Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788 (eBook)

Mit einem Essay bereichert von Jan Röhnert und Fotografien von Alexander Paul Englert
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2014 | 1. Auflage
780 Seiten
AB - Die Andere Bibliothek (Verlag)
978-3-8477-5337-7 (ISBN)

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Reisen eines Deutschen in Italien in den Jahren 1786 bis 1788 - Karl Philipp Moritz
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»Moritz ist hier ... Er ist wie ein jüngerer Bruder von mir ...« Johann Wolfgang von Goethe*Moritz' Italien-Reise: eine autobiographische Selbstfindung, die ihn zu einem Zeitgenossen macht - bewundert von Rolf Dieter Brinkmann, Hubert Fichte oder Peter Handke.*Karl Philipp Moritz war der vom Pech verfolgte Zwillingsbruder von Goethe. Eine tiefe innere Verwandtschaft - viel zu wenig wahrgenommen - eint beide. Fast zeitgleich verbrachten sie römische Jahre. So lebendig, anschaulich und abwechslungsreich wie bei Karl Philipp Moritz wurde Italien nie wieder beschrieben - auch von Goethe nicht.*Die Reisen eines Deutschen in Italien und die Italienische Reise gehören zusammen als die Quintessenz des deutschen Erfahrungsschatzes aus Italien am Ende des 18. Jahrhunderts. Verona ist Moritz' Tor nach Süden, er lernt die Adriaküste kennen, um in Rom, Neapel und Pompei, auf dem Vesuv und auf Capri, in Sorrent und Florenz der Antike nahe zu kommen.*Moritz streift als Melancholiker durchs »ewige« Rom, aber was er sucht, ist schon im Schutt der Gegenwart versunken. Ein faszinierendes Mosaik der großen Stadt entsteht im dauernden, schnellen und sprunghaften Blick- und Szenenwechsel: Kinderspiele, Stierkämpfe, Karneval, Opernarien, komische Heilige, Diebe, Bettler, Aberglauben, Stegreifdichter, Geräusche und Lärm ... Sein moderner Reisebericht liest sich wie eine Postkartenfolge, an die lesende Mit- und Nachwelt eilig von unterwegs verschickt. Seine Reisen sind sein Vermächtnis, das ein wegweisender Essay von Jan Röhnert erhellt.

Karl Philipp Moritz, geboren 1756 in Hameln, war unter den preußischen Aufklärern derjenige, von dem Heinrich Heine später sagen wird: »Moritz ist mir der liebste.« Sein großer autobiographischer Roman Anton Reiser (1785-1790), das Gegenstück zu Rousseaus Bekenntnissen, ist weltberühmt. Sein Magazin zur Erfahrungsseelenkunde war die erste psychologische Zeitschrift - und von der enormen Spannbreite des Denkens zeugen daneben die pädagogischen und philosophischen Schriften - vor allem seine Kunsttheorie, die den Freund Goethe tief beeinflusst hat. Karl Philipp Moritz ist ein spät entdeckter moderner Klassiker - 1793 gestorben.

Seiner Königlichen Hoheit dem Kronprinzen von Preußen


Der gnädige Beifall, welchen EW. KÖNIGL. HOHEIT mir über meine Reisen eines Deutschen in England zu bezeigen geruhten, hat mir den Muth eingeflößt, auch diese Reisen eines Deutschen in Italien HÖCHSTDENENSELBEN unterthänigst und ehrerbietigst zu widmen. Ich ersterbe in tiefster Ehrfurcht

EW. KÖNIGL. HOHEIT

Berlin,
den 18. Januar 1792.

unterthänigster

Moritz.

Vorbericht.


Ich muß den Leser bitten, dieß erste Bändchen meiner Reisen eines Deutschen in Italien nur als eine Vorbereitung zu den folgenden zu betrachten, worin ich mich über Sitten, Gebräuche, Litteratur und Kunst, in Italien überhaupt, und vorzüglich in Rom, ausführlicher verbreiten werde.

Romam quaero!


Verona, den 2. Oktober 1786.

Das DORT, ist nun HIER geworden, mein Lieber! Die zackigten Tyroleralpen, durch welche wir uns in manchen Krümmungen gewunden haben, sind hinter uns, und ich betrete nun den Boden des Landes, wohin ich mich so oft sehnte, das mir mit seinen Monumenten der Vergangenheit zwischen immer grünen Gefilden so oft in reizenden Bildern vorschwebte, und den Wunsch des Pilgrims in mir weckte, die heiligen Plätze zu besuchen, wo die Menschheit einst in der höchsten Anstrengung ihrer Kräfte sich entwickelte, wo jede Anlage in Blüthen und Frucht emporschoß, und wo beinahe ein jeder Fleck durch irgend eine große Begebenheit, oder durch eine schöne und rühmliche That, welche die Geschichte uns aufbewahrt, bezeichnet ist.

Aber dorthin eil’ ich, wo auf den sieben Hügeln, das Größte und Glänzendste, was einst der Erdkreis sahe, sich gründete und bildete, und wo noch itzt die Kunst bei den erhabenen Ueberresten der Vorzeit ihren festen Wohnsitz findet; von jenem höhern Standpunkt aus, will ich meine Blicke auf diesen großen Schauplatz heften, und von dort aus meine Wanderungen anheben.

Deswegen erwarten Sie, mein theuerster Freund, ja nicht eher irgend etwas Ganzes oder Ausführliches, als aus Rom, von mir. Denn bis dahin reise ich nicht eigentlich, sondern EILE dem Ziel der Wallfahrt zu, das mein Verlangen stillen, und meine Wünsche befriedigen soll, und welches ich eine Zeitlang wie meine Heimath betrachten will.

Jetzt ist meine Ankunft in diesem schönen Lande noch wie im Traume. – Als wir gestern Nacht nur wenige Meilen von Verona waren, brach uns ein Rad am Wagen. – In der Nähe war kein Dorf, und es dauerte einige Stunden, bis unser Fuhrwerk wieder im Stande war.

Ich setzte mich auf einen Stein am Wege, – es wehte eine angenehme Luft, und nach und nach wurden die Gegenstände sichtbar. – Dicht vor mir lag ein Feld mit Bäumen bepflanzt, an welchen Reben hingen. –

Nun kam schon ein Winzer mit der Leiter in der Hand, und setzte sie an einen Baum, um sein frühes Tagwerk anzufangen. – Weinbeladne Wagen, von bekränzten Ochsen gezogen, fuhren vorbei, und jauchzende Knaben saßen reitend auf den Fässern.

Die umschattende Dämmerung, welche noch rund umher verstreut war, brachte dies alles so nahe, wie reizende Bilder eines Traumes, vor die Seele; und die laue Luft ließ es einen ganz vergessen, daß man sich in der Nacht auf dem Felde unter freiem Himmel befand.

Dieß war also nun wirklich das milde italiänische Klima, welches sich in unsrer Vorstellung immer an das Bild von diesem reizenden Lande knüpft. – Am östlichen Himmel zeigten sich die ersten Streifen der Morgenröthe, worauf der eine von den Leuten, die aus dem nächsten italiänischen Dorfe zur Hülfe herbeigeholt war, aufmerksam machte.

So wie es heller wurde, ragten in der Ferne die Spitzen der hohen Zypressen und weinbekränzten Hügel empor, und rund umher entfalteten sich die mannichfachen Schönheiten der Natur. –

Da dachte ich an Sie und S … und die Ferne zwischen uns wurde mir auf einmal lebhaft, als ich auf den Feldern von Verona am Wege sitzend, an dem schönen mit sanften Blau sich wölbenden italiänischen Himmel den ersten Morgen anbrechen sah.

Verona, den 2. Oktober 1786.

Das Amphitheater.


Es versteckt sich auf einem großen und weitläuftigen Platze hinter unansehnlichem Gemäuer. – Freilich verliert die Einbildungskraft bei dem wirklichen Anblick ihren schönen Spielraum, wo sie nach Gefallen zusetzen und abnehmen konnte. – Allein die Wirklichkeit tritt bald wieder in ihre Rechte. – Der Anblick der simplen Majestät erhält die Oberhand über jede übertriebene Vorstellung, welche hier wie Nebel verschwindet, da das Auge seinen sichern Maaßstaab hat.

Ich blickte von der Arena, oder dem mit Sand bedeckten Kampfplatz in die Höhe, bis dahin, wo die oberen Stufen rund umher den Horizont beschränken und die Ruinen, welche sich in der Luft abschneiden, einen mahlerischen Anblick machen. – Dann stieg ich hinauf, und hatte nun die Aussicht von jenen obersten Stufen, bis auf die Arena hinunter, wie in einen tiefen Trichter. –

Ein kleines modernes Theater mit Vorhang und Kulissen, das unten auf der Arena erbaut ist, und worauf man von oben herab sieht, verursacht mit seiner großen Umgebung einen seltsamen Kontrast. Wie sonst die Sitze zum Theater, so hat man hier ein Theater zu den Sitzen erbaut.

Heute Nachmittag streifte ich noch ein wenig in der Gegend vor Verona umher, um die Fluren zu sehen, wo der zärtliche Katull als Knabe spielte, und die erste Nahrung seines Geistes aus der umgebenden Natur einsog.

Von den Anhöhen bei Verona macht die alte Stadt mit ihren Brücken über die Etsch, von welcher sie durchströmt wird, einen sehr schönen Prospekt; kömmt man aber hinein, so findet man größtentheils enge und krumme Straßen, in welchen dennoch eine ziemliche Lebhaftigkeit herrscht, die freilich vorzüglich mit dadurch bewirkt wird, daß die Werkstätten der Handwerksleute nicht in verschlossenen Zimmern, sondern in offenen Boutiquen, im Freien sind, und einige sogar ihren Arbeitstisch auf die Straße hinausgerückt haben.

Mantua, den 4. Oktober.

Hic virides tenera
praetexit arundine ripas Mincius. – VIRG.


Hier, sagt Daphnis in Virgils Ekloge, ruhe dich im Schatten aus, wenn du ein Weilchen Zeit hast, Melibdus! die Stiere werden von selbst schon hier auf die Weide kommen um ihren Durst zu löschen. Hier deckt der Mincius mit zartem Schilf das grünende Ufer, und um die heilige Eiche summt der Bienenschwarm!

Melibdus läßt sich willig finden; setzt die Arbeit noch ein wenig hindan, und legt sich in den Schatten, um dem Wettgesange der beiden Hirtenknaben, die seinen Richterspruch verlangen, zuzuhören.

Auch ich verweile hier, mit meinem Dichter in der Hand, eine kurze Zeit auf meinem Wege am schönen Ufer des Mincius, der in seinem schlängelnden Laufe, schmale Inseln bildet, auf welchen Heerden zwischen dunklen Gebüschen im Grünen weiden, indeß den Wiesenrand das zarte Schilf umkränzt.

Vor mir liegt die Stadt mit ihren Thürmen, zur linken der hohe Damm, und um mich her die grüne Ebene, welche der sanfte Fluß durchirrt.

Alles wird Leben und Gegenwart um mich her, das Bild der Vorzeit spiegelt sich in diesem reizendem Umfange, der noch dieselbe Flur umschließt, welche der Dichter sang.

Mantua, den 4. Oktober.

Virgils Grotte.


Ich machte dann auch einen Spaziergang nach dem Geburtsorte Virgils, dem Dorfe PIETOLA, welches ehemals ANDES hieß, und nur zwei italiänische Meilen von der Stadt entfernt ist.

Wir gingen aus der Porta VIRGILIANA, über einen Damm, welcher durch den Sumpf führt, der die Stadt umgiebt, und den der schöne von dem Dichter des Alterthums besungene Mincius hier verursacht.

Unterwegs sprach mein Wegweiser von nichts als von der GROTTE VIRGILS, (la Grotta di Virgilio) die er mir zeigen würde, – wir langten denn zuerst in dem Dörfchen Pietola an, wo wir uns Brodt, Kastanien und Weintrauben geben ließen.

Hier setzten wir uns vor dem Hause nieder, wo mehrere Leute aus dem Dorfe versammelt waren. Welche sogleich schlossen, daß der Fremde aus keiner anderen Ursache hierher gekommen sey, als um die GROTTE VIRGILS zu sehen, die nicht weit von diesem Dorfe in der herzoglichen Menagerie, welche auch VIRGILIANA heißt, befindlich ist.

Die Besuche der Fremden haben das Andenken des Dichters selbst unter den Bewohnern dieses Dorfes wieder aufgefrischt, welche in Ansehung ihres berühmten Landsmannes nicht so unwissend waren, daß sie nicht von seinem großen poetischen Genie hätten reden sollen; auch wußten sie von seinen Lebensumständen zu erzählen.

Wir gingen nun von hier nach der herzoglichen Menagerie, wo alles ein trauriges und wüstes Ansehen hatte. Hier gingen wir einen langen Hof oder verfallenen Garten hinunter, und kamen endlich an die Grotte Virgils, welche diesmal das Ziel unserer Reise war.

Hier sahen wir nun den Platz, wo ehemals eine Grotte gewesen seyn soll, welche Virgil, bei seinen früheren Versuchen in der Dichtkunst zu seinem einsamen Aufenthalte wählte. Jetzt standen alte Waschfässer und hohes Unkraut hier umher; alles war zerstört und öde, und von dem Heiligtum des Dichters war keine Spur mehr da.

Bologna, den 7. Oktober.

Vetturine.


Der Vetturin muß dem...

Erscheint lt. Verlag 8.10.2014
Reihe/Serie Die Andere Bibliothek
Zusatzinfo 150
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseführer Europa
Schlagworte 18. Jahrhundert • Italien • Italienreise • Karl Philipp Moritz • Reise • Reisebericht
ISBN-10 3-8477-5337-1 / 3847753371
ISBN-13 978-3-8477-5337-7 / 9783847753377
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