Mord und Totschlag in Berlin (eBook)

Neue spektakuläre Kriminalfälle

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
248 Seiten
Erma (Verlag)
978-3-7394-8310-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mord und Totschlag in Berlin -  Ernst Reuß
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Mehr als eine halbe Million Straftaten wurden 2016 in Berlin angezeigt. Das Spektrum reicht von Taschendiebstahl über Drogenhandel und Schlägereien bis zu Mord. Der Autor, einer der besten Kenner der Berliner Justizgeschichte, hat spektakuläre Fälle aus den beiden letzten Jahrzehnten ausgewählt. Es handelt sich ausschließlich um Tötungsdelikte - darunter der Mord an Hatun S., die 2005 mitten auf der Straße erschossen wurde, ein 'Ehrenmord', der eine politische und gesellschaftliche Debatte auslöste, wie auch der Fall eines Dänen, der 2011 seine beiden minderjährigen Töchter bei lebendigem Leibe verbrannte, um sie nach verlorenem Sorgerechtsstreit nicht seiner Ex-Frau überlassen zu müssen. Zwei weitere Fälle haben die Öffentlichkeit 2012 monatelang beschäftigt: der von Jonny K., der am Alexanderplatz von einer Gruppe Jugendlicher zu Tode geprügelt wurde, und das Mordkomplott, dem die junge Pferdewirtin Christin R. aus Lübars zum Opfer fiel. Ernst Reuß ruft Kriminalfälle ins Gedächtnis, die illustrieren, dass Berlin nicht nur im politischen Sinne Hauptstadt ist ...

Ernst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Lebt als Autor und Publizist in Berlin. Publikationsauswahl: Berliner Justizgeschichte, Millionäre fahren nicht auf Fahrrädern, Gefangen! Zwei Großväter im Zweiten Weltkrieg, Mord? Totschlag? Oder was?, Sirius, Katzenkönig und Co.

Ernst Reuß, geboren 1962 in Franken. Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen und Wien. Promotion an der Humboldt - Universität zu Berlin. Danach als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und im Bundestag beschäftigt. Lebt als Autor und Publizist in Berlin. Publikationsauswahl: Berliner Justizgeschichte, Millionäre fahren nicht auf Fahrrädern, Gefangen! Zwei Großväter im Zweiten Weltkrieg, Mord? Totschlag? Oder was?, Sirius, Katzenkönig und Co.


Jonny K.


Im Oktober 2012 erschütterte Berlin ein Gewaltverbrechen wie noch kaum eines zuvor. Der 20-jährige Jonny K., Sohn einer Thailänderin und eines Berliners, starb, nachdem er am Berliner Alexanderplatz von einer Gruppe Jugendlicher massiv geprügelt worden war. Das Rote Rathaus, Dienstsitz des Regierenden Bürgermeisters, der zu diesem Zeitpunkt Klaus Wowereit hieß, war nur gut 200 Meter vom Tatort entfernt.

Jonny, der noch bei seinen Eltern in Spandau lebte und gerade dabei war, sein Fachabitur zu machen, starb an Blutungen im Gehirn. Nachdem sich seine Angehörigen von ihm verabschiedet hatten, wurden die lebenserhaltenden Maschinen abgeschaltet. Die Ärzte waren zur Auffassung gekommen, dass dem jungen Mann nicht mehr zu helfen war.

Wieder einmal wurde das Thema jugendliche Gewalt heftig und sehr erregt diskutiert. Die Berliner Zeitung schrieb am 15. Oktober unter der Überschrift „Mord am Alexanderplatz“: „Der am Wochenende am Alexanderplatz in Berlin zusammengeschlagene 20-Jährige ist tot. Die Maschinen, die den Mann im Krankenhaus am Leben hielten, wurden abgeschaltet. Von den Tätern fehlt weiterhin jede Spur.“ Doch was war zuvor geschehen?

Jonny K. war am Abend des 13. Oktober 2012 mit Freunden feiern, wie es junge Leute vor allem am Wochenende so zu tun pflegen. Es galt, den Geburtstag zweier gemeinsamer Freunde zu begehen. Die Feier fand am Alexanderplatz in einem unterhalb des Fernsehturms gelegenen Lokal statt. Sturztrunk war anscheinend angesagt, denn die Freunde tranken so viel, dass sie letztendlich aus dem Lokal geworfen wurden. Einer von ihnen hatte sich in den Räumlichkeiten übergeben. Man beschloss daher, den besoffenen Kumpel in ein Taxi nach Hause zu setzen. Es wurde auch Zeit, denn es war schon fast 4.00 Uhr morgens. Ihr Gefährte war sogar so betrunken, dass er nicht mehr gehen konnte. Gerhardt C., wohl der Stärkste aus der Truppe, schleppte ihn daraufhin huckepack aus dem Lokal. Ein weiterer Begleiter machte sich auf den Weg, um ein Taxi zu besorgen. Nachdem ihm sein betrunkener Freund zu schwer geworden war und er ihn auf einem Stuhl vor einem bereits geschlossenen Café absetzen wollte, schien genau dies offensichtlich eine andere Gruppe von sechs jungen Männern zu provozieren, die zuvor in der Nähe eine andere Party besucht hatten und auch auf dem Heimweg waren. Einer von ihnen machte sich einen Spaß daraus, dem Volltrunkenen den Stuhl wegzuziehen, sodass er hilflos am Boden lag. Als Jonny seinem Freund helfen wollte, wurde er brutal zusammengeschlagen und getreten, bis er bewusstlos war. Die Situation war in weniger als einer Minute eskaliert und dauerte nicht lang, dann lag Jonny im Koma. Den Ermittlungen zufolge standen die Täter in einem Kreis um ihr am Boden liegendes Opfer und traktierten es mit Tritten. Auch Jonnys 29-jähriger Freund Gerhardt C. wurde von der Tätergruppe verprügelt und erlitt, nach mindestens zehn Boxhieben ins Gesicht, einen Bruch des linken Jochbeins, des linken Augenhöhlenbodens und des linken Handwurzelknochens. Im Spiegel konnte es so gelesen werden: „Es kommt zum Gerangel zwischen Onur U. und Gerhard[t] C. Wie von Sinnen soll U., ein ehemaliger Amateurboxer, auf den anderen eingeprügelt haben. So heftig, dass sich noch heute alle daran erinnern können, wie sie durch die Menge schrien: ‚Onur, es reicht!‘, ‚Hör auf! Hör auf!‘ und ‚Willst du ihn umbringen?!‘ Gerhard[t] C. sei danach trotzdem wieder aufgestanden.“

Jonny jedoch stand nicht wieder auf. Das Gericht sollte später in seinem Urteil feststellen: „Am Morgen des 14. Oktober 2012 gegen 4.00 Uhr kam es infolge von Gewalteinwirkungen aus der Gruppe der Angeklagten gegen den Kopf oder einen durch Gewalt verursachten Sturz mit dem Kopf auf das Straßenpflaster des 20 Jahre alt gewordenen Jonny K. zu massiven Subarachnoidalblutungen (Hirnblutungen) bei diesem. Am Morgen des 15. Oktober 2012 wurde um 9.57 Uhr sein Hirntod festgestellt.“

Ein Motiv war nicht ersichtlich. Laut Berliner Zeitung sprachen die Fahnder von „reiner Mordlust“. Von den Schlägern fehlte jede Spur, sodass von der Staatsanwaltschaft „aufgrund der Brutalität dieses Verbrechens auf öffentlichem Straßenland“ eine Belohnung von bis zu 15 000 Euro für Hinweise auf die Täter ausgelobt wurde.

Die Öffentlichkeit war sehr empört, denn auch diesmal konnten sich viele vorstellen, selbst Opfer einer derart sinnlosen Gewalttat zu werden. Ähnlich war es zuletzt 2009 beim Fall Dominik Brunner in München gewesen. Auch da kochte die Volksseele und das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit war massiv beeinträchtigt. Wieder waren es brutale jugendliche Schläger! Früher hat es so etwas nicht gegeben! Es wird immer schlimmer. Diese und ähnliche Sätze konnte man in den Medien und in den Gesprächen der Menschen vernehmen. Die Öffentlichkeit, Medien und Politiker waren sich wieder mal einig, auch wenn die Kriminalitätsstatistiken diese Wahrnehmungen nicht bestätigten. Selbstverständlich wurden schärfere Gesetze gefordert und einige Politiker sonnten sich mit „Law and Order“ - Forderungen in der medialen Öffentlichkeit. Wie immer, wenn etwas derart Unbegreifliches geschieht.

Die Polizei ermittelte fieberhaft, es gab Hinweise auf eine Gruppe Jugendlicher, die in einem nahe gelegenen Lokal gefeiert haben sollen. Dort fand die After-Show-Party eines in türkischen Kreisen bekannten Sängers statt. Die Polizei wertete Fotos aus, die dort von dem Event für eine Zeitschrift gemacht wurden. Schon fünf Tage später war ein gewisser Onur U. mehr als verdächtig. Sein Name war bei Vernehmungen öfters gefallen. Onur U. war früher ein talentierter Boxer gewesen und hatte einen bekannten Onkel, der es bei den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 als Boxer sogar zu einer Silbermedaille für Deutschland gebracht hatte.

Onur war bereits in die Türkei abgehauen und hatte schleunigst sein Facebookprofil gelöscht, wie die Polizei feststellte. Wie die Polizei später ermittelte, hatten auch seine später festgenommenen Mittäter ihre Facebookprofile gelöscht und einige sogar ihre SIM-Karte weggeworfen. Man hatte sich offenbar abgesprochen. Aber das nützte nichts, denn ein Mitwisser hatte geplaudert, was ein anderer zufällig in einem Friseurladen aufschnappte. Dieser wiederum ging mit seinem Wissen zur Polizei.

Nachdem von Jonnys Tod in den Zeitungen berichtet wurde, gab es viel Klatsch. Einige kannten die Täter, die sich anfangs noch mit ihrem „Kampf“ gebrüstet hatten. Nun – nach der Todesmeldung – waren sie bestürzt und wussten nicht so recht weiter. Ein gemeinsamer Ratschlag der Väter der Beteiligten führte erst einmal nicht weiter. Nicht alle Väter waren dafür, dass sich ihre männlichen Nachkommen freiwillig der Polizei stellen sollten. Die Polizei suchte inzwischen weiter nach Onurs Mittätern. In abgehörten Telefonaten eines Intensivtäters fielen noch mehr Namen, und bereits am 23. Oktober 2012 nahm die Polizei in Berlin-Wedding den 19-jährigen Osman A. fest, der zu der sechsköpfigen Tätergruppe gehört haben soll. Am nächsten Tag schon berichtete die Presse über zwei weitere Festnahmen. Der Fahndungsdruck war offenbar zu groß geworden, denn die beiden Mittäter Memet E. (19) und Melih Y. (21) meldeten sich schon am Tag nach Osman A.s Festnahme in Begleitung ihrer Rechtsanwälte bei der Mordkommission in der Schöneberger Keithstraße. Hüseyin O. (21), ein weiterer Täter, stellte sich einen Monat später freiwillig der Polizei. Auch er hatte wohl die letztendliche Vergeblichkeit des Versteckspiels eingesehen. Auch die letzten beiden Täter, die sich zwischendurch in die Türkei abgesetzt hatten und dort provokant einem Bildzeitungsreporter Rede und Antwort gestanden hatten, stellten sich einige Monate später. Sie hatten mittlerweile ebenfalls die Aussichtslosigkeit ihrer Flucht eingesehen. Onur U. (19) und Bilal K. (24) kehrten im März bzw. April 2013 mehr oder weniger freiwillig zurück, nachdem sich sogar Bundeskanzlerin Merkel eingeschaltet und mit dem türkischen Ministerpräsidenten Erdogan über die Auslieferung verhandelt hatte. Da rechneten sie sich dann wohl doch keine Chance mehr aus, ungeschoren davon zu kommen.

Der Tagesspiegel, der die Gruppe als „fünf harmlose Typen und ein bekannter Schläger“ charakterisierte, beschrieb die Täter später folgendermaßen: „Sie alle sind in Berlin geboren und aufgewachsen, haben türkische und griechische Pässe, Onur U. auch einen deutschen: Sechs junge Männer, die noch bei ihren Eltern leben, sich gern gestylt in Bars amüsieren, dafür aber überwiegend auf Taschengeld angewiesen sind. Sie waren in der Schule angeblich nicht schlecht, danach aber fielen ihre Bemühungen um Beruf und Job eher gering aus.“ Als „harmlose“ Typen wollte die Öffentlichkeit die Täter jedoch nicht sehen. Groß war die Wut! Dennoch: Intensivtäter war keiner von ihnen.

Osman A. und Bilal K. waren nicht vorbestraft und gingen einer Tätigkeit nach. Letzteres widersprach dem Bild, das sich die Öffentlichkeit und die Medien gemacht hatten. Bilal war als Fahrer bei DHL beschäftigt, während Osman eine Ausbildung zum Metallbauer machte, die er jedoch wegen des Verfahrens abbrechen musste. Auch Memet E. musste seine Ausbildung zum Industriemechaniker wegen des Verfahrens abbrechen. Zwar war er vorbestraft, allerdings lediglich wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Melih Y. hatte bei der Deutschen Bahn eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastronomiegewerbe absolviert und war seitdem in verschiedenen Servicestores der Deutschen Bahn tätig. 2007 war er wegen Raubes zu 80 Stunden Freizeitarbeit verurteilt worden. Er hatte dabei geholfen, zwei Mädchen „abzuziehen“. Seitdem war er nicht mehr auffällig...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Recht / Steuern Allgemeines / Lexika
Schlagworte Berlin • Gericht • Justiz • Kriminalität • Kudammraser • Mord • Recht • Täter • Totschlag • True Crime
ISBN-10 3-7394-8310-5 / 3739483105
ISBN-13 978-3-7394-8310-8 / 9783739483108
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