Auf geführten Wegen. Das andere Griechenland-Buch -  Helmut A. Haffner

Auf geführten Wegen. Das andere Griechenland-Buch (eBook)

Erzählungen
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2023 | 1. Auflage
224 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-6811-6 (ISBN)
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Helmut A. Haffner lebt in München. Seit mehr als vier Jahrzehnten reist er regelmäßig nach Griechenland, mal als Pilger, mal als Bergsteiger und oftmals als einfacher Reisender. Bei all seinen Reisen erlebte er immer wieder Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen. So auf dem griechischen Festland, auf zahlreichen Inseln und vor allem auf dem Heiligen Berg Athos. Er glaubt in diese Begegnungen geführt worden zu sein. Die ausgewählten Erzählungen sind eine Hommage an die besonderen Menschen denen er begegnen durfte und ein Dank an Griechenland für große Gastfreundschaft.

Helmut A. Haffner, Jahrgang 1944, lebt in München. Er hält Seminare in autobiografischem Schreiben und Ikonenmalseminare. Seine wichtigsten Veröffentlichungen der letzten Jahre sind 'Begegnungen am Heiligen Berg Athos', 'Geflüsterte Schreie' und 'Ikonen sind Fenster zum Licht'.

KRETA, GRIECHENLAND,
KRETA?


Das Geräusch der ausfahrenden Fahrwerke und der Landeklappen reißt mich aus meinem Dämmerschlaf. Ein Blick aus dem Fenster zeigt, dass die Maschine nur noch in einer Höhe von etwa dreißig Metern über den Wellen dahingleitet. Nur Meer ist zu sehen, kein Flughafen, kein Land, nur Meer. In meinem Kopf schwirren noch Gedanken von Traum und Realität. Vor dem Einschlafen las ich in der Ilias von Homer, dem großen Epos der Antike, vergleichbar der Bibel, und schon fliege ich dem Land entgegen, in dem Zeus geboren wurde. Ehe meine Gedanken zu Ende kamen, setzte die Maschine mit einem harten Schlag auf der holprigen Landebahn auf, der Umkehrschub der Triebwerke brachte das Flugzeug schnell auf Bodengeschwindigkeit, und schon hatten wir die Halteposition erreicht. Wie so oft in Urlaubermaschinen konnte es niemand erwarten, auszusteigen, alle standen auf, suchten nach ihren Habseligkeiten im Gepäckfach und drängelten nach vorn und nach hinten.

Langsam, sagte ich zu mir, bewusst wollte ich meinen Fuß auf dieses geschichtsträchtige Land setzen, der Ort, an dem Zeus in einer Höhle im Idagebirge geboren wurde. Ein heißer Sommerwind, vermischt mit Abgasen der noch laufenden Triebwerke, blies mir entgegen, als ich die Gangway hinunterstieg. Noch ein Schritt und ich stand das erste Mal auf griechischem Boden!

Das kleine Flughafengebäude, das in großen Lettern den Namen „Nikos Kazantzakis“ trug, war hoffnungslos überfüllt, und ein wildes Stimmengewirr aus dem Lautsprecher übertönte alles, doch kaum jemand verstand die Ansagen auf Griechisch.

Nikos Kazantzakis, der größte griechische Schriftsteller der Neuzeit, wurde hier in Heraklion geboren und war in seiner Heimat lange verkannt, erst mit dem Stoff zu dem Film „Sorbas“ huldigte man ihm. Übrigens starb er in Deutschland, und erst seine Überreste fanden in Heraklion die verdiente Ruhe und sein literarisches Werk die ihm gebührende Anerkennung.

Endlich kam das Gepäck auf dem Laufband daher und schon waren wir im Freien auf der Suche nach einem Bus nach Agios Nikolaos, den wir auch schnell fanden. Unser erster Familienurlaub in Griechenland konnte beginnen.

In dem in die Jahre gekommenen Mercedesbus aus den fünfziger Jahren fuhren wir in zwei Stunden nach Agios Nikolaos. Unser Quartier lag direkt am Meer, dem Kolpos Mirambellou, und noch am Ankunftstag sprangen wir in die salzigen Fluten. Der Strand war felsig und von steilen Klippen durchzogen – eine Einladung für uns Bergfreunde, nach dem Schwimmen barfuß in diesen rauen Felsen herumzuklettern.

Eine gewisse Planlosigkeit ist zur Erholung im Urlaub wichtig, doch bei den vielen Sehenswürdigkeiten auf der Insel Kreta ist schon ein loser Plan hilfreich, um verstehen zu lernen, welche Epochen von Hochkulturen hier existierten und wie schnell Niedergang und Vernichtung alles auf Null setzen können.

Doch die ersten Tage galt es, die nähere Umgebung zu erkunden. Die erste Wanderung von Elounda nach Plaka, direkt am Meer entlang, war reizvoll in damals noch fast unberührter Natur. Ab und zu ein Sprung ins Wasser und danach Rasten im Schatten eines Salzbaumes war pure Entspannung. Niemals mehr in all den Jahrzehnten meiner Griechenlandreisen bin ich in einem derart weichen Meerwasser geschwommen wie an der Küste von Plaka.

Wenige Hundert Meter von Plaka entfernt liegt die Leprainsel Spinalonga, auf der noch bis 1957 eine Leprastation mit unheilbar kranken Menschen existierte. Unzählige Menschen wurden gewaltsam, gegen ihren Willen, auf die Insel gebracht, für den Rest ihres traurigen Lebens in Quarantäne isoliert, von der Außenwelt, Familien und Freunden für immer getrennt. Wer es zulässt, spürt auch heute noch etwas von der Traurigkeit und dem Schmerz, die über der Insel wie ein durchsichtiger Trauerflor hängen.

Ein kleines Boot, mit Touristen gefüllt, tuckert alle zwei Stunden hinüber auf die Insel der Verlorenen. Nein, wir fahren da nicht hinüber, beschlossen wir einstimmig, der Ort soll denen heilig sein, die dort lebten und starben, touristische Neugier war für mein Empfinden fehl am Platz. Und so wanderten wir nach Elounda zurück, damals noch ein kleines Fischerdorf, dessen Leben sich um den romantischen Hafen entfaltete. Bei einem Ouzo und Kaffee das Treiben der Einheimischen zu beobachten, gab lehrreiche Einblicke in das Leben der Menschen. Auf der Suche nach einem Laden, in dem ich Tonbandkassetten mit kretischer Musik erstehen konnte, landete ich in einem Krämerladen, dessen Besitzer in einem Hinterzimmer Musikkassetten kopierte und zum halben Marktpreis verkaufte. Ich kaufte einige Tonträger mit kretischem Gesang und der melancholischen Begleitung der Lyra. Dass ich Raubkopien kaufte, war mir etwas unangenehm, doch ich hatte keine Alternative. Während des Gespräches mit dem Ladenbesitzer erwähnte ich voller Freude, dass dies mein erster Griechenlandbesuch sei, und er antwortete mir fast empört, dass Kreta nicht Griechenland sei, Kreta ist und bleibt Kreta, meinte er. Doch er hatte mir gerade Musik von Mikis Theodorakis verkauft, einem Urgriechen. Er lachte und meinte, Theodorakis ist Kreter, zumindest hat er kretische Wurzeln, denn alle Menschen, deren Familienname auf „kis“ endet, stammen aus Kreta, belehrte er mich weiter. Das war überzeugend, und so verließ ich seine „Kopierwerkstatt“ um eine Erkenntnis reicher. Nicht ahnend, dass mir Jahre später, in Athen, die entgegengesetzte Definition eines Griechen begegnete. Griechen sind keine Kreter und Kreter keine Griechen. Aber beide sprechen dieselbe Sprache, und Kreta gehört seit 1913 zum griechischen Staat.

Tags darauf fuhren wir mit dem Linienbus von Agios Nikolaos Richtung Berge nach Kritsa, damals noch ein verschlafenes Bergdorf. Nur einige Einheimische waren im Bus mit allem möglichen und notwendigen Gepäck. Hinten saß eine alte Frau mit drei Hühnern in einem Käfig. Kaum waren wir losgefahren, stand am Straßenrand ein Mann und winkte. Der Bus hielt an, und der alte Mann mit zwei Kaninchen in einer Netztasche stieg ein, seine Fahrkarte beglich er mit drei Zigaretten, und wir fuhren weiter.

Wir verließen den Bus auf halber Strecke nach Kritsa, um die mystische „Panagia-Kera-Kirche“ zu besuchen. Es soll eine der ältesten Kirchen Kretas sein, die der Gottesmutter geweiht ist. Ein Bauer in Kritsa erzählte mir, dass die Kirche aus der Zeit stamme, in der der Apostel Paulus Kreta die christliche Botschaft brachte und sein Helfer Titus die ersten Gemeinden gründete und später zum ersten Bischof von Kreta geweiht wurde. Er wird noch heute sehr verehrt und gilt als Patron der kretischen orthodoxen Kirche.

„Keri“ ist eine der ältesten Kirchen auf Kreta

In der dunklen Panagia-Kera, die nur mit wenigen Kerzen spärlich erhellt war, traf mich der Anblick einer Christusikone so durchdringend, dass ich einige Zeit wie versteinert ehrfürchtig davor verweilte. Von Ikonografie und Orthodoxie hatte ich damals noch wenig Ahnung, und dass ich zwanzig Jahre später die Kunst des Ikonenmalens würde erlernen dürfen, war mir ein noch verborgenes Geheimnis. Doch diese erste direkte Begegnung mit einer Christusikone habe ich nie mehr vergessen.

Über einen Feldweg gingen wir zu Fuß den Rest des Weges nach Kritsa weiter. Die häkelnden Frauen von Kritsa prägten das Dorfbild. Auf der Straße boten sie ihre kunstvollen Tischdecken und Tücher an, manche Frauen arbeiteten sogar vor ihrem Haus auf der Straße.

Joghurt mit Honig und Walnüssen war die willkommene Stärkung in einem Kafenion.

Ausgrabungen, die Zeugen vergangener Kulturen sind, gibt es viele auf Kreta, die wichtigsten sollte man besuchen, um besser zu verstehen, was sich die letzten Jahrtausende hier ereignet hat.

Dabei spielt die Hochkultur der Minoer die bedeutendste Rolle. Von 2000 v. Chr. bis um 1200 v. Chr. dauerte diese Kulturepoche. Von Iraklion, der Hauptstadt Kretas, fahren wir einige Kilometer landeinwärts, um die ausgegrabene Hauptstadt der Minoer, Knossos, zu besichtigen und zu bestaunen. Architektur mit Bodenheizung und Abwasserleitungen im Hauptpalast scheinen fast unglaublich, aber wahr. Bis zu hunderttausend Menschen sollen hier gelebt haben. Wenn man bedenkt, dass heute in Iraklion hundertzwanzigtausend Menschen leben, war das eine große Stadt.

Als Seefahrer beherrschten die Minoer die Ägäis und das gesamte Mittelmeer, sie trieben Handel mit Europa, Kleinasien und Afrika, doch mit dem Ausbruch des Vulkanes von Santorini, um 16 v. Chr. begann der Niedergang bis hin zum Verschwinden dieser großartigen Hochkultur. Dass der Ausbruch des Vulkanes von Santorino um 1500 v. Chr., wo sich ebenfalls Siedlungen der Minoer befanden, die Hauptursache für den Untergang der Hochkultur sei, ist die vorherrschende Meinung der Menschen auf Kreta.

Um sich ein Gesamtbild machen zu können, sollte man auch die Ausgrabungen von Kato Zakros und Malia unbedingt besuchen.

Einen Tag in den Trubel stürzen in Iraklion, das Treiben der Stadt und den Duft des Marktes aufsaugen, besinnlich einige Kirchen besuchen und den umfassenden Kunstgenuss im archäologischen Museum genießen – dies lässt die Großartigkeit der...

Erscheint lt. Verlag 30.3.2023
Sprache deutsch
ISBN-10 3-7578-6811-0 / 3757868110
ISBN-13 978-3-7578-6811-6 / 9783757868116
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