Wer schön sein will, muss reisen (eBook)

Ein Selbstversuch im Land der runden Frauen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
288 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-400853-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wer schön sein will, muss reisen -  Tine Wittler
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Auf der Suche nach einem anderen Schönheitsideal: Tine Wittler im Land der runden Frauen. »Wer schön sein will, muss reisen«, sagt sich Tine Wittler. Und fliegt nach Mauretanien, Afrika. In ein Land, in dem sie - anders als in Deutschland - dem Schönheitsideal entspricht: üppig und rund. Mehrere Wochen lang ist sie dort zum Thema »Schönheit« unterwegs: zu Fuß, im Jeep oder auf Kamelen. Sie sucht Frauen, die sich regelrecht mästen lassen und gefährliche Medikamente einnehmen, um für ihr Lebensglück an Gewicht zu gewinnen. Denn je schwerer, desto begehrenswerter sind sie. Aber sie trifft auch jene, die sich dieser Tradition entziehen - und gerade in weniger Gewicht ein Stück Freiheit und neue Unabhängigkeit finden. Ein Reisebericht, der tiefer geht und das eigene Selbst- und Gesellschaftsbild auf den Kopf stellt.

Tine Wittler, geb. 1973, studierte Kultur- und Kommunikationswissenschaften. Sie begann schon früh journalistisch zu arbeiten und zu schreiben. Bis heute sind von ihr fünf Unterhaltungsromane, mehrere Ratgeber sowie das Sachbuch ?Wer schön sein will, muss reisen? erschienen, zu dem sie auch einen gleichnamigen Dokumentarfilm produzierte. Tine Wittler lebt und arbeitet in Hamburg.

Tine Wittler, geb. 1973, studierte Kultur- und Kommunikationswissenschaften. Sie begann schon früh journalistisch zu arbeiten und zu schreiben. Bis heute sind von ihr fünf Unterhaltungsromane, mehrere Ratgeber sowie das Sachbuch ›Wer schön sein will, muss reisen‹ erschienen, zu dem sie auch einen gleichnamigen Dokumentarfilm produzierte. Tine Wittler lebt und arbeitet in Hamburg.

Nørhede, Dänemark
Mittwoch, 12. August 2009


Och nee, ne! Verdammte Axt. In was habe ich mich jetzt schon wieder reingeritten?!

Da sitze ich nun in meinem kleinen dänischen Ferienhaus; dem Ort, nach dem ich mich nahezu elf Monate im Jahr so sehr sehne, und plötzlich kommt mir ausgerechnet dieser Ort vor wie ein Gefängnis. In meinem Kopf tobt ein Sturm, und in meinen Ohren rauscht es. Wobei Letzteres vermutlich auf eine Ohrenentzündung zurückzuführen ist, die ich mir hier – Ohrenstöpsel hin oder her – jedes Jahr aufs Neue hole, weil ich zwei Stunden pro Tag durch das minikleine, stark gechlorte Schwimmbecken tobe, das dem Häuschen angegliedert ist. Aber egal. Weitaus mehr beschäftigt mich die Tatsache, dass sich hier plötzlich alles ganz anders entwickelt als geplant. Es sollte doch sein wie immer: Einmal im Jahr ziehe ich mich für vier, fünf Wochen hierher zurück, nach Jütland, in besagtes kleines Häuschen. Allein. Um zu schwimmen, Kraft für den Jahresendspurt zu tanken – und vor allem um zu schreiben.

Diesmal steht die Entwicklung von Roman Nummer sechs an. Oder vielmehr: Sie stand an. Denn jetzt sitze ich hier, völlig durcheinander, und die Hauptdarstellerin meines nächsten Romans ist schon tot, noch bevor ich sie überhaupt zum Leben erweckt habe. Sie sollte Kaja heißen und eine ganz normale Frau sein. Eine Frau allerdings, die ein Problem hat (ganz normal also, sag ich ja). Ein Problem, das für sie zum Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens wird: Kaja ist zu dick – und darauf schiebt sie alles, was in ihrem Leben schiefläuft. Allein dieser Umstand, so glaubt Kaja, macht sie klein, minderwertig und machtlos. Die ganze Welt scheint darauf herumzureiten. Und ihr Wunsch, endlich dem herrschenden Schönheitsideal (oder zumindest der akzeptierten Norm) zu entsprechen und somit vermutlich all ihre Probleme auf einen Schlag los zu sein, lässt sie einiges an Fehlern begehen.

Mit dieser Problematik kenne ich mich aus! Als eine der wenigen weiblichen deutschen Prominenten, die nicht die Kleider ihrer sechzehnjährigen Tochter tragen könnten, ist dieses Thema für mich allgegenwärtig. Gerade auf dem glatten Parkett von Fernsehpräsenz und Promipartys habe ich mich anfangs wie der berühmte Elefant im Porzellanladen gefühlt oder wie ein Nilpferd unter lauter Flamingos, und ich weiß durch viele, viele Gespräche, wie sehr dieses Thema auch die meisten anderen Frauen beschäftigt.

Dabei geht es längst nicht nur ums Gewicht: Ob fünf oder fünfzig Kilo zu viel; ob labbrige Oberarme oder schlaffe Schenkel; ob zu kleine Brüste oder eine zu große Nase; ob X- oder O-Beine; ob schlechte Zähne oder schlechte Haut; ob zu alt oder zu faltig – Schönheitsfehler ist Schönheitsfehler, basta, und das ist nun mal ganz und gar nicht gut. Und hinderlich. Und überhaupt. Es ist erschütternd, wie aufopferungsvoll Frauen sich tagein, tagaus mit Selbstzweifeln und Komplexen herumschlagen. Und wie sehr wir alle uns von Idealen und überhöhten Ansprüchen, von bewussten und unbewussten Boshaftigkeiten und von konstanter medialer Gehirnwäsche nur zu gern unter Druck setzen und verrückt machen lassen.

Die Beschäftigung mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung, Darstellung und Behandlung von Menschen, die nicht der erwarteten Norm entsprechen oder nicht als »schön« gelten, ist zu einem Teil meines Lebens geworden. Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen habe ich dieses Thema quasi adoptiert, wenn auch anfangs widerwillig. Und deshalb gehört allen Menschen mit angeblichen Schönheitsfehlern meine ganze Empathie – Menschen wie meiner soeben gestorbenen Romanfigur Kaja eben.

Im Fortlauf ihrer Geschichte sollte Kaja erkennen, dass die Macht der Ideale vielleicht gar nicht so groß ist, wie sie glaubt. Dass diese Macht durchaus begrenzt sein kann – wenn man zum Beispiel einfach mal die Perspektive wechselt. Und deshalb sollte Kaja in »ihrem« Roman auf eine Reise gehen, in der ihr Verständnis von Schönheit, von Perfektion und Ideal, von Begehrenswertem und Verachtenswertem völlig auf den Kopf gestellt wird. Kaja sollte in ein Land reisen, in dem Frauen wie sie als besonders schön gelten – also Frauen, an denen nicht möglichst wenig, sondern möglichst viel dran ist.

Denn das soll es ja tatsächlich (noch?) geben: Länder, in denen jene Frauen als krank, arm, bemitleidenswert und unsexy gelten, die schlank sind. Schön, begehrenswert, reich, gesund und gesegnet sind dort hingegen jene Frauen, die es in Kajas Welt so schwer haben: je runder und je üppiger, desto besser, desto be- und geliebter, desto reicher an Liebe und Lebensqualität. Diese Vorstellung hat mich von Anfang an unglaublich fasziniert. Wie fühlt es sich wohl an, wenn man einem solchen Land einen Besuch abstattet – und das eigene Weltbild, alles, was man bisher erfahren und gelernt hat (und von dem man sich bislang nur zu gern hat stressen lassen), plötzlich nicht mehr gilt?

Trotz ihrer vermutet großen Bedeutung sollte Kajas Reise aber zunächst nur ein kleiner Teil ihrer Erlebnisse sein, aufgrund deren sie eine entspanntere Haltung zu sich selbst, ihrem Körper und ihrer Umwelt finden sollte. Und so habe ich diese Reise in meinem ersten, ein wenig ungeduldig verfassten Exposé eher am Rande erwähnt. Nicht einmal das Land, in das Kaja reisen würde, stand fest; dazu hatte ich noch zu wenig recherchiert. Klar war lediglich, dass es sich dabei um ein arabisches Land handeln würde. Denn dass dort, besonders im Norden und in der Mitte Afrikas, andere Maßstäbe gelten als hier bei uns, wusste selbst ich zu diesem Zeitpunkt schon. Aber welches Land würde sich besonders eignen, um Kaja dorthin zu schicken? Darum hatte ich mir noch kaum Gedanken gemacht.

Es kam, wie es mit dem hastig zusammengezimmerten ersten Exposé kommen musste: Es fiel durch – bei Susanne, meiner Lektorin, und bei Schorsch, meinem Agenten, mit dem ich schon seit meinem allerersten Roman, also seit zehn Jahren, zusammenarbeite.

Aber irgendwie glaubte ich weiterhin an Kaja und ihre Geschichte, und ich war nicht willens, die beiden dranzugeben. Also baute ich übers Wochenende um und aus. Ich dachte, strich, fügte hinzu und wieder zurück, bis ich ganz blöd im Kopf war und selbst nicht mehr genau durchblickte. Aber eines war klar: Kajas Reise gewann dabei enorm und wie von allein an Raum und Wichtigkeit.

In der Zwischenzeit wusste ich immerhin, wo diese sie hinführen sollte: in ein Land namens Mauretanien. Denn ich hatte recherchiert. Ein bisschen. Ach was – rudimentär! Die Internetverbindungen sind hier in diesem Jahr die schlechtesten, die ich jemals erlebt habe – weiß der Henker, woran es liegt, trotz nagelneuer Hardware und obwohl es doch angeblich von Jahr zu Jahr so etwas wie technischen Fortschritt geben soll. Jedenfalls lädt alles nur aufreizend langsam, so dass man das verantwortliche Gerät am liebsten anschreien und schütteln möchte vor Ungeduld. Trotzdem: In Mauretanien gilt das Schönheitsideal der runden Frau angeblich weiterhin. Jedenfalls laut meiner bisherigen Recherchen.

Mauretanien also! Na bravo. Ausgerechnet ein Land, von dem ich noch nicht einmal wirklich wusste, dass es überhaupt existiert. Es ist eines von diesen Ländern, die meine Omi bei »Stadt – Land – Fluss« immer eingetragen und womit sie auch meistens gewonnen hat – aber das war es dann auch mit dem, was ich damit in Verbindung bringe. Trotzdem: Ich gab mich weiter der nervigen Schnecken-Recherche hin, während ich an der zweiten Version meines Exposés arbeitete. Und fand dabei heraus, welche Blüten das »umgekehrte« Schönheitsideal in Mauretanien treibt.

Fasziniert-abgeschreckt las ich darüber, dass es dort Tradition war und teilweise noch sein soll, junge Mädchen regelrecht zu mästen, um sie im wahrsten Sinne des Wortes besser an den Mann bringen zu können. Dass Frauen dort, statt sich mit Diäten und gefährlichen Schlankheitspillen zu quälen, angeblich gefährliche Medikamente einnehmen, um an Gewicht zuzulegen und dem Idealbild der sinnlichen, runden und somit wohlhabenden, gebärfähigen und gesunden Frau nahezukommen.

Ganz »nebenbei« lernte ich, dass Mauretanien mit seinen 2,8 Millionen Einwohnern ein sehr armes Land ist; eine französische Exkolonie mit vielen Nomaden, noch mehr Wüste und einer zunehmenden Bevölkerungswanderung in die wenigen, eh schon überfüllten Städte. Ich erfuhr, dass Mauretanien ein sehr heißes Land ist. Und ein politisch unruhiges; geprägt durch eine Diktatur von 1984 bis 2005 und gebeutelt durch fast ein Dutzend Putsche und Putschversuche. Just im vergangenen Jahr hatte es wieder einen solchen gegeben, in dessen Zuge der erste demokratisch gewählte Präsident durch das Militär gestürzt wurde; vor einigen Wochen, im Juli 2009, war der damalige Putschanführer, ein General, zum Präsidenten gewählt und vor erst wenigen Tagen vereidigt worden.

Aufregend!, dachte ich. Nicht mehr, nicht weniger. Und tippte meine Rechercheergebnisse eifrig in die zweite Variante meines Exposés – fast ohne mir dessen wirklich bewusst zu sein. Vielleicht spürte ich zu diesem Zeitpunkt schon, dass sich mir da etwas auftat, das mich gedanklich noch sehr, sehr lange beschäftigen würde; jedenfalls sandte ich das neue Exposé mit äußerst gemischten Gefühlen ab, die ich im Nachhinein nur schwer beschreiben kann. Ich fühlte eine Unruhe, die ungewohnt war. Dies war nicht die Ungeduld, die ich sowieso jedes Mal an den Tag lege, wenn ich auf ein Feedback zu meiner Arbeit warten muss. Dies war etwas anderes. Um 13.04 Uhr an...

Erscheint lt. Verlag 23.2.2012
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseberichte Europa
Reisen Reiseführer Europa
Schlagworte Beth Ditto • Emanzipation • Mästung • Mauretanien • nouakchott • Schönheitsideal • Unabhängigkeit
ISBN-10 3-10-400853-1 / 3104008531
ISBN-13 978-3-10-400853-0 / 9783104008530
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