Polizei- und Ordnungsrecht Nordrhein-Westfalen (eBook)
259 Seiten
Deutscher Gemeindeverlag
978-3-555-01920-8 (ISBN)
Hans-Gerd Pieper ist Rechtsanwalt und seit 13 Jahren Lehrbeauftragter für die Fächer Polizei- und Ordnungsrecht an der FHöV des Landes NRW, Abteilung Münster. Zudem war er 20 Jahre lang als Repetitor bei Alpmann und Schmidt tätig. Der Autor verfügt für den Bereich des Öffentlichen Rechts über eine langjährige Autoren- und Herausgebertätigkeit. Er ist Autor zahlreicher Lehrbücher und Aufsätze zum Staatsrecht und besonderen Verwaltungsrecht.
Hans-Gerd Pieper ist Rechtsanwalt und seit 13 Jahren Lehrbeauftragter für die Fächer Polizei- und Ordnungsrecht an der FHöV des Landes NRW, Abteilung Münster. Zudem war er 20 Jahre lang als Repetitor bei Alpmann und Schmidt tätig. Der Autor verfügt für den Bereich des Öffentlichen Rechts über eine langjährige Autoren- und Herausgebertätigkeit. Er ist Autor zahlreicher Lehrbücher und Aufsätze zum Staatsrecht und besonderen Verwaltungsrecht.
2. Abschnitt:Die ordnungsbehördliche Verfügung
14Grundfälle zum allgemeinen POR bei Beaucamp JA 2009, 279; zu typischen Klausurproblemen vgl. Poscher/Rusteberg JuS 2011, 888 (mehrere Teile).
A.Prüfschema: Rechtmäßigkeit einer ordnungsbehördlichen Verfügung
A.Ermächtigungsgrundlage bzw. Befugnisnorm („Vorbehalt des Gesetzes“)
I. Aus Sonderordnungsrecht; wenn (–)
II. aus dem OBG
1. § 24 Nr. 1–13 OBG i. V. m. PolG (sog. Standardermächtigungen); wenn (–)
2. § 14 Abs. 1 OBG
Beachte: Auch bei den formellen und materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen ist im konkreten Fall zunächst zu untersuchen, ob nicht eine Norm des Sonderordnungsrechts einschlägig ist und damit die Anwendbarkeit des OBG verdrängt (Grundsatz der Subsidiarität des OBG zum Sonderordnungsrecht).
B.Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen („Vorrang des Gesetzes“)
I. Zuständigkeit
1. sachlich/instanziell: §§ 5, 3 Abs. 1, 1. Fall OBG
2. örtlich
a) § 4 OBG
b) evtl. ergänzend: § 3 VwVfG NRW
Mögliche Probleme:
– Zuständigkeit bei störendem Hoheitsträger
– Selbsteintrittsrecht gemäß § 6 OBG
II. Form im weiteren Sinne
1. grds. Schriftform gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 OBG
2. §§ 37 Abs. 3, 39 Abs. 1 VwVfG NRW
III. Verfahren
1. §§ 20, 28 Abs. 1 VwVfG NRW
2. evtl. Mitwirkung des Bürgers (z. B. Beteiligung gemäß §§ 73, 74 BauO NRW); sog. mitwirkungsbedürftiger VA
3. evtl. Mitwirkung weiterer Behörden (z. B. Anhörung gemäß § 35 Abs. 4 GewO); sog. mehrstufiger VA
C.Materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen („Vorrang des Gesetzes“)
I. Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
1. Schutzgut der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung betroffen
Mögliches Problem: Vorrang zivilgerichtlichen Rechtsschutzes (§ 1 Abs. 2 PolG analog)
2. konkrete Gefahr (oder Störung)
– evtl. engere Gefahrbegriffe, z. B. gegenwärtige Gefahr
– evtl. subjektive Gefahrbegriffe, z. B. Anscheinsgefahr oder Gefahrenverdacht
II. Ordnungspflicht bzw. Störereigenschaft des Adressaten
1. Handlungsstörer gemäß § 17 OBG
2. Zustandsstörer gemäß § 18 OBG
3. Nichtstörer oder Notstandspflichtiger gemäß § 19 OBG
Mögliche Probleme:
– adressatneutraler VA
– Kausalitätstheorien, Zweckveranlasser
– Rechtsnachfolge in die Ordnungspflicht
– Anforderungen an den Verdachts- oder Anscheinsstörer
– Haftungsreduktion wegen Art. 14 GG bei „Opferposition“
– Legalisierungswirkung, insbes. von Altgenehmigungen
III. Zulässige Rechtsfolge
IV. (Entspricht die behördlich gesetzte Rechtsfolge den) allg. Rechtmäßigkeitsanforderungen?
1. keine Ermessensfehler; §§ 16, 23 S. 2 OBG
2. ordnungsgemäße Betätigung des Auswahlermessens bei Störermehrheit; §§ 15, 22, 21 S. 2 OBG
3. Verhältnismäßigkeit
Mögliche Probleme:
– Gefahr- oder Störererforschungseingriff
– Duldung
4. bei Anlass: Bestimmtheit; § 37 Abs. 1 VwVfG NRW
5. bei Anlass: Möglichkeit der Handlungspflichterfüllung
B.Ermächtigungsgrundlage
15Grundfälle bei Büscher JA 2010, 719, 791.
I.Definitionen und Abgrenzung
1.Ermächtigungsgrundlagen
16Ermächtigungsgrundlagen sind nur solche Normen, die einem Träger hoheitlicher Gewalt bzw. dessen Behörde ausdrücklich die Befugnis einräumen, unter bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen Rechtsfolgen ggü. dem Bürger oder einem anderen Hoheitsträger zu setzen (Befugnisnorm).
Beispiel: § 14 Abs. 1 OBG
Nicht ausreichend sind Zuständigkeitsnormen, Aufgabenzuweisungen oder Verbote.
2.Zuständigkeitsnormen
17Zuständigkeitsnormen (wie z. B. §§ 5 Abs. 1 OBG, 11 Abs. 1 Nr. 1 POG) dienen zunächst nur dazu, bestimmten Behördeninstanzen (z. B. örtliche Ordnungsbehörde – Ordnungsamt –, Kreispolizeibehörde) bestimmte Aufgaben oder die Durchführung bestimmter Gesetze zuzuweisen; eine Eingriffsermächtigung stellen sie nach ganz h. M. nicht dar.
3.Aufgabenzuweisungen
18Gleiches gilt für Aufgabenzuweisungen (wie z. B. §§ 1 Abs. 1 OBG, 1 Abs. 1 S. 1 PolG), welche bestimmte Aufgaben (z. B. Gefahrenabwehr) staatlichen Organen (z. B. „Polizei“) oder Behörden (z. B. „Ordnungsbehörden“) zuweisen.
Umstritten ist dieser rechtliche Befund insbes. im Bereich behördlicher Warnerklärungen vor Jugendsekten oder vor schädlichen Lebensmitteln.42
4.Verbote/Gebote
19Verbote oder Gebote (wie z. B. § 32 Abs. 1 StVO) enthalten ebenfalls keine Befugnis der zuständigen Behörde, bei Nichtbeachtung eine Verfügung ggü. dem Bürger zu erlassen. Die Behörde muss vielmehr eine weitere Ermächtigungsgrundlage (z. B. § 14 Abs. 1 OBG i. V. m. § 32 Abs. 1 StVO) heranziehen, um einen drohenden oder erfolgten Verstoß gegen das Gebot/Verbot zu verhindern (sog. unselbstständige Ordnungsverfügung).
II.Erforderlichkeit einer Ermächtigungsgrundlage; Vorbehalt des Gesetzes
20Ordnungsrechtliche Verfügungen bedeuten regelmäßig einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG oder in besondere Freiheitsrechte, wie z. B. Art. 12 und 14 GG. Damit handelt es sich um grundrechtsrelevante Maßnahmen, die stets den sog. Vorbehalt des Gesetzes auslösen, dogmatisch begründet aus dem jeweils betroffenen Grundrecht und dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG.43
Sofern für eine belastende Ordnungsverfügung eine Ermächtigungsgrundlage fehlt oder unwirksam ist wegen Verfassungswidrigkeit,44 ist der entsprechende VA schon deshalb materiell rechtswidrig wegen Verletzung des konkret betroffenen Grundrechts und wegen Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip).
Unwirksamkeit kann insbes. dann vorliegen, wenn die vorhandene Ermächtigungsgrundlage nicht hinreichend bestimmt ist in Ansehung der Beeinträchtigung beim -Adressaten und des Rangs des jeweiligen Grundrechts. Dies ist insbes. problematisch bei Heranziehung der Generalklausel (§§ 14 Abs. 1 OBG, 8 Abs. 1 PolG) für Eingriffe in die Berufsfreiheit,45 in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG46 oder in sonstige besondere Freiheitsgrundrechte.47
III.Normenhierarchie; Subsidiarität
1.„Sonderordnungsrecht vor allgemeinem Ordnungsrecht“; § 14 Abs. 2 OBG48
21Wegen des Grundsatzes der Subsidiarität des OBG zum Sonderordnungsrecht ist zunächst im konkreten Fall zu prüfen, ob nicht das Sonderordnungsrecht des Bundes (z. B. § 35 Abs. 1 GewO) oder das Sonderordnungsrecht des Landes NRW (z. B. § 15 LImSchG) die erforderliche Ermächtigungsgrundlage gibt.
2.„Standardermächtigung vor Generalklausel“49
22Sofern das nicht der Fall ist, darf nicht direkt § 14 Abs. 1 OBG als ordnungsrechtliche Generalklausel herangezogen werden, sondern es muss zunächst untersucht werden, ob im konkreten Fall nicht sog. Standardermächtigungen nach dem PolG i. V. m. § 24 OBG einschlägig sind (Subsidiarität der ordnungsrechtlichen Generalklausel zu Standardermächtigungen).50
IV.Anwendbarkeit der Generalklausel bei atypischen, aber grundrechtsintensiven Eingriffsmaßnahmen?
23Unklar und umstritten sind die Voraussetzungen, unter denen auch intensive Grundrechtseingriffe auf die Generalklausel gestützt werden können.
Beispiele: Glasverbot im Straßenkarneval,51 Meldeauflage an potenzielle Straftäter,52 Standortbestimmung eines Handys zur Verhinderung eines Selbstmordes,53 landesrechtlich nicht geregelte körperliche Untersuchung zur Gefahrenabwehr54
24– Nach einer Auffassung (Meinung 1) sind Eingriffsmaßnahmen mit besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriffen, insbes. in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, gestützt auf die ordnungs- oder polizeirechtlichen Generalklauseln...
Erscheint lt. Verlag | 28.6.2017 |
---|---|
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Recht / Steuern ► Öffentliches Recht ► Besonderes Verwaltungsrecht |
Schlagworte | Besonderes Verwaltungsrecht • Gefahrenabwehrrecht • Öffentliches Recht • Ordnungsrecht • Polizeirecht |
ISBN-10 | 3-555-01920-1 / 3555019201 |
ISBN-13 | 978-3-555-01920-8 / 9783555019208 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
![EPUB](/img/icon_epub_big.jpg)
Größe: 1,4 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich