Die in die Fremde zogen
Severus Verlag
978-3-96345-334-2 (ISBN)
Briefe und Tagebücher sind oftmals die einzigen Zeitzeugen längst vergangener Abenteuer, die von den einstigen Helden selbst nicht mehr erzählt werden können. Wenn schon nicht die Abenteurer selbst, so können zumindest ihre unbekannten Schicksale hier erneut zum Leben erweckt werden. Der dänische Herausgeber Karl Larsen (1860–1931) machte es sich zur Aufgabe, den in Vergessenheit geratenen Helden einer anderen Zeit ein Sprachrohr für ihre eigenen Geschichten zu geben. Er stützte den Großteil seiner schriftstellerischen Arbeit auf die bisher unbeachteten Lebensgeschichten einzelner Auswanderer aus seinem Heimatland Dänemark, die er zu spannenden Erzählungen zusammenstellte. Eine Auswanderung im 19. Jahrhundert war oft eine Entscheidung fürs Leben, denn nur äußerst selten war es den Emigranten möglich, wieder in ihre Heimat zurückzureisen. Damals wie heute war der Grund für eine Auswanderung meistens die Hoffnung auf eine bessere wirtschaftliche Situation; hiervon bildeten auch die Dänen, deren Schicksale hier erzählt werden, zum Ende des 19. Jahrhunderts keine Ausnahme. Vor allem der deutsch-dänische Krieg im Jahr 1864 machte es für viele dänische Handwerker und Kleinbauern schwierig, genügend Geld für ihre Familien zu verdienen. Die Neue Welt in Übersee lockte dagegen mit dem Ruf, schnell und einfach viel Geld verdienen zu können. Hauptsächlich junge alleinstehende Männer versuchten ihr Glück in den Vereinigten Staaten, aber auch einige Frauen zwischen 15 und 30 Jahren folgten dem Ruf der Freiheit. Doch um nach Amerika zu gelangen, musste zunächst erst einmal der hohe Betrag für die Überfahrt per Schiff aufgebracht werden. Hierfür verschuldeten sich bereits viele Auswanderer und einige von ihnen überlebten die strapaziöse Seereise erst gar nicht. Trotz vieler zu überwindender Hürden wanderten zwischen 1864 und 1920 insgesamt ca. 50.000 Dänen nach Nordamerika aus. Das erste Ziel für Neuankömmlinge aus Europa war meistens New York. Hier versuchten die Menschen entweder, einen Job in einer der Fabriken zu erhalten, oder direkt weiter ins Landesinnere zu reisen, um dort ihr eigenes Land zu erwerben und dieses dann zu bestellen. Viele ließen sich in der Nähe von Bekannten oder Verwandten nieder, wodurch oft isolierte Einwanderersiedlungen entstanden, die teilweise heute noch existieren. In dieser Zeit des Neuanfangs ist der Briefwechsel das einzige Kommunikationsmittel mit den in Dänemark zurückgebliebenen Freunden und Verwandten. Der Übersetzer des vorliegenden Werkes Alfons Fedor Cohn (1878–1933) erkennt hierin eine neue Literaturgattung im Bereich der Reiseliteratur, nämlich den Brief der Namenlosen. Anders als bei herkömmlichen Reiseberichten informiert der Brief der Namenlosen detailreicher und vor allem authentischer über die tatsächlichen Lebensumstände der Verfasser, da diese im Allgemeinen nicht für ein öffentliches Publikum verfasst wurden. Hierdurch wird ein Einblick in die innerste Welt und tatsächlichen Gefühle der Auswanderer geschaffen. Die drei Schicksale, die hier begleitet werden, führen die Leser in die unterschiedlichsten Regionen Nordamerikas: Hans Rasmussen fasst Fuß in Kanada, in der Nähe von Montreal, während Laura Birch ihrem Mann zunächst für viele Jahre nach Omaha, Nebraska folgt. Valdemar Lyngby führt es von Lincoln im Osten des Landes quer über den Kontinent in die Nähe von San Francisco, Kalifornien an der Westküste. Alle drei Auswanderer sind letztendlich Selbstversorger und müssen in der Neuen Welt von vorne anfangen. Dennoch wird deutlich, wie sie sich alle nach einiger Zeit in ihrer neuen Heimat auch deren Gepflogenheiten und Denkweise anpassen, was nicht zuletzt an den immer mehr mit englischen Wörtern durchsetzten Briefen zu erkennen ist. Hierzu ist zu erwähnen, dass einige der hier zum Ausdruck gebrachten Ansichten im Kontext ihrer Entstehungszeit gelesen werden müssen, in der unter anderem der Gebrauch von heute als rassistisch eingestuften Bezeichnungen selbstverständlich war. Auch die Religionsleidenschaft einiger Menschen war zu damaliger Zeit deutlich ausgeprägt und so wurden andere Glaubensrichtungen offen verurteilt und teilweise degradiert. Um den Lesern dennoch einen authentischen Eindruck der damaligen Lebenswelt der Protagonisten geben zu können, wurden diese Äußerungen nicht gelöscht oder angepasst. Der Originaltext von 1913 wurde in der vorliegenden Ausgabe ausschließlich an die aktuelle deutsche Rechtschreibung angepasst. Ausgenommen hiervon sind einige wenige im Original zitierte Briefe, die auch vom ursprünglichen Herausgeber selbst mit der Originalrechtschreibung wiedergegeben wurden. Bis heute stammen knapp 15% der ca. 40 Millionen (2010) Einwanderer in den USA aus Europa. Der Bann einer Auswanderung scheint demnach weiterhin nicht gebrochen zu sein, trotz der Ungewissheit, die ein kompletter Neuanfang allein in einem fremden Land für die meisten bedeutet. Und so versuchen jedes Jahr viele neue Auswanderer, sich den Traum „vom Tellerwäscher zum Millionär“ im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ zu erfüllen.
Erscheinungsdatum | 19.02.2021 |
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Sprache | deutsch |
Maße | 148 x 210 mm |
Einbandart | gebunden |
Themenwelt | Literatur ► Briefe / Tagebücher |
Reisen ► Reiseberichte ► Nord- / Mittelamerika | |
Schlagworte | 19. Jahrhundert • Auswanderung • Brief der Namenlosen • Erfahrungsbericht • Kanada • Land des Fortschritts • Neue Welt • Nordamerika • Reiseliteratur • Übersee |
ISBN-10 | 3-96345-334-6 / 3963453346 |
ISBN-13 | 978-3-96345-334-2 / 9783963453342 |
Zustand | Neuware |
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