Motion Picture Design -  Hans-Jörg Kapp

Motion Picture Design (eBook)

Filmtechnik, Bildgestaltung und emotionale Wirkung
eBook Download: PDF | EPUB
2024 | 2. Auflage
582 Seiten
Carl Hanser Fachbuchverlag
978-3-446-48059-9 (ISBN)
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Das Buch zur emotionalen Filmgestaltung für Einsteiger:innen und Profis
Wie gelingt es einem Film, dem Publikum unter die Haut zu gehen? Und wie lässt sich diese Wirkung in angemessener Weise beschreiben? Diese beiden Fragen bilden den Ausgangspunkt des vorliegenden Buches. Es stellt begriffliche Werkzeuge zur Verfügung, damit aus Filmideen gelungene Filme werden.
Anhand zahlreicher Detailanalysen berühmter Filme wird der Einsatz verschiedenster filmischer Mittel analysiert. Viele praktische Tipps zeigen Mittel und Wege auf, um die Herstellung von cineastisch hochwertigen Filmen jenseits des Blockbuster-Kinos zu ermöglichen.
Das Buch macht mit diesen filmischen Gestaltungsparametern vertraut:
- Kamerabild als Fläche,
- filmischer Raum,
- Figuren und Objekte,
- Licht- und Farbgestaltung,
- Bewegung,
- visuelle Schocks,
- Rhythmus.
Für Studierende der Medientechnik, Tontechnik und Videotechnik, Grafikdesign, Kommunikationsdesign, Mediengestaltung, Mediendesign, Media Systems, Fernsehjournalismus, Journalismus sowie für Mediengestalter:innen, Tontechniker:innen, Regisseur:innen, Kameraleute, Journalist:innen.
Auf plus.hanser-fachbuch.de finden Sie zu diesem Titel digitalen Zusatzinhalt in Form eines Zusatzkapitels zu visuellen Wahrnehmungsprozessen und eine Übung.

Der Autor Hans-Jörg Kapp ist Professor für Dramaturgie und Szenografie an der Hochschule Hannover. Er ist außerdem Lehrbeauftragter für Filmanalyse an der HAW Hamburg.

1 Fläche

Am Samstagnachmittag kommt es in der Vierer-WG zu kleineren Spannungen. Zunächst waren alle glücklich, auf der neuen Online-Marktplattform einen günstigen, großen Spiegel für den Flur gefunden zu haben. Beim Aufhängen gab es aber unterschiedliche Meinungen: Layla möchte den Spiegel am liebsten mittig über dem Schuhschrank anbringen, wohingegen Tom den Spiegel gern weiter links und höher befestigen würde - als Gegengewicht zur Garderobe rechts. Benny wiederum findet, dass ein so schmaler Spiegel überhaupt nur auf die andere Seite des Flurs passe. Bennys Freundin Marie, die gerade zur Tür hereinkommt, meint spontan, dass der Spiegel genau so, wie er jetzt an die Wand gelehnt ist, ideal platziert sei. Sie würde ihn einfach dort stehen lassen, der Platz sei wirklich interessant.

Alle Diskussionen drehen sich um ein Thema: Proportion. Auch der künstlerisch ungeübteste Mensch verfügt über ein Proportionsempfinden. Diese Wahrnehmungsqualität kann sich in vielerlei Lebensbereichen artikulieren: beim Verfassen einer Geburtstagskarte, beim Beschneiden einer Gartenhecke, beim Einparken, bei der Platzwahl im Konzert oder im Bus, beim Betrachten einer Bergsilhouette, beim Einsäen von Setzlingen im Gemüsegarten, beim Kleiderkauf oder beim Ziehen eines Lidstrichs. Es gibt wohl kein Subsystem des Lebens, in dem nicht an irgendeinem Punkt Fragen der Proportion auftauchen. Gelungene Proportionen springen dem einen mehr, dem anderen weniger ins Auge – egal, ob es sich um den idealen Platz für das neue Schraubenschlüssel-Set auf der Werkbank, die Gestaltung des Icons der neuen Lieblings-App oder die mit Können und Geld neu geformte Oberlippe des Hollywood-Sternchens der Saison handelt.

Beschäftigt man sich mit der visuellen Spannung einer zweidimensionalen Fläche, so finden sich bereits in der Alltagssprache zahlreiche Hinweise auf wahrnehmungstheoretische Prinzipien. So spricht man etwa davon, dass auf einer Fotografie oder einem Gemälde die Beziehung von Gegenständen zueinander „nicht stimmig“ sei, dass der eine Gegenstand „irgendwie aus dem Bild kippt“ und der andere zu dominant sei. Woher kommt das Empfinden, dass eine Komposition ausgeglichen ist oder auf angenehme Weise eine visuelle Dynamik in sich trägt, wohingegen eine andere Bildkomposition vollkommen unausgeglichen wirkt? Dies sind die Leitfragen des vorliegenden Kapitels.

Das Medium Film ist in elementarer Weise ein Flächenmedium. Bei der Filmvorführung werden Bewegtbilder auf eine zweidimensionale Fläche projiziert. Aus diesem Grund ist der Umgang mit Proportionen von entscheidender gestalterischer Bedeutung. Mindestens so wichtig wie die Schauspielführung ist die Frage, in welchem Bildausschnitt die Figur später im Film zu sehen sein wird. Für die Arbeit am Filmset hat das zur Folge, dass neben der Schauspielführung auch die Kameraarbeit im Zusammenspiel mit dem Setdesign zum kreativen Kernteam gehört. Nicht umsonst hat sich in den vergangenen Jahrzehnten die Erstellung und eingehende Diskussion von Storyboards zu einer eigenen Produktionsphase entwickelt.

Sicher, es gibt nach wie vor Filme, die in erster Linie vom darstellenden Spiel leben, wie etwa Birdman (USA 2014) oder Victoria (D 2015). Betrachtet man jedoch Filme der letzten Jahre, wie etwa Gravity (USA 2013), Interstellar (USA 2014), Blade Runner 2049 (USA 2018) oder Parasite (KOR 2019) etwas genauer, so wird rasch deutlich, dass das Filmset und die Kameraarbeit mit ein Grund für die starke Emotionalisierung des Publikums sind. Dasselbe gilt in fast noch stärkerer Weise für das Action- und Spektakelkino, das von einer präzise im Storyboard vorgeformten, effektgeleiteten Bilderflut lebt.

Ist die Wahrnehmung von Proportionen aber nicht einfach eine Angelegenheit höchst subjektiver Intuition? In Gestaltungsbelangen beziehen sich Künstlerinnen und Künstler gern auf ein Gefühl des „So und nicht anders“. Was aber ist ein guter Bildaufbau, was ist eine gut proportionierte Einstellung? Und was macht die Person hinter der Kamera, wenn sich ihre Intuition nicht mit der Intuition der Regisseurin, der Oberbeleuchterin oder des Setdesigners deckt? Ist es eine Lösung, das Proportionsgefühl des anderen herabzusetzen? Sicher nicht. Viel besser ist es, Argumente für oder wider die eine oder andere gestalterische Lösung zu finden. Dieses Kapitel hat zum Ziel, möglichst viele Kriterien für eine entsprechende Diskussion zur Verfügung zu stellen.

Filmisches Bild und filmischer Raum – zwei Begriffsklärungen

Vor der genaueren Auseinandersetzung mit den Wahrnehmungstheorien ist es sinnvoll, zwei zentrale Filmbegriffe zu klären: Was ist das Bild, und was ist der filmische Raum?

Die Einstellung als zentrale sinntragende Einheit

In vielen Zusammenhängen wird gern vom Kino und seinen Bildern gesprochen. Doch wie genau benennt man am besten das auf dem Set aufgenommene Bild bzw. sein nachher im Kinosaal projiziertes Abbild? Die Schwierigkeit besteht dabei darin, dass der mentale Apparat im Kino ja nicht einzelne Bilder wahrnimmt, sondern einen Bewegungsfluss. Spricht man also von einem bestimmten Bild, so ist damit in der Regel ein bestimmter hervorgehobener Augenblick innerhalb einer filmischen Einstellung gemeint. Diese Einstellung wiederum besteht ja tatsächlich aus rasend schnell projizierten Einzelbildern, den einzelnen Frames. Dabei sind jedoch diese Frames bei der Filmvorführung niemals direkt, also einzeln, sichtbar.

Die Filmwissenschaft hat sich aus diesem Grund dafür entschieden, die Einstellung zur zentralen sinntragenden Einheit des Kinos zu definieren, also jene kontinuierliche Abfolge einzelner Frames, die an einem bestimmten Ort in einem bestimmten Zeitintervall aufgenommen wurden. Oder noch einfacher gesprochen: Die Einstellung ist das Zeitintervall zwischen jenem Moment, an dem die Kamera zu filmen begonnen hat, und dem zweiten Augenblick, an dem sie die Aufnahme wieder stoppt. Eine Einstellung kann insofern nur wenige Sekundenbruchteile dauern oder aber bis zu 12 Minuten beim analogen 35-mm-Film, 33 Minuten beim analogen 16-mm-Film sowie bei digitalen Aufnahmeverfahren auch durchaus einmal 140 Minuten. In der Regel findet jedoch niemals eine von Anfang bis Ende gefilmte Einstellung Eingang in einen Film. Denn dann würde man etwa zu Beginn einer Einstellung aus einem Kinofilm noch die Filmklappe sehen und die entsprechende Ansage der Regieassistenz.

Die Problematik um die Bildhaftigkeit des Kinos hat auch etwas mit der Bildsprache der vorliegenden Publikation zu tun. Bei den hier verwendeten Abbildungen handelt es sich in diesem Sinn um besondere Frames, die aus einer Einstellung ausgewählt wurden, da sich ja in einem Buch keine Bewegtbilder adäquat darstellen lassen. Die Abbildungen sind insofern nur als Hinweise auf die entsprechende Bewegtbildsequenzen zu verstehen. Bei komplexen Sequenzeinstellungen oder rhythmischen Montageformen sei deshalb empfohlen, sich die entsprechenden Sequenzen ergänzend auch als Bewegtbildabfolgen anzusehen.

Der filmische Raum als vorfilmische Realität

Mit der Diskussion um die filmische Einstellung eng verbunden ist eine zweite Problematik: Was genau ist eigentlich der filmische Raum? Ist der filmische Raum vielleicht das Set, in dem der Film aufgenommen wird? Oder ist der filmische Raum der imaginäre Raum, der im Kopf des Publikums entsteht, wenn es eine Filmsequenz betrachtet?

Die Filmwissenschaftlerin Eva Hohenberger hat für dieses Problem eine sinnvolle Definition gefunden: Sie definiert als zentrale räumliche Einheit des Kinos die sogenannte vorfilmische Realität1. Dieser Begriff benennt genau jenen Teil der Wirklichkeit, den die Kamera aufnimmt und der sich innerhalb des durch die Kameraoptik begrenzten Rahmens befindet. Innerhalb der vorfilmischen Realität spielt sich das vorfilmische Geschehen ab, das entweder inszeniert oder dokumentarisch sein kann. Wenn im Folgenden der filmische Raum thematisiert wird, so meint dieser Begriff jenen Raum, der Teil der vorfilmischen Realität ist.

1.1 Flächenwahrnehmung

Die theoretischen Grundlagen der Flächenwahrnehmung sind gut erforscht. Bevor jedoch die zentrale Wahrnehmungstheorie erläutert wird, die erklärt, warum der menschliche Blick eine visuelle Spannung in der Fläche wahrnimmt, sollen zunächst zwei traditionelle Proportionsregeln genauer untersucht werden. Dabei sei angemerkt, dass zahlreiche kulturwissenschaftliche, kulturhistorische und kultursoziologische Theorien existieren, die sich mit dem Wahrnehmungsvorgang des Filmbildes befassen.2 Da die vorliegende Publikation das Ziel verfolgt, Kriterien für die gestalterische Arbeit am Filmbild aufzuzeigen, werden diese Theorien nur am Rande gestreift.

Übung: Proportionen vor der Haustür

Nimm dir eine halbe Stunde Zeit für eine Erkundung vor deiner Haustür und frage...

Erscheint lt. Verlag 6.5.2024
Sprache deutsch
ISBN-10 3-446-48059-5 / 3446480595
ISBN-13 978-3-446-48059-9 / 9783446480599
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