Die Brunnen der Wüste (eBook)

Mit den Beduinen durch das unbekannte Arabien
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2016 | 1. Auflage
384 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-95472-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Brunnen der Wüste -  Wilfred Thesiger
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Als einer der ersten Europäer hat Wilfred Thesiger die Wüste Rub al-Khali durchquert: das »Leere Viertel« auf der arabischen Halbinsel, 780.000 Quadratkilometer Sand. Zwischen 1947 und 1950 durchstreifte er sie, ständig bedroht von Wassermangel und Stammesfehden. Er lebte mit den Beduinen und ahnte den Untergang ihrer traditionellen Kultur, der Nomadenkarawanen und Falkenjagd. Sein fesselnder Bericht berührt als Zeugnis dieser Welt - des alten Arabiens, wie es war, bevor Ölsucher, Lastwagen und westliche Importe es zermürbten. Das Dokument eines der letzten Entdecker zählt wie »Die sieben Säulen der Weisheit« zur großen Abenteuerliteratur.

Sir Wilfred Thesiger, geboren am 3. Juni 1910 als Sohn eines englischen Diplomaten in Addis Abeba, verbrachte seine Kindheit in Afrika und studierte in Oxford und Eton. Nach dem Dienst in der britischen Kolonialverwaltung im Sudan in den Dreißiger- und Vierzigerjahren reiste er auf abenteuerlichsten Wegen durch die Welt. Wilfred Thesiger starb am 24. August 2003.

Sir Wilfred Thesiger, geboren am 3. Juni 1910 als Sohn eines englischen Diplomaten in Addis Abeba, verbrachte seine Kindheit in Afrika und studierte in Oxford und Eton. Nach dem Dienst in der britischen Kolonialverwaltung im Sudan in den Dreißiger- und Vierzigerjahren reiste er auf abenteuerlichsten Wegen durch die Welt. Wilfred Thesiger starb am 24. August 2003.

VORSPIEL IN DHOFAR


Die Wüsten Arabiens erstrecken sich über mehr als zweieinhalb Millionen Quadratkilometer, und die südliche Wüste nimmt nahezu die Hälfte des gesamten Areals ein. Sie reicht 1500 km weit von der Grenze des Yemen bis zum Vorgebirge von Oman und 900 km weit von der Südküste Arabiens bis zum Persischen Golf und zu den Grenzen des Nedjd. Der größte Teil ist Sandwüste, ist Wüste in der Wüste, und ist so riesenhaft und trostlos, daß ihre nördlichen Anrainer sie Rub al-Khali oder das Leere Viertel nennen.

Im Jahre 1929 schlug T. E. Lawrence in einem Brief an Lord Trenchard, den englischen Luftmarschall, vor, daß Maschinen auf dem Probeflug nach Indien über das Leere Viertel dirigiert werden sollten. Er schrieb: »Der Flug über das Leere Viertel wird eine gewaltige Reklame für sie sein. Er wird eine Epoche der Entdeckungen bezeichnen. Nur ein Flugzeug kann dies tun, und ich möchte, daß es eines unsrer Flugzeuge ist, das sich diese Rosine aus dem Kuchen holt.« Dennoch durchquerte 1930 Bertram Thomas diese Wüste zu Land von Süden nach Norden, und wenige Monate später tat es wiederum ein Engländer, Harry Philby, diesmal von Norden nach Süden. Thomas und Philby hatten bewiesen, daß man das Leere Viertel mit Kamelen durchqueren kann. Aber als ich fünfzehn Jahre später dorthin kam, waren sie immer noch die einzigen Europäer, die dieses Gebiet bereist hatten, und große Abschnitte zwischen dem Jemen und Oman waren noch immer unerforscht.

In Oxford hatte ich »Arabia Felix« gelesen, in dem Bertram Thomas seine Reise beschreibt. Dem Monat, den ich im Danakil-Land verbrachte, verdankte ich gewisse Erfahrungen und eine Neigung zum Wüstenleben, und Lawrences »Aufstand in der Wüste« hatte mein Interesse für die Araber geweckt. Aber in Oxford hatte ich mich nur nach Äthiopien zurückgesehnt. Erst viel später beschäftigte ich mich innerlich mehr und mehr mit dem Leeren Viertel. In den Wüsten des Sudan und der Sahara waren auch andere vor mir gereist; das Geheimnis dieser Wüste war entschleiert: Die Routen und Brunnen, die Dünen und Berge waren auf Karten zu finden. Die Stämme standen unter Verwaltung. Es fehlte die Spannung, die ich auf meinen Reisen im Danakil-Land verspürt hatte. Das Leere Viertel war für mich zum Gelobten Land geworden, doch der Zugang war mir versperrt, bis die zufällige Begegnung mit Lean mir die große Chance eröffnete. In Wirklichkeit interessierte ich mich nicht im geringsten für Heuschrecken. Ganz gewiß hätte ich mich niemals angeboten, in Kenya oder in der Kalahari nach ihnen zu suchen, nun aber waren sie der goldene Schlüssel, der mir Arabien aufschloß.

Reisen in die wenigen noch unerforschten Gebiete unserer Erde werden heutzutage dadurch sehr erschwert, daß man von den Regierungen, die Anspruch auf jene Gebiete erheben, eine Reiseerlaubnis haben muß. Es wäre für mich kompliziert, vielleicht sogar unmöglich gewesen, ohne die anfängliche Unterstützung durch die Middle East Anti-Locust Unit in das Leere Viertel vorzustoßen. Aber als ich erst einmal dort war und mich mit den Bedu angefreundet hatte, konnte ich reisen, wohin ich wollte. Ich brauchte mich nicht um irgendwelche Grenzen zu kümmern, existierten sie doch noch nicht einmal auf der Landkarte.

Im Sudan war ich immer wieder auf Heuschrecken gestoßen, und während des Jahres, das ich in Dessie verbrachte, hatte ich einige Schwärme wie Rauchwolken am Horizont gesehen, als die Heuschrecken von ihren Brutstätten in Arabien auf dem äthiopischen Hochland eintrafen. Ich hatte den schwankenden Flug der langbeinigen Insekten beobachtet, die so dichtgedrängt daherkamen wie Schneeflocken in einem Blizzard; ich hatte gesehen, wie ganze Äste unter dem Gewicht niedergehender Schwärme abbrachen und wie in wenigen Stunden grüne Felder kahlgefressen wurden. Ich wußte nur von der Zerstörungskraft der Heuschrecken, wußte aber nichts über ihre Lebensweise. Daher schickte man mich vor meiner Reise in das Leere Viertel für zwei Monate nach Sa’udi Arabien, damit ich bei Vesey Fitz Gerald, der dort der Heuschreckenplage beizukommen versuchte, mehr erführe. Wenige Europäer hatten eine Einreiseerlaubnis nach Sa’udi Arabien bekommen, und beinah für alle, die sie erhielten, war sie auf Djidda beschränkt, den Hafen am Roten Meer, wo die Diplomaten und Geschäftsleute leben. Heuschreckenbeamte konnten jedoch in beinah alle Teile des Landes ungehindert reisen.

Während des letzten Krieges brachte eine Heuschreckenart, die man »Wüstenheuschrecke« nannte, den Mittleren Osten an den Rand einer Hungersnot. Man wußte, daß eine der Hauptbrutstätten die arabische Halbinsel war, und 1943/44 erteilte König Abd al-Aziz ibn Sa’ud der Middle East Anti-Locust Unit die Erlaubnis, in Sa’udi Arabien gegen die Heuschreckenplage vorzugehen.

Vesey Fitz Gerald erzählte mir von den Entdeckungen, die man in den letzten Jahren gemacht hatte und die der Grund für meine Reise in das Leere Viertel waren. Doktor Uvarov, der Chef des Anti-Locust-Research-Centers in London, hatte herausgefunden, daß die Wüstenheuschrecken und ein großer, einzeln auftretender Grashüpfer der gleichen Spezies angehörten, obgleich sie sich in Farbe, Lebensgewohnheiten, ja sogar in der körperlichen Beschaffenheit derart unterschieden, daß die Naturforscher sie als verschiedene Arten angesprochen hatten. Die Einsiedlergrashüpfer entwickeln bisweilen, vermutlich infolge Raummangels, Herdeninstinkte. Sie vermehren sich in Jahreszeiten üppiger Vegetation, werden aber in der darauffolgenden Trockenzeit auf ein begrenzteres Gebiet zusammengedrängt. Jetzt hören sie auf, Einzelgänger zu sein, werden Wüstenheuschrecken und wandern. Die anfänglich kleinen Schwärme wachsen sehr rasch an, da die Heuschrecken sich mehrmals im Jahr vermehren und jede Heuschrecke his zu hundert Eier auf einmal legt. Die Eier werden in etwa drei Wochen ausgebrütet, die jungen Heuschrecken oder Grashüpfer sind in etwa sechs Wochen ausgereift.

Als ich mit Vesey Fitz Gerald durch Sa’udi Arabien zog, sah ich dichte Schwärme von Grashüpfern, die in geschlossenen Formationen von mehreren Kilometern Länge und mehr als hundert Meter Tiefe auftraten, aber laut Fitz Gerald als kleine Schwärme anzusprechen waren. Ich wußte, daß Heuschrecken bei günstigem Wind ungeheure Entfernungen zurücklegen können, war aber doch erstaunt, als mir Fitz Gerald von einem Schwarm erzählte, der, dreitausend Kilometer von seinem Ausgangspunkt an der afrikanischen Küste entfernt, über dem Atlantik gesichtet worden war. Heuschreckenschwärme können während des Monsuns in Indien brüten, im Herbst nach Südpersien oder Arabien ziehen, dort wieder brüten und dann in den Sudan oder nach Ostafrika weiterfliegen. Mitunter suchen diese Schwärme Gebiete von fünfhundert Quadratkilometern und mehr heim. Schließlich fallen sie einer Seuche zum Opfer und verschwinden dann ebenso schnell, wie sie gekommen sind. Eine Zeitlang gibt es dann keine Heuschreckenschwärme auf der Welt, sondern nur noch einsiedlerische Grashüpfer.

Dr. Uvarov nahm an, daß die Ausgangsherde auf ganz bestimmte Gebiete beschränkt seien und daß man den Einsiedlergrashüpfer am Ausschwärmen hindern könne, wenn man erst einmal diese Gebiete ausfindig gemacht und weiter unter Kontrolle habe. Der erste Schritt dazu wäre es, all jene Ausgangspunkte festzustellen. Einige davon vermutete er in Südarabien, insbesondere um den Brunnen Maghshin. Bertram Thomas hatte dort festgestellt, daß die großen Wasserläufe, die von den Küstengebieten von Dhofar landeinwärts strömen, sich im Leeren Viertel verlieren. Es war bekannt, daß Dhofar Monsunregen erhält. Die Annahme schien daher berechtigt, daß alljährlich genug Wasser landeinwärts fließt, um an den Rändern der Wüste eine ständige Vegetation am Leben zu halten. Traf diese Vermutung zu, dann war jenes Gebiet mit größter Wahrscheinlichkeit einer der Ausgangspunkte. Dorthin sollte ich mich begeben, um Untersuchungen anzustellen. Jedenfalls war dieser Teil Südarabiens so wenig bekannt, daß ich, wo immer ich auch hinging, wertvolle Informationen sammeln konnte.

Ende September 1945 traf ich in Aden ein, besuchte das Gebirge an der Grenze des Yemen und flog am 15. Oktober nach Salala, der Hauptstadt von Dhofar, an der Südküste Arabiens. Hier sollte meine Reise beginnen. In Salala war ich Gast der Royal Air Force in deren Lager vor der Stadt. Es lag auf einer kahlen, steinigen Ebene, südlich des Qara-Gebirges und war im Zuge einer Luftverbindung zwischen Aden und Indien während des Krieges eingerichtet worden. Die Luftstrecke wurde jetzt nicht mehr benutzt, nur einmal die Woche traf ein Flugzeug aus Aden in Salala ein.

Dhofar unterstand dem Sultan von Maskat, der bei seiner Zusage zur Errichtung dieses Lagers darauf bestanden hatte, daß niemand die Stadt besuchte oder das Lager verließ, es sei denn in Begleitung einer Wache des Sultans, und daß mit keinem der Eingeborenen gesprochen werden durfte. Diese Restriktionen galten auch für mich, solange ich im Lager lebte. Sie schienen mir, was die Angehörigen der Royal Air Force anbetraf, durchaus vernünftig. Man wollte damit Zwischenfälle zwischen den Luftwaffensoldaten, deren Mentalität dem Araber fremd war, und den bewaffneten, jähzornigen und allen Fremden gegenüber mißtrauischen Stammeskriegern verhindern. Für mich aber, der ich gekommen war, um mit diesen Eingeborenen zu reisen, war das Verbot außerordentlich lästig, bedeutete es doch, daß ich alle Vereinbarungen über den Wali oder Statthalter treffen mußte.

Um das Jahr 1877 war Dhofar nach Jahrhunderten der Stammesanarchie von einer Streitmacht des Sultans von Maskat besetzt worden, doch 1896 erhoben sich die Stämme, nahmen das Fort, das man in Salala errichtet hatte, im...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2016
Übersetzer Peter Stadelmayer
Zusatzinfo Mit 24 Abbildungen und drei Karten
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseberichte Naher Osten
Schlagworte Arabien • Arabische Halbinsel • Beduinen • Buch • Bücher • Die sieben Säulen der Weisheit • Entdecker • Expedition • Fotos • Historischer Reisebericht • Historisches Abenteuer • Karten • Lawrence von Arabien • Leeres Viertel • Mittlerer Osten • Nomaden • Reise • Rub al-Khali • Wüste
ISBN-10 3-492-95472-3 / 3492954723
ISBN-13 978-3-492-95472-3 / 9783492954723
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