China (eBook)

Ein Länderporträt

(Autor)

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2016 | 3. Auflage
216 Seiten
Links, Ch (Verlag)
978-3-86284-351-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

China - Marcus Hernig
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China boomt. Manager, Existenzgründer, Studenten oder Praktikanten versuchen ihr Glück in der neuen Wirtschaftsmacht. Dabei ist es nicht einfach, sich in diesem Land zurechtzufinden.
Marcus Hernig schreibt von den Schwierigkeiten, in China Fuß zu fassen, und vom Glück, mit Chinesen zusammenzuleben. Aus langjähriger Erfahrung gibt er Einblicke in die wesentlichen Aspekte der chinesischen Kultur, Geschichte, Politik und Gesellschaft. Kenntnisreich vermittelt er so das Leben im heutigen China und kommt dabei ohne Stereotype und Superlative aus.

Marcus Hernig, geboren 1968, studierte Germanistik, Sinologie und Geschichte in Bochum und Nanjing. Er lebt bereits seit 1992 in China, seit 1998 in Shanghai, wo er zur Seidenstraße und den deutsch-chinesischen Beziehungen lehrt. Außerdem ist er tätig als Experte für die neue Seidenstraße bei Germany Trade and Invest (GTAI). Zuletzt erschien von ihm Die Renaissance der Seidenstraße. Der Weg des chinesischen Drachens ins Herz Europas (2018). In der Anderen Bibliothek veröffentlichte er 2012 Eine Himmelsreise. China in sechs Gängen (Band 330, Extradruck im Juli 2022).

Jahrgang 1968, Studium der Sinologie, Germanistik und Geschichte in Bochum und Nanjing, seit 1992 in China, lebt seit 1998 in Shanghai, langjährige Tätigkeiten in der chinesisch-deutschen Bildungs- und Kulturarbeit, u.a. als Lektor des DAAD und als Beauftragter des deutschen Generalkonsulats in Shanghai für Bildungszusammenarbeit, deutsche Sprache und Literatur, seit 2007 Seminarleiter, Berater und Autor, chinesisch-deutsche Programme für Unternehmen, Kreativwirtschaft und Bildungseinrichtungen, Gastprofessor an der Tongji-Universität Shanghai und an der Zhejiang-Universität Hangzhou.

Laowai – Ausländer


Herr Wai kommt nach China


Sie ist nicht zu übersehen, die chinesische Nationalflagge gleich hinter den Einreiseschaltern im Terminal 2 des Shanghaier Flughafens Pudong. Vor einigen Jahren hing sie hier noch nicht, doch nun ziert das Fünf-Sterne-Banner die Rückwand vor der meist sehr junge blau-uniformierte Zollbeamte schnell und effizient Pässe kontrollieren und Visa abstempeln. An ihrem Schalter sind kleine Kästen angebracht, die mit Smiley-Buttons dazu auffordern, die Leistung des jeweiligen Schalterbeamten per Knopfdruck zu bewerten. Neues nationales Selbstbewusstsein, verbesserte Serviceleistungen und Emoji-Kultur gleich beim Grenzübertritt auf dem Flughafen. Drei Trends, die mir anzeigen, was China heute ausmacht und wohin der Weg weiter gehen wird.

Lächelnd gibt mir die sympathische Grenzwächterin das wichtige Eintrittsdokument zurück. Ich drücke den freundlichsten aller Smileys – große Zufriedenheit mit der Leistung. Nun ist mein Pass ordnungsgemäß rot gestempelt. Rot ist offiziell, verleiht jedem Dokument Gewicht und symbolisiert außerdem Glück. Ich atme auf, haste weiter zu den Gepäckbändern, die mir meine mitgebrachte Habe wiedergeben sollen. Auch das ist nach 15 weiteren Minuten erledigt. Nun liegt nur noch der Durchgang mit dem roten und dem grünen Ausgangsschild »declare goods« oder »nothing to declare« vor mir. Ich zögere kurz, schließlich sind drei Flaschen Wein und der heimische Schinken aus Westfalen im Gepäck. Standen da nicht eben zwei große Schilder, die das Mitführen von Lebensmitteln jeder Art verboten haben? Soll ich nachfragen? Das deutsche Gewissen regt sich, ich zögere. Doch alle anderen strömen wie selbstverständlich durch den grünen Durchgang, Menschen mit beachtlichen Gepäckmengen, meist Chinesen. Die müssen es wissen. Also einfach hinterher. Ich habe Glück. Vor mir schiebt ein heimkehrender Chinese einen mit drei Koffern und fünf Kartons hoch bepackten Trolley vor sich her. Prompt wird er herausgewunken und muss sein schweres Gepäck auf das Laufband des Scanners wuchten. Mich sehen die Flughafenzöllner nicht einmal an, als ich mit unsicherem Blick meinen einzigen schweren Koffer hinter mir herziehe. Sonst gibt es keine weiteren Kontrollen, und ein wenig bezweifle ich, ob die Zöllner wirklich interessiert, was die einreisenden Massen aus aller Welt so alles ins Land schleppen. Chinesen sind zu weltweit reisenden Top-Konsumenten geworden. Was sie aus dem Ausland mitbringen, ist enorm. Viele Fluggesellschaften haben auf den weltwirtschaftlich bedeutenden Shopping-Wahn der Chinesen im Ausland reagiert und ihre Freigepäckkontingente einfach verdoppelt. Nun bin ich durch: »Huanying nin dao Zhongguo lai, pengyou!« – »Willkommen in China, mein Freund!«

Beim Gang durch die weiten neu erbauten Hallen chinesischer Flughäfen wird dem Neuankömmling – oder dem China-Rückkehrer – schnell bewusst, was China heute sein will. Ein kompromisslos modernes Land der Superlative. Beim Bau des dritten Terminals des Hauptstadtflughafens Peking durfte sich der britische Architekt Norman Foster mit seinem Design im XXL-Format verwirklichen. Anfang der 1990er Jahre landete man noch auf einem ackerlandartigen Areal und wurde mit Hilfe von Traktoren weiter befördert. Inzwischen soll der nach dem US-amerikanischen Atlanta weltweit zweitgrößte Flughafen mit seinen drei Terminals an seine Kapazitätsgrenzen gelangt sein. Die Folge: 2019 soll ein weiterer Großflughafen im Süden der Stadt verwirklicht werden und der rund 150 Millionen Einwohner starken Metropolregion Peking-Tianjin-Hebei neuen Aufschwung verleihen. Dann soll Peking endgültig das Drehkreuz der Welt sein, durch das jährlich mehr Passagiere geschleust werden, als das Nachbarland Japan Einwohner hat.

Die Logik des chinesischen Wachstums im 21. Jahrhundert erinnert in guter Parteitradition an die ehrgeizigen Pläne des Kommunisten Mao Zedong (1893–1976), der China bereits in den 1960er Jahren zur führenden Weltmacht machen wollte. Die Grundideen ähneln einander, selbst wenn sich die Umstände, Mittel und Objekte des Konkurrenzkampfes völlig verändert haben. Modernes chinesisches Bauen wirkt organisch. Nicht wegen der Formen, sondern weil ständig gebaut wird. Das funktioniert nach dem Prinzip der Zellteilung: Aus eins mach zwei, aus zwei mach vier etc. Anders als zu den Zeiten, da China noch Agrarland war und die Aufteilung des Bodens den Bauern nichts als immer kleinere zweidimensionale Parzellen übrig ließ, plant das moderne, urbane China der Zukunft dreidimensional, also in Kubikmetern. Und die lassen noch erstaunlich viel freie Nutzfläche zu.

Weder in Pudong noch im Hauptstadtflughafen reißt der Strom der laowai ab. In immer kürzeren Zeitabständen landen die Maschinen, die die beiden Metropolen ansteuern. Die Freunde aus aller Welt, die hier chinesische Erde betreten, kommen längst nicht mehr nur aus Tokio, Seoul, Pjöngjang, Los Angeles, New York, London, Moskau oder Frankfurt, wie noch vor einem Jahrzehnt. Karatschi, Neu-Delhi, Istanbul, Dubai und andere Destinationen haben längst das Erscheinungsbild der Ausländer in China bunter gefärbt – selbst wenn die meisten Ankömmlinge mit den üblichen kantigen Business-Koffern oder -Trolleys ausgestattet sind, die auf ähnliche Absichten schließen lassen.

Für die Weiterreise hinein in die Metropolen gibt es zwei Optionen: Die mittlerweile längsten U-Bahn-Netze der Welt, in wenigen Jahren nur gegraben und in Betrieb gesetzt, in Shanghai ergänzt durch eine Transrapid-Trasse oder die unzähligen Taxioptionen. Dazu gehören reguläre Taxen in verschiedenen Farben wie neu eingerichtete Fahrdienste etwa des weltweit operierenden Unternehmens Uber. Mithilfe von Smartphone Apps mit Baby-sprech-Appeal namens »Didi« oder »Dida« kann das passende Fahrzeug leicht geordert werden, per GPS wird der Kunde geortet. Steigende Konkurrenz auch auf diesem Servicesektor ermöglicht dem erfahrenen User Deals und Schnäppchen. Auch das erfährt der Chinareisende schnell: Ohne Smartphone ist Leben im China des 21. Jahrhunderts fast unmöglich.

Zuviel an Neuem direkt nach der Ankunft. Daher am besten Schlange stehen und warten, bis ich es mir in meinem Taxi bequem machen kann. Glücklicherweise ist es grün lackiert. Die grünen, die türkis- und goldfarbenen sowie die metallicblauen Taxen genießen in Shanghai absolutes Vertrauen. Sie gehören den großen Taxifirmen, die sehr gut organisiert sind. Ihre Fahrer sind meist höflich und verfügen über gute Ortskenntnisse. Am schlechtesten organisiert sind die dunkelroten Taxen der Kleinunternehmer mit dem »X« im Kennzeichen. Die lasse ich gern leer vorbeifahren oder steige nur ein, wenn ich absolut keine andere Wahl habe. Oft sind die »schwarzen Taxen«, meist Neuwagen von Privatfahrern, die sich nebenher als »Taxifahrer« noch etwas dazuverdienen, dann noch die bessere Wahl. Beim Blick aus dem Fenster stelle ich erstaunt fest, dass die eintönigen Marschlandfelder, die Pudong noch vor wenigen Jahren kennzeichneten, schon wieder deutlich weniger geworden sind. Der Flughafen frisst sich ins Land, und wo er endet, erheben sich unzählige Fabriken und Firmenniederlassungen. Verloren und versprengt kauern unscheinbare Bauernhäuser dazwischen. Die letzten Biotope der »Ureinwohner« von Pudong. Der Taxifahrer beginnt mit mir einen Smalltalk, auf den der müde Ausländer sich gar nicht recht einlassen möchte: »Wo kommst du her? Wie lange bist du schon in China? Gefällt es dir?« Kurze Antworten nötigen dem Taxifahrer das Standardlob für jeden laowai ab, der ein paar Sätze Chinesisch zum Besten geben kann: »Du sprichst wirklich ein sehr gutes Mandarin.«

Für einen deutschen laowai ist die wichtigste Frage die erste: »Woher kommst Du?« Das knappe »Deguo – Deutschland« stärkt das Selbstbewusstsein, denn der Daumen des chinesischen Gesprächspartners schnellt für Sekunden in die Höhe. Dann setzt es Lobeshymnen auf deutsche Autos, deutsches Bier, deutsche Qualität und manchmal sogar bemerkenswerte deutsche Politiker namens Gerhard Schröder oder Adolf Hitler. Letzterer hat in den vergangenen Jahren in den Großstädten zu meiner Erleichterung an Popularität eingebüßt. Im Hinterland wie Anhui oder Shanxi aber gelten starke Führer weiterhin sehr viel.

Der VW Touran, der mich hinein in die Stadt trägt, hat mit vielen anderen neuen Modellen die alten VW Santanas der Vorjahre teilweise abgelöst oder ergänzt. Auch er ist ein chinesisches Auto deutscher Herkunft aus Shanghais 1985 gegründetem Joint-Venture. Der Santana, Chinas Volkswagen zum »Selberschrauben«, beginnt langsam aus dem Stadtbild Shanghais zu verschwinden. 30 Jahre sind ein Jahrhundert für das schnelllebige Wirtschaftswunderland.

Mittlerweile haben wir die Yangpu-Brücke erreicht, die mit 7658 Metern Länge im Norden Shanghais den Huangpu-Fluss überspannt. Zwei neue Superlative beeindrucken mich, auch wenn ich sie im grauen Dunst des Tages nur als Silhouetten warnehme. Zur linken Seite erhebt sich der Shanghai Tower mit 632 Metern Höhe, 2013 gerade höchstes Gebäude Chinas und zweithöchstes der Welt, was natürlich nur kurzfristig Bestand haben wird. Links und rechts der Brückenpfeiler zieht sich der größte Containerhafen der Welt den Huangpu-Fluss entlang. Hier kann Shanghai der Binnenstadt Peking locker den Schneid abkaufen: Knapp vor Singapur und deutlich vor dem immer deutlicher abgeschlagenen Hongkong profiliert sich Shanghai als größte Hafenstadt der Welt – auch wenn man vom Meer weit und...

Erscheint lt. Verlag 12.8.2016
Reihe/Serie Länderporträts
Zusatzinfo 1 Karte/Tabelle
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
Reiseführer Asien China
Schlagworte Asien • Beijing • China • Chinese • Chinesisch • Geschichte • Gesellschaft • Kaiser • Kommunismus • Konfuzius • Kultur • Kulturrevolution • Länderportrait • Mao Zedong • Marcus Hernig • Megacity • Ming • Peking • Politik • Reise • Shanghai • Tee • Tourist • Volksrepublik
ISBN-10 3-86284-351-3 / 3862843513
ISBN-13 978-3-86284-351-0 / 9783862843510
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