Die Indien Challenge (eBook)

Hinter dem Monsun zweite rechts Richtung Wüste

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
hansanord Verlag
978-3-947145-25-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Indien Challenge - Thorsten Ondoua
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Zwar gilt Indien unter asienerfahrenen Backpackern eigentlich als Reiseziel für Fortgeschrittene - doch warum immer so kleinlich sein? Ohne nennenswerte Vorkenntnisse, dafür aber mit vielen Fragen im Rucksack brechen die beiden Protagonisten auf, um dem geheimnisvollen Subkontinent zu Leibe zu rücken und sich ein eigenes Bild von einem Land zu machen, das sie seit Langem auf unerklärliche Weise faszinierte.
Die vorab nur vage geplante Route führt sie quer durch die nördlichen Bundesstaaten Delhi, Uttar Pradesh, Rajasthan und Haryana. Neben vielen kleineren und größeren Zwischenfällen erleben sie unter anderem den Monsun in Millionenmetropolen mit, gehen auf Tuchfühlung mit vor Elfenbeinjägern geretteten Elefanten, nehmen Essenseinladungen an, erkunden die Wüste Thar und besuchen die Bishnoi - ein Volk, das trotz Widerstand seit 500 Jahren strikt im Einklang mit der Natur lebt.
Während ihrer abenteuerlichen Rundreise sprechen sie mit den unterschiedlichsten Vertretern der indischen Bevölkerung über persönliche Erfahrungen mit Menschenrechtsverletzungen, sexuellen Übergriffen und dem Kastensystem; was sie zu hören bekommen, zeichnet ein überraschendes Bild von der ambivalenten Atmosphäre im Land.
Das vorliegende Buch ist ein rasanter und gleichzeitig zutiefst ironischer Bericht über den Versuch, das Reich der Gegensätze in 528 Stunden zu begreifen.

Kapitel 1 - Neu Delhi für Anfänger




Unsere Geschichte beginnt glücklicherweise erst nach der mühsamen Abwicklung aller Formalitäten, die mit der Landung auf dem Delhi Airport auf uns gewartet hatten; genauer gesagt dann, als wir erstmals ins Freie traten, um von der schwülen, indischen Nacht verschluckt zu werden.
   Es war nach Ortszeit inzwischen Mitternacht. Aus einem plötzlichen Impuls der Vernunft heraus verwarfen wir die tollkühne Idee, unsere erste, rund fünf Kilometer entfernte Unterkunft zu Fuß aufzusuchen. Man musste ja nicht ausgerechnet in der ersten Nacht aufgrund irgendwelcher unvorhersehbarer Gefahren – und da waren der Fantasie zu später Stunde zunehmend weniger Grenzen gesetzt – den Löffel abgeben.
   Allerdings war es nicht leicht, unter den unzähligen Taxifahrern, die sich binnen Sekunden um uns drängten, einen einigermaßen rechtschaffenen auszuwählen. Zwar waren rings um den Flughafen her durchaus auch staatlich autorisierte Taxiunternehmen vertreten, denen man angeblich vertrauen durfte; das Problem war nur, dass auch alle übrigen Fahrer so taten, als wären sie staatlich. Wie auch immer, jedenfalls entschieden wir uns schließlich, müde und ein bisschen naiv, für eine Fahrt mit dem vor Enthusiasmus sprühenden Kunar, dessen Preisvorschlag wir zunächst nicht weiter infrage stellten. Als wir uns anschickten, ihm zu seinem Fahrzeug zu folgen, eilten zwei weitere Männer herbei, nahmen uns unsere Rucksäcke ab und luden sie in den Kofferraum. In der Annahme, es sei üblich, den Fahrer nach der Fahrt zu entlohnen, wollten wir einsteigen, doch die Männer forderten uns auf, schon jetzt zu bezahlen. Verwundert gaben wir ihnen das Geld und gesellten uns dann zu unserem Fahrer ins Taxi.
   Die erste Autofahrt auf indischem Boden werden wir wohl nie vergessen. Die Straßen Neu Delhis sind mit Schlaglöchern übersät, sodass wir unterwegs ordentlich durchgeschüttelt wurden. Es erforderte Mut, aus dem Fenster zu sehen, denn ständig drohten wir mit anderen nächtlichen Verkehrsteilnehmern – Rikschas, Motorrädern, Transportern –  die alle kreuz und quer zu fahren schienen, zusammen zu rasseln.

   Ich überlegte, ob wir zu Fuß nicht doch besser dran gewesen wären. Und dann der Lärm! Wie wir feststellten, ist Blinken hierzulande nicht üblich. Vielmehr wird gehupt, und zwar, um anzuzeigen, wo man ist, dass man zu überholen gedenkt, dass man abbiegen möchte und so weiter. Alle tun es, der Krach ist unvorstellbar. Aber es funktioniert: Man könnte das Gehupe, wenn man denn wollte, als einzigartige Spielart eines Echolotsystems sehen, das Zusammenstöße im Straßenverkehr verhindern soll.
   Hier und da konnten wir Kühe am Wegesrand sehen, die sich zu
einem Schläfchen hingelegt hatten. Auch erblickten wir einige
streunende Hunde, die geschäftig durch die Dunkelheit
streiften.
   Das Viertel, in das Kunar uns brachte, war herzlich wenig einladend.
Bruchbude reihte sich an Bruchbude, der Boden war matschig, überall lag Müll herum. Und so waren wir ziemlich ernüchtert, als unser Fahrer plötzlich in einer schäbigen Gasse anhielt und davon redete, dass unser Hotel gleich da vorne sei. Es wurde also nicht mehr besser.
   Er räume zwar ein, ein günstiges Hotel für die erste Nacht gebucht zu haben, brummte Bjarne, aber damit habe er lange nicht gerechnet.
   Es sei ja nur eine Nacht, sagte ich und versuchte positiv zu klingen, immer noch besser, als auf offener Straße zu übernachten!
   Wie um meine Aussage zu unterstreichen, brach ein furchtbares Bellen und Heulen los. Von allen Seiten kamen Straßenhunde angelaufen und wollten sich nicht mehr beruhigen. Ob es rivalisierende Gangs waren, die über Reviergrenzen verhandelten oder Freunde, die sich lediglich zu einem mitternächtlichen Kaffeekränzchen trafen, war nicht ganz eindeutig.
   So oder so sank unsere Motivation, das Taxi zu verlassen, erheblich. Kunar seinerseits drehte sich zu uns um, hielt die Hand auf und nannte uns den Fahrtpreis.
   Wir hätten bereits bezahlt, wehrte Bjarne ab.
   Ob man sich an ihm belustigen wolle, fragte Kunar. Er habe noch kein Geld gesehen!
   Wir hätten es seinen Kollegen gegeben, erwiderte ich, noch am Flughafen.
   Er habe keine Kollegen, sagte Kunar. Er arbeite seit vielen Jahren allein.
   In diesem Moment dämmerte uns, dass man uns zum ersten Mal – kaum, dass wir aus der Tür raus waren – abgezockt hatte.
Das ging ja prächtig los. Ärger stieg in mir auf, ich hätte den Fahrer am liebsten geschüttelt. Aber es half nichts, die wahren Verbrecher befanden sich woanders, hier und jetzt kamen wir nicht weiter.
Also zahlten wir die volle Summe (die uns ohnehin verdächtig hoch vorkam) noch einmal. Dann wagten wir uns nach draußen.
   Kunar brauste davon, während Bjarne anmerkte, dass man sich unbedingt angewöhnen müsse zu feilschen. Alle täten das, es sei wohl notwendig, sonst werde Indien ein teurer Spaß.
   Überall Hunde. Zum ersten Mal bereute ich inständig, auf eine Tollwut-Impfung verzichtet zu haben. Ein gewisses Risiko bestehe zwar immer, hatte mein Hausarzt mich belehrt, aber wenn man dem Drang widerstehe, jedes Tier, das man treffe, zu knuddeln, komme man eigentlich auch ohne zurecht.
Diese Gasse schien er allerdings nicht zu kennen.
   Bis zur Unterkunft waren es vielleicht zehn Meter. Langsam und bedächtig, jede hektische Bewegung vermeidend, schlichen wir uns an der heulenden Meute vorbei. Wie sich zeigte, waren wir den ungewaschenen Vierbeinern aber völlig gleichgültig. Sie waren ganz mit sich selbst beschäftigt; offenbar hatten sie sich länger nicht gesehen und einiges zu bereden.
   Unser Zimmer hielt, was die Hotel-Fassade versprach. Es war sehr einfach und schmuddelig. Aber es gab immerhin eine Klimaanlage und Internet. Alles in Allem hätte es schlimmer kommen können.
   Von Übel war nur, dass wir den Schließmechanismus unserer Zimmertür gründlich missverstanden. Erst nach immenser Anstrengung gelang es uns, das alte, rostige Schloss zu verriegeln. Dann jedoch fiel uns ein, dass wir uns noch das W-LAN-Passwort an der Rezeption besorgen wollten.
   Aber das Schloss ließ sich jetzt nicht mehr entsperren, ganz gleich, wie sehr wir uns bemühten. Wir saßen fest. Draußen heulten noch immer die Hunde. Es war mittlerweile zwei Uhr morgens, wir waren erschöpft und verschwitzt, die Nerven lagen blank. Natürlich hätten wir die Tür eintreten können, sie war ja nicht besonders robust. Aber was hätte das für einen Eindruck gemacht.
   Die schwache Zimmerbeleuchtung reichte bei weitem nicht bis zur Tür, darum entschieden wir nach einer kurzen, verzweifelten Pause voller Verwünschungen, es noch einmal mit Taschenlampe und Taschenmesser zu versuchen.
   Etwa anderthalb Stunden später hatten wir das alte Schloss in die Knie gezwungen und uns wieder befreit. Dann fiel uns auf, dass sich oberhalb des Türrahmens ein Riegel befand, den man einfach nur hinunterzuziehen brauchte, wollte man das Zimmer abschließen. Offenbar war das Türschloss gar nicht zur Benutzung bestimmt.
   Demnach, schlussfolgerte ich müde, sei es wohl kaum dramatisch, dass es jetzt ein wenig umgestaltet sei. Niemand frage danach.
   Vermutlich nicht, gähnte Bjarne. Es sei Zeit, schlafen zu gehen.

   In diesem Loch wollten wir nicht länger als nötig bleiben. Nach ein paar Stunden Schlaf checkten wir am nächsten Vormittag aus, um Neu Delhi bei Tag kennenzulernen. Wir stellten fest, dass die Geräuschkulisse inzwischen noch deutlich zugenommen hatte; so ähnlich war es auch mit der Hitze, die von Minute zu Minute feuchter und beklemmender wurde. Sogar die Schmuddeligkeit, die uns in der Gasse unserer ersten Unterkunft so verstört hatte, offenbarte nun, bei Tageslicht, ein völlig neues Ausmaß: sie war und blieb nämlich ein allgegenwärtiger Standard, ganz egal, wohin wir kamen.
   Selbstverständlich fielen wir auf, als wir uns unter das Volk mischten. Die Menschen starrten uns an, als kämen wir vom Jupiter; manche machten in dem Glauben, wir würden es nicht mitbekommen, Fotos von uns. Es mochte verschiedene Gründe für diese Faszination geben: unsere Körpergröße, die Kleidung, Bjarnes bleiche Haut, mein Strohhut.
All dies war auf Delhis Straßen eine absolute Seltenheit – kein Wunder also, dass sich unzählige Blicke in uns bohrten wie die Würmer in den Speck.
   Wir entschieden, mit der Metro ein Stück weit ins Zentrum zu fahren.
Das war komplizierter als gedacht, denn selbst für eine einfache Fahrt mussten wir uns strengen Sicherheitskontrollen wie Taschen-Scan und Ganzkörper-Abtasten unterziehen. Dann wären wir beinahe ins falsche Abteil gestiegen, da uns die strikte Geschlechtertrennung am Gleis zunächst nicht aufgefallen war. Dank des Protests eines älteren Herren, der uns empört auf eine entsprechende Beschilderung aufmerksam machte, landeten wir schließlich doch noch unter unseresgleichen.
   Als wir irgendwann auf die Straße zurückkehrten, irrten wir eine ganze Weile ziellos umher, denn im Grunde hatten wir keinen wirklichen Plan. All die fremdartigen Eindrücke überforderten uns.
 ...

Erscheint lt. Verlag 8.1.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Reiseführer Asien Indien
Schlagworte Abenteuer • Asien • Backpacker • Bishnoi • Delhi • Elefanten • Elfenbei • Gegensätze • Indien • Ironie • Reise • Reisebericht • Rucksack • Rundreise
ISBN-10 3-947145-25-X / 394714525X
ISBN-13 978-3-947145-25-6 / 9783947145256
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