Lesereise Australien (eBook)
132 Seiten
Picus (Verlag)
978-3-7117-5423-3 (ISBN)
Stefanie Bisping schreibt als Reisejournalistin fu?r Tageszeitungen und Magazine und hat dabei die Welt von Spitzbergen bis nach Tasmanien vermessen. Ihr besonderes Interesse gilt Ku?sten und Inseln. Im Picus Verlag erschienen ihre Lesereisen Obere Adria, Apulien, Australien, Bretagne, Emilia Romagna, England, Estland, Malediven, Nordirland und die Normandie. Stefanie Bisping ist seit 2018 unter den Top Ten »Reisejournalisten des Jahres« und schaffte es mehrmals, zuletzt 2023, auf Platz eins des Rankings. www.stefanie-bisping.de
Stefanie Bisping schreibt als Reisejournalistin für Tageszeitungen und Magazine und hat dabei die Welt von Spitzbergen bis nach Tasmanien vermessen. Ihr besonderes Interesse gilt Küsten und Inseln. Im Picus Verlag erschienen ihre Lesereisen Obere Adria, Apulien, Australien, Bretagne, Emilia Romagna, England, Estland, Malediven, Nordirland und die Normandie. Stefanie Bisping ist seit 2018 unter den Top Ten »Reisejournalisten des Jahres« und schaffte es mehrmals, zuletzt 2023, auf Platz eins des Rankings. www.stefanie-bisping.de
Der Python kommt zum Abendessen
Am Cape Tribulation berühren sich zwei Weltnaturerbe-Stätten
Unterm Treehouse-Restaurant lebt ein fünf Meter langer Python. Selten lässt er sich blicken. Im Winter kommt er gelegentlich hervor, ringelt sich um einen Baumstamm und wärmt sich ein wenig auf. Einsam ist das Tier nicht: »Er hat mehrere weibliche Pythons zur Gesellschaft, aber die sind nur ungefähr drei Meter lang«, erklärt Paul Van Min, Besitzer der Silky Oaks Lodge, vergnügt.
Doch wer im Daintree Forest im Nordosten Australiens angekommen ist, ist meist schon etwas ruhiger geworden angesichts der vielfältigen Schrecken der Fauna dieses Kontinents. Und so glauben wir Paul bereitwillig, dass im Mossman River zu Füßen der Lodge nur Schildkröten und Frösche leben – nicht aber Krokodile, wie er versichert.
Der 1951 in den Niederlanden geborene ehemalige Tennisprofi kam 2009 aus Melbourne her, um das etwas angejahrte Hotel über dem Fluss in eine luxuriöse Öko-Lodge zu verwandeln. »Ich hatte die Wahl, entweder weitere zehn Jahre in Melbourne zu bleiben oder etwas völlig Neues anzufangen«, erzählt Van Min. Also gab er seine Mitarbeit beim Grand-Slam-Turnier Australian Open sowie einen sehr geschäftigen Lebensstil auf, um zusammen mit seiner Frau Barbara in den entlegenen Nordosten Queenslands zu gehen. Die ökologische Neuausrichtung betrieben sie konsequent. Heute wird in der Lodge gefiltertes Flusswasser als Trinkwasser genutzt, Zimmer und Restaurant werden mit Energiesparbirnen beleuchtet, Abwässer aufbereitet.
Das Weltnaturerbe Wet Tropics macht gerade mal 0,01 Prozent der Fläche Australiens aus, besitzt aber die größte Artenvielfalt des Kontinents. Tausendzweihundert Insektenarten, sechsunddreißig Prozent aller in Australien vorkommenden Säugetierarten, siebzig Prozent der Falter und Schmetterlinge sowie fünfzig Prozent der down under heimischen Vogelarten leben hier. Der mit hundertfünfzig Millionen Jahren älteste Regenwald der Welt ist nicht nur eine einzigartige Destination, er bedarf vor allem besonderen Schutzes. Nur logisch ist, dass seine rechtmäßigen Bewohner in der Silky Oaks Lodge nicht verscheucht werden. Auch nicht, wenn sie mehrere Meter lang sind.
Dennoch ist dies ein magischer Ort. Kaum schafft es die Sonne durch das grüne Dach des Waldes. Dass die Lodge auf vierunddreißig Hektar gerodeten Farmlands erbaut wurde, ist nicht mehr zu erkennen. Der Regenwald hat ihre am Abhang auf Stelzen ruhenden Häuser so überwuchert, dass das Areal mit dem unmittelbar angrenzenden Daintree Rainforest verschmilzt. Am Morgen ist die Luft erfüllt von Vogelstimmen. Schmetterlinge flattern umher. Auf den Balkonen schaukeln Hängematten. Es ist schön, hier den Tag verstreichen zu lassen, bis die Holzböden am Abend im matten Licht erstrahlen und es Zeit ist für einen Drink in der Bar, untermalt von den Geräuschen des Regenwalds. Im Treehouse-Restaurant wird das Dinner aufgetragen. Einzig der französische Küchenchef wurde importiert; alle Zutaten stammen aus der Umgebung. Der Python bleibt unsichtbar.
Die Lage im einzigen Gebiet der Welt, in dem mit dem Great Barrier Reef und dem Regenwald zwei Weltnaturerbestätten aneinandergrenzen, macht schon den Weg hierher zum Ziel. So einzigartig ist diese Landschaft, durch die der Captain Cook Highway an der Küste entlang nach Norden führt, so außergewöhnlich sind Fauna und Flora, dass man willens ist, unbequeme Wahrheiten zu vergessen.
»Wie alles andere in Australien haben auch Kasuare schon Menschen getötet«, weiß Regenwald-Guide Glenn. Er meint den fast straußengroßen Vogel mit blauem Hals und großen, scharfen Klauen, der für den Erhalt des Regenwalds besonders wichtig ist, zugleich mit einem geschätzten Restbestand von tausend Exemplaren im Daintree-Rainforest-Nationalpark als höchst gefährdete Art gilt. Aufgabe des Riesenvogels in der Natur ist es, sonnige Plätze zu suchen und dort unter sich zu lassen. Denn die Samen von dreißig verschiedenen Bäumen müssen das Verdauungssystems des Kasuars passieren, um dann auf dem Boden zu keimen. Sind sie nicht mit dieser Aufgabe beschäftigt, bewachen männliche Kasuare Gelege und Jungtiere so eifersüchtig, dass Begegnungen mit ihnen gefährlich sein können.
Nördlich von Port Douglas, einem Kleinstädtchen von angenehmer tropischer Behäbigkeit, das dem vorgelagerten Riff am nächsten liegt, erstrecken sich zwischen Bergen und Meer Zuckerrohrfelder. In sie sollte man keinen Fuß setzen – nicht nur, weil sie nicht hierhergehören und ökologisch fragwürdig sind, sondern weil Schlangen sich in ihnen ausgesprochen wohlfühlen. Zwischen diesen Feldern liegt Mossman.
Das Städtchen besteht im Wesentlichen aus einer Zuckermühle und Schienen, auf denen Rohrzucker transportiert wird. Mehr als die Hälfte der knapp zweitausend Einwohner sind Aborigines. Mit dem Mossman Gorge Centre befindet sich außerhalb der Stadt ein Stück Regenwald, in dem Angehörige der Kuku Yalanji seit 2008 bei Traumzeit-Wanderungen ihren traditionellen Lebensstil begreiflich machen – mittlerweile dreihunderttausend Besuchern im Jahr. Zuvor arbeiteten die meisten von ihnen in Zuckerrohrplantagen rund um Mossman.
»Alles hat seinen Platz und eine Bedeutung«, so umreißt Robbie Yangkanda, genannt Skip, die uralte Kultur seines Volkes und ergänzt: »Der Regenwald hat eine ungeheure Kraft und Energie.« Die Gäste, die Skip zunächst durch den reinigenden Rauch eines Feuers führt, bevor er mit ihnen in die Schlucht des Flusses Mossman steigt, mögen sich eher fühlen, als raubte ihnen die Hitze alle Kraft. Doch als Skip in den Wald schreit, um die Erlaubnis der Vorfahren für unseren Besuch einzuholen, und dann mit großen Schritten voraneilt, sehen wir ein, dass unsere Kapitulation vor den Temperaturen nur ein Indiz ist für das Ausmaß unserer Schädigung durch das Leben in der Zivilisation.
Skip erzählt, dass hier einstmals ein kämpferischer Stamm von Frauen lebte. Sie duldeten Männer erst in ihrer Gemeinschaft, wenn ein männliches Baby, das sie ihren Gewohnheiten folgend ins Meer geworfen hatten, von Delfinen zurückgebracht wurde. »Das kann tausend Jahre her sein oder zweitausend«, erklärt er. »Wir leben ohne Zeit.« Er zeigt giftige Pflanzen und solche, die heilend wirken; der Regenwald sei Apotheke, Lebensmittelgeschäft und Baumarkt. Skip demonstriert, wie man Hütten baut und aus welchen Pflanzen sich Speere fertigen lassen – sein persönlicher Rekord im Speerwurf liegt bei hunderteinunddreißig Metern, erzählt er nicht ohne Stolz.
In der Schlucht angekommen, dürfen wir Füße oder auch den ganzen Körper ins Wasser tauchen – »Regenbogenwasser«, so Skip, das heilende Kräfte besitzt. »Zu kalt für Krokodile«, beruhigt er, und ohnehin machten die vielen Felsen das Flussbett als Habitat untauglich für diese Tiere. Dafür gebe es hier Süßwasseraale, so groß, dass sie zwanzig oder dreißig Leute satt machten, Flusskrebse und Schildkröten. Skip erzählt von dem babylonischen Sprachengewirr der Regenwaldvölker. Vier große Gruppen gibt es zwischen Port Douglas und Cooktown im Norden; jede spricht bis zu hundertfünfzig verschiedene Dialekte.
Je weiter man nach Norden fährt, desto näher rückt das Great Barrier Reef an die Küste heran. Doch nicht alle Reisenden erleben die Landschaft aus Inseln, Meer und Korallenbänken als Glücksversprechen. James Cook segelte 1770 mit zunehmendem Unmut nach Norden, während er – nicht unähnlich den Alten in den überlieferten Liedern der Aborigines – Inseln und Orte seiner Reise benannte und hoffte, dass die endlose Kette tückischer Riffe irgendwann enden würde. Von seiner wachsenden Verzweiflung zeugen die Namen, die er verteilte: Mount Sorrow, Desperation Point. Schließlich erreichte seine Trübsal ihren Höhepunkt, als er nach Wochen mit der »Endeavour« auf Grund lief – am Cape Tribulation, dem Kap des Kummers.
Heute ist Cape Tribulation die nördlichste Stadt, die ohne allradbetriebenes Fahrzeug zu erreichen ist. 1988 erklärte die UNESCO den Daintree Rainforest zum Weltnaturerbe. Es war ein Sieg des Umweltschutzes in letzter Minute, nachdem das Land zuvor immer schneller erschlossen worden war.
Jenseits des Daintree River ist die Natur noch fast unberührt. Der brückenlose Fluss und vor allem die in ihm heimischen Krokodile sorgten dafür, dass niemand auf die Idee kam, hier Zuckerrohr anzubauen. Auch heute noch, da Urlauber herkommen, um an Seilen angegurtet von einer Baumkrone zur nächsten zu schweben und echte Wildnis zu erleben, ist das Leben hier ein anderes als südlich des Flusses. Strom gibt es nur, wo ihn Generatoren oder Solarzellen erzeugen, Geschäfte und Tankstellen sind rar, das Smartphone taugt zumeist nur als Zeitmesser.
»Es ist eine besondere Art von Menschen, die hier lebt«, weiß Glenn. Viele von ihnen seien auf der Flucht...
Erscheint lt. Verlag | 26.2.2020 |
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Reihe/Serie | Picus Lesereisen | Picus Lesereisen |
Verlagsort | Wien |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Reiseführer ► Australien / Neuseeland / Ozeanien ► Australien |
Schlagworte | Aborigines • Adelaide • Ayers Rock • Beutelteufel • Busch • David Walsh • Dingo • Great Barrier Reef • Hobart • James Cook • Kangaroo Island • Känguru • Karijini • Koala • Mona • Ngaro • Outback • Perth • Pilbara • Regenwald • Schnabeltier • Songlines • swag • Sydney • Tasmanien • Uluru • whitsunday islands |
ISBN-10 | 3-7117-5423-6 / 3711754236 |
ISBN-13 | 978-3-7117-5423-3 / 9783711754233 |
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