Saarbrücken

In über einhundertdreißig Textbeiträgen aus alten Quellen und von an die siebzig Autoren (vom 309 geborenen Ausonius bis zu Schriftstellern der heutigen jungen Generation) können wir im vorliegenden Lesebuch die Entwicklung Saarbrückens verfolgen vom römischen Marktort über die geistig regsame Fürstenresidenz und die mit St. Johann und Malstatt-Burbach vereinigte preußische Großstadt zum modernen Wirtschafts- und Kulturzentrum.
Dabei werden die vergangenen Epochen - so informativ und wichtig die eingestreuten Zusamenfassungen und Rückblicke auch sind - vor allem lebendig durch jeweils zeitgenössische Dokumente und Schilderungen. Matthäus Merian etwa rühmt um 1640 das "prächtig erbaute Schloß", gut einhundertfünfzig Jahre später der bekannte Herr von Knigge den Wohlstand der Bürger, ihre "biederherzigen Sitten", das Leben am Hofe und das "sehr geschmackvolle Commödienhaus", an dem er "Schauspiele in großer Vollkommenheit aufführen gesehn." Goethe preist den "angenehmen Eindruck" der "vom letzten Fürsten wohl ausgezierten Stadt", die er als "lichten Punkt in dem so felsig waldigen Lande" empfand, und der hallische Kanzler Niemeyer "die schönen Anlagen" und die "in edlem Stil erbauten Häuser". Der Wiener Ignaz Franz Castelli gar gesteht, daß er in seinem Leben "nichts Romantischeres gesehen habe" als die "herrliche Gegend, in welcher das Städtlein Saarbrück liegt" - und dem eher nörgelnden Theodor Fontäne tritt Bürgermeister Feldmann entgegen mit seinem Nachweis, was man alles zur Verschönerung der "behaglichen, Annehmlichkeiten bietenden Wohnstadt Saarbrücken" unternommen habe. Ein Stadtbummel anhand der Texte von Besuchern und Bürgern aus vergangener Zeit, aber auch modernen Autoren macht uns vertraut mit den Sehenswürdigkeiten der Stadt - vom Mithrasheiligtum auf dem Halberg über die Stiftskirche St. Arnual und die barocken Schloß- und Kirchenbauten zu den Leistungen der modernen Stadtplanung; in einem weiteren Kapitel, "Stimmungsbilder und Erinnerungen", wird die Atmosphäre der Vergangenheit lebendig von der Fürsten- bis zur Vorkriegszeit.
Das Leben im Mittelalter wird uns nahegebracht durch Sagen und Berichte, aber auch Dokumente wie den Freiheitsbrief von 1321 oder die Verteidigungsordnung von 1550. Die vielfach dramatischen Ereignisse seit der französichen Revolution finden ihren Niederschlag in Zeitzeugnissen, Berichten und Gedichten - französische Besetzung und Vertreibung des Fürstenhauses 1793, Rückgliederung 1815, der Krieg von 1870/71, das vom berühmten, in Saarbrücken geborenen Filmregisseur Max Ophüls geschilderte Ende des Ersten Weltkrieges 1918 und seine Folgen, die Abstimmungskampagne 1934/35 (in Texten von Bert Brecht, Ilja Ehrenburg, Gustav Regler), schließlich 1945 der Einmarsch erst der Amerikaner und dann der Franzosen und die Entwicklungen bis zur Wiedereingliederung in das Bundesgebiet. Ältere und jüngere saarländische Autoren (wir führen hier nur Jürgen Albers, Klaus Bernarding, Liesbet Dill, Nikolaus Fox, Ludwig Harig, Johannes Kirschweng, Fritz Kühner, Karl Lohmeyer, Alfred Petto, Friedrich Schön und Michael Wahlster auf) schildern liebevoll, manchmal ein wenig wehmütig und gelegentlich auch ein bißchen kritisch Lebensart und Stimmungen der Landeshauptstadt. Eigene Kapitel mit teils erzählenden, teils anschaulich informierenden Beiträgen - unter deren Verfassern wir hier u. a. Friedrich Gernsheim, Franzjosef Gnad, J. J. von Görres, August Wilhelm Iffland, Hans Jaeger, E. M. Mungenast, Gustav Regler, Erich Spengler, Hubert Thoma, Werner Veauthier und Bernhard Wilms nennen - sind dem Kulturzentrum Saarbrücken einst und heute gewidmet (mit Theater- und Musikleben, Akademien und Museen, Universität und Rundfunk) und nicht zuletzt Handel und Wirtschaft, Industrie und Arbeitswelt - mit Zeugnissen und Berichten über die frühe Bedeutung und Entwicklung, vergangene Zustände, große Unternehmen und Unternehmer. So entsteht aus einer Vielfalt zeitgenössischer Texte, in denen Bürger und Besucher, Fürsten und arme Pfarrer, Offiziere und Beamte, Dichter und Künstler, Unternehmer und Arbeiter zu Wort kommen, heiterer Mundartbeiträge und Gedichte, Erinnerungen und Berichte das anschauliche, lebendige Bild einer modernen Großstadt mit ihrer reichen und bunten Geschichte in ihren weitgespannten Aspekten.