Meine Tage im Heiligen Land -  Erika Burchard

Meine Tage im Heiligen Land (eBook)

Notizen aus dem Rucksackbuch
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
192 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-9620-2 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
4,49 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Endlich nach Jerusalem! Palästina sehen, das Evangelien-Land! Im Toten Meer schwimmen! Den Jordan entlang zum See Genezareth fahren! Das wünscht sie sich schon sehr lange. Jedoch erst, als sie Mitte 50 ist, ergibt sich die Chance einer solchen Reise. Dass in Palästina und Israel 1988 gerade die erste Intifada herrscht, ein heimtückischer, verzweifelter Partisanenkrieg, kann sie nicht aufhalten. Sie packt ihren Rucksack und ist weg! Und dann, 33 Jahre später: Im Alter von 90 Jahren findet sie den verstaubten Rucksack wieder und darin ihr Reise-Tagebuch von einst. Beim Lesen fragt sich die alte Frau, ob es damals wohl Naivität oder Mut gewesen ist, sich einer solchen Gefahr auszusetzen in jenen Ländern der Widersprüche, wo es lodernden Hass und unverbrüchliche Treue gab, Stolz und Verachtung, List und Liebe, bedingungslos Gläubige dreier Religionen, aber auch deren manipulative Kraft . Und das alles im eng nachbarschaftlich brodelnden Misstrauen zwischen Israel und Palästina, dem Westjordanland und dem Gazastreifen, von denen bis heure nur Israel eine richtige Regierung hat. Doch erinnert sie sich genau an ihr großes Glücksgefühl auf dieser Reise, an ihre Dankbarkeit und an ihre Trauer beim Abschied von Jerusalem, dieser einzigartigen Stadt. Sie hatte das herrliche Land lieben gelernt und sich dort vor Gefahren an jedem einzelnen dieser 14 Tage geführt und beschützt gefühlt. Beschützt? Von wem? Darauf hat die alte Frau noch immer keine klare Antwort.

Erika Burchard, geboren 1934 in Berlin, verbrachte die wesentlichen Kindheitsjahre da, wo heute Polen ist, ihre Jugend- und Studienjahre in München, London, Frankfurt am Main. Dort heiratete sie. Die Kindheit ihrer drei Söhne verlebte die Familie in einem hessischen Dorf. Ihre berufliche Entwicklung verlief ungefähr in Jahrzehnten: Sie schrieb für Zeitungen und arbeitete als Übersetzerin, wurde Lehrerin an einer Waldorfschule und in einem Seminar, machte nebenberuflich jahrelang Erfahrungen in der Bewährungshilfe, zog schließlich nach Italien und produzierte Olivenöl, gründete im Schwarzwald zusammen mit Freunden eine Hilfsorganisation für afrikanische Frauen und arbeitete in Tansania. Jetzt wohnt sie in einem norddeutschen Dorf und buddelt im Garten.

Dienstag, 18. Oktober


Altstadt mit Schutzengel – Ohrringe – Klagemauer und Tempelberg – Panik statt Mittagsschlaf


Blick auf die Uhr: 5! Und schon schimmert es hell durch die dicken Vorhänge. Ich friere trotz Zusatzdecke. Muss ich die Uhr vorstellen? Oder zurück? Mal nachdenken: ich bin ein erhebliches Stück nach Osten gereist, weiter östlich geht die Sonne früher auf. Aha! Also die Zeiger voran verstellen. Dennoch weiß ich nicht, um wie viel.

Die Neugier siegt über das Frösteln. Raus! Die Vorhänge beiseite! Die nächtliche Schwärze ist weg. Na klar: das judäische Bergland! Weit schwingende Hügel. Sand, Steine, Flechten und an wenigen Stellen kriechendes Gebüsch. Trampelpfade führen durch den Sand, der im Morgenlicht gelb-grau aussieht, aber zu leuchten scheint. Ich trete – noch immer bibbernd – auf den Balkon hinaus.

Das Hotel liegt auf einem Hügel, tief unten eine asphaltierte Straße. Es ist vollkommen still. In der Ferne, wo ich gestern Nacht die Lichter gesehen habe, sehe ich einen stattlichen Ort mit Kirchtürmen, großen Palastbauten und Minaretten. Ich habe die hiesige Landkarte ungefähr im Kopf und weiß: Das muss Bethlehem sein. Die fernen Hügel, auf denen die Stadt liegt, sind grün.

Auf der Straße unter mir trappelt etwas.

Eine verhüllte Muslimin sitzt auf einem Esel, ein Mann läuft daneben einher. Mir kommen sofort die Tränen – ich fühle mich wie eine christliche Pilgerin, eine Anfängerin, die mit den Assoziationen im Heiligen Land noch nicht so recht umgehen kann. Eine Hustenkaskade wirft mich erneut ins Bett. Während ich mich dort aufwärme, kommt mir der Gedanke, dass der Mann wohl kaum der Ehemann der Frau sein dürfte. Müsste dann nicht er reiten und sie nebenher laufen? Vielleicht ist er der Sohn?

Husten schüttelt mich.

Ich muss heiß und kalt duschen, um meinen Kreislauf hoch zu jagen. Die Tage hier sind kostbar. Keiner darf vertrödelt werden! Außerdem siegt im Wetteifer der Verlockungen jetzt erstmal die Aussicht auf heißen Kaffee. Beim Empfang gestern Nacht hieß es, um sieben Uhr gebe es zum Bed das dazugehörige Breakfast. Gott sei meiner Seele gnädig und verzeihe mir solche irdischen Wünsche, hat er mir doch soeben eine weihnachtliche Vision geschenkt. –

Die Selbstbedienungstheken biegen sich schier unter vielen ganz verschiedenen, herrlich aussehenden Speisen – alles summa cum laude! Scrambled egg for the British people, no meat of course, die Salat-Auswahl ist riesig: mit Quark, Käse, Ei, Gemüse, Kräutern. Dazu herzige Brötchen, Joghurt, Saft, Kaffee, Tee und Milch. Die Butter sieht allerdings wie Niveacreme aus. Vom Kaffee muss ich wohl drei Tassen nehmen, um auf das notwendige Maß an Koffein zu kommen, das ich heute brauche. Ebenfalls reichlich vorhanden sind die Zutaten für ein Müsli – Obstsalat, Rosinen und Nüsse. Mein daheim gebliebener Ehemann würde hier sicher begeistert zugreifen. Alles perfekt anzusehen, aber ich hab heute weniger Appetit als Neugier.

Um mich herum wimmelt es von fröhlichen Holländern. Auch ein paar englische oder amerikanische und nur wenige israelische Gäste mache ich aus. Gesessen wird an Sechser-Tischen, offensichtlich ohne feste Sitzordnung.

Keine weiteren Deutschen?

Ich falle ohnehin auf wie ein Eskimo in Rio unter lauter Sonnentops und kurzärmeligen Blusen. Sollte es wirklich so warm sein? Selbst ältere Damen tragen zartes Dünnes … Ich geniere mich. Aber nach der dritten Tasse Kaffee setzt mein Verstand wieder ein, und ich befinde, vorläufig die Wolle auf meiner Haut zu lassen, auch wenn ich seltsam aussehe. Ich friere einfach. Jedoch wird sich das bald geben. Schließlich bin ich im Heiligen Land, und vielleicht gibt es da ja eine schnelle Wunderheilung?

Der Linienbus Nr. 7 steht auf dem Hotel-Vorplatz, wo die einen Gäste in ihre Mietautos steigen, andere in ihren Tourenbus. Ich steige in den Stadtbus Nr. 7 – ein Fahrschein kostet 0,70 Schekel d.h. 70 Agorot. Wie weit ich fahren will, werde ich nicht gefragt. Mein Sitzplatz ist sonnenwarm – das gibt einen guten Impuls von unten!

Und weil ich gerade in Gottes eigenem Land bin, hat er auch gleich eine hilfreiche Begegnung für mich bereit. An der ersten Haltestelle steigt eine feine Dame ein, Typ Chefsekretärin, und setzt sich neben mich. Sie spricht mich auf Holländisch an. Ich antworte englisch und sage, dass ich eine Deutsche sei.

Sie auch! Wir lachen.

Sie sagt, sie sei Fremdenführerin für Biblische Reisen. Die Dame verpasst mir, sofort auf meine naive Abenteuer-Situation reagierend, eine konzentrierte Belehrung mit Insider-Tipps, Empfehlungen und Warnungen. Und dann sagt sie, den 7er Bus verlasse sie immer, bevor er den großen Umweg an der Mauer entlang beginnt, auf dem man zwar vielfach umsteigen könne, was aber auf Kosten der Erlebnisse gehe, die das Laufen in der Altstadt einem bringt. Sie zeigt es mir sogleich. Wir steigen in der westlichen Neustadt aus, was einem sicher kein Mensch in Jerusalem raten würde, und laufen über eine schöne Park-Treppe ins westliche Tal hinunter, haben dabei den westlichen Stadtmauer-Komplex in ganzer Breite vor Augen und durchschreiten bergauf das ehrwürdige Jaffa-Tor. Innerhalb des Mauer-Ringes liegt die Altstadt: Jewish Quarter, Tempelberg, Araberviertel, Via Dolorosa, die wichtigsten Kirchen, Moscheen, Synagogen, die Ausgrabungsstätten aus der Zeit des ersten Tempels und vieles mehr. Manches wusste ich schon, aber diesen praktischen Einstiegsweg hätte ich ohne diesen Schutzengel neben mir nie entdeckt. Die Dame warnt mich, ja nicht nach Hebron zu fahren, das sei gefährlich, und außerdem sei der Hain Mamre schon lange ungepflegt und kaum aufzufinden. Den Besuch der Gräber von Jakob und Rahel unbedingt bei einer Reisegesellschaft buchen! Diese wüßte sich vor jeder Fahrt aktuell zu informieren, ob die Luft gerade rein ist oder eine Schießerei läuft. Meinen Gedanken, wegen der mir immer noch fehlenden Unterkunft für die letzten zwei Jerusalemer Tage im Kibbuz Shoresh anzufragen, hält sie für keine gute Idee. Da es sich um einen Freitag und einen Sonnabend handelt, das Shoresh als sehr streng religiös gilt und daher am Sabbath keinerlei Verkehrsmittel zulasse, säße ich dort draußen für anderthalb Tage total fest. Das Ramat Rahel sei da liberaler gegenüber Gästen. Sie rät mir, eines der kirchlichen Hospize anzufragen. Am besten direkt in der Altstadt.

Wir laufen durch eine Gasse voller Handwerker- und Künstler-Läden. Sie zeigt mir zwei besondere Läden, da könne man ruhig nur zum Anschauen hineingehen, sie kenne den Künstler gut. Er verarbeitet Schmelzglasfunde, die in der Erde unter langer Einwirkung bestimmter Mineralien zu zauberhaften Farben oxidieren. Er fasse diese Steine in Gold oder Silber. Drinnen komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Für diese herrlichen Farbspiele würde ich jeden Edelstein herschenken, na ja, sagen wir: jeden Halbedelstein! Der Künstler begrüßt Helmi Raatschen (wir haben uns inzwischen einander vorgestellt) und zeigt uns alles gern und ohne es anzupreisen. Doch, sagt er, das gäbe es auch in Deutschland, er habe eine gute Geschäftsbeziehung nach Idar-Oberstein.

Der zweite besondere Laden, in den mich Helmi hinein lotst, ist der eines Glasbläsers und Glasbild-Gießers. Auch hier verlockt die Farbenvielfalt, das Blau hat es mir angetan, es erinnert an das intensive Chagall-Blau. Der Ladeninhaber ist schottischer Herkunft, spricht ein ungewöhnlich gemessenes und ausdrucksstarkes Englisch. Wir schauen uns um und blättern auch in seinen Katalogen. Und dann passiert, was ich mir eigentlich für diese Reise verboten hatte: Mein Auge fällt auf einen kostbar aussehenden Glasbehälter, in der silbergefasste Ohrringe ausgestellt sind, deren Farben leuchten und blitzen. Ein paar tiefrote haben es mir angetan – ich sehe sie bereits aus Elkes Locken herausbaumeln und frage nach dem Preis. Er ist entschieden zu hoch für mich, nicht aber für die Besonderheit dieser Schönheit.

»Haben Sie Töchter?« fragt die kluge Helmi, sie scheint gar nicht in Betracht zu ziehen, dass ich den Schmuck selber tragen wolle. Das traut sie mir offenbar nicht zu und liegt ganz richtig damit.

»Nein, leider keine Töchter. Aber sowas Ähnliches wie eine Schwiegertochter.«

Sie versteht sofort: »Dafür habe ich ein eigenes Wort«, sagt sie »ich nenne sie Schwiegerfreundin. Ich hab auch eine.«

Wir lachen beide. Ich greife nach dem Kästchen mit den dunkelroten Ohrhängern, halte es in den Sonnenschein. Bei Bewegungen blitzt es in vielen Rottönen. Indessen hat der Schotte wohl genug Zeit zum Nachdenken gehabt.

»Bezahlen Sie doch einfach mit deutschem Geld«, schlägt er vor, »dann fällt für mich die übliche Verkaufssteuer weg. Das wird dann erheblich billiger für Sie.«

»Das würde ich ja gern tun, aber mein ganzes deutsches Geld liegt im Hotel-Schließfach.«

»Na, das ist ja kein Hindernis« sagt der Mann und greift nach dem Kästchen,...

Erscheint lt. Verlag 22.11.2022
Sprache deutsch
ISBN-10 3-7568-9620-X / 375689620X
ISBN-13 978-3-7568-9620-2 / 9783756896202
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 447 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.