Rosenzüchterinnen -  Anita Böhm-Krutzinna

Rosenzüchterinnen (eBook)

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2022 | 1. Auflage
340 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-5098-1 (ISBN)
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Schon seit 1820 gab es Rosenzüchterinnen voller Leidenschaft, die in ihren Gärten, in Rosenschulen und später auch an staatlichen Instituten wirkten. Zu den berühmtesten gehören Madame Hébert, Marie-Louise Meilland, Felicitas Svejda oder Pirjo Rautio. Die Autorin beschreibt in 46 wunderbar lesbaren Portraits Lebensumstände, Erfolge und Schicksalsschläge dieser engagierten Frauen, aber auch ihre Rosen und die Entwicklung der Rosenzüchtung.

Anita Böhm-Krutzinna ist leidenschaftliche Rosenfreundin. Immer auf der Suche nach spannenden Themen, schreibt sie neben Kurzgeschichten auch Sachbücher und historische Romane. Sie lebt mit ihrer Familie auf einem Bauernhof in Hessen.

Madame Hébert (1798-1834) · Frankreich


Abb. 1: Gallicarose ´Président de Sèze´

Von Madame Hébert wird berichtet, dass sie um 1830 in Rouen, in der alten Rue Richebourg wohnte.4 Hier im Stadtteil Saint-Sever, am linken Ufer der Seine gelegen, hatten sich schon damals einige Fabriken angesiedelt, aber auch Kaufleute und andere wohlhabende Bürger.

Überquerte man die nahegelegene Brücke „Pont de Bateaux“, befand man sich sofort im rührigen Zentrum der Altstadt Rouens.

Die kurze Rue Richebourg lag dicht an der Seine. Sie wurde auf der einen Seite von einer großen Kasernenanlage begrenzt, auf der anderen Seite, die nach Westen zeigte, säumten Wohnhäuser die Straße. Fast alle Grundstücke hatten Obst- und Gemüsegärten und über sie hinweg konnte man weite Wiesen und Weiden erkennen.

Auch „unsere“ Madame Hébert hatte hier wahrscheinlich einen Garten. Neben der Leitung ihres Haushaltes, sicherlich mit einigen Bediensteten, muss Madame Hébert sich leidenschaftlich für Gartenbau und für die Züchtung von Pflanzen interessiert haben.

Abb.2: Spezielle Damenrosenscheren wurden schon vor 1826 angeboten

Sie wurde im Juni 1829 ordentliches Mitglied der angesehenen französischen „Société d´Agronomie“. Diese Gesellschaft war sechs Monate zuvor in Paris gegründet worden und hatte später als Ehrenmitglieder berühmte Botaniker oder hoch angesehene Gärtner in ihren Reihen.

Zusammen mit Madame Hébert wurden noch elf andere Mitglieder aufgenommen, darunter adlige Grundbesitzer, die Gebrüder Baumann, die eine bekannte Baumschule in Bollwiller in Elsass-Lothringen leiteten oder der Kriegsminister Vicomte de Caux. So kann man davon ausgehen, dass Madame Hébert wohlhabend und gebildet war und große gartenbauliche Kenntnisse hatte.

Das „Journal d´Agriculture“ des gleichen Jahres meldete, dass „Madame Hébert“ eine exquisite Auswahl an Rosen in ihrem Garten hätte.5 Um derart erwähnt zu werden, musste sie schon damals mehrere hundert Rosen, und darunter auch seltene Sorten, besessen haben. Allerdings wurden manche Sorten mehrfach unter verschiedenen Namen verkauft. Es könnten rosa und gestreifte Gallicarosen, Moosrosen in purpurn und weiß gewesen sein, die im Juni genau wie die Albarosen und die Zentifolien eine wunderbare Blüte zeigten, aber nicht nachblühten.

An einer besonders geschützten und sonnigen Stelle oder in einem Gewächshaus wuchs sicherlich neben anderen exotischen Sorten auch die unempfindlichste der chinesischen Gartenrosen, ´Old Blush´. Diese halbgefüllte, rosafarbene Rose hatte mehre Namen, ebenso wie die anderen öfterblühenden Rosen aus dem Fernen Osten, die in den Jahrzehnten zuvor Einzug in Europa gehalten hatten. China- und Teerosen waren zarte Schönheiten und sie sollten die Rosen der westlichen Welt revolutionieren. Die größte Stärke dieser Rosen war ihre wiederholte Blüte, ihre größte Schwäche, dass sie empfindlich waren und ein Frost sie dahinraffen konnte. Wahrscheinlich hat Madame Hébert viele ihrer Kleinode in der Gärtnerei Calvert gekauft, sie vor allem aber von Nicolas-Joseph Prévost (1787-1855) erworben, der eine große Rosenschule im Norden Rouens, im nahegelegenen Bois-Guillaume, in der Rue du Champ-des-Oisaux Nr. 68, besaß.

Abb.3: Schutz vor Frösten

Selbst zu Fuß wäre es für sie möglich gewesen, ihn aufzusuchen, denn sie wohnte in Rouen nicht sehr weit entfernt von ihm. Als distinguierte Dame wird sie aber wohl eher mit der Kutsche dorthin gefahren sein. Zunächst hätte sie die Seine überqueren müssen und vielleicht ein Binnenschiff oder eins der großen Segelschiffe gesehen, die dem Hafen zustrebten. Obwohl die Seine, an der Rouen liegt, erst achtzig Kilometer weiter westlich in den Atlantik mündet, war hier einer der größten französischen Häfen dieser Zeit entstanden und der Wohlstand Rouens war auf ihn, die Tuchverarbeitung und den Fleiß seiner Bürger und Bürgerinnen zurückzuführen.

Dann hätte Madame Hébert den Place de Vieux Marché – auf dem einst Jeanne d´Arc verbrannt wurde – und die riesige Kathedrale Rouens hinter sich liegenlassen müssen. Mittelalterliche hohe Fachwerkhäuser, bürgerliche und aristokratische Steinhäuser säumten das Kopfsteinpflaster der Straßen. Deutlich enger und kleinstädtischer hätte sich dann bald die Gasse gezeigt, in der sich die Baumschule Prévost fils befand. Heute steht an diesem Platz ein altes zweigeschossiges Backsteinhaus mit mehreren Dachgauben.

Monsieur Prévost war Professor der Botanik und gleichzeitig ein Praktiker. 1829 ließ er einen umfangreichen Verkaufskatalog für seine lieferbaren Rosen drucken, ein Jahr später noch einen Anhang dazu. Es wäre interessant gewesen, das Gespräch zu belauschen, in dem Madame Hébert mit ihm über Pflanzen fachsimpelte und ihm dann gestand, dass auch sie Rosen züchten würde. Vielleicht erzählte sie ihm, wie faszinierend es für sie war, neue Sorten heranzuziehen.

Es mag sein, dass sie ihm so oder ähnlich berichtete, wie sie bei der Züchtung vorgegangen war:

Schon im Herbst habe sie die reifen Hagebutten geerntet und die Rosennüsschen aus ihrer schützenden Hülle befreit. Den Boden für ihre Saatbeete bereite sie sehr sorgfältig vor, verfeinere ihn mit Sand und ziehe gleichmäßige Rillen. An einem möglichst trockenen Novembertag lege sie dann Samen neben Samen hinein und decke ihn dünn mit gesiebter Erde zu. Dann gieße sie die Reihen vorsichtig an. Am Anfang jeder Reihe stelle sie Stöckchen mit einem Schild auf, um später sehen zu können, wo sich Reihen befinden und wer die Mutter der zukünftigen jungen Sämlinge sei.

In den nächsten Jahren müsse sie kranke und schwächliche Pflänzchen aussortieren. Und dann abwarten, bis sich die jungen Rosen entwickelt hatten. Dann würden sie ihre volle Schönheit zeigen, ihre Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, Regen und Kälte. Sie würden zeigen, ob sie dufteten, ob sie fruchtbar waren.

Rosenzucht war ein Glücksspiel, das wusste sie, und jeder Züchter wartete darauf, dass sich die besondere, die außergewöhnliche Rose einfinden würde.

Nicolas-Joseph Prévost hatte sich ihre Rosensorten angesehen und dann entschieden, welche es wert waren, vermehrt und in seinem Katalog angeboten zu werden.

1829 führte er ihre Gallicarose ´Paulina´ und die Carolinarose ´Corymbosa Fulgens´ (Madame Hébert, Rouen) ein. Ein Jahr später bot er ´Reine des Amateurs´ und die Moosrose ´Ponctuée´ an. Er erwähnte, Madame Hébert habe auch diese Moosrose aus Samen gezogen. Sie habe im vergangenen Jahr geblüht und Madame habe sie ihm aus Freundlichkeit zur Vermehrung übergeben.6

Letztendlich sind mehrere ihrer Rosen in den Handel gekommen:

Madame Héberts Rosen

1829 ´Corymbosa Fulgens´ Carolinarose
1829 ´Paulina´ Gallicarose
1830 ´Ponctuée´ Moosrose
1830 ´Reine des Amateurs´ Hybride der Portlandrose
1831 ´Bisson d´Angers´ Chinarose7
1836 ´Président de Sèze´ Gallicarose
1837 ´Hélène Peat´ Gallicarose8

Die oben genannten Jahreszahlen geben nicht an, wann Madame Hébert ihre Rosen gezüchtet hat, sondern wann sie in einem Katalog oder Rosenbuch wohl zum ersten Mal erwähnt wurden. Wahrscheinlich entstanden ihre Rosen zwischen 1822 und 1833.

´Corymbosa Fulgens´ soll für eine Carolinarose recht große helllila Blüten mit roter Mitte gehabt haben. Die Blüte der Gallicarose ´Paulina´ wird als rosafarben, mittelgroß und von regelmäßiger Form beschrieben. Die Moosrose ´Ponctuée´ hatte eine purpurrosa Blüte mit großen weißen Punkten. ´Reine des Amateurs´ zeigt lilarosa, mittelgroße Blüten mit blassem Rand und überrascht mit starkem Duft.

Madame Hébert nannte ihre schönste und heute noch bekannte Rose `Président de Sèze´. Comte Raymond de Sèze (1748-1828) war einer der Anwälte, die den französischen König Louis XVI. vergeblich vor dem Nationalkonvent verteidigten. Später wurde de Sèze geadelt und auch Richter des Kassationsgerichtes in Paris.9

´Président de Sèze´ ist eine gesunde, großblättrige Strauchrose, die mittelhoch wird, sie wird irrtümlich auch ´Mme Hébert´...

Erscheint lt. Verlag 6.4.2022
Sprache deutsch
ISBN-10 3-7562-5098-9 / 3756250989
ISBN-13 978-3-7562-5098-1 / 9783756250981
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