Mein Capri

(Autor)

Buch
192 Seiten
2010 | 3. Auflage
mareverlag
978-3-86648-134-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein Capri - Claretta Cerio
20,00 inkl. MwSt
" Mein Capri ist ein unerschöpfliches Reservoir

an Menschen, ein Kaleidoskop von

Schicksalen, eine Bühne mit Stars,

Primadonnen und Charakterdarstellern."
Wer heute nach Capri reist, dem kann vieles von dem alten Zauber, der den

legendären Ruf der Insel begründet hat, entgehen. Claretta Cerio aber hat jene

Zeit selbst erlebt: Als Tochter eines Deutschen und einer Italienerin auf Sylt und

Capri aufgewachsen, verbrachte sie ihre intensivsten Jahre auf der Insel im

Tyrrhenischen Meer, wo sie 1953 den Schriftsteller Edwin Cerio heiratete und

zahlreichen Künstlerpersönlichkeiten begegnete. Jetzt erzählt sie die Geschichte

der Capreser Villen und ihrer Bewohner: Sie weiß, in welcher Gesellschaft

Wladimir Iljitsch Uljanow in der Villa Rossa feierte, bevor er als Lenin bekannt

wurde, weshalb Alfred Krupp sich von den Capresen verstanden fühlte und

warum Brecht die Insel eine "verdammte blaue Limonade" nannte. Sie berichtet

von der parabelhaften Feindschaft zwischen dem Küstenstädtchen Capri und

dem Bergdorf Anacapri, von der Schrulligkeit der deutschen Pensionsgäste der

1930er Jahre und von Göttern und Naturgeistern, die der einsame Wanderer

noch heute trifft, wenn er sich fern von allem Massentourismus auf die steilen

Pfade des Monte Solaro wagt.

Auf unwiderstehlich charmante Weise lässt Claretta Cerio den Glanz vergangener

Zeiten lebendig werden. Zugleich zeichnet sie klarsichtig und mit

feinem Humor ein differenziertes Bild der Insel jenseits aller Klischees,

die uns von Postkarten und Schlagern bekannt sind, und bringt uns so ihr

Capri nahe.

Claretta Cerio, 1927 auf Capri geboren, verlebte die ersten Jahre ihrer Kindheit auf Sylt. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zog ihre früh verwitwete italienische Mutter mit den vier Kindern zurück nach Capri. Claretta Cerio studierte Philologie an der Universität Neapel und promovierte über Capri in der deutschen Literatur. Sie ist Autorin von Romanen und Kriminalgeschichten und verfasste Texte für verschiedene Fotobücher über die Insel. Die meisten Bücher entstanden in deutscher Sprache. Heute lebt sie in der Toskana.

Spätsommer, herrliches, klares Wetter, das Meer eine zartblau seidenglänzende Tafel. Um Punkt acht

Uhr morgens waren wir auf der Sirena und stiegen in das kleine Boot, das unter unserem Gewicht

schwankte, bis wir uns auf die schmalen Seitenbänke gehockt hatten.

Giacobbe saß schon in der Mitte auf der Bank, er spuckte in die Hände, ergriff die Ruder, tauchte sie

ins Wasser, zog sie durch, hob sie heraus, tauchte sie wieder hinein, zog sie durch, im Takt, immer

derselbe Ablauf, wieder und wieder und wieder. Ich schaute auf seinen Rücken und sein verwaschenes,

ärmelloses Wollhemd. Sein nach vorn gestreckter grauschopfiger Kopf, der dunkel gebeizte Nacken, die

kräftigen Schulterblätter, seine Arme und Hände schienen mit den Rudern verwachsen zu sein, eine

Maschinerie aus Mensch und Boot, die unablässig und rhythmisch dieselben wenigen Bewegungen

ausführte, damit wir in lautlosen Schüben übers Wasser glitten. Es war, als würden das leichte Knarren

der Riemen an den Dollen und das schwache Glucksen am Bootsrand die große Stille um uns noch

pointieren.

Von der kleinen Halbinsel Sirena steuerten wir auf Punta Mulo zu, das Felsenkap, das die Bucht der

Marina Piccola abgrenzt, und als wir es umschifften, verschwand das vertraute Panorama aus meinen

Augen, und die Angst stieg in mir auf. Ich war in dem Alter pathologisch furchtsam, was vielleicht am

frühen Tod unseres Vaters lag, jedenfalls überfielen mich auch in alltäglichen Situationen Vorstellungen

der schrecklichsten Gefahren. Bei unserer Rundfahrt an jenem Morgen gab es nicht den geringsten

Anlass zu Befürchtung - das Meer spiegelglatt, Windstille und Sonnenschein, Giacobbe ein mir vertrauter

und erfahrener Seemann und neben mir das freundliche, zuverlässige Touristenpaar -, und

trotzdem blickte ich mit Herzklopfen zu der zerklüfteten Bergwand, an der wir entlangfuhren. Unser

kleines Boot würde unweigerlich an ihr zerschellen, wenn der plötzliche Orkan ausbrechen sollte, den

mir meine Panik ankündigte.

Es gehört zu einem sonderbaren Dualismus, dass man gleichzeitig Angst empfinden und dabei auch

Schönheit wahrnehmen kann. So saß ich in stummer Beherrschung, die Hände an den Rand der Bank

gekrallt, und verspürte doch auch Neugier und Staunen. Dieses langsame, lautlose Gleiten, immer längs

der felsigen, hohen Küste und dicht daran, führte uns kleine Wunder vor Augen, denn man sah, was im

Gestein, oben an der Luft, blühte und krabbelte, und beugte man sich über den Bootsrand, verlor sich

der Blick weit unten in einem fremden, verlockenden Universum. Das Meer war so durchsichtig, dass

man in der Tiefe weit unterhalb des Wasserspiegels das steinerne Fundament der Insel erkennen konnte,

in den Ritzen die Seeigel und Anemonen und auf dem Grund Gräser und Algen, durch die winzige

Fische blitzten.

"Jetzt kommen wir zur Grünen Grotte", meldete Herr Schlegel, der einen Reiseführer auf den Knien

aufgeschlagen hielt.

Bei dem Wort "Grotte" überfielen mich neue Angstvorstellungen, während unser Boot langsam auf

eine dunkle Felsenspalte zuglitt, den Eingang ins Berginnere, aus dem es uns kühl entgegenwehte.

"Zauberhaft! Zauberhaft!", rief Frau Schlegel aus, als unser Boot in die Grotte einfuhr und Giacobbe

zu rudern innehielt. Spielerisch ließ er die beiden hölzernen Stangen im Wasser kreisen, das in allen

Grünfärbungen schillernd aufleuchtete und zart wogend die Nuancen mischte wie in einem Topf flüssig

gewordener Smaragde, Chrysoprase und Jadesteine, und dabei tanzten die Reflexe irrlichternd über die

schrundigen Wände und zur Decke der Grotte. Mit dem Aplomb eines Zauberkünstlers, der gekonnt

den Effekt seiner Tricks zu steigern weiß, hob Giacobbe die Stangen auf Höhe des Bootrands, und von

den Ruderblättern tropften grün funkelnde Brillanten; dann stri

Erscheint lt. Verlag 27.8.2010
Sprache deutsch
Maße 130 x 210 mm
Gewicht 310 g
Einbandart geheftet
Themenwelt Reisen Reiseberichte Europa
Schlagworte Bergdorf Anacapri • Biografisch • Capri • Capri, Geschichte; Berichte/Erinnerungen • Pensionsgäste
ISBN-10 3-86648-134-9 / 3866481349
ISBN-13 978-3-86648-134-3 / 9783866481343
Zustand Neuware
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