So gründe und führe ich eine GmbH (eBook)
XXI, 264 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-79767-5 (ISBN)
11. Kapitel
Die Grundlagen der GmbH
I. Bedeutung und gesetzliche Regelung
Die Bedeutung, die die GmbH im heutigen Wirtschaftsleben hat, wird wohl am besten durch die Entwicklung der Gesamtzahl aller deutschen GmbHs nach dem Krieg illustriert: Gab es 1953 nur 27.907 GmbHs, so stieg ihre Zahl bis Ende 1968 auf 67.416, erreichte Ende 1980 255.940 und am 31.12.1992 schließlich 549.659 mit einem Stammkapital von 251,8 Milliarden DM. Die Bundesstatistik wird über dieses Datum hinaus nicht fortgesetzt, so dass die heutige Anzahl nicht genau angegeben werden kann; zum 1.1.2015 hat eine private Zählung bei allen Handelsregistern die Zahl von 1.156.434 ergeben. 105.341 dieser GmbHs sind Unternehmergesellschaften. Dabei steht die „kleine“ Gesellschaft mit wenigen Gesellschaftern ganz im Vordergrund; 99,7% der GmbHs erzielen jährliche Umsätze von weniger als 50.000.000 €. In der genannten Zahl sind aber auch etliche „Karteileichen“ enthalten. Die Gesamtzahl der Kapitalgesellschaften (die also außer den GmbHs auch die zahlenmäßig kaum ins Gewicht fallenden Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien enthält), die Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben und/oder Beschäftigte haben, hat das Statistische Bundesamt für das Jahr 2021 mit 789.472 ermittelt.
Die GmbH wurde durch das GmbHG vom 20.4.1892 (RGBl. S. 477) in das Rechtsleben eingeführt. Der Gesetzgeber beabsichtigte, neben der Aktiengesellschaft eine zweite Form der Kapitalgesellschaft zu 2schaffen, in der unternehmerischer Einsatz von Kapital ohne persönliches Engagement und ohne Risiko möglich sein sollte.
In diesem Haftungsprivileg und gleichzeitig gegenüber dem Recht der Aktiengesellschaft wesentlich einfacherer rechtlicher Gestaltung und Handhabung liegt auch heute noch der Hauptgrund für die Beliebtheit und Attraktivität der GmbH bei Unternehmensgründungen. An ihr hat auch das nicht sonderlich hohe Ansehen dieser Gesellschaftsform – man denke etwa an die Auflösungen „Gehste mit, biste hin“ oder „Gesellschaft mit beschränkter Hochachtung“ für das Kürzel GmbH – wenig ändern können.
Das Recht der GmbH (Gesetz i.d.F. vom 20.5.1898, RGBl. S. 846) ist in den Jahren 1980, 1985, 1998 und vor allem 2008 grundlegend umgestaltet worden.
Neben die GmbH mit einem Mindeststammkapital von 25.000 € ist seit 2008 die „ Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ – abgekürzt UG (haftungsbeschränkt) – getreten, bei der keine Untergrenze des Stammkapitals besteht und die daher äußerstenfalls mit einem Stammkapital von 1 € gegründet werden kann. Der Gesetzgeber hat damit die „Flucht“ in die vergleichbare englische Gesellschaftsform der Limited (vgl. dazu V. 7., S. 31 f.) praktisch bedeutungslos gemacht. Wenn im Folgenden von „der GmbH“ die Rede ist, ist damit auch die UG gemeint, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird.
An den Grundlagen des GmbH-Rechts haben diese Gesetzesänderungen allerdings nicht gerührt. Nach wie vor stehen deshalb zwei Gesichtspunkte im Vordergrund, wenn eine GmbH neu gegründet wird:
(1) Bei der GmbH haften die Gesellschafter nicht mit ihrem ganzen Vermögen, sondern grundsätzlich nur auf den Betrag des Stammkapitals der Gesellschaft. Eine Haftung der Gesellschafter (sog. Durchgriffshaftung) ist grundsätzlich ausgeschlossen und kommt nur in Fällen offensichtlichen Missbrauchs (ein Beispiel bei OLG Naumburg, GmbHR 2008, 1149) in Frage.
(2) Die GmbH ist eine juristische Person. Ihr, nicht den Gesellschaftern, „gehört“ das von ihr betriebene Unternehmen, den Gesellschaftern 3gehören nur Anteile an der GmbH. Das höchste englische Gericht hat diese Tatsache für die Limited, die englische Schwester der GmbH, schon im Jahre 1897 in Sachen Salomon gegen A. Salomon & Co. Ltd. auf den Punkt gebracht: „Either the limited company was a legal entity or it was not. If it was the business belonged to it and not to Mr. Salomon.“ Diese Trennung wird sogar dann konsequent durchgeführt, wenn eine GmbH nur einen einzigen Gesellschafter hat. Wird bei diesem beispielsweise eine Sache gepfändet, die der GmbH gehört, kann die GmbH gegen den Gläubiger auf Freigabe des ihr gehörenden Gegenstands klagen (BGH, 16.10.2003 – IX ZR 55/02, ZIP 2003, 2247).
Die rechtliche Selbstständigkeit der GmbH ist von besonderer Bedeutung, wenn die GmbH einen Handwerksbetrieb hat. Eine natürliche Person dürfte ein solches Geschäft nicht betreiben, wenn sie nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist, also – von Ausnahmen abgesehen – nicht die Meisterprüfung abgelegt hat (§ 1 HwO). Bei der GmbH genügt es, wenn diese in die Handwerksrolle eingetragen ist, wozu es wiederum genügt, dass sie einen (angestellten) Meister beschäftigt.
II. Die Haftungsbeschränkung
Wie bereits der Name „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ nahelegt, steht das Haftungsprivileg bei der GmbH in der Regel im Mittelpunkt des Interesses. Zwar ist die GmbH – insbesondere nach den 1980 eingeführten Vorschriften zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger – kein Freiraum für wirtschaftliches Handeln bei völligem Risikoausschluss; es ist, wie sich zeigen wird, nicht einmal so, dass die Haftung der Gesellschafter in jedem Fall und unter allen Umständen auf den Betrag des Stammkapitals beschränkt ist. Trotzdem ist die GmbH nach wie vor die beliebteste Organisationsform, wenn die Haftung einer natürlichen Person für Forderungen in möglicherweise existenzbedrohender Höhe ausgeschlossen werden soll.
41. Begriff der Haftung
Zum Verständnis dieses Haftungsprivilegs ist es erforderlich, sich klarzumachen, wie Haftung im Rechtsleben entstehen kann. Haftung ist das Einstehenmüssen für eine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten. Sie kann dadurch entstehen, dass sich eine Person zur Erbringung einer Leistung verpflichtet. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Abschluss eines Vertrages. Bei einem Kaufvertrag über ein Auto verpflichtet sich der Verkäufer, das Auto zu übereignen, der Käufer, den Kaufpreis zu bezahlen. Bei der Aufnahme eines Darlehens verpflichtet sich der Darlehensgeber zur Hingabe des vereinbarten Geldbetrages, der Darlehensnehmer zur Rückzahlung. In beiden Fällen haben die Schuldner ihre Verpflichtung bewusst auf sich genommen.
Verbindlichkeiten können aber auch aus dem bloßen Verhalten einer Person entstehen, ohne dass diese den Willen hatte, sich zu verpflichten. Wer durch Verletzung der Verkehrsvorschriften einen Verkehrsunfall verursacht, haftet dem Unfallkontrahenten auf Schadensersatz allein wegen seines schuldhaften Verhaltens. Es gibt sogar Ansprüche, die sowohl vom Willen als auch vom Verhalten des Verpflichteten unabhängig sind, weil sie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Ein Beispiel ist die Verpflichtung zur Zahlung von Grundsteuer, die sich allein aus dem Umstand ergibt, dass eine Person Grundbesitz hat.
Für eine Verbindlichkeit haftet der Verpflichtete grundsätzlich mit seinem ganzen Vermögen. Wenn gegen ihn eine vollstreckbare gerichtliche Entscheidung ergangen ist, kann der Gläubiger seinen Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung in alle Vermögenswerte des Schuldners durchsetzen. Lediglich die für den Schuldner zur Führung eines menschenwürdigen Lebens unentbehrlichen, sog. „unpfändbaren Sachen“ (§ 811 ZPO) und, bis zu einer bestimmten Höhe, der Pfändungsfreigrenze, das Arbeitseinkommen des Schuldners (§ 850 ZPO) sind der Pfändung entzogen. Von diesen (und einigen weiteren) Ausnahmen abgesehen ist das Vermögen sowohl gegenständlich wie auch betragsmäßig unbeschränkt Vollstreckungsobjekt.
5Besonders geregelt ist die Haftung für ererbte Verbindlichkeiten. Beim Tod eines Menschen gehen dessen Vermögen und dessen Verbindlichkeiten auf den oder die Erben über. Diese können jedoch ihre Haftung auf den Nachlass beschränken und dadurch verhindern, dass wegen Schulden des Erblassers in ihr eigenes, nicht ererbtes Vermögen vollstreckt wird.
2. Regelung bei der GmbH
Der Name „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ legt nahe, dass bei der GmbH eine ähnliche Regelung wie bei einem Erbfall vorliegen könnte. Insoweit führt die Bezeichnung allerdings in die Irre: Die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der GmbH ist nicht etwa „beschränkt“ – sie haften vielmehr überhaupt nicht: Die GmbH ist eine selbstständige – juristische – Person, und die sie treffenden Verbindlichkeiten schlagen nicht auf die Gesellschafter durch.
Wie bei der Geburt eines Menschen entsteht mit der Gründung einer GmbH und deren Eintragung in das Handelsregister neues Leben. Das Lebewesen GmbH ist nicht aus Fleisch und Blut. Es entwickelt jedoch wirtschaftliche Aktivität und wird rechtlich wie eine natürliche Person behandelt. Um diese Wesensgleichheit deutlicher zu machen, spricht man nach vollzogener Entstehung einer GmbH von der Entstehung einer „juristischen Person“. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die GmbH wie eine natürliche Person entsteht, lebt und agiert und irgendwann – jedoch nicht notwendigerweise – wieder erlischt. Ebenso wie die natürlichen Personen kann die GmbH als juristische Person Rechte und Pflichten haben, Verbindlichkeiten eingehen, Grundstückseigentümer sein, Erbe werden, klagen und verklagt werden (§ 13 I GmbHG); sie ist rechtsfähig.
Dadurch unterscheidet sich die juristische Person von anderen Personenvereinigungen, z.B. dem nicht eingetragenen Verein, der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der OHG und der KG. Diese Vereinigungen besitzen nur eingeschränkte Rechtsfähigkeit. Damit ist gemeint, dass sie gerade nicht...
Erscheint lt. Verlag | 12.5.2023 |
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Reihe/Serie | Beck im dtv |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft |
Recht / Steuern ► Wirtschaftsrecht | |
Schlagworte | Geschäftsführer • Gesellschafter • Gesellschaftsvertrag • Gründung • Haftung • Kostenrecht • Liquidation • Steuerrecht • UG |
ISBN-10 | 3-406-79767-9 / 3406797679 |
ISBN-13 | 978-3-406-79767-5 / 9783406797675 |
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