Das Vollblutbuch (eBook)
126 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-3760-4 (ISBN)
Lena Steinberg geboren in Düsseldorf jedoch immer schon ein Naturkind und von Pferden begeistert. Reitet seit ihrem sechsten Lebensjahr und hat schon viele verschiedene Reitweisen und Trainingsmethoden getestet sowie bei diversen Trainern und Reitlehrern gelernt. Nach dem Kontakt mit diversen Vollblütern und der eigenständigen Umschulung ihrer englischen Vollblutstute hat sie dieses Buch geschrieben, um allen Pferdemenschen mit einem pensionierten Rennpferd eine Starthilfe zu geben. Mittlerweile betreibt sie mit ihrer Familie einen eigenen Pferdehof am schönen Niederrhein, wo sie Pferde ausbildet und ganzheitlichen Reittunterricht sowie Reittherapie anbietet.
7.0. HALTUNG
Bei der Haltung von Pferden scheiden sich bekanntlich die Geister, es gibt viele verschiedene Lager und Meinungen. Diese Meinungen beinhalten alles von Boxenhaltung bis hin zu Fans der absoluten Robusthaltung ganzjährig auf der großen grünen Wiese. Auch bei der Pferdehaltung ist das eine Extrem so schwierig wie das Andere und die Kompromisse die sich in der Mitte treffen, bringen häufig die meisten Vorteile für Pferd und Reiter. Es bleibt natürlich auch immer zu berücksichtigen, um welche Art Pferd es sich handelt und für welchen Einsatz es vorgesehen ist. Genauso sollten Alter und Geschlecht nicht unberücksichtigt bleiben. Gehen wir also von einem Vollblüter aus, der zwischen drei und sieben Jahre alt ist, bisher im Rennstall gestanden hat und nun in eine Haltung wechselt, wie sie viele Freizeitpferde erleben.
Berücksichtigt man das Temperament eines Vollbluts und möchte trotzdem ein entspanntes und relaxtes Pferd bekommen, so wird man umso mehr Erfolg haben, je mehr Zeit das Pferd auf einer großen Fläche mit anderen Pferden verbringen darf. Hier eigenen sich gut angelegte Offen- oder Aktivställe sehr gut.
Stellt man ein pensioniertes Rennpferd 20 Stunden am Tag in eine Box, so ähnelt die Haltung der im Rennstall, jedoch mit dem Unterschied, dass wohl kaum jemand der ein Freizeitpferd besitzt die restlichen vier Stunden des Tages mit gezieltem Konditions- und Geschwindigkeitstraining ausfüllt. So ist es nicht verwunderlich, dass einem dann das Temperament seines Vollblüters mit Wucht entgegenschlägt. Das Pferd wird einen extremen Überschuss an Energie haben und die bisher gewohnte Menge Bewegung vermissen. So ist Unausgeglichenheit und explosives Verhalten vorprogrammiert. Dieses Spannungsfeld kann man vermeiden, wenn das Pferd viel Bewegung auf der freien Fläche erleben darf.
Foto 6 - Quelle: Privat
Denn für das Dasein als Boxenpferd im Freizeitreiterbereich hat ein Vollblut einfach das falsche Temperament. Die Menge an Bewegung, die sich ein solches Pferd auf der Weide selber verschafft, kann man als Freizeitreiter in der Regel gar nicht ermöglichen, wenn das Pferd in einer Box gehalten wird.
Ein weiterer Vorteil an der Haltung mit viel Auslauf in einer Herde ist die Gewöhnung des Galoppers an die diversen Umweltreize wie Wind, Regen oder kleinere Wildtiere und Vögel. So kann der ehemalige Sportler von seinen Herdengenossen lernen, dass diese Dinge keineswegs gefährlich sind. Diesen Vorteil sollte man sich durchaus zu Nutze machen, denn alles was das Pferd in der Herde kennenlernt, braucht es nicht unter dem Reiter zu lernen. Die Scheu vor solchen natürlichen Gespenstern verliert ein Pferd am Besten in dem es Tag und Nacht draußen steht. Im Sommer auf der Wiese und im Winter auf dem Paddock.
Als pensioniertes Rennpferd kannte Running Girl alle möglichen Dinge: Musik, Publikum, Fahnen. Um sie vollkommen aus der Ruhe zu bringen und für großes Erschrecken zu sorgen, reichte hingegen, wenn ein Spatz auf dem Reitplatz oder in ihrer Nähe auf der Weide landete. War ein solch kleiner Vogel schon gruselig, so war eine flügelschlagende Taube in ihren Augen ein wahres Monster. Stand sie also auf der Weide und ein solches Untier landete in ihrer Nähe, so sprang sie sofort los und scheute.
Ihre Herdengenossen sahen sie dann immer leicht ungläubig an und grasten in aller Ruhe weiter. Nach einiger Zeit war sie durch das Verhalten der anderen Pferde davon überzeugt, dass die Vögle ihr nichts antun würden. Als sie dies verinnerlicht hatte, wurden solche Situationen auch während der gemeinsamen Arbeit ungefährlicher. So hat die Herdenhaltung Running Girl bei der Einschätzung solcher Situationen enorm geholfen.
Es sollten natürlich immer genug weiche, trockene Liegeplätze und Unterstellmöglichkeiten für alle Herdenmitglieder vorhanden sein. Denn die Entspannung und gute Möglichkeiten zu Ruhen sind unabdingbar, wenn man ein entspanntes Freizeitpferd haben möchte.
Bei allen Vorteilen, die die Zeit draußen und vor allem der Umgang mit geeigneten Sozialpartnern für das Pferd hat, darf man nie vergessen, dass ein aktives Rennpferd in der Regel ausschließlich in Einzelhaltung gelebt hat. So muss die Vergesellschaftung und das Integrieren in eine Herde mit Bedacht durchgeführt werden und sollte nicht überstürzt werden. Auf jeden Fall muss wirklich viel Platz vorhanden sein, sodass sich der Galopper nicht im nächsten Zaun wiederfindet, wenn er seine Geschwindigkeit ausnutzt, um vor einem zu aufdringlichen neuen Kameraden zu flüchten.
Running Girl war nun also gekauft und sollte in eine kleine Herde auf einer wirklich schönen, großen und leicht hügeligen, mit alten Bäumen bewachsenen Weide integriert werden.
Nachdem sie ein paar Tage lang in einem abgetrennten Bereich neben der Herde her gelebt hatte, war der Tag der Vergesellschaftung gekommen. Wir ließen sie also zu den anderen Pferden auf die Wiese.
Als die Truppe angelaufen kam, um sich die neue Herdengenossin anzusehen, suchte sie ihr Heil tatsächlich zunächst in der Flucht. Sobald sich ein anderes Pferd näherte, sprintete sie los und blieb erst wieder stehen, wenn sie erkannt hatte, das gar nicht um die Wette gelaufen wurde. Dieses Verhalten hat sie eine ganze Weile gezeigt, bis sie sich mit einem jungen Wallach aus der Truppe vorsichtig anzunähern begann. Nachdem sie ihren ersten Kumpel kennengelernt hatte, hat er sie mit zu den anderen Pferden genommen. Danach folgte noch das Ausloten der Rangfolge. Auch hier konnte man sehen, dass Running Girl Defizite im Umgang mit anderen Pferden hatte.
Ich bin sehr froh, dass sie so viel Platz hatten, ich mag mir gar nicht vorstellen, wie sie ausgesehen hätte, wenn die Option zwischendurch aus der „Bedrängnis“ durch die anderen zu fliehen nicht bestanden hätte. Versteht mich bitte nicht falsch, die Herde war sehr sozial und entspannt und einfach nur neugierig auf die Neue. Running Girl war diejenige, die zu Beginn mit der Menge an sozialer Interaktion überfordert war. Doch auch diese Eigenschaften können die wirklich lernfähigen Vollblüter noch erlernen beziehungsweise die Erfahrungen von der Fohlenwiese wiederauffrischen. Running Girl war als sie zu mir kam immerhin schon sieben. Nach zwei weiteren Stallwechsel nach jeweils ca. drei Jahren war sie in meiner Herde bei mir zu Hause in ihrem Sozialverhalten so gut aufgestellt, dass sie zu der besten Leitstute wurde, die ich jemals kennengelernt habe.
Nichts desto trotz sollte man sein Pferd genau beobachten, es gibt auch immer wieder Exemplare, die mit einer 24 Stunden Haltung in einer Gruppe wenigstens zu Beginn überfordert sind. Hier sollte über eine eigene Box für entspannte Nächte nachgedacht werden. Diese Box darf natürlich gerne über einen eigenen kleinen Paddock verfügen. Denn auch hier gilt: Nur mehr Bewegung ist mehr Bewegung. Sehr wichtig ist außerdem, dass das Pferd immer ausreichend Raufutter zur Verfügung hat und einen Platz an dem es ganz in Ruhe sein Kraftfutter fressen kann, egal für welche Haltungsform man sich entscheidet. Durch den ihnen eigenen Energiebedarf und ihre Vorgeschichte sind Exgalopper schon mal schnell unentspannt, was Artgenossen in der Nähe ihres Fressplatzes betrifft.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Haltung von Galoppern ist auch der Körperbau und die Bemuskelung dieser Pferde. Denn die zierlichen, starken Pferde haben einen sehr hohen Grundumsatz und durch die starke Bemuskelung einen enormen Energieverbrauch. Dadurch frieren sie schneller als zum Beispiel ein Warmblut oder ein Pony. So sollte man nicht davor zurück schrecken seinen Vollblüter wenn nötig einzudecken. Hierzu aber mehr im Kapitel Decken.
Haltungstechnisch eine Herausforderung kann auch der erste Winter sein. Denn ein aktiver Galopper kommt in der Regel nicht mit dem typischen deutschen Winterwetter in Berührung ohne eingestallt und eingedeckt zu sein. Die schlanken und sehr muskulösen Vollblüter benötigen bei nass kaltem Wetter Unmengen Energie und je nachdem wie gut oder schlecht das Pferd zurecht ist, kann es auch sein, dass im ersten Winter kein oder nur unzureichendes Winterfell entwickelt wird. Somit sollte man auf jeden Fall eine passende Decke mit entsprechender Fütterung bereithalten. Auch eine Abschwitzdecke mit Keramikfasern im Inneren ist ziemlich empfehlenswert, da diese das Pferd sehr schnell trocknen lassen und helfen die Muskulatur zu lockern. Denn wer friert ist auch schnell verspannt und wer muskulär verspannt ist kann nicht gut mitarbeiten.
Insgesamt sollte man auf jeden Fall versuchen seinem Exgalopper ein Leben zu ermöglichen, welches Stress und Druck vermeidet und außerdem Ruhe und Vertrauen vermittelt. Die Menge Bewegung, die ein solcher Sportler im Ruhestand braucht, sollte man nicht unterschätzen. Es ist nicht unmöglich, dass ein Vollblüter im Sommer auf der Wiese vom Grasen aufschaut, sich umblickt und ohne ersichtlichen Grund ein oder zwei Runden außen um seine Herde rum galoppiert, nur aus reiner Bewegungsfreude und sich dann wieder entspannt zu den anderen gesellt und weiter frisst. Wo aber sollte dieses Pferd diese Menge Energie...
Erscheint lt. Verlag | 27.3.2024 |
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Sprache | deutsch |
ISBN-10 | 3-7583-3760-7 / 3758337607 |
ISBN-13 | 978-3-7583-3760-4 / 9783758337604 |
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