Das Vermieter-Praxishandbuch (eBook)
432 Seiten
Haufe Verlag
978-3-648-17585-9 (ISBN)
Rudolf Stürzer arbeitet seit über 30 Jahren als Rechtsanwalt und Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins München. Er ist erfolgreicher Autor der Haufe Group, u.a. der Fachbücher 'Vermieter-Lexikon', 'Mietrecht für Vermieter von A-Z', 'Praxishandbuch Wohnungseigentum', 'Vermieter-Praxishandbuch' und 'Einbruchsicherung - So schützen Eigentümer, Vermieter und Mieter ihre Immobilie'.
Rudolf Stürzer Rudolf Stürzer arbeitet seit über 30 Jahren als Rechtsanwalt und Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins München. Er ist erfolgreicher Autor der Haufe Group, u.a. der Fachbücher "Vermieter-Lexikon", "Mietrecht für Vermieter von A-Z", "Praxishandbuch Wohnungseigentum", "Vermieter-Praxishandbuch" und "Einbruchsicherung - So schützen Eigentümer, Vermieter und Mieter ihre Immobilie". Michael Koch Michael Koch, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in München, stellt unter Einbeziehung seiner langjährigen praktischen Erfahrung in Mietsachen das gesamte Wohn- und Geschäftsraummietrecht in einer sowohl für den Laien verständlichen als auch für den Fachmann hilfreichen Art und Weise dar. Martina Westner Martina Westner, Rechtsanwältin, ist seit über 15 Jahren als Beraterin beim Haus- und Grundbesitzerverein München mit dem Schwerpunkt Mietrecht tätig.
1.2 Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz: Was muss der Vermieter bei der Auswahl der Bewerber beachten?
Das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung – Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das im vorangegangenen Gesetzesentwurf noch als Antidiskriminierungsgesetz bezeichnet wurde, ist am 18.8.2006 nach langen politischen Diskussionen in Kraft getreten (BGBl . 2006, Teil I, S. 1897 ff.).
Ziel dieses Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen (§ 1 AGG). Praktische Bedeutung hat das AGG insbesondere im Arbeitsrecht und im Mietrecht.
1.2.1 Anwendungsbereich
Im Bereich der Wohnungsvermietung gilt das AGG nicht, wenn der Vermieter oder einer seiner Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück nutzt (§ 19 Abs. 5 S. 2 AGG). Zu den Angehörigen zählen der Ehegatte (auch der getrennt lebende), die Eltern, die Geschwister, alle Verwandten in gerader Linie, das bedeutet Kinder, Enkel, Urenkel, Stiefkinder, Schwager/Schwägerin, Schwiegereltern, Neffen/Nichten.
Ferner findet das AGG keine Anwendung, wenn ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Mietvertragsparteien oder ihrer Angehörigen begründet wird (§ 19 Abs. 5 S. 1 AGG). Unter welchen Umständen dies der Fall ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Hier muss die dazu ergehende Rechtsprechung abgewartet werden.
Liegen diese Ausnahmetatbestände nicht vor, vermietet der Vermieter aber insgesamt nicht mehr als 50 Wohnungen, kommt das AGG nur eingeschränkt zur Anwendung, das heißt, der Vermieter muss nur die Diskriminierungstatbestände »Rasse« und »ethnische Herkunft« beachten (§ 19 Abs. 5 S. 3 AGG). Nicht eindeutig definiert ist im Gesetz, ob sich der Umfang von 50 Wohnungen nach dem vorhandenen oder nach dem vermieteten Bestand oder nach dem Angebot an vermietbaren Wohnungen bestimmt. Selbstgenutzte Einheiten bleiben jedenfalls außer Betracht. Nachdem das Gesetz nur auf die Wohnungen des Vermieters abstellt, gilt das AGG auch dann nur eingeschränkt, wenn der Vermieter die Vermietung an einen Makler oder eine Hausverwaltung übertragen hat, die mehr als 50 Wohnungen vermietet. Das beauftragte Unternehmen sollte jedoch nachfragen, ob der Auftraggeber insgesamt mehr als 50 Wohnungen zur Vermietung anbietet, und sich dies möglichst schriftlich bestätigen lassen.
Relevant sind bei Vermietern mit weniger als 50 Wohnungen lediglich Verstöße gegen die Diskriminierungstatbestände »Rasse« und »ethnische Herkunft«. Weil es keine verschiedenen menschlichen Rassen gibt, hat der Gesetzgeber wohl Diskriminierungen aufgrund äußerlicher Merkmale, zum Beispiel der Hautfarbe, gemeint. Der Begriff »Ethnie« bedeutet, dass Personen derselben Sprachgruppe, Kultur oder Religion angehören. Dementsprechend unterliegen dem Diskriminierungsverbot Benachteiligungen wegen dieser Merkmale.
Vermietet der Vermieter mehr als 50 Wohnungen, muss er den gesamten Katalog der Diskriminierungstatbestände des § 1 AGG beachten, das heißt neben Rasse und ethnischer Herkunft auch die Merkmale Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es sich in diesem Fall bei dem Vermieter um ein sogenanntes Massengeschäft handelt, das typischerweise ohne Ansehen der Person zustande kommt bzw. bei dem das Ansehen einer Person nur eine nachrangige Bedeutung hat (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG).
Allerdings ist gemäß § 19 Abs. 5 S. 3 AGG ein Massengeschäft nur »in der Regel« nicht anzunehmen, wenn der Vermietungsumfang insgesamt unter 50 Wohnungen liegt. Die Zahl 50 stellt somit keine starre Grenze dar. Das bedeutet, dass im Einzelfall unter Würdigung der konkreten Umstände ein Massengeschäft auch bei weniger als 50 Wohnungen angenommen werden kann; umgekehrt muss die Vermietung von mehr als 50 Wohnungen nicht zwingend zur Annahme eines Massengeschäfts mit den entsprechenden Konsequenzen führen.
Unbeschadet dieses unklaren Abgrenzungskriteriums ist diese Wertung des Gesetzgebers realitätsfremd, da bei jeder Vermietung – egal ob es sich nun um Wohn- oder Geschäftsraum handelt und egal ob der Vermieter mehr oder weniger als 50 Wohnungen vermietet – die Person des Mieters immer eine vorrangige Bedeutung hat. Mit der Vermietung geht der Vermieter ein erhebliches finanzielles Risiko ein. Er überlässt dem Mieter eine Wohnung im Wert von meist mehreren hunderttausend Euro, darf aber nach dem Gesetz nur eine Kaution in Höhe von wenigen tausend Euro verlangen. Aufgrund der strengen Mieterschutzbestimmungen kann das Mietverhältnis nur unter besonderen Voraussetzungen gekündigt werden und bindet den Vermieter damit langfristig an die Person des Mieters mit allen Risiken, vor allem hinsichtlich Zahlungsausfällen und Schäden in der Wohnung. Selbst nach Vorliegen der Kündigungsvoraussetzungen muss der Vermieter häufig einen aufwändigen und langwierigen Rechtsstreit führen, um die Wohnung wieder frei zu bekommen. Allein in München betragen die – teils uneinbringlichen – Mietrückstände ca. 30 Millionen EUR.
Die Unterstellung des Gesetzgebers, dass eine Vermietung ab einer bestimmten Zahl von Wohnungen ein Geschäft wäre, welches ohne Ansehen der Person des Mieters zustande kommt, ist daher geradezu absurd. Auch insofern besteht erheblicher Klärungsbedarf durch die Rechtsprechung.
Auf Geschäftsraummietverhältnisse findet das AGG nur dann Anwendung, wenn der Abschluss des Mietvertrags für den Vermieter ein Massengeschäft im Sinne des § 19 Abs. 1 AGG ist. § 19 Abs. 2 AGG, wonach bei allen Wohnungsmietverhältnissen, das heißt, auch wenn es sich um Einzelvermietungen und nicht um ein Massengeschäft handelt, die Diskriminierungstatbestände »Rasse« und »ethnische Herkunft« zu beachten sind, gilt nicht für Geschäftsraummietverhältnisse. Dies bedeutet, dass bei der Vermietung von nur wenigen Geschäftsräumen das AGG keine Anwendung findet.
Wann eine gewerbliche Vermietung als Massengeschäft zu qualifizieren ist, wird die Rechtsprechung klären müssen, da im Bereich der Geschäftsraummiete auch § 19 Abs. 5 S. 3 AGG nicht gilt, der bei der Wohnungsvermietung ab einem Vermietungsumfang von 50 Wohnungen ein Massengeschäft unterstellt. Sofern die Vermietung als Massengeschäft zu qualifizieren ist, muss auch im Bereich der Geschäftsraummiete der gesamte Diskriminierungskatalog des § 1 AGG beachtet werden.
1.2.2 Verstöße gegen das AGG
Verstöße gegen die Bestimmungen des AGG können insbesondere bereits bei der Auswahl der Bewerber für eine Wohnung eintreten. Vermieter sollten schon bei der Vermietungsanzeige, zum Beispiel in einer Tageszeitung vermeiden, den Kreis der Bewerber für die angebotene Wohnung zu beschränken.
Beispiel
Aus einem Inserat, mit der für eine Wohnung eine »ältere, alleinstehende Dame« gesucht wird, könnte sich der Vorwurf der Diskriminierung sowohl von jüngeren (Merkmal »Alter«) als auch von männlichen Bewerbern (Merkmal »Geschlecht«) herleiten lassen.
Ein Verstoß gegen das AGG in Form der Altersdiskriminierung liegt zum Beispiel vor, wenn der Vermieter die Untervermietung an einen 57 – Jährigen mit der Begründung verweigert, er könne wegen des Alters des Untermieters nur erschwert einen Räumungstitel vollstrecken (AG Berlin, Urteil vom 13.8.2015, 106 C 117/15, NZM 2016, 195).
Das Benachteiligungsverbot bei der Vergabe von Wohnungen verbietet eine Ungleichbehandlung zum Beispiel aufgrund ausländisch klingender Namen auch schon bei der Auswahl derjenigen Mietinteressenten, die zu einem Besichtigungstermin eingeladen werden. Ein sogenanntes Testing-Verfahren, mit dem ein Vermieter daraufhin überprüft wird, ob er das Benachteiligungsverbot verletzt, indem ihm Bewerbungen von fiktiven Bewerbern übermittelt werden, die sich nur durch ein Kriterium unterscheiden, aufgrund dessen eine Benachteiligung vermutet wird (hier: deutsch bzw. ausländisch klingende Namen) ist zulässig und kann vor Gericht als Nachweis für die Benachteiligung verwendet werden (AG Hamburg, Urteil vom 3.2.2017, 811 b C 273/15, WuM 2017, 393).
Daher sollte der Anbieter (Vermieter, Hausverwalter, Makler) bei der Wohnungsbesichtigung keinerlei Äußerungen zu bevorzugten (»Wir vermieten nur an Ehepaare«) bzw. für ihn nicht infrage kommenden Zielgruppen (»Wir vermieten nicht an Ausländer«) abgeben; anderenfalls könnte ein Bewerber, der nicht zur bevorzugten bzw. zu einer nicht infrage kommenden Zielgruppe gehört, daraus den Vorwurf einer Diskriminierung konstruieren.
Der Anbieter sollte Bewerber auch keinesfalls im Voraus ablehnen und daher jedem Bewerber, das heißt auch solchen, die für ihn als Mieter – aus welchen Gründen auch immer – nicht infrage kommen, ein Selbstauskunftsformular übergeben und ihn bitten, es vollständig ausgefüllt und bis zu einem festen Termin zurückzuleiten. Werden die darin enthaltenen zulässigen Fragen nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig beantwortet, ist dies für den Anbieter bereits ein sachlicher Grund, den Bewerber ohne Verstoß gegen das AGG abzulehnen.
Sachliche Ablehnungsgründe können sich ferner aus den Angaben des Bewerbers in der Selbstauskunft bzw. aus daraus resultierenden Nachfragen, etwa beim Vorvermieter ergeben. Darunter fallen zum Beispiel:
-
mangelnde Solvenz, kein für die Zahlung von Miete und Betriebskosten ausreichendes Einkommen, andere Bewerber mit besserer...
Erscheint lt. Verlag | 29.2.2024 |
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Reihe/Serie | Haufe Fachbuch | Haufe Fachbuch |
Verlagsort | Freiburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Recht / Steuern ► Privatrecht / Bürgerliches Recht |
Schlagworte | Abmahnung • Betriebskosten • Birgit Noack • Energetisch • Energieausweis • Garage • Gebäude • Heizkostenabrechnung • Immobilienbesitzer • Instandhaltung • Kaution • Kündigung • Martina Westner • michael koch • Mieterhöhung • Mietpreisbremse • Mietrecht • Mietverhältnis • Mietvertrag • Modernisierung • Nebenkosten • Nebenkostenabrechnung • Rudolf Stürzer • Schönheitsreparaturen • WEG-Reform • WEMoG • Wohnraum • Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz |
ISBN-10 | 3-648-17585-8 / 3648175858 |
ISBN-13 | 978-3-648-17585-9 / 9783648175859 |
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