Stadtbummel
Rasch weg vom Trubel am Hafen! Den Hauch großer Zeiten spürt, wer die Gässchen zum Kástro, dem Burgviertel, hinaufsteigt. Die zahllosen Gassen und Passagen der Altstadt sind oft noch mit uralten Holzbalkendecken überdacht. Ein wahres Labyrinth, in dem man durchaus mal die Orientierung verlieren kann.
Blick vom Tempeltor auf die venezianisch-kykladische Stadt Náxos
Vor der Altstadt verläuft die Paralía, die lange, elegant geschwungene und mit echtem Náxos-Marmor gepflasterte Hafenpromenade. Von Mitte Juni bis Ende September wird sie abends für allen Auto- und Zweiradverkehr gesperrt, wodurch ihre fröhlich-quirlige Atmosphäre erst richtig zur Geltung kommt: moderne Open-Air-Tavernen und traditionelle Ouzerien, schicke Cafés und Lounge-Bars, Shops, spielende Kinder, flanierende Touristen, flippige und tanzende Jugendliche ...
Glücklicherweise sind die Begleiterscheinungen des modernen Tourismus auf Náxos noch immer deutlich niedriger dosiert als auf den Nachbarinseln Mýkonos oder Santoríni. In der Stadt ist viel Ursprüngliches und Authentisches zu entdecken, vom Krämerladen über alte Bäckereien mit Holzöfen, von traditionell gebliebenen Cafés bis hin zu Tavernen, die bis heute echte Inselküche anbieten. Außerdem finden sich in Náxos-Stadt zahlreiche interessante Museen mit archäologischen, byzantinischen, religiösen und volkskundlichen Kulturgütern.
Sehenswertes im Kástro
Der obere, innere Burgbereich. Viele der prächtigen venezianischen Häuser sind restauriert, fein ziselierte Reliefs über den Türen und eingemeißelte Wappen künden vom einstigen Reichtum der Bewohner. Nur noch wenige Menschen wohnen heute in den Häusern, in denen einst mächtige venezianische Familien ihr Domizil hatten. In den letzten Jahren sind neben Museen auch Souvenir- und Kunsthandwerksläden eingezogen und beleben die erhabene Stimmung. Während der Siesta stille, fast menschenleere Gassen.
Das Kástro von Náxos ist die einzige venezianische Burg außerhalb Italiens, die bis heute unzerstört ist - es gilt als eines der wenigen vollständig erhaltenen Ensembles einer mittelalterlichen Stadt in Griechenland. Die Venezianer errichteten hier im 12. Jh. einen fünfeckigen Festungsbezirk mit starker Mauer, zwölf Türmen und drei Toren. Die vermutlich vorhandene altgriechische Akrópolis und ein späteres byzantinisches Kastell wurden dabei zerstört. Auf die Spitze des Hügels setzten die Eroberer die Symbole der weltlichen und kirchlichen Macht - den zentralen Turm der Anlage (Palast des Sanoúdo), eine katholische Kathedrale sowie Kirchen, Klöster und den Sitz des Erzbischofs (Katholikí Archiepiscopí) nebst katholischem Gemeindehaus (Pnevmatikó Kéntro). Hier zeigt sich das Bestreben der Venezianer, ihre Konfession und damit die westliche Kultur auf den Kykladen durchzusetzen. Bis heute lebt in Náxos die größte katholische Minderheit auf den Kykladen. Sie umfasst derzeit rund 500 Personen.
Ins Innere des Kástros gelangt man durch die beiden Burgtore mit ihren charakteristischen Spitzbögen: das Traní Pórta, das Nordtor 23 mit alter Holzbalkendecke, war ein Geheimtor, das einst nur vom Adel benutzt werden durfte. An dem nach außen gerichteten Torpfosten findet sich eine rund 1 m lange Einkerbung, die im Mittelalter von den Händlern als naxiotisches Norm-Längenmaß verwendet wurde. Die Händler benutzten diese Maßeinkerbung, durften aber nicht durch das Tor eintreten. Als Normmaß für Gewichte wurden übrigens die relativ einheitlichen Samen der Frucht des Johannisbrotbaums verwendet: Ein Samenkorn entspricht etwa einem Karat (rund 0,2 Gramm). Neben dem Nordtor steht der Críspi-Glézos-Turm 26, der einzige erhaltene Rundturm der ehemals 12 Türme der Festung. Das Südtor Parapórti 24 steht oberhalb der Platía Pradoúna mit ihrer fantastischen Aussichtslage. Im Jahr 1694 wurde das gesamte Areal renoviert und in seinem Wehrcharakter ausgebaut, wie ein marmornes Siegel im Hauptsaal beweist. Daneben ist das Kástro auch durchs Osttor Písso Parapórti 25 zu erreichen. Der einstige Hauptsitz der Adelsfamilie Della-Rocca-Barózzi befindet sich rechts des Nordtors, wo das (derzeit leider geschlossene) Domus-Della-Rocca-Barózzi-Museum 2 untergebracht ist. Im Críspi-Turm gegenüber befindet sich eine Sammlung byzantinischer Altertümer 27 (derzeit wegen Renovierung geschlossen). Messungen ergaben, dass die Außenmauern des Kástros an ihrer Basis bis zu 6 m dick sind und sich nach oben auf bis zu 1,65 m verjüngen. Als Baumaterial dienten Granit und Marmor. Fast die gesamte Kástro-Anlage wurde dreistöckig angelegt. Überall in den Gassen des Kástros sind venezianische Wappen in die Mauern der Häuser graviert. Dieselben Wappen findet sich auch in etlichen Kirchen des Kástros. Einstmals wohnten rund 400 Menschen im inneren Kástro-Bezirk. ♦ Wer nicht nach oben laufen kann oder möchte, benutzt den (rollstuhlgeeigneten) Lift. Eingang unten von der Südwestseite neben der Klosterkirche Agía Kyriakí, Ausgang oben im Café 1739. Tgl. 10-14 Uhr, zusätzlich Juni/September 19-22 Uhr, Juli/August 19-23 Uhr. Einfach 0,50 €.
Paláti Sanoúdos 5: Der Palast des Sanoúdo, Rest des zentralen Wohn- und Fluchtturms der Burg, steht an dem kleinen Platz am höchsten Punkt des Kástros. Benannt ist er nach Marco Sanudo, im 13. Jh. Gründer des venezianischen Herzogtums Náxos (→ Kapitel Geschichte). Damals war das mächtige Bauwerk noch wesentlich höher. Eine Besichtigung ist leider nicht möglich. Katholikí Mitrópoli Ypapantí 1: Gleich benachbart zum Sanoúdos-Palast findet man die römisch-katholische Kathedrale Ypapantí (Mariä Lichtmess), eine Barockkirche mit Marmorfassade. Sie wurde Anfang des 13. Jh. mit drei Seitenschiffen und einer Kuppel errichtet. Bis 1536 wurden zwei weitere Seitenschiffe angebaut, so bekam sie ihr heutiges Aussehen mit fünf Seitenschiffen und drei Kuppeln. Im säulengetragenen Innenraum sind Grabplatten venezianischer Familien in den Boden eingelassen. Früher waren es deutlich mehr - ein Wassereinbruch 1915 zerstörte viele Grüfte und Gräber. Die Gestaltung des Innenraums folgt den römisch-katholischen Regeln, nicht den orthodoxen. Am Altar zeigt ein Bildnis aus dem 14. Jh. Maria in ganzer Gestalt; in der orthodoxen Ikonenkunst findet man solche Darstellungen nur sehr selten, Einflüsse italienischer Tafelmalerei werden hier sichtbar. Hinter dem Altar hohe, goldverzierte Marmorsäulen und Engelsdarstellungen. ♦ Messe: So 10 Uhr (in griechischer Sprache) und 19.30 Uhr (in Italienisch), Mo-Sa wechselnde Zeiten, zu erfragen beim Priester Geórgios Palamáris, Tel. 22850-22470, dongeopal@gmail.com. Besichtigung: Mo-Sa 9.30-15 und 18.30-20.30 Uhr (nur während der Saison). Naxiotischer Hochadel: die Familie Della-Rocca-Barózzi
Das Kástro von Náxos wird noch heute von den Nachfahren der Adelsfamilie bewohnt, allerdings nicht in der direkten Linie des Marco Sanoúdo. Die Familie ist französischen Ursprungs („de la Roche“) und stammt von einem Zweig der Grafen von Burgund ab. Marco Sanoúdo, der Gründer des venezianischen Herzogtums Náxos, wurde 1153 geboren und kam mit 53 Jahren 1207 während des vierten Kreuzzugs (1203-1207) nach Náxos. 1220 starb er mit 67 Jahren. Der letzte Nachkomme der Sanoúdos, Nikólas, wurde 1380 von der Familie der Crispis ermordet. Er liegt in der Klosterkirche Ágios Stéfanos Fráro in Angídia begraben. Später kam in Náxos die französisch-stämmige Familie de la Roche an die Macht, deren Namen sich von de la Roche zu Della-Rocca und heute in Dellaróka wandelte.
Privatkapelle des Marco Sanoúdo 9: neben dem Eingang zum Archäologischen Museum. Die Kapelle des Gründers des venezianischen Herzogtums Náxos kann besichtigt werden; in seinen Ursprüngen ist es ein römisch-katholisches, gotisches Gotteshaus aus dem 13. Jh., wie man es in Griechenland nur selten findet. Die Kapelle ist der heiligen Maria geweiht und zeigt einige der schönsten Mariendarstellungen auf Náxos. Ganz vorne ein goldverzierter, prächtiger Marmoraltar mit einem großen Mariengemälde und einem Kuppeldach. In den Bögen rechts und links finden sich weitere prächtige Altäre. Links die große Kanzel, rechter Hand ein marmornes...