Manfredonia ca. 56.000 Einwohner
Das südliche Tor zum Gargano beherbergt die schönste Einkaufsmeile des Gargano und punktet mit einem grandiosen mittelalterlichen Kastell. Der Stadtgründer ist kein Geringerer als König Manfred, der Sohn des Stauferkaisers Friedrich II.
Trotz des klangvollen staufischen Namens verirren sich nur selten Reisende in die größte Stadt an der Garganoküste. Sie lohnt jedoch durchaus einen Besuch, nicht nur wegen der Freundlichkeit der Menschen, sondern auch aufgrund der Kunstschätze im Zentrum und an der Peripherie. Die wichtigsten Attraktionen sind das Nationalmuseum mit den unvergleichlichen daunischen Stelen im Kastell sowie die beiden romanischen Gotteshäuser in und um Siponto. Die Kathedrale im Zentrum hingegen ist ausnahmsweise einmal kein kunstgeschichtliches Kleinod, lohnt aber zumindest eine Stippvisite. Schnurgerade zieht sich der Corso Manfredi als schmale Fußgängerzone durch die Innenstadt und verbindet dabei die Piazza G. Marconi am Übergang zur Neustadt mit dem Kastell in Tuchfühlung zum Hafen. Insbesondere am späteren Nachmittag und am Abend entfaltet der hübsche Corso mit seinen gediegenen Bürgerhäusern, Ladengeschäften und kultivierten Cafés ein urbanes Flair, das Reisende ansonsten in der Gargano-Region vergeblich suchen. Die wirtschaftliche Lage in und um Manfredonia ist hingegen alles andere als rosig, seit das staatliche Petrochemiewerk EmiChem, jahrzehntelang ein Schandfleck am Golf, stillgelegt ist und wertvolle Arbeitsplätze verloren gingen.
Die unmittelbare Stadtumgebung mit ihren Industriezonen präsentiert sich stärker zersiedelt. Urlaubsstimmung kommt jedoch spätestens auf der Küstenstraße nach Mattinata oder auf der anderen Seite im 3 km südlich von Manfredonia gelegenen Badeort Lido di Siponto auf. In den letzten Jahren wurde Letzterer im großen Stil radfahrerfreundlich umgestaltet, wobei die Verkehrsplaner des Guten etwas zu viel walten ließen und ein für ortsfremde Autofahrer fast undurchschaubares Netz von Einbahnstraßen hinterließen. Neben der sehenswerten romanischen Chiesa Santa Maria Maggiore verweisen in einem Park die spärlichen Reste des antiken Siponto auf eine reiche Vergangenheit. Ein weiterer kunsthistorisch bedeutender Sakralbau, die Abbazia di San Leonardo, liegt an der Ausfallstraße nach Foggia.
An Lido di Siponto schließt sich die dünenbewehrte, spärlich bebaute Golfküste an, die sich über Zapponeta bis hinunter zum Kur- und Badeort Margherita di Savoia, der ersten Etappenstation an der Costa di Bari, zieht. Zweifelhafte Feriensiedlungen mit Campingplätzen am Dünenstrand sind bereits im September verriegelt. Die Küstenstraße (SP 141) quert Gemüsefelder, Gewächshäuser, Brachland sowie ein Salinengebiet von enormer Ausdehnung. Es handelt sich um das größte dieser Art in Europa; über eine Länge von 20 km erstrecken sich parallel zum Strand die gefluteten Salzfelder; jährlich werden in über 500 Verdunstungsbecken ca. 10 Mio. Zentner des würzigen Kristalls gewonnen, rund 50 % der gesamten italienischen Produktion. Auf kilometerlangen Transportbändern wurde das Salz jahrelang direkt in den Hafen von Barletta befördert, mittlerweile setzt man auf den Lkw-Transport. Das Schutzgebiet Oasi Lago Salso 7 km südlich von Siponto ist allerdings keinen Abstecher mehr wert. Seit die Seen an der Lagune nahezu ausgetrocknet sind, suchen sich die Vögel ihre Berut- und Nistgebiete woanders (www.oasilagosalso.com). Geschichte: Die historischen Wurzeln der Stadt liegen nicht in Manfredonia selbst, sondern im benachbarten Siponto. Der von den Ureinwohnern Apuliens, den Dauniern, gegründete Ort avancierte in der Blütezeit des Römischen Reichs zu einem wichtigen Orienthafen. Später schifften sich hier Kreuzfahrer auf dem Weg ins Heilige Land ein, und einer der letzten Staufer, Konrad IV., ging hier mit einer Truppe an Land, um sich die Rechte an der sizilianischen Krone zu sichern. Im Mittelalter stritten sich die jeweiligen Herrscherdynastien heftig um Siponto. Zuletzt gehörte es zum Herzogtum Benevent, bevor 1223 ein schweres Erdbeben die Stadt fast vollständig zerstörte. Dieses Ereignis wurde zum Anlass für die Neugründung von Manfredonia. Die Initiative zur Umsiedlung der Überlebenden von Siponto ergriff der Stauferkönig Manfred. Der Lieblingssohn Kaiser Friedrichs II. konstruierte sein Manfredonia auf streng rechtwinkligem Grundriss und setzte das quadratische Stauferkastell beherrschend davor. Zwischen dem 14. und dem 16. Jh. erhielt die Burg durch den erweiterten Mauerring ihre heutige Form. Um die Festung herum entstand in jüngerer Zeit eine schattige Parkanlage. Überaus romantisch klingt die Schilderung des deutschen Schriftstellers und Italienreisenden Ferdinand Gregorovius, der vor über 120 Jahren seinen Einzug in die Stadt beschrieb: „Als wir in Manfredonia einfuhren,“ notierte er ganz im Stil eines abenteuerlustigen Entdeckungsreisenden, „ungewiss ob und wo wir eine Herberge finden würden, stürzte uns ein Schwarm von braunen, halbnackten und verwildert aussehenden Menschen entgegen, mit heftigen Gebärden und Ausrufen, ein jeder sich erbietend, unsere Sachen zu tragen und uns in ein Gasthaus zu bringen.“ Ganz so überschwänglich ist der Empfang in Manfredonia heute nicht mehr; wer jedoch Einheimische auf der Straße nach dem Weg fragt, kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit bereitwilliger Hilfe und Unterstützung rechnen.
Sehenswertes
Castello Svevo-Angioino (Museo Nazionale di Manfredonia): Das gut erhaltene Kastell ist eine „Gemeinschaftsproduktion“ zweier verfeindeter Herrscherfamilien. Karl I. von Anjou komplettierte die von König Manfred begonnene Festung nach dem blutigen Ende der Staufer. Der quadratische Kernbau der Vierflügelanlage hat drei äußere Rundtürme und einen eckigen, spitz zulaufenden Wehrturm. Innen ist eines der wichtigsten Museen zur apulischen Frühgeschichte untergebracht. Diese Bedeutung verdankt es v. a. seinen daunischen Stelen aus dem 7. und 6. Jh. v. Chr. Die quaderförmigen Steinblöcke haben ein keilartiges Kopfende, ihre Verzierungen lassen stilisierte menschliche Gestalten erkennen, deren Arme in Hüfthöhe verschränkt sind. Die zahlreichen figürlichen Darstellungen lesen sich wie Bildergeschichten, sie zeigen Szenen aus dem Alltag, beziehen sich auf den Totenkult oder auf rituelle Handlungen. Die rund 1500 Stelen wurden Mitte des 20. Jh. entdeckt, als Altertumswissenschaftler nach frühgeschichtlichen Relikten suchten. Teils fand man sie auf alten Gutshöfen, wo sie als Baumaterial dienten, teils auf dem freien Feld. Wahrscheinlich handelt es sich um Grab- oder Grenzsteine.
♦ Di-Sa 9.30-14.30 Uhr, So 9.30-19.30 Uhr. Seit der Corona-Pandemie nach Reservierung in der App „io Prenoto“ zu besuchen. Eintritt frei.
Cattedrale San Lorenzo Maiorano: Der imposante Sakralbau nimmt die gesamte obere Längsseite der Piazza Papa Giovanni XXIII am Corso Roma ein. Es handelt sich um einen Neubau aus dem 17. Jh., weil die Vorgängerkirche aus romanischer Zeit durch einen Türkenüberfall zerstört wurde. Die kunsthistorische Bedeutung des Gotteshauses hält sich daher in Grenzen. Zwei Objekte im Inneren verdienen dennoch Beachtung: Erstens die Madonna di Siponto aus Holz aus dem 12. Jh. in einem Nebenraum in der Nähe der Beichtstühle, die - wie die byzantinische Marienikone im Hauptschiff - ursprünglich die Abteikirche San Leonardo Siponto schmückte. Zweitens in einem Nebenraum an der Schmalseite der Kirche ein bemaltes Holzkruzifix aus dem 13. Jh., das ebenfalls aus der Abtei San Leonardo stammt. Der Kirchenschatz sowie einige archäologische Artefakte sind im Museo diocesano untergebracht, das über einen Seiteneingang zugänglich ist. ♦ Museum Di, Do und Sa 17-19 Uhr.
Staufisch-angevinisches Kastell
Santa Maria Maggiore di Siponto: Die Kirche am südwestlichen Ortsrand von Lido di Siponto ist das einzige aufrecht stehende Relikt aus dem alten Siponto. Funde aus römischer Zeit lassen auf einen Kultplatz schließen, auf dem das spätere Gotteshaus errichtet wurde. Das gedrungene Bauwerk mit dem prächtigen Säulenportal ist ein Beispiel für die normannische Romanik in Apulien. Es ist in eine Oberkirche (12. Jh.) sowie eine frühromanische Krypta aus dem 11. Jh. unterteilt. Die alte Zentralkuppel hat das Erdbeben von 1223 nicht überdauert. Direkt neben dem mittelalterlichen Kultbau macht eine moderne Skulptur aus Drahtgeflecht auf sich aufmerksam, die den Baukörper der ursprünglichen Kirche aus frühchristlicher Zeit wieder sichtbar macht und gleichzeitig den Blick auf freigelegte Fundamente aus der Spätantike ermöglicht. Nach ihrem Schöpfer, dem Bildhauer Edoardo Tresoldi aus Mailand, wird die Monumentalskulptur auch als Basilica Tresoldi bezeichnet. Besonders bei Dunkelheit entfaltet sie eine suggestive Wirkung.
♦ Tägl. 9.30-12.30 und 15-17 Uhr.
Abbazia di San Leonardo di Siponto: Wenige Kilometer landeinwärts, wenig romantisch an der Schnellstraße nach Foggia (SS 89), liegt die ehemalige...