Vermögensabschöpfung im gewerblichen Güter- und Personenverkehr (eBook)
138 Seiten
Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG
978-3-415-07645-7 (ISBN)
C.Geldbuße
I.Geldbuße gegen den Täter – § 17 OWiG
Die Vorschrift des § 17 OWiG findet ausschließlich auf den Bußtäter Anwendung und enthält die Kriterien, nach denen im Ordnungswidrigkeitenrecht eine Geldbuße gegen natürliche Personen verhängt werden darf. Abgesehen von den in Absatz 1 genannten Mindest- und Höchstbeträgen des Bußgeldes, bestimmt Absatz 3 die Grundlagen für die Bemessung der Geldbuße im Einzelfall. Sie hängt ab von der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit, der Art des Vorwurfs, der den Täter trifft, sowie dessen wirtschaftlichen Verhältnissen. Fahrlässiges Handeln kann, wenn überhaupt, mit Geldbuße bedroht, im Höchstmaß nur mit der Hälfte des angedrohten Höchstbetrages geahndet werden. Außerdem soll die Geldbuße gemäß Absatz 4 den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Handlung gezogen hat, übersteigen. Dabei darf sogar das gesetzliche Höchstmaß der Geldbuße überschritten werden.
Die Regelung des § 17 OWiG dient demnach im Gegensatz zur Geldstrafe im Strafrecht auch dazu, den Vermögensvorteil des Täters aus der Begehung der Ordnungswidrigkeit abzuschöpfen (Nettoprinzip). Demnach übernimmt die Geldbuße zugleich die Funktion der Gewinnabschöpfung.
Dem Täter soll ein aus der Ordnungswidrigkeit vermögensrechtlich erlangter Vorteil nicht belassen werden.[7] Grundsätzlich fehlt der Geldbuße das mit der Kriminalstrafe notwendig verbundene Unwerturteil. Da es nicht Zweck der Geldbuße ist, eine Tat zu „sühnen“, d. h. einen Ausgleich für sozialethische Schuld herbeizuführen, ist es insofern auch unbedenklich, dass die Geldbuße auch die Funktion der Gewinnabschöpfung übernimmt, wie dies in § 17 Abs. 4 OWiG bestimmt ist.[8]
Nach dem Nachweis der Tatbestandsmäßigkeit, der Rechtswidrigkeit und Vorwerfbarkeit der Ordnungswidrigkeit wird gemäß § 17 Abs. 4 OWiG beim Täter eine (Gesamt-)Geldbuße verhängt, die sowohl die Abschöpfung des erlangten wirtschaftlichen Vorteils („Gewinnanteil“) als auch einen „Sanktionsanteil“ (siehe OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.08.2018, 3 Rb 5 Ss 478/18) beinhaltet. Buße und Gewinnabschöpfung erscheinen in einer Summe als Geldbuße im Tenor des Bußgeldbescheids, sollten aber in der Begründung des Bußgeldbescheides jeweils gesondert dargestellt sein. Der wirtschaftliche Vorteil, den der Täter aus der Tat erlangt hat, bestimmt dabei im Regelfall die untere Grenze der Geldbuße.[9] Zumindest aus den Akten zum Bußgeldbescheid sollte die Grundlage bzw. die Berechnung, aus der sich der Gewinnanteil ergibt, nachprüfbar und ersichtlich sein.
Die Verbindung der Gewinnabschöpfung mit der Geldbuße dient damit grundsätzlich der Vereinfachung.
Diese Regelung kann aber nur auf eine natürliche Person zutreffen, die eine Bußtat – in rechtswidriger und vorwerfbarer Weise – als Alleintäter oder als Beteiligter (§ 14 OWiG) mit eigener „illegaler Gewinnbeteiligung“ begangen hat. Fällt der wirtschaftliche Vorteil einer anderen natürlichen Person zu, kommt § 17 Abs. 4 OWiG beim Täter nicht zum Zuge. Da in diesen Fällen die Festsetzung einer Geldbuße gegen die (tatunbeteiligte) erlangende Person ausscheidet, muss ihr der wirtschaftliche Vorteil belassen bleiben, obwohl sie ihn rechtswidrig erlangt hat.
Füllt die Bußtat die Kassen einer juristischen Person oder Personenvereinigung (z. B. einer GmbH oder OHG) bzw. erspart sich diese rechtswidrig Aufwendungen, so kann die Bußgeldbehörde den wirtschaftlichen Vorteil auch nur von der juristischen Person oder Personenvereinigung abverlangen. Die rechtliche Möglichkeit hierzu ergibt sich – allerdings unter hohen Voraussetzungen und daher nur in eingeschränktem Maße (siehe unten) – aus § 30 OWiG.
Abbildung 4
II.Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen – § 30 OWiG
Die Vorschrift des § 30 Abs. 1 OWiG lässt eine Geldbuße gegen juristische Personen, Personenvereinigungen und nicht rechtsfähige Vereine zu, falls ein vertretungsberechtigtes Organ oder ein Mitglied eines solchen Organs einer juristischen Person, ein Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder ein Mitglied eines solchen Vorstandes oder ein vertretungsberechtigter Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit begangen hat und dabei Pflichten, die die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind und die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte.
Nach § 30 Abs. 4 OWiG kann gegen die juristische Person bzw. Personenvereinigung selbstständig ein Bußgeld auch dann festgesetzt werden, falls gegen den Täter kein Verfahren durchgeführt wird, so z. B. wegen geringer individueller Schuld oder weil er konkret nicht ermittelt werden kann. Dabei muss aber feststehen, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Täterkreis des Absatzes 1 gehört.
In den Fällen der Gewinnerzielung für juristische Personen durch deren (leitende) Angestellte besteht gemäß §§ 30, 130 OWiG die Möglichkeit, gegen diese juristische Person eine Geldbuße festzusetzen und damit die erzielten Gewinne abzuschöpfen (vgl. § 30 Abs. 3 OWiG). Gleichzeitig kann evtl. auch gegen die vorwerfbar handelnde – aber nicht bereicherte – natürliche Person ein Bußgeld verhängt werden (§§ 9, 17 OWiG).
Die 1986 modifizierte Regelung des § 30 OWiG greift aber in den Fällen nicht ein, in denen für die Zuwiderhandlung in dem Unternehmen keine zum Leitungsbereich gehörende Personen, sondern Angestellte auf einer unteren Ebene verantwortlich sind.
Die Vorschrift wurde zuletzt zum 01.07.2013 verschärft:
So wurde gemäß Absatz 2 der Bußgeldrahmen (also der Sanktionsanteil) im Falle einer vorsätzlichen Straftat von 1 Mio. Euro auf 10 Mio. Euro und für eine fahrlässige Straftat von 500.000 Euro auf 5 Mio. Euro jeweils verzehnfacht. Nach Satz 3 gilt das Prinzip der Verzehnfachung, soweit das Gesetz auf § 30 OWiG verweist, auch für begangene Ordnungswidrigkeiten.
Erweiternd regelt Abs. 2a für die dort genannten Fälle auch die Festsetzung einer Geldbuße gegen den oder die Rechtnachfolger.
III.Wirtschaftlicher Vorteil in §§ 17 Abs. 4, 30 Abs. 3 OWiG
Der aus der Ordnungswidrigkeit gezogene wirtschaftliche Vorteil bestimmt für den Regelfall die untere Grenze der Geldbuße.[10] Um diesen zu ermitteln, ist folgende Frage zu stellen (und zu beantworten): Wie wäre die Vermögenslage des Täters, des Beteiligten, des Unternehmens, wenn die Bußtat(en) nicht begangen worden wäre(n)? Auch andere wirtschaftliche Vorteile als der Gewinn zählen dazu, etwa die Verbesserung der Marktposition, die teilweise oder völlige Verdrängung der Konkurrenz auf dem Markt[11] und/oder der etwaige Gebrauchsvorteil.
Bei der Berechnung des wirtschaftlichen Vorteils findet das Nettoprinzip Anwendung. Der wirtschaftliche Vorteil errechnet sich grundsätzlich aus dem durch die Tatbegehung resultierenden Gewinn. Dies ist jedoch nur beim Täter selbst (§ 17 Abs. 4 OWiG) bzw. bei einer juristischen Person (§ 30 Abs. 3 OWiG) anwendbar.
In der Praxis bereitet die konkrete Berechnung des wirtschaftlichen Vorteils erhebliche Schwierigkeiten, da dieser häufig durch die „gewinnmindernden“ Angaben des Täters (z. B. geleistete Aufwendungen, entstandene Kosten) nach unten gerechnet wird bzw. sogar von Angaben oder Vergleichswerten der Fachverbände abhängig ist. Entweder führt dies zu einem erheblichen Ermittlungsaufwand und/oder zu hohen Kosten bzw., wenn man hiervon absieht, zu niedrigen Geldbußen.
Ein weiteres Defizit ergibt sich aus der grundsätzlich nicht vorhandenen Möglichkeit, vorläufige Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Vor Erlass eines Bußgeldbescheides ist der Täter anzuhören und nach Zustellung des Bußgeldbescheides hat der Täter zwei Wochen die Möglichkeit, Einspruch einzulegen (§ 67 OWiG). In dieser Zeit – für den Fall des Einspruchs bis zu einer gerichtlichen Entscheidung – kann der Bußgeldbescheid nicht (vorläufig) vollstreckt werden. Der Täter hat also genügend Zeit, etwaige Vermögenswerte beiseitezuschaffen oder sich z. B. ins Ausland abzusetzen. Einzig unter den Voraussetzungen des § 132 StPO ist die Erhebung einer Sicherheitsleistung in Höhe des zu erwartenden Bußgelds und der Verfahrenskosten möglich. Hierbei können die mitgeführten Gegenstände des Betroffenen und sein Transportmittel als Sicherheit erhoben werden. Mit Erlass des Bußgeldbescheides kann seit dem 01.07.2013 gemäß Absatz 6 zur Sicherung der Geldbuße entsprechend § 111e Abs. 2 der StPO ein Vermögensarrest angeordnet werden (mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Urteils der Bußgeldbescheid tritt). Diese Möglichkeit betrifft lediglich den Zeitraum zwischen Erlass des Bußgeldbescheids und dessen Rechtskraft und dürfte demnach nur in speziellen Fällen mit einem überwiegenden Sicherungsbedürfnis in Betracht kommen (z. B. bei gravierenden Kartell- oder Schwarzarbeitsverstößen).
Zusammenfassend ergeben sich bei der Anwendung der §§ 17 Abs. 4 und 30 Abs. 3 OWiG folgende Nachteile:
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- Die Vorwerfbarkeit (Schuld) muss vorliegen, rechtswidriges Handeln genügt nicht.
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- Es gibt keine ausreichende Handhabe, wenn der Gewinn einem Dritten zufließt,
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- und der Dritte eine juristische Person ist und diese bei der Tatbegehung nicht von einem „leitenden Angestellten (Organ)“ vertreten wurde,
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- bei natürlichen Personen.
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- Es bestehen Probleme bei...
Erscheint lt. Verlag | 2.7.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Recht / Steuern ► Strafrecht |
ISBN-10 | 3-415-07645-8 / 3415076458 |
ISBN-13 | 978-3-415-07645-7 / 9783415076457 |
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