Stern voran -  Kevin Watzl

Stern voran (eBook)

Mit dem alten Benz durch Südamerika

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
468 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-2645-2 (ISBN)
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Dies ist die Geschichte eines Gebrauchtwagenkaufs und seiner Folgen. Eine Geschichte darüber, wie sehr man einen Mercedes W 123 lieben kann und warum eine Verschiffung nach Südamerika zwar komplizierter als eine Steuererklärung, aber durchaus empfehlenswert ist. Was dort alles passiert ist und wie es überhaupt so weit kommen konnte, wird hier endlich auch in gedruckter Form beantwortet. Ein Tagebuch eines Vagabunden ohne Ziel und Plan, dafür mit Lust auf die große, weite Welt. sternvoran.de

Vagabund mit altem Mercedes. Erst Teilzeit-Reisender in Europa, dann expandiert nach Südamerika.

SÜDAMERIKA


Ich habe es ja bereits ein oder zweimal angedeutet, mit Deutschland war ich erstmal fertig. Ich sah einfach keine Perspektive mehr für mich in diesem Land. Ich ahnte natürlich, dass es auch in Deutschland sicher nicht-beschissene Jobs geben muss, aber mir erschien eben alles sinnlos. Gibt ja trotzdem noch genügend zu kritisieren und ich wollte auf keinen Fall zu denjenigen gehören die immer nur meckern und schimpfen aber nichts tun. Auswandern schien mir eine geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme. „Kannst ja gehen wenn’s dir nicht passt!“ wird manchmal Ausländern vor die Füße geklatscht, aber warum sollte das nicht auch für Deutsche gelten? Insbesondere weil es für uns ziemlich leicht ist und wir in den meisten Ländern der Erde mit offenen Armen empfangen werden. Wer hat schon so viel Glück? Da wäre es fast schon ein Verbrechen es nicht zu versuchen.

Außerdem ist es ja auch eine ganz logische Schlussfolgerung aus dem Umstand, dass bei allen bisherigen Fahrten immer die Rückfahrten das größte Problem darstellten. Lässt man halt weg was einen immer störte. Auch hier wieder: nicht meckern, lieber was machen. Sollen andere ruhig weiter ihren nine-to- five-Job hassen und nur für die Wochenenden leben, ich schau mir derweil mal die Welt an. So locker sah ich das zunächst wirklich, Zweifel oder Zukunftsängste waren mir während der Planungsphase völlig fremd.

Für die beste Reaktion auf meine Pläne war meine Mutter zuständig. Nach kurzer Verwunderung sagte sie mir: „Auf eine komische Art bin ich sehr erleichtert, dass du doch gar nicht so planlos bist, wie es in den letzten Monaten rüberkam.“ Ich nahm das, wie bei allen Zweifelsfällen, einfach mal als eine Art Kompliment an.

Aber warum nun Südamerika? Nun, ich liebäugelte kurzzeitig auch mit dem südlichen Afrika, aber da wurde schon nach allerkürzesten Recherchen klar, dass es auf dem Landweg praktisch unerreichbar ist (jedenfalls für mich). Und wenn man ohnehin verschiffen muss, steht einem ja die ganze Welt offen. Und zunächst mal gab es schon ganz praktische Gründe, die für Südamerika sprachen: Deutsche Staatsbürger brauchen nirgendwo Visa, können in der Regel auch praktisch unbegrenzt oft einreisen und auch das Auto kann rechtlich sehr einfach Grenzen passieren. Da sind sowohl Asien als auch Afrika deutlich komplizierter.

Dazu kam, dass fast im ganzen Kontinent nur Spanisch und Portugiesisch gesprochen werden. Auch hier schien z. B. Südostasien im Vergleich unheimlich kompliziert. Weiter sollte die Infrastruktur es erlauben auch mit einer alten Limousine alle wichtigen Ziele gut erreichen zu können und – auch das sei nicht verschwiegen – die Kultur unterscheidet sich weit weniger krass von der Europäischen als beispielsweise in Zentralafrika.

Aber neben diesen harten Fakten schien Südamerika auch einige soft skills vorweisen zu können. Der Kontinent ist landschaftlich unfassbar vielfältig, von Karibikstränden über knochentrockene Wüsten, tropischem Urwald, Savannen und schwindelerregend (im wahrsten Sinne des Wortes!) hohen Bergen bis hin zum bitterkalten Süden kriegt man alles geboten. Eigentlich gehen nur Fans von Eiswüsten leer aus.

Schließlich schien mir auch der Menschenschlag sehr angenehm, ich kannte zwar fast nur Mexikaner (und Mexiko liegt ja eben nicht in Südamerika) aber mit solchen Details hielt ich mich nicht auf. Jedenfalls hatte ich genug Argumente auf meiner Seite.

Der Aufwand vorab war nicht unerheblich. Bei allen anderen Fahrten wurde der Kofferraum mit Zeug vollgeräumt und los gings, doch bei diesem Projekt galt es einiges zu beachten. Zunächst besorgte ich mir allen notwendigen Papierkram. Ich ließ mir einen Zweitpass ausstellen, das geht relativ problemlos wenn man eine vernünftige Ausrede hat. Während der internationale Führerschein kein Problem darstellte, wollte es mit dem internationalen Fahrzeugschein zunächst nicht so recht klappen, das scheint einfach zu exotisch zu sein. Doch nach einigen Diskussionen bekam ich schließlich doch einen ausgestellt. Im Vordruck war noch von PS statt kW die Rede. Das war bis 1978 üblich, seitdem schien der Vordruck nicht mehr überarbeitet worden zu sein…

Dann meldete ich mich offiziell aus Deutschland ab und bekam einen schönen „Keine Hauptwohnung in Deutschland“-Sti-cker in den Ausweis. Da fühlt man sich gleich viel freier! Netterweise hat sich meine Hausbank nie daran gestört, dass knapp ein Jahr lang kein Lohn mehr auf mein Konto einging und auch, dass ich auswanderte störte sie nicht. Jedenfalls hatte sie nie meine Kreditkarte mit 5.000 € Kreditlimit in Frage gestellt. Für dieses Vertrauen (oder Blödheit) möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken!

Aus rechtlichen Gründen kann ich an dieser Stelle nicht beschreiben, wie ich es mit der Autozulassung gemacht habe, aber ich kann beschreiben wie es viele andere Reisende in meiner Situation machen: rechtzeitig vor der Verschiffung die Papiere verlieren, deren Verlust an Eides statt bezeugen und neue Papiere bekommen. Kennzeichen-Dubletten anfertigen (gefälschte Siegel sind unnötig denn außerhalb Europas weiß keiner, dass welche drangehören). Auto verschiffen. Dann mit den neuen Papieren das Auto abmelden und die alten Papiere plötzlich doch wiederfinden. Dann mit den alten, verloren gemeldeten Papieren und den Fake-Kennzeichen fahren ohne Steuern oder Versicherung zahlen zu müssen. Wer mag kann eine Versicherung auch relativ problemlos vor Ort abschließen.

Nachdem die Versicherungsangelegenheiten geklärt waren, ging es an die Organisation der Verschiffung. Da das Prozedere ja nun schon einige Jahre her ist, wird eine zu genaue Beschreibung wohl nicht sehr sinnvoll sein, aber ein paar grundlegende Infos möchte ich gern geben. Die erste Frage ist: wohin verschiffen? Nach Brasilien verschiffen ist ultraverboten, da scheint man erfahrungsgemäß in einen kafkaesken Kampf gegen Bürokratie und Korruption einzutreten den man nur verlieren kann. Zarate bei Buenos Aires ist wohl in Ordnung, aber die meisten scheinen nicht ohne Grund nach Montevideo in Uruguay zu verschiffen. Allein schon die Tatsache, dass Uruguay die stabilste Demokratie der Region und Korruption dort nur eine Ausnahmeerscheinung ist, sollten genug Argumente sein. Über die Möglichkeit an die Westküste zu verschiffen weiß ich nicht viel, das könnte aber mittlerweile deshalb interessant sein, weil für die Ostküste Grimaldi zuständig ist und die scheinen wohl seit 2019 bei Gegenständen im Fahrzeug Zicken zu machen.

Und das geht gar nicht! Trotz meines Nichtwissens wage ich aber einen Tipp: Nach Peru würde ich nicht verschiffen! Hatte da irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft ich von korrupten Bullen belästigt wurde, da kann ich mir kaum vorstellen, dass in irgendeiner Behörde irgendwas reibungslos läuft! Sorry Peruaner, ihr seid klasse Leute aber ihr lebt in einer richtigen Bananenrepublik, selbst im Lateinamerikavergleich!

Jedenfalls war ich damals mit meiner Wahl, Montevideo, sehr zufrieden. Logische nächste Frage war, wer die Verschiffung durchführt. Bei den großen Reedereien wie Grimaldi brauchte man gar nicht erst zu fragen, die interessieren sich nicht die Bohne für Einzelpersonen die ihr Auto verschiffen wollen und antworten nicht mal. Man muss eine Agentur beauftragen. Ich entschied mich für Mafratours in Hamburg. Kann über die nichts schlechtes sagen und ob andere Agenturen es einfacher hinkriegen weiß ich nicht.

Oft werde ich gefragt, was die Verschiffung gekostet hat und zur allgemeinen Überraschung muss ich immer antworten, dass ich es selbst nicht weiß. An Mafratours zahlte ich knapp 1.400 Euro, aber damit war erst der Anfang gemacht. Um in Montevideo das Auto tatsächlich abholen zu können muss man sich noch in einen wandelnden Geldautomaten verwandeln: Ich zahlte 450 Dollar für die Agentur vor Ort, knapp 150 Dollar Hafengebühr und hier und da noch den einen oder anderen Hunderter oder Fuffi. Außerdem verspäten sich die Schiffe oft, sodass man eine Weile ohne Auto am Zielhafen herumhängt und Montevideo ist nicht so billig wie man es sich vielleicht in Europa vorstellen mag. Es ist eine der teuersten Städte Südamerikas und das Geld geht schnell weg. Man kann aber auch nicht auf eine Verspätung spekulieren und später anreisen, denn wer das Auto im Hafen herumstehen lässt, zahlt irgendwas zwischen 50 und 100 Dollar pro Tag extra. Aus all diesen Gründen kann ich keine halbwegs seriöse Schätzung geben.

Die letzte Herausforderung war die Akquise tauglicher Mitfahrer. Das ist sehr wichtig, weil ich gar keine Lust auf Alleinreisen habe, schon gar nicht auf völlig unbekanntem Terrain. Leider scheiterte dieses Vorhaben zunächst auf ganzer Linie, ich sollte also für die erste Zeit ganz auf mich allein gestellt sein. Das ist schade und macht schon Respekt. Hoffentlich finden sich bald alte oder neue Reisepartner.

Mittwoch, 14.10.2015

Hier beginnt die von der Webseite bekannte Tagebuchform. Da übermorgen der Abgabetermin fürs...

Erscheint lt. Verlag 23.7.2024
Sprache deutsch
ISBN-10 3-7597-2645-3 / 3759726453
ISBN-13 978-3-7597-2645-2 / 9783759726452
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