Die kurze Globalgeschichte des 20. Jahrhunderts -  R. Keith Schoppa

Die kurze Globalgeschichte des 20. Jahrhunderts (eBook)

Wie sich unsere Welt verändert hat
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2023 | 1. Auflage
224 Seiten
Theiss in der Verlag Herder GmbH
978-3-8062-4580-6 (ISBN)
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Geschichte ganz global: ein umfassender und doch kompakter Überblick Es waren ja nicht nur die großen Katastrophen, Revolutionen und Kriege, die das 20. Jahrhundert geprägt haben. Ob Mobilität, Gleichberechtigung oder Dekolonisierung: Die Welt, wie sie den Besuchern der Weltausstellung in Paris 1900 noch vertraut war, wandelte sich schneller als in jedem anderen Jahrhundert zuvor. Der Geschichtsprofessor R. Keith Schoppa beschäftigte sich eingehend mit den großen und kleinen Ereignissen, die den Lauf der Geschichte beeinflussten. Neben den wichtigen Einschnitten in Kultur- und Sozialgeschichte stellte er dabei insbesondere Begebenheiten in den Fokus, die nicht in allen Geschichtsbüchern zu finden sind. - Das 20. Jahrhundert kompakt: eine Zeit voller Umbrüche und historischer Ereignisse - Alle Kontinente im Blick: Ein Weltgeschichte-Buch ohne eurozentrischen Fokus - Ein tolles Geschenk für Geschichtsinteressierte auf der Suche nach einem globalen Überblick - Der Mensch im Mittelpunkt: Welche Identitäten waren für jede Phase besonders bedeutsam? - Reichhaltig, zugänglich und prägnant: Eine großartige Leistung auf wenigen SeitenVon 1900 bis zur Gegenwart: Globaler Wandel auf individueller Ebene Wie erlebten Zeitzeugen die vielfältigen Veränderungen ihrer Lebenswelt? R. Keith Schoppa legt das Augenmerk auf individuelle und lokale Identität, nationalstaatliche Identität sowie die Identität globaler Gemeinschaften. In jedem Kapitel seines Weltgeschichte-Buchs geht er explizit auf fünf Männer und Frauen ein und untersucht ihre Wirkung auf Sozial- und Kulturgeschichte. Die meisten von ihnen waren keine bedeutenden Figuren der Zeitgeschichte, aber sie alle hinterließen weitreichende Spuren. Von einer Welt ohne Flugzeuge zum globalen Dorf, verbunden durch das Internet: Ein spannender Einblick in die Veränderungen des 20. Jahrhunderts!

R. Keith Schoppa (1943-2022) war Professor für asiatische Geschichte an der Loyola University Maryland. Zu seinen zahlreichen Monographien gehören »Blood Road« (1995), für das er mit dem Levenson Award der Association for Asian Studies ausgezeichnet wurde, »In a Sea of Bitterness« oder »Twentieth Century China« (2011 u.ö.).

EINLEITUNG


Vor 1900 hat es kein Jahrhundert in der Menschheitsgeschichte gegeben, das es in Sachen Rasanz und Ausmaß eines immer heftigeren Wandels mit dem 20. Jahrhundert hätte aufnehmen können. Die revolutionären Entdeckungen, Erfindungen, politischen Neuordnungen und wissenschaftlichen Durchbrüche, die im 20. Jahrhundert erfolgt sind, brachten radikale Veränderungen in fast jedem Bereich des menschlichen Lebens. Das Jahr 1900 sah noch ganz anders aus als das Jahr 2000. Zu Beginn des Jahrhunderts gab es noch keine Antibiotika, nur wenige Häuser hatten elektrischen Strom; es gab keine Flugzeuge und kaum Autos. Die globale Lebenserwartung lag bei etwa 31 Jahren und die weltweite Alphabetisierungsrate bei unter 30 Prozent. Im Gegensatz dazu betrug die globale Lebenserwartung im Jahr 2000 schon 66,4 Jahre – in einigen Ländern sogar über 80 Jahre – und die Alphabetisierungsrate war auf 81,9 Prozent gestiegen. Zwar werden in jeder Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts die vielfältigen Triumphe von Technologie und Raumfahrt oder die Wunder des medizinischen Fortschritts hervorgehoben; aber letztlich ist jede solche historische Darstellung doch vor allem die Geschichte von Männern und Frauen, als Individuen wie als Massenwesen, die schöpferisch kreativ sind und etwas aufbauen, arbeiten und spielen; planen und zerstören, und die ihre Identitäten aufgrund ihrer Lebenserfahrungen entwerfen und immer wieder neu gestalten. Jedes Individuum hat seine oder ihre eigene Identität gewählt und verkörpert, hat aber im Gegenzug auch eine Identität von anderen zugewiesen bekommen.

Tatsächlich besitzt ein Individuum viele verschiedene Identitäten: eine biologische, eine räumliche, eine soziale und gesellschaftliche, eine politische, eine ökonomische, eine relationale, eine berufliche, eine habituelle und noch andere mehr. Der Identität kann man sich mit der Frage nähern: Was macht eine Person wesentlich aus, was definiert sie? Das bedeutet: Welche Werte, Überzeugungen, sozialen Beziehungen und kulturellen Streitfragen sind dieser Person am wichtigsten? Im Verlauf eines Lebens kommt es durchaus vor, dass Identitäten nicht gleich bleiben; vielmehr können sie sich verschieben und verändern, in Abhängigkeit von neuen Erfahrungen, Interessen oder Schwerpunktsetzungen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage, welche Identitäten einer Person von anderen zugeschrieben wurden und wie ähnlich oder unähnlich diese Zuschreibungen einander sind. Dieses Buch widmet sich Fragen der Identität unter besonderer Berücksichtigung dreier persönlich-politischer Identitäten, die in der sich wandelnden Welt des 20. Jahrhunderts besondere Bedeutung hatten: individuelle und lokale Identität, nationalstaatliche Identität sowie die Identität globaler Gemeinschaften. Die große Bandbreite an Identitäten, die in spezifischen historischen Zusammenhängen und Situationen zum Tragen kamen, hat nicht selten zu einem „Clash der Identitäten“ geführt. Ein solcher Zusammenprall wurde oft zum entscheidenden Faktor und Motivator in historischen Wandlungsprozessen. In jedem der folgenden Kapitel werden grundsätzlich fünf Männer und Frauen besonders hervorgehoben. Einige von ihnen waren bedeutende Figuren auf der Weltbühne ihrer Zeit; die meisten waren dies jedoch nicht. Ganz unabhängig von ihrem jeweiligen politischen, sozialen und ökonomischen Status haben letztlich alle diese genauer vorgestellten 40 Individuen aus 23 Ländern auf der ganzen Welt durch ihre je eigene Identität gehandelt und gewirkt, um einen bedeutenden Beitrag zu ihrer Welt zu leisten.

Eröffnen möchte ich die Darstellung mit einer historischen Vignette aus dem südwestlichen Afrika – genauer gesagt: dem heutigen Namibia – vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Zugleich sollen so die Leitmotive dieses Buches weiter eingeführt werden: Identität und ihre Bedeutung, ihre Macht und diversen (Rollen-)Funktionen; Gewalt in verschiedenen physischen und psychologischen Ausprägungen; soziale und kulturelle Wandlungsprozesse und Trends; sowie das Aufeinandertreffen von Rasse, Ethnizität, Nationalismus und Globalisierung.

Samuel Maharero aus dem Hirtenvolk der Herero und Hendrik Witbooi, der den Nama angehörte, waren in Namibia zwei sehr mächtige Männer. Als Maharero seinem Vater als Anführer der Herero nachfolgte, hielten ihn selbst seine Untergebenen für eine Art Witzfigur, denn er kam ihnen vor wie ein charakterloser, unselbstständiger Versager. Er war ein schwerer Trinker, wenn nicht gar alkoholkrank; seinen Rum bekam er von den Methodistenmissionaren, vor denen er buckelte. Witbooi dagegen war ein Kaptein (Anführer) der Nama, der selbstbewusst und unabhängig auftrat, höchst intelligent war, mehrere Sprachen fließend beherrschte und Gedichte verfasste. Seine Gefolgsleute sahen in ihm einen charismatischen Anführer und erfahrenen Guerillakrieger. Er zog den Zorn der deutschen Kolonisatoren Südwestafrikas auf sich, indem er den „Schutz“ – und das hieß: die Herrschaft – des deutschen Militärs ablehnte. Schon als alle anderen Stammesführer der Umgebung (einschließlich Mahareros) sich den Deutschen unterworfen hatten, blieb Witbooi noch unbeugsam. In seinem Tagebuch schrieb er: „Ich habe meine Unabhängigkeit nicht aufgegeben, denn ich allein habe ein Recht auf das Meinige, um es jemand, der mich darum bittet, zu geben oder nicht zu geben, wie ich will.“1 Am Ende begann er einen Aufstand gegen die deutsche Kolonialmacht, den er jedoch nach kurzer Zeit verlor und nach dem auch er vor den Europäern ganz pragmatisch kapitulierte.

Beide Männer wurden Opfer des ersten schrecklichen Völkermords im 20. Jahrhundert, der von den deutschen Kolonisatoren bei der Niederschlagung der Aufstände von Herero und Nama in den Jahren 1904 bis 1907 geplant und verübt wurde. Das Kunstwort „Genozid“ ist zwar erst 1944 gebildet worden – aus dem griechischen genos, „Volk“, und dem lateinischen Suffix -cidere für „töten“ –, aber man hat es richtigerweise auch rückwirkend angewandt, auf den namibischen Albtraum genauso wie auf die türkischen Gräuel gegen die Armenier im Jahrzehnt darauf.

Zu dem Genozid in Namibia kam es folgendermaßen: Von etwa 1800 bis 1907 führten Herero und Nama fast ununterbrochen Krieg um die Vorherrschaft in der Region. Erst 1892 schlossen ihre Anführer Maharero und Witbooi einen Frieden. Durch eine Ironie der Geschichte war 1892 auch das Jahr, in dem die ersten deutschen Kolonisten nach Südwestafrika kamen, um sich dort als Farmer niederzulassen – obwohl das Deutsche Reich den Kolonisierungsprozess schon länger begonnen hatte, mit Missionaren (in den 1840er-Jahren), Kaufleuten (ab Beginn der 1880er-Jahre) und Soldaten (ab 1888). Im Jahr 1902 betrug die Gesamtbevölkerung der Kolonie Deutsch-Südwestafrika etwa 200 000 Menschen, davon 97,8 Prozent indigene Afrikaner und nur 1,3 Prozent deutsche Kolonisten, Soldaten und Beamte.

Die dreißig Jahre unter der deutschen Kolonialverwaltung von 1885 bis 1915 waren für die Herero ein wahrer Albtraum. Die deutschen Kolonisten brauchten und verlangten zwei Dinge für ihren Lebensunterhalt – Land und Vieh –, und wie sich zeigen sollte, waren sie zu allem bereit, um beides zu bekommen. Zu dem großen Territorium der Herrero gehörte auch ein Teil des besten Farmlandes der Kolonie; zudem besaßen sie die größten Viehherden, rund 200 000 Rinder nach einer Schätzung von 1890. Tatsächlich könnte man sagen, dass das ganze Leben und die gesamte Kultur der Herero auf die Rinderhaltung ausgerichtet waren. Das Lebensziel eines jeden Hereromannes war es, seine Herde zu beschützen und zu vergrößern. Und was in kultureller Hinsicht noch bedeutsamer war: Seine Identität, seine Werte und seine ganze Lebensweise waren geprägt vom Rind. Im Otjiherero, der Sprache der Herero, gab es mehr als 1000 Wörter zur Bezeichnung verschiedener Merkmale oder Farbtöne von Rindern.2 Wenn ein Hererobaby seinen Namen erhielt, musste es den Kopf eines Kalbes berühren, welches das traditionelle Geburtsgeschenk der Gemeinschaft war. Starb ein Herero, so wurde die Leichendecke aus der Haut seines Lieblingsochsen angefertigt; der von der Sonne gebleichte Schädel des Tieres wurde dann in einem Baum nahe dem Grab angebracht. Unter keinen Umständen wurden Rinder geschlachtet, nur um sie zu essen; das Töten eines Rindes, sofern es nicht aus religiösen oder festlichen Anlässen geschah, war für die Herero ein Sakrileg. In den Jahren 1889 bis 1897 verheerte eine schwere Rinderpest den afrikanischen Kontinent. Die Seuche traf alle Arten von Huftieren (auch Antilopen, Giraffen und Büffel), die binnen Tagen nach der Infektion verendeten. Bei manchen Rinderherden der Herero gingen 90 Prozent der Tiere verloren, und insgesamt blieben gerade einmal 90 000 Stück Vieh übrig – ein gewaltiger wirtschaftlicher und kulturell-mythischer Verlust.

Die Deutschen verstanden die Kultur und Verhaltensweisen der Stammesangehörigen von Anfang an falsch – oder besser gesagt: Sie gaben sich erst gar keine Mühe, diese zu verstehen. Für die deutschen Siedler und Soldaten waren die Herero schlicht „schwarze Wilde“, „Affen“,...

Erscheint lt. Verlag 29.8.2023
Übersetzer Tobias Gabel
Sprache deutsch
ISBN-10 3-8062-4580-0 / 3806245800
ISBN-13 978-3-8062-4580-6 / 9783806245806
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