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Anforderungen an Compliance-Strukturen im Krankenhaus (eBook)

Compliance-Management effektiv aufbauen und umsetzen
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
242 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-043695-4 (ISBN)
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Das Werk bietet Handlungsempfehlungen für den Aufbau eines Compliance-Management-Systems sowie den Umgang mit typischen Compliance-Risiken im Krankenhaus und anderen Gesundheitseinrichtungen. Gängige Methoden der Compliance werden adaptiert und so eine Handlungshilfe für die Praxis gegeben. Krankenhaus-Compliance ist mehr als die Akkumulation aus Medizinrecht und Compliance. Worin das 'Mehr' und die Fallstricke bei Compliance im Gesundheitswesen bestehen, zeigt das vorliegende Werk. Das Werk ist eine Handlungshilfe beim Aufbau eines CMS, ein Nachschlagewerk für Praktiker und bietet eine Übersicht für Studierende.

Christoph Leo Gehring, Rechtsanwalt, Mag.rer.publ. ist Leiter der Abteilung Recht, Compliance, Versicherung und Vergabe an einem Universitätsklinikum.

Christoph Leo Gehring, Rechtsanwalt, Mag.rer.publ. ist Leiter der Abteilung Recht, Compliance, Versicherung und Vergabe an einem Universitätsklinikum.

2 Krankenversicherungssystem und Compliance


Wie soeben dargestellt, ist die Forschungslage zu Compliance im Krankenhaus noch nicht sehr ausgeprägt. Deshalb wird zu Grunde gelegt, dass beim geneigten Leser dieses Buchs Wissen aus dem Bereich Medizinrecht und aus dem Bereich Strafrecht oder Compliance nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden kann. Darüber hinaus soll der Text auch für den fachlich nicht einschlägig versierten Leser verständlich sein. In diesem Abschnitt werden daher zunächst die beiden Themenkomplexe Krankenversicherungssystem und Compliance vorgestellt. Sie sind die beiden Ausgangspunkte, die der Arbeit zugrunde liegen. Dabei beschränken sich die Ausführungen auf jene Bereiche, die im weiteren Fortgang der Arbeit relevant sind. In Bezug auf das Krankenversicherungssystem ist das der Fall, wenn die besonderen Strukturen der Krankenversorgung regelwidriges Verhalten fördern oder auslösen können. Hierzu gehören die Herkunft der unterschiedlichen untergesetzlichen Normen, die Trägervielfalt, das Sachleistungssystem und die Grundlagen der Krankenhausvergütung.

Im zweiten Teil des Kapitels zum Hintergrundwissen werden die Grundlagen von Compliance erörtert. Hierzu gehören die Definition und Funktion von Compliance sowie die Frage, weshalb ein Mitarbeiter Straftaten begeht.

2.1 Überblick über die GKV und das Krankenhaus


Das Krankenversorgungssystem besteht aus einer Vielzahl von Institutionen, genauer: Behörden, Trägern, Verbänden, die untergesetzliche Normen erlassen oder Verträge schließen, sowie aus den Leistungserbringern. Diese Vielfalt ist ein wichtiger Grund, weshalb sich Compliance im Krankenhaus von Compliance in anderen Dienstleistungsbetrieben unterscheidet. Das CMS muss nämlich nicht nur die üblichen Risiken eines Dienstleistungsunternehmens erfassen. Es muss auch die sich aus dieser historisch gewachsenen Struktur ergebenden Risiken auffangen.

2.1.1 Die historischen Anfänge


Dem Grunde nach ist die medizinische Versorgung eine Dienstleistung. Sie stellt damit ein handelbares Gut dar. Wer es sich leisten konnte, bestellte sich vor der Entstehung der GKV einen Arzt nach Hause oder stellte selbigen ein.20 Daraus folgte, dass jene Menschen von der Versorgung ausgeschlossen waren, die keine Gegenleistung erbringen konnten.21 Dabei ist zu bedenken, dass Kranke in der Regel nicht arbeitsfähig sind und folglich kein Geld zur Finanzierung des Arzthonorars oder für ihren Lebensunterhalt verdienen können.22 Lediglich innerhalb beruflicher Verbände (Stände) oder später in Knappschaftskassen bildeten sich gegenseitige Hilfspflichten heraus.23 Die öffentliche Krankenversorgung war dem Grunde nach auf Selbsthilfevereinigungen oder karitative Verbände und Kirchen beschränkt. Dies wird im Teil »Entwicklung der Krankenhäuser« noch genauer darzustellen sein. Aus dieser Zeit stammt die Vielfalt der Krankenkassen24 und der sozialen Träger.

Am Anfang der gesetzlichen Krankenversicherung stand die Kaiserliche Botschaft von Wilhelm I., in der er ein Sozialversicherungssystem versprach.25 Dies setzte der Reichsgesetzgeber mit mehreren Gesetzen, darunter dem »Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter«26 um. Das Ergebnis war die »Reichsversicherungsordnung«27 von 1911.28

Dort finden sich bereits die Grundpfeiler des heutigen Krankenversicherungssystems. Hierzu gehören die Versicherungspflicht für die meisten Angestellten und Arbeiter in §§ 1, 2 Krankenversicherungsgesetz sowie die Selbstverwaltung der Krankenkassen. Weiter zählt dazu die solidarische Finanzierung, also die Finanzierung unabhängig vom Einkommen, §§ 9 Abs. 1 S. 1, 20, 22 Krankenversicherungsgesetz.29 Vor allem aber fand das Sachleistungsprinzip bereits damals dort seinen Ursprung.30

2.1.2 Das Sachleistungsprinzip und andere Leistungsbeziehungen


Das Sachleistungsprinzip ist ein wesentliches Element unseres Versicherungssystems. Seine Existenz ist die Grundlage vieler medizinrechtsspezifischer Compliance-Risiken, wie sie im Hauptteil zu untersuchen sein werden. Daher ist ein Verständnis dieses Systems essenziell.

Dem Versicherten garantiert die GKV einen Anspruch auf Krankenbehandlung, § 21 SGB I i. V. m. §§ 1 S. 1, 2 Abs. 1 S. 1, 11 ff. SGB V. Die zuständige Behörde, die die Ansprüche des Versicherten zu befriedigen hat, ist die Krankenkasse, § 21 Abs. 2 SGB I. Diese erbringt die Leistungen in der Regel31 nicht eigenständig, und der Versicherte hat meist32 auch keinen Geldanspruch, um sich die Leistung auf dem Markt frei einzukaufen.

Die Krankenkassen bedienen sich stattdessen sog. Leistungserbringer. Das ist eine natürliche oder juristische Person33, deren Zulassung und Vergütung für jede Leistungsart unterschiedlich ausgestaltet ist.34 Dieses sog. Leistungserbringerrecht findet sich im Anschluss an die Anspruchsgrundlagen der Versicherten ab dem 4. Kapitel im SGB V sowie im Krankenhausentgeltgesetz. Die dortigen Vorschriften enthalten nur rudimentäre Vorgaben und werden durch weitere Regeln, die zum Teil korporatistisch ausgehandelt sind, ergänzt. Auf diese wird, soweit sie für die weitere Darstellung relevant sind, im Kapitel zum heutigen Geflecht im Gesundheitswesen eingegangen (▸ Kap. 2.1.4).

Anstatt sich an die Krankenkasse zu wenden, macht der Versicherte seinen Bedarf direkt beim Leistungserbringer geltend. Dies ist üblicherweise ein Vertragsarzt35 oder ein Krankenhaus. Der Leistungserbringer erfüllt den Anspruch des Versicherten gegenüber der Krankenkasse für diese und rechnet seine Leistung dann ab. Dieses Leistungsdreieck aus Versichertem, Leistungserbringer und Krankenkasse wird »Sachleistungsprinzip« genannt.36

Ein Teil der Leistungserbringer (z. B. Physiotherapie, Haushaltshilfe etc.) und Sachleistungen (z. B. Medizinprodukte, Arzneimittel) dürfen nur auf Veranlassung anderer Leistungserbringer in Anspruch genommen werden; diese Leistungen werden daher »veranlasste Leistungen« genannt.37 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird dieses Veranlassen als »Verschreiben« bezeichnet. Der Arzt ist damit »Gatekeeper« im System.38 Hier entstehen Begehrlichkeiten, gegen die Compliance-Maßnahmen ergriffen werden müssen, was noch zu untersuchen sein wird.

In der Dreieckskonstruktion des Sachleistungsprinzips fallen jene Subjekte auseinander, welche die Leistung erhalten (Versicherte), die für die Leistungsgewährung aufkommen müssen (Krankenkassen) und die über die Leistungsgewährung entscheiden (Leistungserbringer). Zudem sind jene, die über die Leistungsgewährung entscheiden, zugleich diejenigen, welche (zumindest zum Teil) die Leistung erbringen und dafür vergütet werden. Deshalb gibt es für diese Bereiche umfangreiche Sonderregelungen. Darüber hinaus ergeben sich aus dieser Dreieckssituation Informationsungleichgewichte und Einflussmöglichkeiten. Auch diese können zur Begehung von Straftaten genutzt werden. Die sich aus dieser Situation entwickelnden Compliance-Risiken werden einen Schwerpunkt des fünften Abschnitts bilden.

2.1.3 Konflikte zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten


Bis zum Sachleistungssystem mit den heutigen Vertragspartnern war es ein weiter Weg. Die nach der Wilhelminischen Botschaft entstandenen Regelungen besagten lediglich, dass der Versicherte die von ihm benötigte Krankenversorgung nun von den Krankenkassen verlangen konnte, § 6 Abs. 1 Nr. 2 Krankenversicherungsgesetz. Daraus folgte, dass Ärzte mit den Krankenkassen zusammenarbeiten mussten, wenn sie weiter Patienten behandeln wollten. Die Krankenkassen nutzten ihre starke Stellung im System aus. Dies führte wiederum zu einer Solidarisierung der Ärzte. Der Konflikt endete mit einem Vertrag, dem »Berliner Abkommen« vom 23. 12. 1913. Damit wurde zum ersten Mal eine verbindliche Kollektivvereinbarung zwischen Ärzten und Krankenkassen geschlossen.39 Solche Regelungen mit Bindungswirkung für große Teile der GKV sind bis heute erhalten geblieben. Einige davon werden im nächsten Kapitel beschrieben. In diesem ersten Abkommen wurde ein paritätisch besetztes Schiedsamt ins Leben gerufen, das bei Konflikten zwischen Arzt und Krankenkasse helfen sollte, die beim Vertragsschluss sowie aufgrund der Abrechnung des Arztes auftreten konnten. Weil das System so gut funktionierte, wurde es nach dessen offiziellem Ende per Staatsakt verlängert.40 In weiteren Phasen wurden die Verbände der Ärzte verstaatlicht, eine Zwangsmitgliedschaft vorgesehen und diese mit Disziplinarbefugnis ausgestattet.41 Diese Verbände nennt man heute Kassenärztliche Vereinigung. Auch das Schiedsgremium wurde formalisiert und immer weiterentwickelt. Aus ihm sind jene Gremien hervorgegangen, welche die Regeln für die Leistungserbringung und Zusammenarbeit zwischen den Vertragsärzten und den Krankenkassen detailliert regeln, zum Beispiel der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA).42...

Erscheint lt. Verlag 20.9.2023
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
Recht / Steuern
Schlagworte Abrechnungsbetrug • Abrechnungsverstöße • Bestechlichkeit • Bestechung • Compliance • Compliance-Management-Systeme • Korruption • Korruptionsbekämpfung • Korruptionsprävention • Krankenhausrecht • Risikomanagement
ISBN-10 3-17-043695-3 / 3170436953
ISBN-13 978-3-17-043695-4 / 9783170436954
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