Tausche Büro gegen Boot (eBook)

Von einem, der auszog, um segeln zu gehen
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
288 Seiten
DuMont Reiseverlag
978-3-616-03176-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tausche Büro gegen Boot -  Jens Brambusch
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Das E-Book basiert auf: 1. Auflage 2022, Dumont Reiseverlag

Vom Meer aus betrachtet sieht das Leben viel schöner aus ...Nach einem Burnout beschließt Jens Brambusch, sein Leben radikal zu ändern. Der Journalist macht blau! Mit 46 Jahren kündigt er seinen Job, verkauft seine Wohnung und zieht auf ein 30 Jahre altes Segelboot in der Türkei - die Dilly-Dally. Alles, was er mitnimmt, passt in einen Seesack. Anfang Oktober 2018 sitzt er im Flieger, in der Hand ein One-Way-Ticket in sein neues Leben. Kann das gutgehen? In amüsanten wie nachdenklichen Anekdoten schildert Jens Brambusch seinen Alltag an Bord, berichtet von Missgeschicken und herrlichen Momenten, gibt Ein- und Überblicke. Eine Inspiration für all diejenigen, die sich mit dem Gedanken tragen, mehr aus ihrem Leben zu machen - wo sonst, als auf dem Meer!

Tipp: Setzen Sie Ihre persönlichen Lesezeichen an den interessanten Stellen und machen Sie sich Notizen... und durchsuchen Sie das E-Book mit der praktischen Volltextsuche!



<p><strong>Jens Brambusch</strong>, Jahrgang 1972, hatte nie vor, Wirtschaftsjournalist zu werden. An exotischen Orten wie Ramallah, Izmir und Würzburg studierte er Arabistik, ehe er zur Financial Times Deutschland wechselte. Später schrieb er für das Wirtschaftsmagazin Capital. Seine Reportagen wurden mehrfach für Medienpreise nominiert, einige gewann er. Nach seinen Erlebnissen als Airbnb-Gastgeber, die er in Rollkofferterroristen verarbeitet hat, verlässt er Berlin und lebt seitdem auf einem Segelboot im Mittelmeer.</p>

BYE, BYE BURNOUT

ACHTERNHinten. Davon leiten sich Begriffe ab wie achteraus, achterlich oder auch Achterkajüte. Alles Dinge, die hinten liegen. Auch das › Heck liegt achtern. Und so kommen achterliche Winde von hinten. Weil das aber zu einfach wäre, sprechen die Segler deshalb zur kompletten Verwirrung von raumen Winden.

AISAIS steht für Automatisches Identifikationssystem. Es bezeichnet ein Funksystem, das durch den Austausch von Navigations- und anderen Schiffsdaten die Sicherheit des Schiffsverkehrs verbessert. Seit 2000 ist es von der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) als verbindlicher Standard vorgeschrieben.

An dem Tag des Zusammenbruchs duftet es in meinem Auto nach Käsekuchen. Es ist November 2017, ein Montag. Wie so oft habe ich am Wochenende gebacken. Ich bin auf dem Weg in die Redaktion des Wirtschaftsmagazins Capital am Berliner Tiergarten. Nachdem die Financial Times Deutschland wegen chronisch tiefroter Zahlen eingestellt wurde, bin ich als Reporter von Hamburg nach Berlin gewechselt. Hauptsächlich recherchiere ich im Umfeld von Wirtschaftskriminalität, meine Texte wurden für einige Journalistenpreise nominiert, ein paar gewann ich. Ich liebe meinen Job. Doch an diesem Tag werde ich nicht in der Redaktion ankommen. Nicht am nächsten und auch nicht in den kommenden Wochen und Monaten.

An einer Kreuzung springt die Ampel auf Rot. Mein Herz rast, auf der Stirn bilden sich Schweißperlen. Ich habe das Gefühl umzukippen. Dabei sitze ich. Mein Blickfeld ist eingeengt. Die Geräuschkulisse des morgendlichen Wahnsinns auf den Straßen ist ohrenbetäubend und stumm zugleich. Und dann ist da diese Sperre im Kopf, wie eine unendlich hohe Mauer, direkt vor mir. Ich setze den Blinker, verlasse den Weg, der zur Arbeit führt, und werde erst ein wenig ruhiger, als ich vor der Tür meines Hausarztes anhalte.

Ich hatte eine Panikattacke. Nicht die erste in meinem Leben. Aber dieses Mal, das spüre ich, ist es anders. Schlimmer. Dauerhaft. Seit zwei Jahren geht es mir von Monat zu Monat schlechter. Keiner bemerkt das. Weil ich es verstecke. Vor den anderen, vor allem aber vor mir selbst. Ich dulde keine Schwäche. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Burnout ist in meiner Welt etwas für Schwächlinge. Für Drückeberger. Ich definiere mich über Leistung.

Schon als Jugendlicher trainierte ich jeden Tag wie ein Verrückter, war Leichtgewichtsruderer, zweimal Deutscher Meister im Vierer und Achter. Das bedeutete, dass zu dem täglichen harten Training noch eine Diät dazukam. Fasten für den Erfolg. Kein Problem.

Beim Studium in Würzburg ließ ich mich kurz fallen. Feiern, Trinken, ich begann zu rauchen. Kein Sport. Schnell legte ich ein paar Kilo zu. Neben dem Studium arbeitete ich als freier Journalist bei der Regionalzeitung, verdiente – für einen Studenten – gutes Geld. Und weil ich nie gelernt hatte, Nein zu sagen, arbeitete ich immer mehr. Die Wochenenden schrieb ich durch oder fuhr stundenlang zu meiner damaligen Freundin nach München. Wir feierten viel, gönnten uns wenig Ruhe. Wir waren jung und hungrig nach Leben. Dann kippte ich um. In der Uni. Peng. Da lag ich, direkt vor dem Dozenten.

Kurz darauf hatte ich die ersten Panikattacken. Meist an der Kasse im Supermarkt. Oder im Stau. Immer dann, wenn ich das Tempo nicht bestimmen konnte. Ich nahm die Attacken aber nicht wirklich ernst. Therapie? Ich bin doch nicht bekloppt!

Ich begann wieder mit Sport, zumindest gemäßigt. Das half ein wenig. Dann kaufte ich mir ein altes Wohnmobil und fuhr damit nach Palästina. Durch die Türkei, durch Syrien und Jordanien. Angesichts der Flüchtlingslager in der Westbank, und viel mehr noch im Gazastreifen, schienen mir meine persönlichen Probleme plötzlich so unendlich klein. Was sollte ich auch sagen? »Schon blöd, in so einem Lager zu wohnen. Aber hey, mir geht es auch schlecht. Ich habe Probleme im Supermarkt«? Das Elend vor meinen Augen half mir auf bizarre Weise, die eigenen Panikattacken zu vergessen.

Über zwanzig Jahre später sagt mein Therapeut, dass dieses Verhalten typisch für mich sei. Verdrängen statt verarbeiten. Aber es hat funktioniert, damals.

Als dann vor zwei Jahren die Symptome zurückkehrten, ignorierte ich sie erneut. Wird schon klappen, irgendwie. Ging damals ja auch. Ich ahnte aber, dass etwas nicht stimmte, fühlte die Erschöpfung und halste mir zur Ablenkung immer mehr Arbeit auf. Im Job wie auch in der Freizeit. Jedes zweite Wochenende verbrachte ich Tausende Kilometer auf der Autobahn, fuhr zu Regatten nach Sankt Peter-Ording oder sonst wo in Europa, war acht Jahre lang Vorstandsmitglied bei den Strandseglern, baute die Pressearbeit auf, half, eine Weltmeisterschaft zu organisieren. In Berlin ließ ich mich breitschlagen, Beirat der Wohnungseigentümergemeinschaft zu werden. Die anderen Eigentümer duckten sich rasch weg. Aber als der Dachausbau zum Desaster wurde, hatte jeder etwas zu meckern. Anstatt den Verursacher mit all der Wut und dem Ärger zu bombardieren, war es viel einfacher, den angestauten Frust beim Beirat abzuladen. Sollte der sich doch kümmern. Einer muss es ja machen. Und wenn ich etwas selber mache, dann wird es wenigstens gut. Dachte ich.

Mein Privatleben ist schon seit Jahren eine Achterbahnfahrt. Und Berlin? Gefällt mir nicht sonderlich. Zu groß, zu hektisch, zu aggressiv. Eine Stadt voller Möchtegerns und Meckerer, dafür wenig Macher. Und auch im Job werden in Zeiten des Zeitungssterbens die Teams immer kleiner, die Anforderungen dafür größer. »Kannst du mal …?« – »Sicher!« Jede Aufgabe nahm ich an. All das kostete Energie. Unglaublich viel Energie. Die Flamme, die mich anheizte, wurde immer kleiner.

Und an diesem Tag im November 2017, das spüre ich, ist sie ausgegangen.

Der Arzt ist überrascht. Die meisten Menschen mit meinen Symptomen glauben an eine chronische Erkrankung. Sehnen sich nach einer Krankheit, die erklärbar ist. Ich sage nur: »Es ist der Kopf.« Mein sehnlichster Wunsch: ein Klinikaufenthalt. Ich habe Angst, es allein nicht zu schaffen. Doch wer noch nie eine Therapie in Anspruch genommen hat, der bekommt nicht so schnell einen teuren Klinikaufenthalt bezahlt. Nicht mal als Privatpatient. Und so werde ich mit einem gelben Zettel in der Hand nach Hause geschickt. Ein bisschen ausruhen. Die Diagnose: Burnout, Panikattacken, Angstzustände, Agoraphobie. Oder wie der Neurologe später sagen wird: »Na, Glückwunsch, da haben Sie ja gleich das ganze Paket gebucht.«

Für mich beginnt die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich bin ein Gefangener meiner selbst, festgesetzt in meiner Wohnung. Der Briefkasten am Ende der Treppe ist bisweilen unerreichbar. An manchen Tagen bin ich nicht einmal in der Lage, Telefonate zu führen. Zu anstrengend. Zu aufreibend. Unmöglich.

Und das passiert ausgerechnet mir. Ich habe aus Afghanistan berichtet, im Nahen Osten gelebt, Terroristen interviewt und Wirtschaftsspione entlarvt. Ich habe Leute in den Knast gebracht und stand selbst vor Gericht, weil Firmen erst mal ihre Anwälte losschicken, bevor sie einräumen, dass sie Mist gebaut haben. Ich wurde bedroht und angefeindet. Das alles perlte an mir ab wie Spritzwasser an meinem Segelanzug. Viel Feind, viel Ehr’. Und plötzlich bin ich nicht einmal in der Lage, in den Supermarkt zu gehen oder überhaupt das Haus zu verlassen?

Angstzustände sind schwer zu verstehen, wenn man sie nicht selbst erlebt hat. Nichts geht mehr. Es gibt Tage, an denen ich drei oder vier Anläufe brauche, um aus der Wohnung zu kommen. Zum 400 Meter entfernten Supermarkt fahre ich mit dem Auto. Gehen oder Radfahren ist unmöglich. Immer noch glaube ich, ständig umzukippen. Komme ich mit dem Auto am Supermarkt an, heißt das aber noch nicht, dass ich es auch in den Laden hinein schaffe. Oft reicht der Anblick der Tür, um eine Panikattacke auszulösen. Rückwärtsgang. Zurück zur Wohnung. Hoffen, dabei nicht zu kollabieren. Und bin ich tatsächlich einmal im Supermarkt, scheinen mir die Gänge zu lang, um auch nur bis zur Hälfte vorzudringen. Dann klammere ich mich an den Einkaufswagen wie Senioren an den Rollator. Wenn ich an der Kasse ankomme, habe ich oft nur die Hälfte des Einkaufszettels im Wagen. Für die andere Hälfte hat die Kraft nicht mehr gereicht.

Kurz vor Weihnachten kommt der nächste Tiefschlag. Meine Krankenversicherung lehnt den erhofften Klinikaufenthalt endgültig ab. Die Begründung: Ich soll es erst mal mit einer ambulanten Therapie versuchen. Oder mit Medikamenten. Ich wähle die Therapie, Medikamente waren noch nie mein Ding.

Dann kommt Weihnachten. Die Bahntickets sind gebucht, der Weg zum Berliner Ostbahnhof ist nur ein Katzensprung. Fünf Minuten mit dem Auto. Nicht einmal die Straße vor dem Haus erreiche ich. Im Treppenhaus endet die Reise zu den Eltern. Das Gleiche an Silvester. Eigentlich wollte ich mit Freunden feiern. Aber die Fesseln der Angst sind zu stark, ich kann sie nicht sprengen.

Nur einer Freundin ist es zu verdanken, dass ich überhaupt hin und wieder das Haus verlasse. »Ich komme dich nicht mehr besuchen«, sagt sie. »Wir können uns treffen, aber nur in Cafés oder Restaurants.« An Orten, an denen es mir besonders schwerfällt, mich aufzuhalten. Aber das ist ihre Bedingung. Und tatsächlich, es klappt. Zwar mit viel Überwindung und Mühe. Und auch nicht immer. Aber meistens. Ich merke, dass ich gegen die Ängste ankämpfen kann. Wenn ich denn nur will, wenn da etwas ist, was mir wirklich viel bedeutet.

In dieser Zeit entdecke ich den YouTube-Kanal der SV Delos. Er handelt von zwei Brüdern, die mit Freundinnen und Freunden seit neun Jahren um die Welt segeln. Ich bin fasziniert von den Filmen, die sie...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2022
Reihe/Serie DuMont Welt - Menschen - Reisen E-Book
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseberichte
Schlagworte Abenteuer auf See • Alltag an Bord • Aussteiger • Burnout • Glückseligkeit • Jens Brambusch • Lebenstraum erfüllen • Mittelmeer • neues Leben beginnen • Segeln • Türkei
ISBN-10 3-616-03176-1 / 3616031761
ISBN-13 978-3-616-03176-7 / 9783616031767
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