Der Fahrtenschreiber

Anekdoten aus drei Jahrzehnten Reisen in Europa

(Autor)

Buch | Softcover
104 Seiten
2022
Ventura Verlag
978-3-940853-84-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Fahrtenschreiber - Paul Blätgen
10,00 inkl. MwSt
Ein Pfarrer auf dem Fahrersitz eines ausgewachsenen Reise­busses, der mehr als 30 Jahre Gruppen von bis zu 50 Personen durch ganz Europa fährt. Es klingt außergewöhnlich, jedoch nicht so außergewöhnlich wie die vielen Orte, die Paul Blätgen auf seinen Reisen durch Europa besucht hat, oder die Begegnungen mit Menschen, die ihm Hoffnung auf ein geeintes Europa machten. Paul Blätgen hat viele Bildungsreisen mit Gruppen organisiert und unternommen und hat sich vorgenommen, als Anregung für die, die nachkommen, ein wenig von diesen Reisen zu erzählen. Er schreibt keinen Reiseführer, er schreibt Geschichten und Anek­doten. Er erzählt Begebenheiten, die nachhaltig im Gedächtnis geblieben sind. Manchmal sind es tatsächlich Einsichten, manchmal sind es eher kleine Un­wichtigkeiten, die aber, weil unser Hirn so funktioniert, eine Brücke zu einem Ort, einem Gedanken, einer wichtigen historischen Tatsache bilden.

| Dieser Krieg darf sich nie wiederholen | Ein paar Jahre – wohl eher ein paar Jahrzehnte – muss man wohl schon hinter sich gebracht haben, um zu erkennen, dass tatsächlich die Eltern Spuren hinterlassen haben, die in die eigene Lebensmelodie hineinwirken. „Script“ nennt Eric Berne solche vorbewussten Lebenspläne, die jeder und jede (nach Berne) in sich trägt. Wer die Chance im Leben geschenkt bekommt, sich intensiv mit seinem Werde-„gang“ zu beschäftigen, erahnt nach und nach diese Lebensthemen und wo sie vermutlich entstanden sind. Mein Vater Gert (Jahrgang 1927) musste als Siebzehnjähriger noch in den letzten Kriegs­wochen Soldat werden. Ein gütiger Himmel und weise Vorgesetzte haben gemeinschaftlich verfügt, dass die jungen Leute – in Norddeutschland eingesetzt – nicht in eine Schlacht mit ihren Gegnern aus Schottland gehen sollten. Eine Vereinbarung mit den Offizieren der Gegenseite verhinderte dies und obendrein verminderte sie die Gefahr einer Anklage vor dem Kriegsgericht für die Deutschen: Die vorhandene Munition wurde verbraucht, indem sie – ohne irgendetwas und vor allem irgendjemanden zu treffen – in einer Nacht verschossen wurde. Danach erfolgte die Gefangennahme durch die Schotten. Die jungen Deutschen verbrachten die kurze Gefangenschaft nutzbringend auf den umliegenden Bauernhöfen bei der im Frühjahr notwendigen Feldarbeit. Am 8. Mai war der zweite Weltkrieg zu Ende, am 10. Mai stand mein Vater bei seinen Eltern in Bochum vor der Tür, unversehrt und wohl­genährt. Aus diesen „Kriegserfahrungen“ und natürlich dem, was andere Quellen und Menschen berichteten, hat mein Vater für sich festgestellt: So einen Krieg darf es nie wieder in Europa geben. Verhindern kann man das nur, indem die Menschen sich weit über Ländergrenzen hinweg kennen, schätzen, Kontakt haben und halten. Und wir – so sagte er zur Familie, meinen beiden Schwestern und mir – fangen damit jetzt schon mal an. Und zu Zeiten, als das noch nicht so selbstverständlich war wie heute, fuhren wir mit Auto und Wohnwagen nach Frankreich, nach Schottland, in die DDR, was eben so ging. Ich war gerade 21 und im Studium führte mich ein Zufall – aber Zufälle gibt es ja nicht, es gibt nur die Unkenntnis über die Zusammenhänge – nämlich der Ausfall eines Studienfreundes als Begleiter einer Jugendgruppe nach Polen. 1977 war das noch außergewöhnlich, aber meine Heimatstadt Bochum hatte ein Jugendcamp in Masuren mitorganisiert, bei dem Jugendliche aus Frankreich, England, Polen und Deutschland Zeit miteinander verbrachten. Seither sind Jahrzehnte ins Land gegangen und meine Freude an Reisen in aller Herren Länder, an Begegnungen, am Lernen, am Erkennen von Zusammenhängen ist kaum kleiner geworden. Soweit meine einführenden Gedanken, niedergeschrieben im Juni 2021. Dann kam der 24. Februar 2022, auf den ich nicht vorbereitet war, besser: Ich wollte es wohl nicht sein. Russische Truppen haben an diesem Tag erneut die Ukraine angegriffen und der Krieg, der bei genauerer Betrachtung mit der Besetzung der Krim im Jahr 2014 begonnen hat, tobt auch zur Stunde noch mit grausamer Härte. Also doch wieder Krieg in Europa. Ein ganzes Stück meiner oben beschriebenen Ansätze ist damit hinfällig, ein wichtiger Teil meiner Lebensmelodie damit am Ende? Tatsächlich gehen meine Gedanken immer wieder in diese traurige Richtung und das Gefühl von Hilflosigkeit hat sich sehr breit gemacht. Es war mein Sohn Simon (32), der mich wieder erdete: „Ja, Vatter“, so ungefähr waren seine Worte, „was da geschieht, ist schlimm, sehr schlimm, und wirft uns um Jahrzehnte in den Bemühungen um Frieden, Völkerverständigung, Zusammenarbeit und Zusammenleben zurück. Aber dann müssen wir eben wieder von vorn anfangen. Eine neue Generation und neuer Wille, Globalität gut werden zu lassen.“ Ich kann nur hoffen, dass es so werden wird. Paul Blätgen, Juli 2022

Erscheinungsdatum
Verlagsort Werne an der Lippe
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte Europa
Schlagworte Anekdoten • Bildungsreisen • Europa • Reisebericht • Reisen
ISBN-10 3-940853-84-4 / 3940853844
ISBN-13 978-3-940853-84-4 / 9783940853844
Zustand Neuware
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