Der Papst, der schwieg (eBook)
704 Seiten
Theiss in der Verlag Herder GmbH
978-3-8062-4587-5 (ISBN)
David I. Kertzer ist Professor für Sozialwissenschaft, Anthropologie und italienische Studien an der Brown Universität in den USA. Bereits drei Mal wurde ihm der angesehene italienische Marraro-Preis für historische Studien verliehen. Sein Buch über Papst Pius XI. und den Faschismus, das 2015 mit dem Pulitzer-Preis gekrönt wurde, erschien 2016 bei der wbg unter dem Titel 'Der erste Stellvertreter' und wurde insgesamt in 10 Sprachen übersetzt.
Die Personen dieses Buches
Der Papst und die Kirche
PIUS XII. (EUGENIO PACELLI) (1876–1958): Schon sein Vater und Großvater waren als Laien anerkannte Koryphäen in vatikanischen Diensten gewesen. Auch der körperlich wenig robuste, aber hochintelligente Pacelli trat unmittelbar nach seiner Priesterweihe in das vatikanische Staatssekretariat ein, ohne je als Gemeindepfarrer zu amtieren. In seiner Zeit als päpstlicher Nuntius im Deutschen Reich, von 1917 bis 1929, erwarb er eine tiefe Kenntnis seines Gastlandes. 1930 ernannte ihn Pius XI. zum Kardinalstaatssekretär. Nach seiner eigenen Wahl zum Papst im Jahr 1939 bemühte sich der stets vorsichtige und gegenüber Mehrparteienregierungen misstrauische Pius XII. um eine Verbesserung der Beziehungen des Vatikans zu Mussolini und Hitler.
BORGONGINI DUCA, FRANCESCO (1884–1954): Der Priester, der sein gesamtes bisheriges Leben in Rom verbracht hatte, wurde nach Unterzeichnung der Lateranverträge 1929 zum ersten Apostolischen Nuntius in Italien ernannt. Auf diesem Posten sollte er den ganzen Zweiten Weltkrieg hindurch und noch darüber hinaus bleiben. Obgleich es ihm an Weltkenntnis und intellektueller Neugier mangelte, erfüllte er mit seiner unermüdlichen Lobbyarbeit beim faschistischen Regime für Pius XII. eine wichtige Funktion. Zusammen mit Pater Tacchi Venturi drängte er die faschistische Regierung wiederholt, getaufte Juden von den drakonischen Rassengesetzen auszunehmen.
MAGLIONE, LUIGI (1877–1944): Durch Intelligenz und Ehrgeiz gelang Maglione, der einer armen Neapolitaner Familie entstammte, der Aufstieg durch die Kaderschmiede der päpstlichen Diplomatie. Nachdem er zunächst als Nuntius in der Schweiz und dann, von der Mitte der 1920er- bis zur Mitte der 1930er-Jahre, als Nuntius in Frankreich gedient hatte, galt der 1935 zum Kardinal erhobene Maglione als aussichtsreicher Anwärter bei dem Konklave, das Pacelli zum Papst wählte. Obwohl Pius XII. Maglione zu seinem Staatssekretär ernannte, entwickelten die beiden Männer nie ein herzliches Verhältnis. Maglione war umgänglich, aber vorsichtig mit dem, was er sagte; unter den auswärtigen Botschaftern beim Heiligen Stuhl, mit denen er sich jeden Freitag traf, war er beliebt. Wie unwohl sich Pius XII. mit ihm oder überhaupt mit irgendjemandem in der wichtigen Position des Staatssekretärs fühlte, wurde deutlich, als er nach Magliones Tod keinen Nachfolger in dem Amt ernannte.
MONTINI, GIOVANNI BATTISTA (1897–1978): Montini entstammte einer bekannten katholischen oberitalienischen Familie; sein Vater hatte für die katholische Volkspartei im italienischen Parlament gesessen, bis Mussolini dieses auflöste. Unter Kardinalstaatssekretär Pacelli wurde Montini 1937 zum Substituten für die allgemeinen kirchlichen Angelegenheiten ernannt und bekleidete damit eine der beiden stellvertretenden Positionen im Staatssekretariat. Auf diesem Posten blieb Montini auch nach der Wahl Pacellis zum Papst. Ebenso klug wie kultiviert im Umgang, wenngleich wenig welterfahren, gehörte er zu den bevorzugten Mitarbeitern von Pius XII. und sollte eines Tages als Paul VI. selbst Papst werden.
ORSENIGO, CESARE (1873–1946): Ursprünglich ein Mailänder Priester mit wenig Weltkenntnis, in den 1920er-Jahren als Nuntius erst in den Niederlanden und dann in Ungarn tätig, ersetzte Orsenigo im Jahr 1930 Eugenio Pacelli als Nuntius in Berlin. Er war ein mäßig intelligenter Mann, der Hitler verehrte und die Nazigrößen durch seine Sympathie für ihre Sache zu beeindrucken versuchte, obwohl er natürlich wünschte, sie würden die Kirche besser behandeln.
PACELLI, EUGENIO (siehe Pius XII.)
PIUS XI. (ACHILLE RATTI) (1857–1939): Im selben Jahr 1922, als der bisherige Erzbischof von Mailand zum Papst gewählt wurde, ernannte der italienische König nach dem faschistischen Marsch auf Rom Mussolini zum Ministerpräsidenten. Da die Wege des Herrn nun einmal unergründlich waren, wie Pius XI. einmal bemerkte, hatte er ihm ausgerechnet Mussolini geschickt, um viele Privilegien wiederherzustellen, die die Kirche im vorigen Jahrhundert verloren hatte. Doch in seinem letzten Lebensjahr begann Pius XI. zu bedauern, dass er dem Duce geholfen hatte, seine Macht in Italien zu festigen. Besonders fühlte er sich von Mussolinis engem Schulterschluss mit Hitler abgestoßen, den er als einen Feind der Kirche und Vertreter einer heidnischen Ideologie verachtete.
TACCHI VENTURI, PIETRO, SJ (1861–1956): Als ein prominenter römischer Jesuit, der 1918 bis 1940 als Rektor der jesuitischen Hauptkirche in Rom amtierte, wurde Tacchi Venturi schon kurz nach der Machtübernahme Mussolinis der inoffizielle Verbindungsmann zwischen Pius XI. und dem Duce und trug Letzterem regelmäßig die päpstlichen Anliegen vor. In den Kriegsjahren wurden die Treffen des Jesuiten mit Mussolini zwar seltener, doch Pius XII. nutzte das ausgedehnte Netzwerk von Kontakten, das Tacchi Venturi zu den Mitgliedern der faschistischen Führungsriege geknüpft hatte, weiter für seine Zwecke und unternahm etwa wiederholt Versuche, getaufte Juden von den antisemitischen Maßnahmen der Regierung ausnehmen zu lassen.
TARDINI, DOMENICO (1888–1961): Der Sprössling einer römischen Familie aus bescheidenen Verhältnissen diente den Großteil seines Lebens im vatikanischen Staatssekretariat: seit 1935 als Substitut für die allgemeinen kirchlichen Angelegenheiten und seit 1937 als Sekretär der Kurienkongregation für die Außerordentlichen Kirchlichen Angelegenheiten. Somit teilten sich Tardini und Giovanni Montini in den folgenden Jahren die beiden einflussreichsten Posten unter dem Staatssekretär. Der Papst ließ durch den scharfzüngigen und geistreichen Tardini immer wieder Exposés erarbeiten, die seine Handlungsoptionen während des Krieges aufzeigten. Tardini vertraute weder den Deutschen noch den Alliierten.
Mussolini und das faschistische Regime
MUSSOLINI, BENITO (1883–1945): Der ehemalige radikale Sozialist war vor allem eines: ein Opportunist, der rasch begriff, dass er seine Ambitionen am besten mit vatikanischer Unterstützung verfolgen konnte. Aufgrund seiner kirchenfreundlichen Politik, die 1929 in den Lateranverträgen gipfelte, als deren Ergebnis der Vatikanstaat geschaffen und die Trennung von Staat und Kirche in Italien aufgehoben wurde, erschien er dem Vatikan geradezu vom Himmel geschickt. Doch seine Annäherung an Nazideutschland in den späten 1930er-Jahren brachte Pius XI. gegen ihn auf. Hitler gegenüber prahlte Mussolini damit, er wisse, wie er den Papst im Zaum zu halten habe. Pius XII. baute dann auf die Unterstützung des italienischen Diktators, um Hitler zu einer freundlicheren Haltung gegenüber der Kirche zu bewegen. Als seine eigenen Probleme jedoch im Kriegsverlauf immer größer wurden, setzte Mussolini den Papst entsprechend unter Druck, damit er nichts unternahm, was der Sache der Achsenmächte schaden könnte.
ALFIERI, DINO (1886–1966): Nachdem er 1924 für die Faschistische Partei ins italienische Parlament eingezogen war, stieg Alfieri durch die Regierungsränge auf. Im November 1939 bekleidete er gerade den Posten des Propagandaministers, als Mussolini ihn zum Nachfolger Bonifacio Pignattis als italienischer Botschafter beim Heiligen Stuhl ernannte. Schon einige Monate später entschied Mussolini jedoch, dass er in Berlin einen Vertreter brauchte, der den Nazis zugeneigter wäre als der bisherige Amtsinhaber, und berief Alfieri auf die Position. Als der Papst Alfieri vor dessen Abreise nach Deutschland traf, trug er ihm eine Botschaft für Hitler auf, überlegte es sich dann aber noch einmal anders und zog sie zurück.
ATTOLICO, BERNARDO (1880–1942): Der Berufsdiplomat aus Süditalien heiratete in die sogenannte schwarze Aristokratie Roms ein, die den Päpsten traditionell eng verbunden war. Nach Einsätzen als Botschafter in Brasilien und der Sowjetunion wurde er 1935 zum Botschafter Italiens in Berlin ernannt. Attolico war kein Freund der Nazis und versuchte, Mussolini vom Kriegseintritt an der Seite Deutschlands abzubringen. Nachdem er 1940 mit Alfieri den Posten getauscht hatte, fungierte er bis zu seinem Tod im Februar 1942 als Botschafter beim Heiligen Stuhl. Wie viele andere Angehörige des diplomatischen Korps diente er dem faschistischen Regime treu und arbeitete nach dem Kriegseintritt Italiens unermüdlich daran, zu verhindern, dass aus dem Vatikan Kritik an der Sache der Achsenmächte laut wurde.
BUFFARINI GUIDI, GUIDO (1895–1945): Der kleine, rundliche, rotgesichtige Buffarini war vielleicht das intelligenteste Mitglied von Mussolinis Regierung – und gewiss eines ihrer korruptesten. Zu seinen florierenden Nebengeschäften gehörte etwa das Fälschen von Kirchenbuchauszügen, um aus Juden Katholiken zu machen und sie so vor den Rassengesetzen zu verschonen, für deren Durchsetzung er zuständig war. Als Mussolinis De-facto-Innenminister (der Duce bekleidete den Ministerposten formal selbst) begrüßte Buffarini die Wahl Kardinal Pacellis zum Papst mit den Worten: »Das ist genau der Papst, der gebraucht wird.« Nach Mussolinis Fall und seiner Wiedereinsetzung als Regierungschef von Hitlers...
Erscheint lt. Verlag | 10.3.2023 |
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Übersetzer | Martin Richter, Tobias Gabel |
Sprache | deutsch |
ISBN-10 | 3-8062-4587-8 / 3806245878 |
ISBN-13 | 978-3-8062-4587-5 / 9783806245875 |
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