Um 1500 -  Romedio Schmitz-Esser

Um 1500 (eBook)

Europa zur Zeit Albrecht Dürers
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2023 | 1. Auflage
520 Seiten
Theiss in der Verlag Herder GmbH
978-3-8062-4641-4 (ISBN)
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Die Welt aus der Sicht Albrecht Dürers: Was Werke und Aufzeichnungen verraten Er war Maler und Mathematiker, Kupferstecher, Vielreisender und Tagebuchschreiber: Aus dem Nachlass Albrecht Dürers lässt sich viel über das Leben im Europa des frühen 16. Jahrhunderts lernen. Romedio Schmitz-Esser ist Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Heidelberg. Anhand der Schriften und Kunstwerke des Universalgenies zeichnet er ein lebendiges Bild der europäischen Geschichte um 1500. Ein spannender Einblick in die Lebenswirklichkeit der Frühen Neuzeit! - Eine Zeit des Umbruchs: Vom Mittelalter zur Renaissance aus der Sicht des Künstlers - Geschlechterrollen, Gesundheit, Ernährung: Einblicke in den Haushalt Albrecht Dürers - Werke, Briefe und Aufzeichnungen des Meisters liefern Informationen über die Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit - Zwischen christlicher Morallehre und Nachahmung der Antike: Das humanistische Weltbild - Die Geschichte Europas um 1500 aus der Sicht eines genialen ZeitzeugenDas Leben zu Beginn der Neuzeit: Aufbruch in ein neues Zeitalter Mit der Entdeckung Amerikas, den ungeahnten Möglichkeiten des Buchdrucks und der neuen Strömung des Humanismus war der Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert turbulent. Aus Albrecht Dürers Lebenswerk erfahren wir viel über die Bedeutung von Kindheit, Familie und Sexualität in dieser Zeit. Auch über Handwerk, Handel und Bankwesen ist in seinen Aufzeichnungen viel Interessantes überliefert. All dies hat Romedio Schmitz-Esser zu einem spannenden Gesamtwerk über die verschiedenen Lebensbereiche am Übergang vom Spätmittelalter zum Zeitalter des Humanismus und der Renaissance zusammengestellt. Ein Geschichtsbuch der etwas anderen Art: Machen Sie sich gemeinsam mit Albrecht Dürer auf eine Reise durch die europäische Geschichte um 1500!

Romedio Schmitz-Esser (geb. 1978) ist seit 2020 Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Heidelberg. Von 2014-2016 war er Direktor des Deutschen Studienzentrums in Venedig, danach Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Graz. Sein Schwerpunkt liegt in der Kulturgeschichte des Mittelalters. Seine Habilitation erhielt den Preis des Verbands der Historikerinnen und Historiker Deutschlands sowie den Preis 'Geisteswissenschaften international'.

it Adam und Eva fing alles an. Zumindest für Albrecht Dürer und die meisten seiner Zeitgenossen stand das fest. Eva nahm der Schlange den Apfel ab und legte damit den Grundstein für das menschliche Schicksal. Zugleich aber ist sie hier dargestellt in Anlehnung an eine berühmte Venusstatue aus der römischen Antike, die heute in den Uffizien in Florenz aufbewahrt wird: die Venus Medici. Ihr männliches Gegenüber rief beim gebildeten Kenner der antiken Skulptur hingegen den Apoll von Belvedere aus den Vatikanischen Museen ab. Das traurige Schicksal der Vertreibung aus dem Paradies verbindet sich in Dürers Sicht mit einer gleich zweifachen Feier menschlicher Größe: der Freude am Körper durch die Rezeption der Antike und der Zurschaustellung der Fähigkeiten der eigenen Zeit in Form von Dürers gekonntem Kupferstich, der im neuesten Medium seiner Gegenwart, im Druck, weite Verbreitung finden konnte. Dieser Widerspruch zwischen christlicher Morallehre, biblisch begründeter Heilsgeschichte und zugleich unbändigem Willen zur Ausschöpfung des Lebens in der Nachahmung und Übertreffung der Antike kennzeichnet eine ganze Epoche: Willkommen in der Zeit um 1500!

Anhand von fünfzig Querschnitten nähern wir uns in den folgenden Kapiteln dieser aufregenden Zeit der Renaissance und der humanistischen Rückbesinnung auf die Antike an der Wende vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit. Es ist eine Welt in Bewegung, die nach neuen Antworten auf alte Fragen sucht und dabei die moderne Welt grundlegt, zugleich aber auch in mittelalterlichen Denkmustern fest verhaftet ist. Gerade hier wird sichtbar, wie entscheidend ein Verständnis der fernen Epoche des Mittelalters ist, um unsere Gegenwart wirklich zu verstehen. Das Konzept dieser Annäherung ist dabei gezielt einfach und klar gehalten: Es sind fünfzig Kunstwerke Albrecht Dürers, die fünfzig Einblicke in die Welt des ungewöhnlichen Künstlers erlauben. Der Hase, der hier zu Füßen der menschlichen Stammmutter Eva von hinten zu sehen ist, lässt bereits vermuten, dass auch einige der bekanntesten Werke des Nürnberger Meisters zu den Anknüpfungspunkten gehören. Doch auch weniger bekannte Werke sind darunter, denn der Fokus liegt hier nicht auf der Kunst, sondern auf der Geschichte, soweit man diese beiden Bereiche für den berühmten Nürnberger überhaupt trennen kann.

Dürer ist schon lange, insbesondere seit dem Aufkommen seines Kultes in der Romantik des frühen 19. Jahrhunderts vor allem selbst ein Objekt der Beschreibung: Man blickt auf seine Kunst, versucht den Künstler zu verstehen. Hier verfolge ich gerade die umgekehrte Idee: Welche Welt war es denn, in der Dürer selbst sich bewegte, die er wahrnahm, die auf ihn einwirkte? Damit wird der Künstler zum Schlüssel für ein Verständnis Europas in der Zeit um 1500, eine umtriebige, vielgestaltige Welt, die überhaupt erst die Voraussetzungen für sein Wirken geschaffen hat. Der Übergang vom ausgehenden Mittelalter in die Frühe Neuzeit wird hier greifbar, und Dürer nahm an diesem Wandel aktiv und gestaltend teil. Zugleich floss in seine Biographie vieles ein, was die Stadt und die Welt des späten Mittelalters prägte.

Dieser Blick auf die Zeit um 1500 erlaubt es uns auch, eine Familie kennenzulernen, die in einem der lebhaftesten Zentren im Europa dieser Zeit wohnte. „ALBERT(vs) DVRER NORICVS FACIEBAT“2, „Albert Dürer aus Nürnberg machte dies“, schreibt der Künstler stolz auf die Tafel über dem Arm Adams. Der Horizont dieser Familie, das werden wir sehen, erstreckte sich aber durchaus nicht nur auf die Pfarre von Sankt Sebald, sondern ging weit über die Stadtgrenzen hinaus. Verwandte Dürers lebten in Ungarn und in Köln, er selbst und seine Frau reisten viel und unabhängig voneinander. Die reichen Quellen, die wir in der Zeit um 1500 und insbesondere für Dürer besitzen, erlauben uns auch sehr intime Einblicke in sein Leben: Wir lernen Albrecht und Barbara kennen, die Eltern des Künstlers, die er ebenso im Bild wie in seinen schriftlichen Erinnerungen festhielt. Wir können in die Ehe der Dürers hineinschauen und erfahren mit Agnes, wie und warum geheiratet wurde, welche konkrete Funktion die Ehe besaß – und dass in dieser unruhigen Zeit nicht immer romantische Liebe das beste Maß für solch eine ernste Beziehung darstellen konnte. Der Haushalt der Dürers war organisiert, er diente dem Beruf und dem Verkauf – eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit gab es in einem solchen Leben nicht. Ein harter Alltag mit vielen Ungewissheiten, sozialen Grenzen und rasch wechselnden Einnahmen zeigt hier sein oftmals raues, mitunter durchaus auch fröhliches Gesicht.

Auch unser Reisebegleiter hat Humor. So schläft die Katze zu Füßen von Adam und Eva noch, während die Maus unschuldig vor ihr spielt. Wir als Betrachter können aber eigentlich schon ahnen, was folgen wird: Mit dem Sündenfall wird dieses paradiesische Idyll der Realität mit ihrem blanken Überlebenswillen der Kreaturen und der unerbittlichen Hierarchie der Nahrungskette weichen. Die Katze in uns muss damit erwachen, die Maus vor ihr fliehen. Wir beschäftigen uns aber nicht nur mit Nahrungsmitteln und Tieren, auch das Leben in der spätmittelalterlichen Stadt wird eine Rolle spielen.

Warum aber können wir überhaupt so genau in das Leben der Familie Dürer blicken? Hier erweist sich ein wichtiger Vorteil unseres Zugangs, über einen bedeutenden Künstler auf seine Zeit zu schauen: Gerade weil Dürer so geschätzt wurde und dieser Ruhm ihm seit dem 16. Jahrhundert trotz aller Konjunkturen letztlich kontinuierlich folgte, haben Bildwerke und Textzeugnisse, die sich auf seine Person bezogen, in besonderer Weise überlebt: Sie wurden gesammelt, erforscht, publiziert. Als Ausgangspunkt eignen sie sich also gut, um eine ganze Epoche besser zu verstehen; dabei erweist sich Dürers Leben in vielen Aspekten als gar nicht so ungewöhnlich, wie wir an mehreren Stellen der Betrachtung sehen werden. Gerade seine familiären Verhältnisse, seine persönliche Frömmigkeit, der große geographische Horizont der eigenen Geschäftsbeziehungen, Dürers Interaktion mit der patrizischen Elite und den Handwerkern Nürnbergs lassen sich gut vergleichen. Nicht alles ist besonders an diesem Ausnahmekünstler, und diese Gewöhnlichkeiten machen ihn zu einem guten Begleiter für unseren Ausflug in die Zeit um 1500.

Die freie Reichsstadt Nürnberg nahm mit ihren überregionalen Handelsnetzwerken und der jährlichen Schau der Reichskleinodien eine zentrale Stellung ein, kannte dabei aber zugleich große soziale Unterschiede in der Bevölkerung. Einige der gebildeten Humanisten, unter denen sich Albrecht Dürer bewegte, verfügten über große Mittel und stammten aus dem Patriziat der Stadt; daneben wirkten in Nürnberg viele Handwerker, die das Rückgrat der städtischen Wirtschaft bildeten. Dies war eine Zeit, in der einem Künstler der Aufstieg vom einfachen Handwerker zu einem zentralen Mitglied der urbanen Elite gelingen konnte. Dabei halfen neben künstlerischem Können auch die neuen Medien, allen voran der Druck, Einnahmequellen zu erschließen und den Markt für die eigene Kunst zu erweitern. Was Dürer ins Bild setzte, bietet tiefe Einblicke in seine Gesellschaft: in Genderrollen, soziale Differenzen, auf die geistige Rahmung des eigenen Lebens. Auch das politische und kulturelle Leben in Europa wird hier greifbar, etwa bei einem Blick auf den Hof Kaiser Maximilians und die Verhältnisse im Reich.

Zeitgleich schwelten in der Gesellschaft Forderungen nach einer Erneuerung der Kirche an Haupt und Gliedern, die schließlich im Ausbruch der Reformation mündeten. Reisen, die Dürer insbesondere an den Oberrhein, nach Venedig und in die Niederlande führten, brachten ihn mit dieser Welt im Aufbruch in Kontakt. Das betraf nicht nur die Entwicklung der Kunst und das Selbstverständnis von Künstlern im Speziellen, sondern auch die neuen Horizonte, die die beginnende europäische Expansion den Zeitgenossen erschloss. Der Papagei über der Tafel mit seinem Namen verweist auf die nur zwölf Jahre vor der Entstehung dieses Drucks erfolgte erste Fahrt des Christoph Kolumbus in die Karibik und nach Amerika.

Auch die Einstellung zu Natur und Umwelt war von diesen Umwälzungen direkt betroffen: Die Tierdarstellungen Dürers gehören zu den bis heute beliebtesten Sujets seines Schaffens – es stellt sich die Frage, wie die Zeitgenossen auf solche Bilder von Nashörnern, Hasen und Walrössern reagierten. Und schließlich lässt sich am Beispiel des Nürnbergers auch die Einstellung zum Körper, zu Gesundheit, Krankheit, Tod und Sterben nachzeichnen.

Der Fokus unseres Einblicks in die Zeit um 1500 liegt auf Lateineuropa, und mit Dürer wählen wir auch einen Vertreter der christlichen Mehrheitsgesellschaft, der, wie wir sehen werden, nur ein eingeschränktes Verständnis von jüdischen oder muslimischen Vorstellungen hatte. Und er teilte mitunter auch die Vorurteile seiner Zeitgenossen in Bezug auf Religion, sozialen Status und Herkunft. Der Komplexität der Welt, die ihn umgab, entspricht auch die Komplexität der...

Erscheint lt. Verlag 8.9.2023
Sprache deutsch
ISBN-10 3-8062-4641-6 / 3806246416
ISBN-13 978-3-8062-4641-4 / 9783806246414
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