Alte Meister im Licht der Moderne (eBook)
216 Seiten
Cadmos Verlag
978-3-8404-6717-2 (ISBN)
Julika Tabertshofer (*1993) hat sich ganz der Umsetzung der Ideale der alten Reitmeister verschrieben. Ihre Arbeit ist inspiriert von der Klassischen und der Akademischen Reitkunst. Nach ihrer Lehrzeit bei Bent Branderup und an der Anja-Beran-Stiftung für Klassische Reitkunst ist sie heute selbstständig als Ausbilderin in der Nähe von Köln tätig. Nachdem sie ihre Reitlaufbahn in der Sportreiterei und später im Westernreiten begonnen hatte, kam bald der Wunsch auf, mehr über Gymnastizierung und Versammlung zu lernen. So wandte Julika sich der klassischen Reitkunst zu und fand hier alle Mittel, um auch Pferden mit körperlichen Mängeln oder Verletzungen helfen zu können. Auch dank eines persönlichen Faibles für Geschichte arbeitete sie Werke der alten und neueren Reitmeister durch, nahm Unterricht bei verschiedensten Ausbildern, beobachtete moderne Reitmeister bei der Arbeit und reiste durch die Welt, immer auf der Suche nach neuen Erkenntnissen über die Reitkunst. Die Ergebnisse, die sich mit der richtig angewendeten Reitkunst erzielen lassen, gerade auch im Hinblick auf alte Pferde und 'Problempferde', verblüfften die Autorin immer wieder und überzeugten sie restlos von ihrem Nutzen für das Pferd.
ERSTES KAPITEL
Vorstellung der Alten Meister, Methode, Zeitgeist
Die Akteure
Im Folgenden möchte ich Ihnen fünf Reitmeister von der Antike bis zur Barockzeit vorstellen. Diese fünf Herren haben Außergewöhnliches für die Reitkunst geleistet und ihr Einfluss auf die Reitlehre ist bis heute zu spüren. Natürlich gibt es in der Geschichte noch einige andere kompetente und wichtige Reitmeister. Um eine Entwicklung und einen Vergleich aufzuzeigen, habe ich hier allerdings die meiner Meinung nach bedeutendsten und einflussreichsten Meister herausgesucht. Schauen wir uns also an, wie die Ausbildung eines Reitpferdes vom fünften Jahrhundert v. Chr. bis ins 18. Jahrhundert n. Chr. aussah.
XENOPHON
Der griechische Gelehrte Xenophon lebte von etwa 430 bis 355 v. Chr. in Griechenland. Nach Simon von Athen war er der erste Reitmeister, der seine Lehren schriftlich für die Nachwelt festgehalten hat. Wie es damals üblich war, befasste sich Xenophon mit mehr als nur einem Wissensgebiet. So tat er sich neben seinem Dienst an der Reitkunst auch als Politiker, Feldherr und Schriftsteller hervor.
Als Sohn vornehmer und wohlhabender Eltern genoss er eine ausgezeichnete Ausbildung, u. a. bei dem großen Philosophen Sokrates. Dieser gilt noch heute als einer der bedeutendsten jemals lebenden Philosophen. Seine Lehren bauten auf der Annahme auf, dass in jedem Menschen dasselbe Verständnis von Liebe, Gerechtigkeit, Tugend und Selbsterkenntnis liegt.
Die Lehren des Sokrates findet man in ihren Grundzügen auch in Xenophons Herangehensweise in der Pferdeausbildung wieder. Xenophon erfuhr eine intensive sportlich-athletische sowie reiterliche Ausbildung und nahm im Alter von Anfang zwanzig das erste Mal an einem Feldzug nach Kleinasien teil.
Xenophon war ein Schüler Sokrates.
Foto © wikimedia/Gerd Eichmann
Später leitete er selbst Kriegszüge nach Persien, wo er die Überlegenheit der schnellen persischen Reiterei am eigenen Leib erfuhr. Die Perser waren zu jener Zeit eine starke Reitermacht und Xenophon brachte ihre Reitkultur mit nach Griechenland, wo der Umgang mit den Pferden bisher etwas primitiver war und eher auf Zwang basierte.
In den 380er-Jahren lebte Xenophon mit seiner Frau und seinen Kindern in Skillus auf der Halbinsel Peloponnes, wo ihm die Spartaner nach seiner Verbannung aus Athen ein Landgut überantwortet hatten. Dort widmete er sich neben der Reitkunst auch der Schriftstellerei. Außer seinen Werken zur Reitkunst „Hipparchikos“ (Reiterkommandant) und „Hippike“ (Reitkunst) verfasste er auch historische, philosophische und pädagogische Schriften.
DEIN PFERD SEI ZUVERLÄSSIGER FREUND, NICHT SKLAVE!
(XENOPHON, REITKUNST, WUWEI, S.81 - 5)
Seine Reitlehre basiert auf einer gewaltfreien Partnerschaft mit dem Pferd, wobei er erstmals in der (uns überlieferten) Geschichte ausdrücklich auf die Psyche und das Wohlbefinden des Pferdes eingeht und nach dem Belohnungsprinzip arbeitet. Zudem spricht er von gymnastischen Übungen zur Vorbereitung und Verbesserung der Versammlung, um das Pferd vor körperlichem Schaden zu bewahren und es besser zu beherrschen. Xenophon verfasste auch die auf S. 15 und S. 16 fett abgedruckten, uns noch heute bekannten Ausbildungsgrundsätze, die große Verantwortung, Liebe und Respekt gegenüber dem Pferd zeigen.
Der Pferdetyp zu Xenophons Zeit: Klein, kurz und wendig. Foto © wikimedia/Carole Raddato
WENN MAN NUN DAS PFERD IN DIE HALTUNG BRINGT, IN DIE ES SICH ZUR SELBSTDARSTELLUNG WIRFT, WENN ES SICH AM MEISTEN IN SEINER SCHÖNHEIT ZEIGEN WILL, SO WIRD MAN AUF DIESE WEISE SEIN PFERD ALS EINES VORFÜHREN, DAS AM REITEN FREUDE HAT, PRÄCHTIG UND GEWALTIG AUSSIEHT UND DIE BLICKE AUF SICH ZIEHT.
(XENOPHON, REITKUNST, WUWEI, S.81 - 5)
Er steht heutzutage reitweisenübergreifend für einen partnerschaftlichen, liebevollen Umgang mit dem Pferd. Dabei sollte man aber nicht unerwähnt lassen, dass zu seiner Zeit die Pferde Gebrauchstiere waren, die vor allem zuverlässig sein und ihren Job tun mussten. So spielerisch wie die meisten Freizeitreiter heute mit ihren Pferden umgehen, ging es in der Antike bestimmt nicht zu. Das war mit den halbwild aufwachsenden, temperamentvollen Hengsten sicher auch nicht immer möglich. Davon zeugen allein schon alltägliche, in der Antike verwendete Ausrüstungsgegenstände wie der Beißkorb oder die Vielfalt an für das Pferd eher schmerzhaften Gebissen. Dennoch wirken viele Ansichten und Ausbildungsmethoden Xenophons äußerst fortschrittlich, umso mehr, wenn man diese in Relation setzt zu Reiterdarstellungen seiner Zeit.
ANTOINE DE LA BAUME PLUVINEL
Der französische Reitmeister Antoine de la Baume Pluvinel unterwies unter anderen den jungen König Ludwig XIII. in der Reitkunst und gehört zu den bekanntesten Reitern seiner Zeit.
Er lebte von 1555 bis 1620 n. Chr. und gilt als einer der ersten und wichtigsten Vertreter einer gewaltfreien Lehrmethode in der Reiterei. Während des vorangegangenen Mittelalters ging man weder mit Menschen noch mit Pferden zimperlich um, und so war es eine große Neuerung, als sich zu Beginn des Zeitalters der Renaissance der Gedanke durchsetzte, dass auch Tiere besser lernen können und zuverlässiger werden, wenn sie mit Güte und Geduld behandelt werden.
Pluvinel lernte sechs Jahre lang in Neapel an der Reitakademie von Giovanni Pignatelli, einem Schüler von Federigo Griso, genannt Grisone. Grisone hatte 1532 in Neapel in Italien die erste Reitakademie Europas errichtet und damit die Gründung vieler weiterer solcher Schulen auf dem ganzen Kontinent angestoßen. In Grisones Werk „Ordini di Cavalcare“ (Anweisungen zur Reitkunst) von 1550 kann man noch einige weniger pferdefreundliche Methoden gewaltsamer Unterwerfung finden. An der Schule dieses Federigo Griso lernte der junge Antoine de la Baume Pluvinel sechs Jahre – eine damals normale Zeit für die Dauer der Ausbildung an einer Reitakademie. Hier erhielt der junge Adel die Rundum-Ausbildung eines Edelmannes: neben der Reitkunst wurden Sprachen, Philosophie, Kunst, Musik und Fechten unterrichtet.
Antoine de la Baume Pluvinel
Stich von Crispin de Passe, Foto © Cadmos Verlag
Im Anschluss an seine Rückkehr nach Frankreich eröffnete Pluvinel 1594 seine Académie d’Equitation in Paris, deren bekannteste Schüler der große Politiker Cardinal de Richelieu und der englische Reitmeister William Cavendish, Herzog von Newcastle, waren. 1623 verfasste Pluvinel sein bekanntestes Werk, „Manège Royal“, das in Form eines Dialogs mit dem jungen König Ludwig XIII. über die Ausbildung von Pferd und Reiter geschrieben ist.
Porträt des Herzogs von Newcastle
Gemälde von Anthony van Dyck, Foto © wikimedia/jane023
Pluvinel gilt als Erfinder der Arbeit zwischen zwei Pilaren und als einer der Ersten, der die Arbeit an der Hand intensiv nutzte. Sämtliche Reitfiguren und Lektionen betrachtete er nur als ein Herausarbeiten der natürlichen Bewegungen des Pferdes – ein sehr moderner Ansatz.
An Pluvinels Werk beeindruckt heute vor allem, dass seine Reitlehre geprägt ist von Sanftheit und Geduld sowie von großem pädagogischen Einfühlungsvermögen sowohl für Pferde als auch für Menschen. Seiner Ansicht nach solle man das Pferd durch Verständnis für seinen Charakter, Lob und Geduld zur Mitarbeit bringen, das fördere dann auch die Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit des Pferdes.
Heute mag uns das selbstverständlich erscheinen, aber zu einer Zeit, in der Tieren noch nicht einmal offiziell eine Seele oder Gefühle zugesprochen wurden, war dies eine beinahe revolutionäre Einstellung.
WILLIAM CAVENDISH, HERZOG VON NEWCASTLE
William Cavendish, der Herzog von Newcastle, lebte von 1592 bis 1676 n. Chr. und war ein englischer General, Politiker und Reitmeister. Er diente unter dem englischen König Charles I. und war einer der Erzieher dessen Sohns und späteren Königs Charles II. (beide aus dem Hause Stuart).
William Cavendish, Herzog von Newcastle in einem von Zentauren gezogenen Wagen, umgeben von sich verneigenden Pferden.
Stich von P. Clouwet nach A. van Diepenbeeck, etwa 1658, Foto © Wellcome Collection
Newcastle war einer der angesehensten Männer seiner Zeit, ein Edelmann von großem Reichtum und Einfluss. Er war auch ein äußerst gebildeter Mann, ein Kunstliebhaber und Sportler. So verfasste und veröffentlichte der Herzog von Newcastle selbst auch einige Schauspiele und Gedichte. Zusammen mit seinem Bruder, dem Mathematiker Charles Cavendish, bildete er in den 1630er-Jahren einen philosophischwissenschaftlichen Zirkel, zu dem auch Robert Payne, Walter Warner and Thomas Hobbes gehörten. Nach seinem Landsitz Welbeck Abbey wurde dieser auch Welbeck Academy genannt.
Im Dienst des Königs kämpfte Newcastle u. a. als General der...
Erscheint lt. Verlag | 14.4.2022 |
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Sprache | deutsch |
ISBN-10 | 3-8404-6717-9 / 3840467179 |
ISBN-13 | 978-3-8404-6717-2 / 9783840467172 |
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