Das kleine Buch vom Meer: Mord an Bord -  Olaf Kanter

Das kleine Buch vom Meer: Mord an Bord (eBook)

(Autor)

Stefan Kruecken (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
196 Seiten
Ankerherz Verlag
978-3-945877-89-0 (ISBN)
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Für einen Mörder gibt es kaum einen besseren Tatort als ein Schiff auf hoher See. Nirgendwo sonst ist es so einfach, eine Leiche zu beseitigen. Sollte das Opfer jemals gefunden werden, hat das Salzwasser alle Spuren beseitigt. Und welcher Kommissar darf überhaupt ermitteln? Das wahre Verbrechen lauert hinter dem Horizont. Im vierten Band der Reihe 'Kleines Buch vom Meer' erzählen wir 25 wahre Krimis von der See. Wir berichten von grausamen Kapitänen und skrupellosen Reedern. Von einer gemeinen Crew, die blinde Passagiere wie menschlichen Ballast entsorgte. Von Jeronimus Cornelisz, dessen Verbrechen von 1629 bis heute Spuren hinterlassen. Und 'Miss Marple' darf in einer Aufzählung zum Thema 'Filme' natürlich nicht fehlen. Das kleine Buch vom Meer 'Mord an Bord': für Nervenkitzel. Für Spannung in Wellen.

STEFAN KRUECKEN (Herausgeber) Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, arbeitete als Polizeireporter für die Chicago Tribune und berichtete als Reporter weltweit für Magazine. Von ihm stammen u.a. die Bestseller 'Sturmwarnung', 'Orkanfahrt' und 'Unverkäuflich'. Krücken ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt mitsamt zwei Hunden in einem Dorf bei Hamburg. OLAF KANTER Jahrgang 1962, arbeitete nach seinem Studium für die 'Welt', bevor er als Textchef zur Zeitschrift 'mare' ging. Heute ist Kanter Redakteur bei 'Der Spiegel'. Er hat für den Ankerherz Verlag bereits die Biografien der Krabbenfischer Hillstrand, Hansen und Harris ins Deutsche übersetzt. Er lebt in Hamburg.

MORD AN BORD


Ein Schiff ist ein ziemlich perfekter Ort, um einen Mord zu begehen. Wenn die Leiche einmal im Meer ist, wird es für die Ermittler extrem schwierig. Beweise fehlen, Zeugen auch – und wer ist auf hoher See eigentlich zuständig? Seit Jahren lese und höre ich immer wieder von spektakulären Mordfällen, die sich auf Schiffen ereignen.

VON STEFAN KRUECKEN

Was der Ehemann zunächst der Crew und später den Ermittlern der italienischen Polizei erzählt, klingt unverdächtig. Zumindest aber so plausibel, dass kein Verdacht auf ihn fällt, jedenfalls nicht sofort. Seine Partnerin ist von Bord der „Island Escape“ verschwunden, einem Kreuzfahrtschiff, das vor der Südküste Italiens kreuzt.

Gegen 1 Uhr in der Nacht habe Micki Kanesaki die Kabine verlassen, um sich heißes Wasser und einen Teebeutel zu besorgen, gibt Lonnie Kocontes, damals 48 Jahre alt, ein Anwalt, in den Vernehmungen zu Protokoll. Er selbst habe eine Schlaftablette geschluckt und sei schnell eingenickt. Als er am nächsten Morgen aufwachte, sei er alleine gewesen. Überall auf dem Schiff habe er nach ihr gesucht.

Ach so, sie habe darüber gesprochen, sich das Leben nehmen zu wollen. Ob die Wirkung des Weines vielleicht diese Absicht verstärkt habe? Er mache sich Vorwürfe, beteuert Kocontes. Aber hat er dieses tragische Unglück wirklich verhindern können?

Polizisten beginnen, die letzten Stunden des Paares anhand von Überwachungsvideos und Zeugenaussagen zu rekonstruieren: Ein Restaurantbesuch. Eine Flasche Wein. Ein kurzer Abstecher ins Spielcasino. Mitternacht gehen sie auf ihre Kabine. So weit alles normal, und was auch immer danach geschah, bleibt unbekannt. Es gibt keinen Hinweis auf ein Gewaltverbrechen.

Seit den Neunzigern sind Kocontes und Kanesaki ein Paar. Sie lernten sich in einer Kanzlei kennen, wo er als Anwalt tätig war und sie als Rechtsanwaltsgehilfin. 1995 heirateten sie. Doch aus Liebe wurde Hass: häusliche Gewalt, Alkoholprobleme, sieben Jahre später die Scheidung. Sie wohnten allerdings weiter im gemeinsamen Haus, in Ladera Ranch, einer Kleinstadt im kalifornischen Orange County. Zusammen mit Kocontes' neuer Frau Amy Nguyen, von der er sich ebenfalls trennte. Die Reise sollte ein Versuch sein, die Dinge mit seiner ersten Frau wieder in Ordnung zu bringen, gibt Kocontes an.

Kurz nach den Vernehmungen reist er eilig zurück in die USA. Die Polizisten wundern sich: Will er nicht abwarten, was die Suche nach der Vermissten ergibt? Ein komplizierter Beziehungsstatus und ein merkwürdig zügiger Heimflug sind allerdings kein hinreichender Grund, den Anwalt in Italien festzuhalten. Es gibt nur diesen seltsamen Eindruck – aus dem wenige Tage später Gewissheit wird.

Die Crew eines Forschungsschiffs zieht eine Frauenleiche aus dem Mittelmeer. Es ist Micki Kanesaki! Eine Obduktion ergibt, dass die Leiche kein Wasser in den Lungen hat. Die Luft im Atmungsorgan ließ die Leiche auf dem Mittelmeer treiben. Was beweist, dass die Passagierin nicht ertrank. Ein Unfall scheidet damit aus. Ebenso ein Suizid.

Es war Mord.

An der Leiche entdecken Rechtsmediziner Würgemale. Ihr Schädel ist gebrochen. Doch das Meerwasser hat dem Leichnam bereits zugesetzt – DNA-Spuren können die Experten nicht sicherstellen. Für die italienische Polizei reichen diese Indizien nicht aus, um einen internationalen Haftbefehl gegen Kocontes zu erwirken.

Weil es sich aber um den gewaltsamen Tod einer amerikanischen Staatsbürgerin handelt, übernimmt das FBI. Es dauert nicht lange, bis die Beamten seltsame Geldbewegungen auf den Bankkonten des Opfers entdecken. Kocontes versucht, insgesamt mehr als eine Million US-Dollar von mehreren Konten der Verstorbenen auf sein eigenes zu transferieren.

Die Ermittler besuchen die Mitarbeiterin des Reisebüros, bei dem er die Kreuzfahrt buchte. Sie habe sich über die Planung gewundert, sagt die Dame. Die Anreise erschien ihr mit Umstiegen in Minneapolis und London als beschwerlich, doch Kocontes bestand auf diesem Abfahrtstermin auf exakt diesem Schiff. Kein anderes kam infrage. Wiederholt fragte er nach, ob es sich auch wirklich um eine Außenkabine handelte.

Die Ermittler finden rasch die Antwort, warum es ausgerechnet die „Island Escape“ sein musste. Von jeder Außenkabine ist ein ungebremster Fall ins Meer möglich. Kein Zwischendeck ist im Wege, kein Vorsprung, nichts, was einen Sturz aufhalten könnte, eine Besonderheit. Die FBI-Agenten finden außerdem heraus, dass sich Kocontes bei einem Bekannten – einem ehemaligen Polizisten – über Sicherheitsstandards an Bord von Kreuzfahrtschiffen erkundigte. Vor allem über den Einsatz von Kameras im Bereich der Gänge und Balkone. Die FBI-Agenten nehmen Kocontes unter Mordverdacht fest.

Knapp zwei Jahre später sitzt der Verdächtige auf der Anklagebank und bestreitet alle Vorwürfe. Er weiß: Die Anklage hat zwar jede Menge Indizien, aber keine handfesten Beweise. Keine DNA, keine Augenzeugen. Kocontes ist sicher, dass ihm niemand die Tat beweisen kann. Seine Partnerin Amy Nguyen sagt ebenso für ihn aus wie ein befreundeter Jurist.

Zum Entsetzen von Ermittlern und Staatsanwälten weist der Richter die Klage schließlich ab. Die Beweislage sei zu dünn, heißt es in der Begründung, jeder an Bord der „Island Escape“ könne theoretisch der Täter sein. Kocontes kommt frei. Wenig später verlässt er Nguyen und zieht nach Florida, wo er eine neue Beziehung beginnt. Dass der neue Wohnort ausgerechnet „Safety Harbor“ heißt, erscheint wie eine makabre Fußnote in dieser Geschichte.

Doch dann, vier Jahre später, meldet sich Amy Nguyen, die Verlassene, bei den Ermittlern des FBI. Sie habe Angst und neue Informationen. Nicht nur sei sie unter Druck gesetzt worden, Falschaussagen zu machen. Kocontes habe ihr gegenüber vor der Kreuzfahrt angekündigt, Micki Kanesaki an Bord der „Island Escape“ von einem Freund töten zu lassen. Der Killer aber sei nicht aufgetaucht. Amy Nguyen, besorgt um ihre eigene Sicherheit, kündigt an, nun mit den Ermittlern zu kooperieren. Ihre Angst ist begründet: Ein Gefängnisinsasse, mit dem Kocontes einsaß, berichtet, dass dieser versuchte, aus dem Knast heraus einen Killer anzuheuern, um die Zeugin zu beseitigen.

Erneut macht man ihm den Prozess, und wieder gestaltet sich der Fall komplizierter als erwartet. Micki Kanesaki ist in internationalen Gewässern umgebracht worden. Wieso die Strafverfolgungsbehörden der USA überhaupt verantwortlich seien? Mit dieser Frage will die Verteidigung den Prozess platzen lassen. Das Gericht entscheidet, dass die Tat in Kalifornien geplant wurde – man also sehr wohl zuständig ist. Auch die Corona-Pandemie verzögert den Verlauf des Verfahrens.

Der Staatsanwalt spricht davon, dass Kocontes ein „perfektes Verbrechen“ geplant hatte, mit Auswahl des ideal geeigneten Schiffes, der richtigen Kabine und des optimalen Zeitpunkts. Nur der Zufallsfund der Leiche durch die Crew des Forschungsschiffs brachte die Dinge ins Rollen. Der Staatsanwalt spricht von einem „Wunder“.

Schließlich, mehr als 14 Jahre nach der Tat, gibt es endlich Gerechtigkeit. Lonnie Kocontes wird schuldig gesprochen. Lebenslang, ohne Chance auf Bewährung.

+ + +

Ein Kreuzfahrtschiff ist ein ziemlich guter Ort, um einen Mord zu begehen. In der Nacht, wenn die Decks leer sind, gibt es keine Zeugen. Balkone garantieren Privatsphäre. Der Ozean schluckt Vermisste in der Regel, und wenn die Leiche doch gefunden wird, macht das Seewasser die Spurensuche für Rechtsmediziner nahezu unmöglich. Und dann bleibt die Frage der Zuständigkeit. Welche Behörde ermittelt, wenn das Verbrechen in internationalen Gewässern geschah?

Immer wieder kursieren Meldungen von Vermissten, doch präzise Fakten zum Thema „Mord an Bord“ kennt niemand. Mehr als vierhundert Menschen sollen seit 2010 von Kreuzfahrtschiffen gefallen sein, so wird geschätzt. Andere Experten gehen davon aus, dass im Schnitt zwei Menschen monatlich ins Meer stürzen. Angesichts von vielen Millionen Passagieren eine extrem niedrige Quote. In manchen Fällen handelt es sich um Unfälle unter Einfluss von Alkohol oder anderer Drogen. In anderen um Suizid. Von einem erfahrenen Schiffsarzt weiß ich, dass betagte und schwer erkrankte Passagiere das Schiff als Transportmittel ihrer letzten Reise wählen.

Ich erinnere mich an einen echten Krimi, den mir Heinz Aye erzählte, ein alter Kreuzfahrtkapitän. Ein schillernder Charakter, der es in der Hochphase des Kalten Krieges wagte, mit einem Schiff voller amerikanischer Touristen in die Hoheitsgewässer und in einen Hafen der UdSSR einzulaufen. Er berichtete von einem Vorfall nach einer Exkursion auf einer kleinen Insel in der Antarktis.

Ein Ausflug mit Landgang auf einer unbewohnten Insel war beendet, Dämmerung lag bereits über der kalten See, und das Schiff zog seine Bahn, als sich eine Passagierin auf der Brücke meldete. „Mein Mann ist verschwunden“, sagte sie. Kapitän Aye ließ das...

Erscheint lt. Verlag 6.10.2023
Sprache deutsch
ISBN-10 3-945877-89-X / 394587789X
ISBN-13 978-3-945877-89-0 / 9783945877890
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