Noch bevor ich mich entscheide, ob ich nun wieder gehe, oder die beiden Bewohner zum Aufräumen und lüften auffordern soll, öffnet Murat das Fenster und räumt im Badezimmer die herumliegende Wäsche weg. Auch die wild verstreuten Sachen im Zimmer packt er in Windeseile in die Schränke. Ein letzter, kleiner Spint ist für mich. Während ich ihn einräume, muss ich manchmal zur Seite treten, um von ihm im plötzlichen Aufräumfieber nicht umgerannt zu werden. Nach 10 Minuten ist alles wieder an seinem Platz und die Wasserlachen im Bad weggewischt, während der andere Mitbewohner unbeeindruckt von Murats Aufräumaktion weiter in der Zeitschrift liest. Von dieser Aktion ist er jetzt aber so erledigt, dass er sich nun laut schnaufend auf seine Bettkante setzt und sich ausruhen muss. Okay, das hat mich nun doch beeindruckt. Murat ist mir sympathisch, während sich auf der anderen Seite des Zimmers uns der andere Mitbewohner den Rücken zukehrt und wohl schlafen will. Diese Geste aber auch seine bis jetzt abweisende und mürrische Haltung löst in mir ein Misstrauen aus und eine innere Stimme sagt mir, dass ich vor ihm auf der Hut sein muss.

Ich beziehe das Etagenbett über Murat.

Trotz des schlechten Wetters entscheide ich mich, ein bisschen die Stadt zu erkunden. In Regenklamotten stapfe ich später durch die riesige Fußgängerzone in der Oberstadt und kaufe erst einmal einen Pullover gegen die nächtliche Kälte. Am Place d´Armes reihen sich etliche Restaurants aneinander. Vor den Eingängen befinden sich in kleinen Vitrinen die Speisekarten. Ein Schnitzel mit Pommes ist mit 26 Euro sogar teurer als mein Bett. Ich entscheide mich im Laden einer Fastfoodkette für einen Hamburger mit Pommes und Cola. Später bin ich doch von mir selbst enttäuscht, weil ich einem billigen Mampf, der überall auf der Welt gleich schmeckt, den Vorzug gegeben habe, statt die einheimische Küche auszuprobieren. Das soll mir nicht noch einmal passieren, schwöre ich mir.

Abends lerne ich im Hostel den anderen Mitbewohner kennen, der mittlerweile aufgestanden ist. Er heißt Josip und kommt aus Portugal. Er steht an dem einzigen Tischchen in der hinteren Zimmerecke und gießt mit einem...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseführer Europa
ISBN-10 3-7578-3605-7 / 3757836057
ISBN-13 978-3-7578-3605-4 / 9783757836054
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Ohne DRM)
Größe: 1,2 MB

Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopier­schutz. Eine Weiter­gabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persön­lichen Nutzung erwerben.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich