Polizei- und Ordnungsrecht Berlin - Grundzüge des Zwangsrechts -  Patrick Lerm

Polizei- und Ordnungsrecht Berlin - Grundzüge des Zwangsrechts (eBook)

Lern- und Fallbuch für Ausbildung und Studium

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
162 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-1813-6 (ISBN)
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Das vorliegende Buch richtet sich primär an angehende Polizeikräfte (Auszubildende und Studierende) im Land Berlin, die sich gezielt und vertieft auf Prüfungen im Fach Polizei- und Ordnungsrecht (POR) vorbereiten möchten. Das Buch enthält alle gängigen Arten der Verwaltungsvollstreckung sowie die dazugehörigen Prüfschemata inklusive Musterlösungen. Patrick Lerm ist Polizeihauptkommissar bei der Bundespolizei und bereits seit nunmehr 8 Jahren hauptamtlicher Dozent für das polizeiliche Eingriffsrecht. Das Buch wird ergänzt durch korrespondierende Lernvideos auf dem YouTube-Kanal So geht Einsatzrecht!, der vom Autor betrieben wird.

Patrick Lerm ist Polizeihauptkommissar, Dozent und Autor zahlreicher Bücher zum Sicherheits- und Beamtenrecht und zudem Gründer des YouTube-Kanals So geht Einsatzrecht!

F. Formen des Verwaltungszwanges


Der Zwang ist das schärfste Schwert, das einer Verwaltungsbehörde zur Durchsetzung ihrer Maßnahmen zur Verfügung steht. Zwang hat jedoch keinen Selbstzweck, noch dient dieser der Bestrafung. Wenn ein Polizeivollzugsbeamter oder eine Polizeivollzugsbeamtin Zwang anwenden will, dann wenden diese den Zwang immer an, um eine (Grund-)Maßnahme durchzusetzen. Der Einsatz von Zwangsmitteln hat keinen Selbstzweck, sondern dient dazu, eine polizeiliche oder strafprozessuale Maßnahme durchzusetzen.

MERKE:

Zwang dient als Beugemittel und

ist ultima ratio der Rechtsdurchsetzung!

Oder anders ausgedrückt:

Was passiert, wenn der Bürger NEIN sagt?

Im Verwaltungsvollstreckungsrecht gibt es grundsätzlich drei Zwangsmittel, um eine Maßnahme zu vollstrecken (siehe dazu § 9 Abs. 1 VwVG). Andere Zwangsmittel sind unzulässig.

Im täglichen Dienst dürfte für Polizeikräfte in aller Regel nur der unmittelbare Zwang gemäß § 12 VwVG von Bedeutung sein. Dennoch sind die beiden anderen Vollstreckungsarten für die Polizei als Behörde nicht ganz ohne Bedeutung. Aus diesem Grund erfolgt zunächst eine Erläuterung der Ersatzvornahme und des Zwangsgeldes.

I. Ersatzvornahme (§ 10 VwVG)


Kurzdefinition:

Bei der Ersatzvornahme handelt es sich um die Vornahme einer vertretbaren Handlung anstelle und auf Kosten des Handlungspflichtigen durch einen Dritten.

Durch § 10 VwVG wird der Begriff der Ersatzvornahme legal definiert – bitte jetzt lesen. Eine Ersatzvornahme ist die (kostenpflichtige) Beauftragung eines Dritten zur Vornahme einer vertretbaren Handlung, da der Polizeipflichtige die Handlung selbst nicht vornimmt und auch nicht vornehmen will. Es liegt demnach nur eine Ersatzvornahme vor, wenn die Behörde einen selbstständigen Unternehmer im Rahmen eines Werkvertrags oder im Rahmen eines werkvertragsähnlichen Vertrags beauftragt.

Ersatzvornahme
Tatbestand Rechtsfolge
1. TBM:
Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen (nur positives Tun; kein Dulden und kein Unterlas
• Beauftragung eines Dritten durch die Vollzugsbehörde mit der Vornahme der Handlung sen)
• Kostentragung durch den Pflichtigen
2. TBM:
Vertretbare Handlung?
Eine Handlung ist vertretbar, wenn die Vornahme durch einen Dritten tatsächlich und rechtlich zulässig ist und es für den Berechtigten (hier: Polizei Berlin) tatsächlich und wirtschaftlich gleichbleibt, ob der Pflichtige oder ein anderer die Handlung vornimmt.

Wichtig:

Der Bürger zeigt gegenüber der Behörde einen entgegengesetzten Willen. Der Sinn der Ersatzvornahme ist es, den Verpflichteten zu zwingen, die geforderte Maßnahme vorzunehmen. Demnach kann der Verpflichtete die Handlung bis zur Durchführung der Ersatzvornahme selbst vornehmen. Nimmt die Vollzugsbehörde die Handlung selbst vor, liegt keine Ersatzvornahme, sondern eine Selbstvornahme gemäß § 12 VwVG (= unmittelbarer Zwang) vor.

Der Vollstreckungsschuldner hat die Kosten zu tragen („auf Kosten des Pflichtigen“). Die Voraussetzung ist die Nichterfüllung der Verpflichtung zur Vornahme einer bestimmten – vertretbaren – Handlung.

  • Definition vertretbare Handlung: Eine Handlung ist vertretbar, wenn die Vornahme durch einen Dritten tatsächlich und rechtlich zulässig ist und es für den Berechtigten tatsächlich und wirtschaftlich gleichbleibt, ob der Pflichtige oder ein anderer die Handlung vornimmt.
  • Grundsätzlich kommt hierfür nur positives Tun in Betracht.
  • Dulden und Unterlassen ist nie vertretbar. Auch höchstpersönliche Handlungen sind nicht vertretbar (bspw. das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während der Corona-Pandemie).

Die drei Akteure bei der Ersatzvornahme im Überblick6:

Die Ersatzvornahme kommt nur bei vertretbaren Handlungen in Betracht. Wenn eine höchstpersönliche, d. h. eine unvertretbare Handlung vorliegt, entfällt die Ersatzvornahme (siehe dazu die nachfolgende Tabelle).

Unterscheidung
Vertretbare Handlung Unvertretbare Handlung
Eine vertretbare Handlung kann auch durch Dritte vorgenommen werden. Rechtlich und tatsächlich bleibt es für die Polizei oder die Ordnungsbehörde gleich, ob der Betroffene oder ein anderer diese erfüllt. Eine unvertretbare Handlung kann nicht durch Dritte vorgenommen werden. Dies sind höchstpersönliche Handlungen (z. B. die Vorladung, das Vorzeigen des Ausweises), die nur der Adressat erbringen kann.
→ Wird auch als Fremdvornahme bezeichnet.
Beispiel: Beispiel:
Auf einem Berliner Grundstück in Reinickendorf brach eine Rattenplage aus, weil eine unbekannte Person den Tieren Futter serviert. Sie kletterten auch in die Dämmung des Nachbargebäudes. Nach einer Ortsbesichtigung durch das Gesundheitsamt ver Der X erhält einen Platzverweis. [Kontrollfragen: Wer – außer der X – kann den Platzverweis vornehmen bzw. umsetzen? Was soll ein Dritter hier tun?]
pflichtete das Bezirksamt die Antwort:
nicht einsichtige Eigentümerin des Grundstücks dazu, binnen einer Woche eine Fachkraft mit der Durchführung der Rattenbekämpfung zu beauftragen und hierüber Nur der X, da der Platzverweis eine höchstpersönliche Handlung darstellt.
das Bezirksamt schriftlich zu informieren. Sollte dies nicht geschehen, drohte das Bezirksamt an, die nötigen Maßnahmen selbst auf Kosten der Eigentümerin vorzunehmen. Die Eigentümerin ist laut VG verpflichtet, die Plage zu bekämpfen - auch wenn sie diese nicht selbst heraufbeschworen hat.7 Eine Ersatzvornahme kommt hier von Grund auf schon nicht in Betracht.

II. Zwangsgeld (§ 11 VwVG)

Das Zwangsgeld ist ein Beugemittel zur Durchsetzung eines bis dahin nicht befolgten VA. Da es ein Beugemittel ist, ist ein Verschulden nicht erforderlich und auch das Verbot der Doppelbestrafung gem. Art. 103 Abs. 2 GG wirkt nicht. Das Zwangsgeld ist strikt von Verwarnungs- oder Bußgeldern zu trennen.

Es dient vorrangig zur Durchsetzung einer unvertretbaren Handlung:

[§ 11 Abs. 1 S. 1 VwVG] Kann eine Handlung durch einen anderen nicht vorgenommen werden und hängt sie nur vom Willen des Pflichtigen ab, so kann der Pflichtige zur Vornahme der Handlung durch ein Zwangsgeld angehalten werden.

Zwangsgeld (§ 11 Abs. 1 S. 1)
Tatbestand Rechtsfolge
1. TBM:
Handlung kann durch einen anderen nicht vorgenommen werden, also höchstpersönliche Handlung
• Zwangsgeld kann durch die Behörde in Aussicht gestellt werden
2. TBM:
Entgegengesetzter Wille ist ausschlaggebend und der einzige Grund, warum die Handlung nicht vorgenommen werden kann.

Das Zwangsgeld ist aber auch zulässig bei vertretbaren Handlungen, „wenn die / oder der Pflichtige der Verpflichtung zuwiderhandelt, eine Handlung zu dulden oder zu unterlassen (siehe dazu auch § 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 VwVG).

[§ 11 Abs. 1 S. 2 VwVG] Bei vertretbaren Handlungen kann es verhängt werden, wenn die Ersatzvornahme untunlich ist, besonders, wenn der Pflichtige außerstande ist, die Kosten zu tragen, die aus der Ausführung durch einen anderen entstehen.

Zwangsgeld (§ 11 Abs. 1 S. 2)
Tatbestand Rechtsfolge
1. TBM:
Vertretbare Handlung
• Zwangsgeld kann durch die Behörde in Aussicht gestellt werden
2. TBM:
Ersatzvornahme untunlich = „schlechterdings unangemessen“

Beispiel zu § 11 Abs. 1 S. 2 VwVG: Mehrere Bäume behindern die Einfahrtsmöglichkeit der Feuerwehr bei einem Pflegeheim. Die hartnäckige Grundstückeigentümerin Frau Hart äußert im Rahmen der Anhörung gegenüber der zuständigen Ordnungsbehörde,...

Erscheint lt. Verlag 11.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Recht / Steuern Allgemeines / Lexika
ISBN-10 3-7597-1813-2 / 3759718132
ISBN-13 978-3-7597-1813-6 / 9783759718136
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