Neugierig bleiben, Alter!

Die angeborenen biologischen Grundlagen für Reiseinteressen sind individuell sicher verschieden stark ausgeprägt. Gleiches gilt für die prägenden Einflüsse durch Erfahrung sowie für den Einfluss soziokultureller Faktoren. Wirksame Faktoren sind die angeborene Neugier, Neues zu entdecken und das Neue für das eigene Verständnis möglichst richtig zu erforschen. Außerordentlich wirksam ist auch der über Jahrtausende genetisch gefestigte Wandertrieb des Menschen, der zum Teil für die Migrationsbewegungen verantwortlich war und ist, aber ebenfalls individuell wirksam werden kann. Und bei guten intellektuellen Voraussetzungen können Erfahrungen aus vorangegangenen Reisen für weitere Reisen stimulierend oder hemmend wirken. Nicht gering dürfte auch der Gender-Einfluss sein, erzwungen durch die Notwendigkeiten der Betreuung der Kinder, wenn Großeltern dies nicht übernehmen können. Die Bedeutung der vorhandenen finanziellen Möglichkeiten mit der Konsequenz eines unterschiedlichen Komforts bei den Reisen ist eher gering, denn wer unbedingt reisen möchte, findet auch Mittel und Wege dafür. Für uns wären die ersten beiden Faktoren sehr positiv einzuschätzen gewesen, die drei weiteren Faktoren eher als hemmend, weshalb es für jede Reise eines erheblichen organisatorischen Aufwandes bedurfte. Unsere Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen bei Reisen in die Länder der Welt hatten wir nach 20 Jahren Reisefreiheit zusammengestellt1, und im höheren Lebensalter sucht man dann nach der positiven Gesamtbilanz. Und trotz aller Probleme sind auch im achten und neunten Lebensjahrzehnt weitere schöne Reisen hinzugekommen. Wichtig für das Älterwerden in Zufriedenheit und relativer Gesundheit scheinen drei Verhaltensgrundsätze und Wirkungen zu sein: – die Wechselwirkung zwischen dem Neuen entdecken, aufnehmen und verarbeiten einerseits und dem Vergleich desselben mit einer sich daran anschließenden spontanen oder bewusst zielorientierten Erinnerung an frühere Ereignisse, die in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit den neuen Eindrücken stehen, also die bewusste Integration der neuen Eindrücke und Erlebnisse in das bisherige gesamte Erinnerungsbild, – wünschenswert erscheint auch die sprachliche Verarbeitung des Neuen im Kontext mit einer sprachlichen Darstellung früherer Ereignisse in Gesprächen mit dem Partner/In oder Freund/In oder in der Gruppe, die eine noch höhere gedankliche Verarbeitungsintensität erfordert, – und als besonders förderlich für den Erhalt der geistigen Regsamkeit hat sich die geistige Anteilnahme an gesellschaftlichen Entwicklungen auf dem Gebiet des früheren eigenen Berufes erwiesen, bei denen es auch zu Korrekturen früherer eigener Anschauungen und Überzeugungen kommen kann, welche die Ausbildung neuer nervaler Verbindungen in besonderem Maße erfordern. Unter diesen Trainingsaspekten der geistigen Leistungsfähigkeit und ihrem Erhalt sind sogar die mehrfachen gesellschaftlichen Veränderungen in der Zeit von 1957 bis 2022 im Osten Deutschlands positiv zu sehen, da sie immer wieder den Erwerb neuen Wissens und erhebliche Verhaltensanpassungen erforderten. Und wenn wir konkret zurückblicken, dann schätzen wir voller Überzeugung ein: Es war in vielerlei Hinsicht eine stressige und doch wunderbare Zeit, die uns so viele neue Erlebnisse und Anregungen für neue Kenntnisse gebracht hat, dass wir sie nicht missen möchten. Und hinsichtlich des Bereichs der Reisen und Fahrten gilt: Selbst wenn die eine oder andere Rundreise bis an die persönliche Belastungsgrenze reichte, wir würden auf keine einzige dieser Reisen verzichten wollen. Glücklich blicken wir auf alle Reisen zurück und akzeptieren auch, dass nicht alle Reiseträume wahr werden konnten. Und in diesem Sinne gilt sicher wie insgesamt im Leben: Nicht alles ist möglich und wirklich notwendig, was wünschenswert ist. Ihnen, liebe Leser, fallen sicher noch mehr Gründe für den Leistungserhalt durch Reisen im Alter ein. Entdecken Sie sie selbst und haben Sie Freude dabei! Dresden, Juni 2022 Dietrich Wirth