Eiskalt

Mit dem Motorrad in die Eiswüsten
Buch | Softcover
300 Seiten
2010
Kastanienhof (Verlag)
978-3-941760-17-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Eiskalt - Bruno Pillitteri
19,95 inkl. MwSt
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Winterzeit. Motorrad einmotten, Garage aufräumen. Öde Arbeit, oder?
Nicht bei Bruno! Der kleine Garagenhof entwickelt sich zum Szenetreff. Es wird geschraubt und geklönt über die gemeinsamen Winterabenteuer auf spiegelglatten Landstraßen, über die Begegnungen am Straßenrand, vereisten Augenbrauen, Kuriositäten, fremde Länder.
So nimmt Bruno den Leser mit auf die ungewöhnlichen Reisen in den
Winter - ob Rumänien, Russland oder hoch in den Norden.
Mit einer guten Mischung aus Selbstironie und dem Blick für die
ungewöhnlichen Dinge hat Bruno Pillitteri die großen und kleinen Trails bei Eis, Schnee und Kälte in Worte gefasst.

Es klopft. Ich öffne das knarrende Garagentor, und vor uns steht ein kleiner Mann im dicken schwarzen Thermokombi. Rote Nase, Sturmhaube und ein breites Grinsen - Rainer ist angekommen. „Na, willste´n Kaffee?“, frage ich ihn. „Komma rein, hier is schön warm.“ Er zieht die dicken Motorradsachen aus und begutachtet unsere Reparaturen. Rainer ist einer meiner besten Freunde. Er ist ‚Rainerpedia“, das wandelnde Motorradlexikon. Er kennt vermutlich alle Motorradmodelle, die seit dem ersten Reitwagen der Herren Daimler und Maybach, entwickelt worden sind. Keine Details, Stärken oder Schwächen einer Motorradkreation sind ihm entgangen. Und er kennt auch alle Fehler, die meine Motorräder jemals hatten - obwohl ich die Tiefschläge schon lange aus meinem Hirn verbannt hatte. Er ist ein Original. Ein Beispiel: In Motorradzeitungen werden oft spärlich bekleidete Frauen direkt neben dem Luxus-Motorrad präsentiert. Wir würden dann sagen: „Wow, was für eine Schönheit!“ Rainer würde sagen: „Wow, habt ihr die geschwungene Auspuffanlage, die verchromten Ventildeckelschrauben und den Superbikelenker der Honda gesehen? Hä … welche Frau?“ Schlendert man mit Rainer über einen Teilemarkt oder ein Motorradtreffen, so sollte man sehr viel Zeit mitbringen. Aus seiner Kontaktfreude und Detailverliebtheit hat sich schon so manche Bekanntschaft ergeben. Meist spielt es sich dann so ab: Freudig springt Rainer über das Treffen: „Aach, guck mal, eine BMW R65 mit EML Beiwagen. Mann, das ist ja Baujahr …“ Ich: „Toll!“ Rainer, ganz ernst: „So eine hatte der Freund meines Nachbarn, dessen Sohn aus zweiter Ehe …“ Ich, nachdenklich: „Mmmh.“ Rainer, philosophierend: „Die hat mindestens fünfzig PS, und die gab es in den Farben schwarz, rot, silbern. Außerdem hatte dieses Modell Getriebeprobleme, die Ausgangswellenlager laufen ein, die Schwimmernadeln verschleißen und das Getriebe kann man bei Israel überholen lassen.“ Ich: „Jooh, aber Rainer, lass uns jetzt weitergehen.“ Rainer, ganz vertieft: „Mann, und die Felgen … ob die wohl original sind?“ Ich: „Komm jetzt!“ Rainer, suchend: „Und der Auspuff, nanu, was ist das für ein Wärmetauscher?“ Ich, genervt: „Eine selbst gebaute Beiwagenheizung.“ Rainer, ganz glücklich: „Mann, geniale Lösung. Guck mal, die funktioniert so …“ Nach einer weiteren halben Stunde … Ich, ziemlich erledigt: „Raaainer, lass uns weitergehen. Das Treffen ist groß, und es wird langsam dunkel.“ Rainer, detailverliebt: „Aber guck mal, die Schraube - wofür ist die denn?“ Mittlerweile kommt der stolze Motorradbesitzer. Rainer, sehr freundlich: „Ich habe auch eine BMW, eine R1100 R.“ Der Besitzer (einer dieser Menschensorte, die ausschließlich den Monolog suchen): „Schön, aber meine BMW ist etwas ganz Besonderes, und schließlich war ich damit schon in Bielefeld und am Nürburgring. Eine hammerharte Nonstop-Tour.“ Ich verdrehe die Augen und kapituliere. Rainer, ganz fasziniert: „Wofür ist die Schraube?“ Halt! Stopp! Fehler, falsche Frage! Denn nun holt der nervige Gespannbesitzer aus. Er wickelt sein Opfer ein, er umkreist es, und langsam aber sicher schnappt die rhetorische Falle zu. Er holt weitläufig aus und überschwemmt Rainer mit langweiligen Anekdoten aus seiner eintönigen Beziehung mit dem öligen Gespann. Seine monotonen Schraubengeschichten treiben mich in den Wahnsinn. Ich bin unruhig, stütze mich am Beiwagen ab, umkreise das Gespann, schaue in die Ferne. Tänzle von einem Bein aufs andere. Ich kann nicht mehr, ich muss weiter. Die Stimme mit piepsigen Wortlauten bohrt sich in mein Hirn, und die Motorrad-Erzählungen versuchen, meine Hirnzellen abzutöten. Rainer hört weiterhin zu, er muss hypnotisiert worden sein, oder er ist mittlerweile im Stand gestorben. Unbeachtet von den beiden schleiche ich mich Schritt für Schritt aus dem Bannkreis seines Redeschwalls. Rainer merkt es nicht, sein Anstand verbietet ihm jegliche Logik. Er hört zu, nimmt wie benommen die Informationen auf. Das Schlimmste - er verarbeitet auch noch diese langweiligen Geschichten. Sein allergrößter größter Fehler - er stellt weitere Fragen. Nach gut einer Stunde treffen wir ihn wieder. Ausgepowert und bleich. Informationen, welche die Welt nicht braucht, zermartern seine Aufnahmefähigkeit. Vollkommen entspannt schlendere ich mit ihm weiter über das Treffen, bis sein Blick auf eine Schraube an einer Solomaschine fällt … und ewig grüßt das Murmeltier. Tja, das ist mein Freund Rainer, eine Frohnatur. Er kann perfekt Motorrad fahren, er kann in Situationen, in denen ich schon längst einen Herzkasper bekommen hätte, noch grinsend um die Ecke kurven, und schafft es immer wieder auf normalen Motorradtouren, sich mit seinem Sohn Mark ein Straßenrennen zu liefern. Im Winter ist Rainer aber anders. Da fährt er brav hinter mir her. Seine Unfähigkeit, sich zu orientieren, zwingt ihn dazu, in zweiter Reihe zu fahren. Außerdem liebt er es, sich auf die Straße und die Landschaft zu konzentrieren. Das lästige Kartenlesen ist einfach nicht seine Welt. Rainer kann man blind vertrauen, seine Hilfsbereitschaft und seine freundliche Art waren schon oft die Eintrittkarten in viele lustige Lagerfeuerrunden. Als wir weiter an Guidos 400N weiterschrauben, zieht Rainer meinen selbst gebauten Alu-Seitenkoffer aus dem Regal, um sich daraufzusetzen. Ich verdrehe mir gerade die Finger, denn die Sicherungsmutter des Ritzels will nicht auf die defekten Gewindegänge. Irgendwo hab ich doch die Gewindefeile …? „Hey, klasse!“, ruft er aufgeregt in die Runde. Sein Blick senkt sich nach unten auf den Koffer. „Da klebt ja noch der alte Elch-Aufkleber drauf … Bruno, wann war das nochmal? Wann haben wir den Sticker gekauft?“ Nils Holgersson Tour 1999 Im Winter nach Mittelschweden Wieder ist ein Jahr vorbei. Ab in den Schnee, nach Schweden - das war der Entschluss, den wir bei der letzten Februartour in Wales fassten. Elmar auf seiner XT 600, Rainer und ich auf dem GSX 1100 G/EML-Gespann. Ein eingespieltes Reiseteam. Die Motorräder werden winterfest gemacht. Das Suzuki-Gespann bekommt neue Auto-Winterreifen (Fulda Kristall Gravito 165/70 R14), zusätzlich montiere ich warme Lenkerstulpen und heizbare Handschuhe. So kann die Kälte kommen. Für den Beiwagenreisenden gibt es ein warmes Schafsfell und einen Haufen Motorradzeitschriften. Die Ventile am Gespann muss ich minimal nachstellen. Die Zündkerzen, das Motoröl und die Bremsflüssigkeit werden vorsorglich gewechselt. Die Enduro bekommt neue Reifen und Lenkerstulpen. Das war‘s. Um dem schwedischen Salz vorzubeugen, werden die Motorräder mit allen erdenklichen Sprühölen und Wachs eingehüllt. Der Rost würde sich sonst gnadenlos in allen Knotenblechen und versteckten Ecken einnisten. Bei dieser Tour wollen wir uns in eine Campinghütte einmieten, sodass das Zelt und die Campingausrüstung zu Hause bleiben können. Den freigewordenen Platz reservieren wir für das wichtige Gepäck: ein klappbarer Schlitten, ein paar Handys (falls wir uns in den weiten Ebenen Schwedens verlieren sollten) und diverse Ersatzteile, die vermutlich nie gebraucht werden. Die Fahrt beginnt früh morgens in Duisburg. Es ist feuchtkalt. Wie immer hat uns meine Mutter ein Brot gebacken, und die erste Rast mit frischem Brot, heißen Kaffe und Mettwürstchen vom heimischen Metzger lässt unsere Reiselaune - entgegen der Temperatur - mächtig steigen. Die Autobahn Richtung Bremen ist plötzlich gesperrt. Polizisten winken uns heraus. Vier Beamte umringen das Gespann und die Papiere werden verlangt. Ungewöhnlich - vier Polizisten für zwei winterfahrende Motorräder? Jeder der sehr jungen Beamten untersucht die Reifen, die Beleuchtung das Gepäck. Die Zeit läuft uns davon. „Was ist los?“, frage ich. „Wen sucht ihr?“ „Ach, alles ist in Ordnung“, sagt ein älterer Polizist aus dem Hintergrund. „Für die Jungs gehört das zur Ausbildung. Wir üben heute die Fahrzeugkontrollen.“ Na klasse! Über die Autobahn erreichen wir den Schwedenkai in Kiel. Die Göteborg-Fähre ‚Gremanica‘ wartet schon auf uns. Wie eine autarke Kleinstadt liegt das Schiff vor uns. Aus dem Schornstein steigen die Dieselrauchsäulen senkrecht in die Luft, und wir kommen uns mit den Motorrädern ziemlich klein vor, als wir in den Bauch der riesigen Fähre verschwinden. Das Einchecken verläuft problemlos und das Vertäuen der Motorräder übernehmen wir lieber selber. Aufgrund unserer Erfahrung der letzten Englandreise haben wir diesmal eine Kabine gemietet. Noch so eine Nacht im unbequemen Pullmannsessel - das muss wirklich nicht sein. Am Abend spielt die bordeigene Band alte ABBA-Songs, und die Lkw-Fahrer amüsieren sich mit ein paar betrunkenen Touristinnen. Das Abendessen und das Frühstücksbüffet werden von uns mal wieder tüchtig übertrieben und ich habe das Gefühl, dass der Thermokombi enger geworden ist. Etwas dicklich erreichen wir am nächsten Morgen pünktlich um neun Uhr den Hafen von Göteborg. Diesig ist es hier. Über das Schweden-Touristikbüro in Hamburg haben wir uns vor Beginn der Reise den aktuellen Campingführer schicken lassen. Nur wenige Campingplätze haben um diese Jahreszeit geöffnet, und so haben wir uns den Campingplatz Mösseberg ausgesucht. Dort kann man Campinghütten mieten, und das Beste - sie haben eine Sauna. Der Mösseberg liegt im einhundertsechzig Kilometer entfernten Falköping. Wir rumpeln vom Schiff und Schweden begrüßt uns mit einem nieseligen und zu warmen Morgen. Wir sind ein bisschen enttäuscht. In unsere Fantasie ist Schweden das Land des Schnees und der Elche - und jetzt so ein Wetter! Knapp über null Grad zeigt das Thermometer an. Die Straßen sind frei und auf den Seen knackt das schon schmelzende Eis.

Erscheint lt. Verlag 21.11.2010
Reihe/Serie Edition Motorrad
Sprache deutsch
Maße 180 x 130 mm
Gewicht 307 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Reisen Reiseberichte Australien / Neuseeland / Ozeanien
Reisen Reiseberichte Welt / Arktis / Antarktis
Schlagworte Dragon Rallye • Eiskalt • Elefantentreffen • Europa; Reisebericht/Erlebnisbericht • Europa; Reise-/Erlebnisberichte • Motorrad • Motorradreise; Reisebericht/Erlebnisbericht • Motorradreise; Reise-/Erlebnisberichte • Rumänien • Russland • Schloss Augustusburg • Schottland • Thumansbang Solla • Winter • Winterfahren
ISBN-10 3-941760-17-3 / 3941760173
ISBN-13 978-3-941760-17-2 / 9783941760172
Zustand Neuware
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