Der Bundeswehreinsatz im Innern: Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen (eBook)
88 Seiten
Diplomica Verlag GmbH
978-3-96146-200-1 (ISBN)
Martin Krauße wurde 1982 geboren. Nach dem Abitur und dem freiwilligen Wehrdienst entschied sich der Autor für eine Laufbahn als Offizier bei der Bundeswehr. Während seiner Dienstzeit war er zunächst Zugführer und Ausbildungsoffizier in der Artillerie. Später wurde er Offizier für Militärisches Nachrichtenwesen im Stab einer Panzerbrigade und nahm 2014 an einem Einsatz in Afghanistan teil. Nach seiner Dienstzeit in der Bundeswehr entschied sich der Autor für den gehobenen nichttechnischen Dienst des Bundes und studierte Allgemeine und Innere Verwaltung. Seit seinem Abschluss als Diplomverwaltungswirt arbeitet er im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland und ist als Reserveoffizier weiterhin im Militärischen Nachrichtenwesen tätig.
Textprobe: Kapitel 3.1 Die Wehrverfassung: Als der Aufbau der Bundeswehr begann, wurde das Grundgesetz 1956 um eine sogenannte 'Wehrverfassung' ergänzt. Dadurch wird die Aufstellung, Kontrolle und der Einsatz von Streitkräften im Grundgesetz verankert. Es handelt sich um keinen eigenen Abschnitt in der Verfassung, sondern um verschiedene Artikel, welche über den gesamten Verfassungstext verteilt sind. Die zentrale Norm stellt dabei der Artikel 87a im Grundgesetz dar, welcher den Bund ermächtigt Streitkräfte zu seiner Verteidigung aufzustellen. Hierdurch werden die Verantwortlichkeit des Bundes und der alleinige Verteidigungszweck der Streitkräfte gleichermaßen geregelt. Nach Art. 65a GG hat der Bundesminister der Verteidigung die Befehls- und Kommandogewalt, welche nach Art. 115b GG im Verteidigungsfall auf den Bundeskanzler übergeht. Außerhalb dieses Verteidigungsfalls dürfen die Streitkräfte nach Art. 87a Abs. 2 GG nur eingesetzt werden, soweit dies durch das Grundgesetz ausdrücklich zugelassen ist. Die Aufstellung deutscher Streitkräfte erfolgte vor dem Hintergrund des verlorenen Krieges und der Erfahrung von Diktatur und Militarismus. Deshalb sollte ausgeschlossen werden, dass sich die militärische Gewalt auch gegen den eigenen Staat richten kann. 1968 wurde das Grundgesetz im Zuge der 'Notstandsgesetzgebung' geändert. Dadurch wurden Voraussetzungen für Einsätze der Bundeswehr im Innern formuliert. Die Aufzählung der Situationen, bei denen die Streitkräfte innerhalb des Bundesgebietes eingesetzt werden, ist abschließend, um zu verhindern, dass diese bei innenpolitischen Auseinandersetzungen zu einem Machtfaktor werden können. Akteure und Institutionen innerer und äußerer Sicherheit sind scharf getrennt, was weithin politisch und gesellschaftlich akzeptiert ist. Im Wege der 'Amtshilfe' (Art. 35 Abs. 1 GG) darf die Bundeswehr eine Unterstützung der Polizeikräfte leisten. Beispielsweise kann das durch die Bereitstellung von Transport- und Unterkunftsmöglichkeiten geschehen, wobei es zu keinem 'Einsatz' kommt, da hoheitliches Handeln an dieser Stelle entfällt. Die vom Grundgesetz ausdrücklich, außer zur Verteidigung, zugelassenen und als restriktiv zu verstehenden Einsätze der Bundeswehr sind der Verteidigungs- und Spannungsfall (Art. 87a Abs. 3 GG), der innere Notstand (Art. 87a Abs. 4 GG) und der Katastrophenfall (Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG). Nachfolgend werden die einzelnen Normen der 'Wehrverfassung' dargestellt und erläutert, welche der Bundeswehr ermöglichen innerhalb des Bundesgebietes eingesetzt oder tätig zu werden. Kapitel 3.1.1 Amtshilfe nach Art. 35 Abs.1 GG: Nach Art. 35 Abs. 1 GG leisten sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Rechts- und Amtshilfe. Diese Beistandspflicht ist eine Folge der Gewaltentrennung und der Ausübung der Staatsgewalt durch verschiedene Behörden. Sie gilt unabhängig davon, ob die ersuchende Behörde in der Stufe über oder unter der ersuchten Behörde steht oder ob es sich um Bundes- oder Landesbehörden handelt. Unter Amtshilfe versteht man die ergänzende Hilfe einer Behörde, die im Rahmen der Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung auf Ersuchen einer anderen Behörde geleistet wird. Demnach kann eine Behörde um Amtshilfe insbesondere dann ersuchen, wenn sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die Amtshandlung nicht selbst oder nur mit wesentlich größerem Aufwand als die ersuchte Behörde vornehmen kann. Als 'Behörde' im Sinne des Art. 35 Abs. 1 GG können Einheiten und Dienststellen der Bundeswehr angesehen werden. Auch wenn dadurch die Streitkräfte grundsätzlich zur Amtshilfe verpflichtet und fähig sind, entfaltet Art. 87a Abs. 2 GG hier eine Sperrwirkung für den Einsatz im Innern. Wie bereits geschildert dürfen nach Art. 87a Abs. 2 GG die Streitkräfte außerhalb des Verteidigungsfalls nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. Art. 87a Abs. 2 GG geht als speziellere Norm dem Art. 37 Abs. 1 GG vor. Somit ist Amtshilfe durch die Streitkräfte eine Option für ersuchende Behörden, enthält aber keine ausdrückliche Regelung für deren Einsatz. Der Bundeswehr bleibt nur die Möglichkeit und die Verpflichtung Amtshilfe unterhalb der Einsatzschwelle des Art. 87a Abs. 2 GG zu leisten. Beispielsweise können Landesbehörden die Bundeswehr zur technischen Hilfeleistung anfordern. Bekannte Bilder sind Soldaten, die während eines Hochwassers Sandsäcke in Stellung bringen oder bei Naturkatastrophen mit Hubschraubern Rettungskräfte einfliegen. Während solche Anforderungen noch 1962, als der damalige Hamburger Innensenator Helmut Schmidt Bundeswehrhubschrauber bei einer Sturmflut anforderte, rechtlich umstritten waren, stellen sie inzwischen keine Problematik mehr dar. Denn Art. 87a Abs. 2 GG bindet nicht jede Nutzung der Streitkräfte an eine ausdrückliche Zulassung durch das Grundgesetz, sondern nur wenn sie als Mittel der vollziehenden Gewalt in einem Eingriffszusammenhang verwendet werden. Da rein technische und logistische Hilfen keinen Einsatz im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG darstellen, sind diese nicht von dessen Verfassungsvorbehalt erfasst. Dadurch wird die Frage nach der Legitimität auch nicht gestellt, wenn zur technischen oder logistischen Hilfeleistung sogar militärspezifisches Gerät, wie Aufklärungsflugzeuge oder Panzer, allerdings ohne Bewaffnung, eingesetzt werden. Beispielsweise wurden Aufklärungstornados mit empfindlichen Infrarotkameras und ohne Bewaffnung 2001 bei der Suche nach einem vermissten neunjährigen Mädchen bedenkenlos eingesetzt. Die Schwelle zum Eingriffszusammenhang wird erst überschritten, wenn sachliche oder personelle Mittel der Streitkräfte in ihrem Droh- und Einschüchterungspotenzial genutzt werden. Nicht unstrittig blieben deshalb die Bundeswehreinsätze im Rahmen des G 8 Gipfeltreffens in Heiligendamm 2007. Hier hatte das Bundesministerium der Verteidigung technische und logistische Hilfe auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 1 GG für die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern zugesagt. Im Zuge dessen kamen Tornado-Aufklärungsflugzeuge ebenfalls ohne Bewaffnung zum Einsatz, um Luftbilder von Straßenzügen und Demonstranten anzufertigen. Bei einer dieser Aufklärungsmissionen wurde am 5. Juni 2007 ein Demonstrantencamp im Tiefstflug überflogen. Subjektiv kann ein solcher Überflug von den Demonstranten als Einschüchterungsversuch empfunden werden. Hierbei zeigt sich, dass die Amtshilfe durch die Bundeswehr auch im rechtlich schwer zu beurteilenden Grenzbereich liegen kann. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern ist deshalb strikt an den Text gebunden. Oberhalb der Eingriffsschwelle ist er nur zulässig, wenn im Grundgesetz explizit die Streitkräfte angesprochen werden.
Erscheint lt. Verlag | 1.2.2019 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Recht / Steuern ► Allgemeines / Lexika |
Recht / Steuern ► EU / Internationales Recht | |
Recht / Steuern ► Öffentliches Recht | |
ISBN-10 | 3-96146-200-3 / 3961462003 |
ISBN-13 | 978-3-96146-200-1 / 9783961462001 |
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