Gotham City (eBook)

Architekturen des Ausnahmezustands
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
198 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-44958-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gotham City -  Daniel Damler
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Sie ist die wohl berühmteste fiktive Metropole der Gegenwart: Gotham City. Die Wirkungsstätte Batmans gilt heute weltweit als Sinnbild für die politische Krise in Permanenz, für die Herrschaft des Verbrechens, für unvorstellbares Staatsversagen, aber auch für eine unkonventionelle Zivilgesellschaft, für den Triumph eines republikanischen Heroismus. Daniel Damler unternimmt den Versuch, die Besonderheiten des Gotham'schen Notstands herauszuarbeiten und sie in historischer Perspektive rechtlich und politisch einzuordnen. Da es sich bei Gotham vornehmlich um ein visuelles Phänomen handelt, gerät die Filmarchitektur in den Blick. Der szenografischen Ausstattung kommt eine Schlüsselrolle zu bei der Verankerung im kollektiven Bewusstsein. Die Superhelden-Infrastruktur (Batcave, Wayne Manor) und andere kanonische Orte der Saga sind das visuelle Signet des Ausnahmezustands und konstituieren wirkungsmächtige Erinnerungsräume.

Daniel Damler ist Privatdozent an der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen und assoziierter Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie in Frankfurt am Main.

Daniel Damler ist Privatdozent an der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen und assoziierter Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie in Frankfurt am Main.

I.Custos civitatis – Hollywoods Batman


Die 1980er Jahre bedeuten in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur in der Geschichte der Verbrecher jagenden Fledermaus. Zum einen betritt 1986 in dem wegweisenden, viel bewunderten Comic »The Dark Knight Rises« von Frank Miller ein gealterter, verbitterter Bruce Wayne die Bühne, der nach einem langen inneren Exil den Kampf gegen das Verbrechen in einem von brutaler Bandenkriminalität heimgesuchten Gotham wieder aufnimmt.50 Realer Hintergrund der düsteren Vision Millers waren die Gewaltexzesse auf den Straßen New Yorks unter der Reagan- und Bush-Administration (ausführlich dazu III.3). Zum anderen feierte 1989, rechtzeitig zu Batmans 50. Geburtstag, erstmals ein mit großem Budget realisierter, sehr erfolgreicher Hollywood-Film Premiere, der Gothams kostümierten Helden in eine neue Sphäre katapultierte.51 Von hier an datiert der moderne »Batmanismus«. Seither kehrt die Fledermaus in regelmäßigen Abständen auf die Leinwand zurück, fast immer unter großer Anteilnahme der Weltöffentlichkeit. Über die Handlungen der Filme wollen wir uns im Folgenden einen Überblick verschaffen.

1.Tim Burton


Die Regie des Jubiläumsfilms führte der damals erst 30jährige Tim Burton, der seit einigen Jahren als Nachwuchs-Trickzeichner bei Disney arbeitete.52 Der Film hätte ebenso gut »Joker« heißen können, denn die gefallene Unterweltgröße Jack Napier, gespielt von Jack Nicholson, steht im Mittelpunkt der dramatischen Ereignisse, die fast zur Vernichtung Gothams geführt hätten. Besagter Jack Napier stürzt in der Chemiefabrik »Axis Chemicals« in einen Kessel mit Säure, als er – von den eigenen Leuten in eine Falle gelockt – sich dem Zugriff der Polizei und Batmans entziehen will. Völlig entstellt, von einem Arzt notdürftig operiert, verliert Napier den Verstand und treibt fortan als »Joker« sein Unwesen. Nachdem er sich Gothams Unterwelt gefügig gemacht hat, beginnt der Joker, die Stadt zu terrorisieren, indem er mit dem Toxin »Smylex« kontaminierte Kosmetikartikel in den Verkehr bringt, die bei den Konsumenten einen unkontrollierbaren Lachanfall auslösen und ihre Gesichter für immer in jokergleiche Fratzen verwandeln.

Nebenbei hat der Joker ein Auge auf die hübsche Fotografin Vicky Vale geworfen, die sich aber zu Bruce Wayne hingezogen fühlt. Er lockt sie in das Flu(e)gelheim Kunstmuseum, in dessen Restaurant angeblich Wayne sie zum Abendessen erwartet. Doch statt Wayne erscheint der Joker, der auf dem Weg zum Museumsrestaurant in einer berühmten Filmsequenz alle Gemälde, Plastiken und Skulpturen zerstört und verunstaltet, nachdem er Besucher und Personal – ausgenommen Vale – außer Gefecht gesetzt hat. Jokers Werben um die Zuneigung der Fotografin ist allerdings nicht erfolgreich, da Batman sie aus den Fängen des Wahnsinnigen befreien kann.

Jetzt holt der Joker zum großen Gegenschlag aus. Über alle Fernsehkanäle lässt er die Ankündigung verbreiten, aus Anlass des 200. Jahrestags der Gründung Gothams zwanzig Millionen Dollar zu verschenken. An dem vorgesehenen Termin drängen sich die Bürger der Stadt erwartungsvoll in den Straßen. In einem bizarren Karnevalsumzug erscheint der Joker mit seinen Männern. Wie ein König thront er auf einer gigantischen Geburtstagstorte, während es Dollarscheine auf die gierige Menge regnet. Plötzlich beginnen die riesigen bunten Ballons, die über dem Umzug schweben, Giftgas zu versprühen. Nun erkennen die Menschen die Falle und geraten in Panik. Der in seinem luxuriösen Anwesen Wayne Manor weilende Bruce, der inzwischen Jack Napier als den Mörder seiner Eltern identifiziert hat, durschaut rechtzeitig den Hinterhalt und eilt als Batman der Stadt zur Hilfe. Mit seinem Fluggerät zieht er die Ballons aus dem Verkehr, kann aber nicht verhindern, dass der Joker seine Geliebte Vicky Vale in Gothams Kathedrale entführt. Es folgt ein dramatischer Kampf zwischen Joker und Batman auf dem Glockenturm in luftigen Höhen, den der Mörder von Thomas und Martha Wayne mit dem Leben bezahlt.

Tim Burton hat seine Vorliebe für den expressionistischen Film der 1920er Jahre nie verleugnet (dazu III.1). So enthält der 1989er »Batman« unzählige Anspielungen und Hinweise auf deutsche Filmklassiker, namentlich auf Fritz Langs »Metropolis«, Vorbild unter anderem für das Design der Maschinenräume von »Axis Chemicals« und die Schlussszene auf den Dächern der Kathedrale (bis in die Einzelheiten dem Kampf zwischen Rotwang, Freder und Maria in und auf der Kathedrale von Metropolis nachempfunden). Schon für sich genommen ist der Umstand, dass Burton sich dem gängigen Realismus verweigerte und Studioaufnahmen in einer architektonischen Kunstwelt den Vorzug gab, eine Verbeugung vor dem cineastischen Konstruktivismus der 20er Jahre. In den Hallen und auf dem Gelände der Pinewood-Studios südlich von London erschufen Burton und sein Produktionsdesigner Anton Furst die beklemmende Vision eines wuchernden, baurechtlich unregulierten Molochs – das größte Außenset seit dem Monumentalfilm »Cleopatra« von 1963.53

Noch konsequenter setzte Burton die Grundsätze des Neo-Expressionismus (und der Postmoderne) in seinem zweiten Batman-Film »Batman Returns« (1992) um. Der Sitz des Kaufhausmoguls Max Shreck, verschlagener Großunternehmer und Gegenspieler Batmans, gleicht aus der Vogelperspektive Fritz Langs Turm von Babel, und der Name des Bösewichts verweist auf Maximilian Schreck, Hauptdarsteller in Murnaus »Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens« von 1922. Der eigentliche Star des Films ist jedoch ein anderer Schurke: Oswald Cobblepot, »der Pinguin«, gespielt von Danny DeVito. Ihm war das Schicksal nicht hold, denn eigentlich stammt er, wie er selbst erst im Verlaufe des Films erfährt, von reichen und angesehenen Eltern ab, die ihn aber noch als Baby samt Kinderwagen in die Kanalisation warfen, als sie seines missgestalteten, an einen Pinguin erinnernden Körpers ansichtig wurden. Wider Erwarten überlebt der Junge und errichtet untertage und im Pinguin-Haus des örtlichen Zoos (»Arctic World«) – eine Art überdimensioniertes Schwimmbad – sein eigenes Reich.

Max Shreck kann den Pinguin dazu überreden, bei der Bürgermeisterwahl gegen den Amtsinhaber zu kandidieren, der seinen kriminellen Vorhaben im Wege steht. Kernelement der Cobblepot’schen Wahlkampfstrategie ist die Verunsicherung der Bevölkerung durch Plünderungen und Terroranschläge während der Weihnachtszeit. Immer wieder tauchen wie aus dem Nichts als Clowns und Akrobaten verkleidete Mitglieder des Zirkusensembles »Red Triangle« auf (deren heimlicher Boss der Pinguin ist) und verbreiten auf Gothams Weihnachtsmarkt Angst und Schrecken. So soll der Bevölkerung die Unfähigkeit und Untätigkeit des gegenwärtigen Bürgermeisters nachdrücklich vor Augen geführt werden.

Letztlich scheitern Shrecks und Cobbelpots politische Pläne, und jener zieht sich in den Zoo zurück. Jetzt jeder Rücksichtnahme enthoben beschließt der Pinguin, alle erstgeborenen Kinder Gothams zu entführen und zu ermorden, ein Vorhaben, das Batman verhindern kann. Darüber erbost greift der Pinguin zum äußersten Mittel, mobilisiert seine treuesten Begleiter, die echten Pinguine, die ihn aufgezogen haben, und schickt sie, bewaffnet mit Raketen, in die Stadt, um diese auszulöschen. In einem turbulenten Finale gelingt es Batman, die Pinguinarmee so zu manipulieren, dass sie ihre Raketen auf den Zoo abfeuern und dadurch Cobblepots Schreckensregime ein Ende bereiten. Und auch der intrigante Max Shreck verliert in dem Show-down sein Leben.

2.Joel Schumacher


Da Tim Burton für weitere Batman-Abendteuer nicht mehr zur Verfügung stand, übernahm Joel Schuhmacher die Regie. Immerhin blieb Burton dem ersten Filmprojekt noch als Produzent erhalten, und überdies ist eine gewisse inhaltliche und stilistische Kontinuität nicht zu übersehen. Trotzdem gelten Schumachers Batman-Adaptionen im Allgemeinen als weniger gelungen als ihre Vorgänger, was für die Handlung und schauspielerische Leistung sicherlich zutrifft, nicht aber ohne weiteres für die Filmarchitektur.

Die Handlung von »Batman Forever« (1995) weist insoweit eine Übereinstimmung mit dem letzten Burton-Film auf, als Batman es abermals mit zwei Feinden zu tun hat, die Gotham bedrohen. Diesmal ist es der ehemalige Staatsanwalt Harvey Dent, dessen linke Gesichtshälfte bei einem Anschlag entstellt wurde und der dafür Batman zur Verantwortung ziehen will, und Edward Nygma, ein ebenso hochbegabter wie psychisch labiler Wissenschaftler, der als Angestellter von Wayne Enterprises ein Gerät zur Manipulation von Gehirnwellen erfunden...

Erscheint lt. Verlag 9.2.2022
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Recht / Steuern Allgemeines / Lexika
Schlagworte Architektur • Ausnahmezustand • Batcave • Batman • Comic • Film • Gesellschaft • Politische Theorie • Popkultur • Staatsversagen • Superheld • Superhelden • Wayne Manor
ISBN-10 3-593-44958-7 / 3593449587
ISBN-13 978-3-593-44958-6 / 9783593449586
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