Meine persönliche Halbzeitpause -  Sebastian Friedlin

Meine persönliche Halbzeitpause (eBook)

In vier Wochen zu mir selbst
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
250 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-3924-0 (ISBN)
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Viele feiern ihren 40. Geburtstag entweder ganz groß oder sie machen stattdessen eine große Reise. Die gleiche Frage stellte ich mir 2019 im Alter von 37 Jahren ebenfalls. Meine Familie wollte mir die Entscheidung nicht abnehmen. Daher entschloss ich mich, eine bislang nie in die Tat umgesetzte Reise anzutreten; nur mit viel mehr Lebenserfahrung und vielleicht nicht mehr ganz so viel Naivität wie in jungen Jahren. So fand ich in vier Wochen die grundlegenden Dinge wieder in einer Reise zu mir selbst.

Sebastian Friedlin, geboren am 05.06.1982 in Tuttlingen. Er ist aufgewachsen im kleinen und beschaulichen Geisingen. 2011 zog es ihn dann der Liebe wegen nach Norddeutschland. Genauer gesagt nach Hemslingen. Dort lebt er nun mit seiner Frau und seiner 9-jährigen Tochter. Im richtigen Leben arbeitet er in Bremen als Projektleiter im Container- Handel. Seine Freizeit gehört überwiegend seiner Familie. Außerdem postet er bei Instagram unter dem Pseudonym #thekitchenofsebo allerlei Kochkünste, den er liebevoll #foodporn nennt. Nebenbei und das wissen die wenigsten, spielt er seit Kindesbeinen an Tenorhorn und ist auch in einer zusammengewürfelten Truppe immer wieder aktiv.

2


Samstag, 02.07.2022

Reisetag: Bremen-Amsterdam

Um 3:30 Uhr klingelt der Wecker. Echt ätzend. Es ist mitten in der Nacht. Mein erster Gedanke: „Sebo, warum tust Du Dir das an?“ Weil ich es so wollte und mein Traum heute losgeht. Genau deswegen.

Also schält man sich als 40-jähriger aus dem Bett und sortiert erst mal alle Knochen. Danach geht es ins Bad. Details erspare ich mir, denn das sollte jeder selbst wissen, was man da morgens macht. Nur soviel, dass ich mir gerade die Frage stelle, warum ich gestern alles gepackt habe? Beziehungsweise den Kulturbeutel. Denn der ist ja schon im fertig gepackten Rucksack. Genau an der Stelle, wo das Schwerste hin soll. In der Mitte am Rücken. Dem Himmel sei Dank, hat das Teil so viele Öffnungen und Reißverschlüsse, dass man aus jeder Position in jeder Lebenslage an alles herankommt. Nun geht die Prozedur los. Nach einer halben Stunde bin ich fertig, trinke ein Glas lauwarmes Wasser und genieße meinen Aufwach-Tee. Es ist ein Darjeeling. Den liebe ich total. Lauwarmes Wasser regt den Kreislauf an, rede ich mir jedenfalls ein und fühle mich gut dabei. Das ist die Hauptsache.

Mit Schwarztee habe ich mal vor geraumer Zeit angefangen, da ich wegen einer Darmerkrankung mal eine Zeit lang keinen Kaffee mehr trinken durfte. Es hat sich dann so eingebürgert und nun trinke ich jeden Morgen einen Schwarztee. Irgendwann habe ich mich für Darjeeling entschieden. Und gerade ich als Kaffee-Junkie muss sagen, das ist eine echte Alternative. Um aber vollständig aufzuwachen, brauche ich meinen morgendlichen Café Crema. Andere kippen da Milch rein, ich nehme noch einen doppelten Ristretto obendrauf. Das schockt und macht mich wach für den Tag. Ich bringe nun, bis meine Familie fertig ist und mich nach Bremen fährt, den Rucksack ins Auto. Als ich den Kofferraumdeckel schließe, erinnere ich mich wieder kurz daran, dass ich die elektrische Heckklappe damals vergessen habe zu bestellen. Da denke ich irgendwie jedes Mal daran. Kaum den Gedanken zu Ende gedacht, schießen mir gefühlte tausend Gedanken durch den Kopf. Diese reichen von „habe ich an alles gedacht“ über „Sebo, was machst Du hier mit der Reise“ bis hin zu „genau das ist das, was Du immer schon mal machen wolltest“. Ich bin überwältigt, wie viele Gedanken man auf einmal haben kann. Ein bis zwei Stunden muss ich aber noch Ehemann und Vater sein, bevor ich das alles sortieren und einordnen kann. Ob ich ein guter Ehemann und Vater bin, müssen andere beurteilen. Ich hoffe es. Meine Familie kommt und die Reise geht los. Ich freue mich, dass mich die beiden nach Bremen fahren. Denn sie sind mir schon sehr wichtig.

Die Fahrt dauert heute so ca. 50 Minuten. Meine Frau meinte gestern: „Du fährst hin, dann habe ich noch Zeit aufzuwachen“. Okay. Mache ich. Wir sind alle drei keine Morgenmenschen und genießen es, am Wochenende auch mal auszuschlafen. Das hat unsere Tochter definitiv von meiner Frau und mir. Da sie ja aber noch ein wenig erkältet ist, ist sie sowieso nicht so gesprächig. Daher entwickelt sich die Autofahrt eher zu einem Monolog. Komischerweise, wie sonst üblich, nicht von mir. Nein, diesmal ist es meine Frau. Vielleicht redet sie schon für die nächsten Wochen vor, weil sie ja jetzt auf mich verzichten muss. Ich weiß es nicht. Morgens bin ich normalerweise auch nicht sonderlich gesprächig, aber durch die Tatsache, dass ich mein Morgenritual mit Wasser, Schwarztee, Kaffee und doppeltem Ristretto schon hatte, wäre ich durchaus in der Lage eine vernünftige Konversation zu führen. Aber irgendwie sehe ich mich gerade aufgrund meines Gefühlschaos nicht in der Lage eine vernünftiges Gespräch zustande zu bringen. Deshalb höre ich brav zu, was meine Frau alles bei ihrem Monolog von sich gibt. Er handelt von der Arbeit, von der Schule und allen möglichen weltpolitischen Dingen. Irgendwie kann ich sie jetzt verstehen, warum sie manchmal so genervt von mir ist. Man bekommt halt im Leben immer wieder den Spiegel vorgehalten.

Knappe 50 Minuten und 3.472 Wörter meiner Frau später erreichen wir den Breitenweg in Bremen. Nun heißt es Abschied nehmen. Ein Abschied auf Zeit. Normalerweise sind wir es gewohnt, da ich beruflich ab und an mal unterwegs bin. Heute ist es jedoch irgendwie etwas Anderes. Was genau, kann ich, zumindest noch nicht definieren und gedanklich greifen. Jedenfalls ist es sehr emotional. Ich schnalle mir meinen viel zu großen und viel zu schweren Rucksack um und meine Frau und ich umarmen uns innig. Mich überkommt das Gefühl, ich nehme sie viel zu selten in die Arme. Vielleicht, weil ich mir einrede, sie möchte das nicht. Ich werde sie genau das fragen, wenn ich wieder zurück bin. Dann kommt ein noch emotionalerer Moment. Ich umarme meine Tochter gebe ihr auch den Abschiedkuss und habe Tränen in den Augen. Ich werde sie definitiv vermissen. Alle beide. Wenn es nicht so wäre, müsste ich lügen und es wäre definitiv falsch. Die beiden sitzen im Auto und brausen davon. Wow! Was für eine Menge an Gefühlen und Eindrücken die letzten zwei Stunden auf mich herniedergingen, ist wahnsinnig. Normalerweise heißt es, dass jeder auf so einer Reise mindestens einmal in Tränen ausbricht. Ich stehe hier im Breitenweg in Bremen unter der Brücke und mache genau das. Nicht nur, weil mir die beiden fehlen, sondern weil ich das genau jetzt brauche. Nebenbei warte ich auf meinen Bus. Als ich meine Tränen dann getrocknet habe, beschleicht mich wieder ein neues Gefühl. Ich kann es noch nicht so richtig einordnen, würde es aber als eine Mischung aus Skepsis und Vorfreude beschreiben. Genauer kann ich das leider nicht. Aber es fühlt sich gut und richtig an. Nun brauche ich erst mal eine Zigarette. Ich wollte ja mit dem Rauchen aufhören, aber definitiv nicht jetzt. Ich genieße die Zigarette irgendwie anders als sonst. Danach denke ich erst mal an nichts. Mein Bus sollte mittlerweile auch schon angekommen sein, aber lässt auf sich warten. Mittlerweile sind auch weitere Fahrgäste angekommen und wir warten gemeinsam auf die Fahrt. Nach kurzem Smalltalk mit einigen, stelle ich fest, dass viele nach Groningen wollen. Eine Station auf der Tour nach Amsterdam. Es ist schön, mit fremden Menschen zu reden. Weitere 20 Minuten und 4 Zigaretten später kommt dann auch endlich der Bus. Der Fahrer organisiert die Anmeldung mit seinem Kollegen. Alles geht recht unkompliziert. Mein Gepäck nach Amsterdam muss auf die Fahrerseite gepackt werden. Also schmeiße ich den viel zu schweren Rucksack dort rein und es fällt gefühlt wieder eine Last ab. Mein Rucksack und eine weitere Tasche liegen auf der „Amsterdam“-Seite. Die anderen auf der „Groningen“-Seite. Ich steige ein und finde ziemlich vorne sogar noch einen Fensterplatz, weil andere schon eine Station vorher zugestiegen sind und die meisten davon belegen. Ich sitze auf der Beifahrerseite, also der „Groningen“-Seite. Zum Glück habe ich die letzten Jahre knappe 20 Kilo abgenommen, sonst hätte der Bus vielleicht Schräglage und würde umkippen.

Um 6:30 Uhr geht es dann los. Ich sitze im Flixbus und fahre von Bremen nach Amsterdam. Ein sehr emotionaler Moment für mich. Noch nie in meinem Leben bin ich für vier Wochen aus dem gesellschaftlichen Leben und der Arbeitswelt entflohen.

Meine Tochter hat mir zum 40. Geburtstag einen Schlüsselanhänger geschenkt. Es ist ein Schutzengel. Diesen trage ich bei mir. Ich habe ihn mir an die Hose befestigt, damit er die Reise mit mir verbringt. Ich denke darüber nach, wie dieser Schutzengel wohl heißen mag. Einige werden mich wahrscheinlich für verrückt erklären, aber ich gebe selbst meinen Autos Namen. Weil ich meist mehr Zeit mit ihnen verbringe, als mit meiner Familie. Das mag kurios sein, aber es ist so. Ich bin beruflich viel unterwegs und auch wenn man mit der Familie unterwegs ist, ist Samantha dabei. So heißt sie. Mein Auto. Ich habe damals den Skoda Octavia gesehen und mich sofort in das Auto verliebt, wenn man das so nennen kann. Und da das Auto so schön ist, kam mir der Name Samantha in den Sinn. Vielleicht auch, weil das Auto so gut aussieht, wie Samantha Fox in Besten Tagen. Aber auch bei ihr sieht man, ohne ihr zu Nahe treten zu wollen, dass irgendwann der Lack ab ist.

Nun aber wieder zum Wesentlichen. Ich sitze im Flixbus, habe Europa vor mir und denke darüber nach, was ich einer Metallfigur für einen Namen geben kann. Verrückt aber schön. Es ist für andere vielleicht eine Metallfigur, für mich aber ein Schutzengel, den meine Tochter für mich besorgt hat. Es steht drauf „Für Papi! Ich beschütze Dich!“ Ein Symbol dafür, dass sie wohl immer auf mich aufpassen wird. Und ein sehr beruhigendes Gefühl. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Liah mit ihren neun Jahren um einiges reifer ist als ich. Aber sie ist ja auch meine Tochter und die Story vom Kind im Manne kennt ja auch jeder. So wird es auch höchstwahrscheinlich bei uns sein. Mein Ein und Alles. Ich werde sie in dieser Zeit wohl sehr vermissen, aber ich weiß auch, dass sie mir zuhören wird, wenn ich ihr die Erlebnisse und Eindrücke erzähle und mich gespannt mit ihren großen, tollen Kulleraugen ansieht. Ich...

Erscheint lt. Verlag 25.3.2024
Sprache deutsch
ISBN-10 3-7583-3924-3 / 3758339243
ISBN-13 978-3-7583-3924-0 / 9783758339240
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